BGH 10. Zivilsenat, Beschluss vom 07.10.2021, AZ X ZB 14/20, ECLI:DE:BGH:2021:071021BXZB14.20.0
§ 91a ZPO, § 299 Abs 1 ZPO, § 567 Abs 1 Nr 2 ZPO
Leitsatz
Akteneinsicht XXV
Ein Beschluss, mit dem das Gericht einem am Rechtsstreit Beteiligten auf der Grundlage von § 299 Abs. 1 ZPO Akteneinsicht gestattet, wird gegenstandslos, wenn sich der Rechtsstreit vor Rechtskraft dieses Beschlusses und vor Gewährung der Einsicht in der Hauptsache erledigt.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Karlsruhe, 23. November 2020, Az: 6 W 50/20
vorgehend LG Mannheim, 1. September 2020, Az: 2 O 111/19
Tenor
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
1
I. Die Klägerin hat die Beklagte wegen Patentverletzung unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat unter anderem den Einwand erhoben, die Klägerin missbrauche eine ihr zukommende marktbeherrschende Stellung. Die Klägerin hat daraufhin zu ihrer Lizenzierungspraxis vorgetragen und beantragt, der Streithelferin der Beklagten nur eine mit Schwärzungen versehene Fassung dieses Schriftsatzes zu überlassen.
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Das Landgericht hat auf Antrag der Streithelferin angeordnet, dass diese Einsicht in die ungeschwärzte Fassung nebst allen Anlagen erhält, die Durchführung aber bis zum Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aufgeschoben ist.
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Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen. Dagegen hat sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewendet.
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Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist der Ausgangsrechtsstreit durch Klagerücknahme beendet worden. Die Klägerin beantragt nunmehr die Feststellung, dass der Beschluss des Landgerichts seine Grundlage verloren hat. Auf einen gerichtlichen Hinweis, dass dies als Erledigungserklärung auszulegen sein könnte, hat die Streithelferin dieser Erklärung zugestimmt.
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II. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist gemäß § 91a Abs. 1 ZPO nur noch über die Kosten der beiden Rechtsmittelinstanzen zu entscheiden.
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1. Der von der Klägerin gestellte Feststellungsantrag stellt eine Erledigungserklärung bezüglich der von ihr eingelegten Rechtsmittel dar.
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a) Mit ihrem Vorbringen, der Beschluss des Landgerichts habe mit Beendigung des Verfahrens in der Hauptsache seine Wirkung verloren, macht die Klägerin der Sache nach geltend, dass die von ihr eingelegten Rechtsmittel wegen Wegfalls der Beschwer unzulässig geworden sind und sich die Rechtsmittel deshalb erledigt haben.
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b) Eine solche Erklärung ist in der vorliegenden Verfahrenssituation zulässig.
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Eine auf ein Rechtsmittel beschränkte Erledigungserklärung ist jedenfalls dann zulässig, wenn dem Rechtsmittel durch ein nachträgliches prozessuales Ereignis die Grundlage entzogen wird (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2003 – VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057).
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Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
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Der Beschluss des Landgerichts ist auf der Grundlage von § 299 Abs. 1 ZPO ergangen. Er setzt mithin voraus, dass die Streithelferin am Rechtsstreit beteiligt und dieser noch anhängig ist.
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Nach Erledigung eines Rechtsstreits steht auch den daran Beteiligten ein Akteneinsichtsrecht nur nach Maßgabe von § 299 Abs. 2 ZPO zu (BGH, Beschluss vom 29. April 2015 – XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 11). Dass das Landgericht eine Einsichtnahme auch auf dieser Grundlage gestattet hat, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen. Der Beschluss des Landgerichts ist deshalb auf die Gewährung von Einsicht während des anhängigen Rechtsstreits beschränkt.
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Nachdem der Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage seine Erledigung gefunden hat, ist der Beschluss gegenstandslos geworden. Damit fehlt es – unabhängig von den sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen – jedenfalls an der für ein Rechtsmittel erforderlichen Beschwer.
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2. Die Streithelferin hat der Erledigungserklärung als Beschwerde- und Rechtsbeschwerdegegnerin wirksam zugestimmt.
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Die Zustimmung unterliegt gemäß § 78 Abs. 3 ZPO nicht dem Anwaltszwang, denn sie kann gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.
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III. In der gegebenen Verfahrenslage entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens gegeneinander aufzuheben. Die ursprünglichen Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde lassen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen.
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Eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO hat nicht den Zweck, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Februar 1986 – X ZR 8/85, GRUR 1986, 531 –; Schweißgemisch; Beschluss vom 15. Juli 2020 – IV ZB 11/20, NJW-RR 2020, 983 Rn. 7).
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Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Frage, ob die Entscheidung eines Gerichts, einem nach § 299 Abs. 1 ZPO Berechtigten gegen den Willen eines anderen Verfahrensbeteiligten Akteneinsicht zu gewähren, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, höchstrichterlich noch nicht entschieden. Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Antrag auf Verwehrung der begehrten Einsicht zwar kein Gesuch im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Grundsätze der Waffengleichheit und des effektiven Rechtsschutzes unter bestimmten Voraussetzungen eine andere Beurteilung gebieten können, ist für die im Streitfall zu beurteilende Konstellation aber noch nicht abschließend geklärt.
- Bacher
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