BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 26.08.2021, AZ 3 B 18/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:260821B3B18.20.0
Verfahrensgang
vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 12. Mai 2020, Az: 1 Bf 78/18, Urteil
vorgehend VG Hamburg, 15. November 2017, Az: 9 K 4667/17, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
I
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Versagung einer Fangerlaubnis für Dorsch in der Ostsee im Jahr 2017.
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Der Kläger ist Inhaber eines Fischereibetriebs und Eigentümer eines mit Baumkurren ausgestatteten Seefischereifahrzeugs, das in der sog. Baumkurrenliste II i.S.v. Art. 29 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates vom 30. März 1998 (ABl. L 125 S. 1), Art. 5 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1922/1999 der Kommission vom 8. September 1999 mit Durchführungsbestimmungen zu der vorgenannten Verordnung (ABl. L 238 S. 8) aufgeführt ist. Er betreibt hauptsächlich Krabbenfang in der Nordsee. Seit 1995 fischte er zusätzlich in der Ostsee u.a. Dorsch. Seinen Antrag auf Zuteilung einer Fangmenge Dorsch in der Ostsee für das Fischereijahr 2017 lehnte die Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben: Die Entscheidung, allen Krabbenfischereibetrieben der Baumkurrenliste II keine Fangmenge für Dorsch zuzuteilen, sei eine fischereipolitische Grundsatzentscheidung, die einer Rechtsverordnung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG bedürfe. Der Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe verstoße zudem gegen Art. 3 Abs. 1 GG als Grenze des der Beklagten zustehenden Ermessens. Nach Umstellung des Klageantrags auf Feststellung, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig waren, hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Krabbenfischereibetriebe im Jahr 2017 im Wege der Fangerlaubnis- bzw. Fangmengenzuteilung von der Dorschfangmengenzuteilung nach § 3 Abs. 1 und 2 SeeFischG ausnehmen dürfen; um eine grundsätzliche, in die Zukunft reichende fischereipolitische Entscheidung, die im Verordnungswege zu treffen sei, handele es sich nicht. Der Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe verletze auch nicht den Gleichheitssatz.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt ist.
II
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
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1. Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob es sich bei dem Ausschluss der in der Baumkurrenliste II eingetragenen Seefischereifahrzeuge aus der Nordsee vom Dorschfang in der Ostsee um eine generelle, in die Zukunft reichende fischereipolitische Maßnahme handelt, für die es nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG einer Rechtsverordnung bedurfte und die nicht in Gestalt eines Verwaltungsaktes hätte getroffen werden dürfen.
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Entscheidungserheblich wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren nur, soweit es um das allein streitgegenständliche Fischereijahr 2017 und die zu diesem Jahr ergangenen Bescheide geht. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Fischereijahr 2017, an die der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden wäre, weil der Kläger in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwiefern die Frage der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen sollte.
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Die Ausübung der Seefischerei bedarf der Erlaubnis (Fangerlaubnis), wenn sie auf Grund des Fischereirechts der Europäischen Union oder aufgrund einer Verordnung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Seefischerei und zur Durchführung des Fischereirechts der Europäischen Union (Seefischereigesetz – SeeFischG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juli 1998 (BGBl. S. 1791) beschränkt wird; die Fangerlaubnis wird im Rahmen der verfügbaren Fangmengen erteilt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 SeeFischG). Bei der Bemessung der Zuteilungen soll der Leistungsfähigkeit und Eignung der Fischereibetriebe, ihrer bisherigen Teilnahme an der betreffenden Fischerei, dem wirtschaftlichen Einsatz der Fischereiflotte und der bestmöglichen Versorgung des Marktes Rechnung getragen werden; ferner kann berücksichtigt werden, ob Fischereibetriebe durch ein Verbot oder eine andere Beschränkung des Fischfangs besonders betroffen sind (§ 3 Abs. 2 SeeFischG). Für die Erteilung der Fangerlaubnisse ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zuständig; sie soll die betroffenen berufsständischen Wirtschaftsverbände vor der Entscheidung, insbesondere bei der Festlegung der Zuteilungsmerkmale, hören; ferner sind die betroffenen Bundesländer anzuhören, wenn die Grundzüge für die Erteilung der Fangerlaubnisse festgelegt werden (§ 3 Abs. 3 SeeFischG). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Erhaltung und wirtschaftlichen Nutzung von Fischbeständen, zur Durchführung des Fischereirechts der Europäischen Union und zur Erfüllung von Verpflichtungen aus internationalen Fischerei-Übereinkommen die Ausübung der Seefischerei – seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. Mai 2021 (BGBl. I S. 1170) auch der Freizeitfischerei – mengenmäßig, zeitlich, räumlich oder in anderer Weise zu beschränken (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG).
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Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem zuständigen Bundesministerium nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG die grundsätzlichen, in die Zukunft reichenden fischereipolitischen Entscheidungen oblägen, die es im Verordnungswege treffe (UA S. 14). Auch auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 SeeFischG könnten aber Entscheidungen getroffen werden, die nicht nur punktuell seien und einzelne Fischereibetriebe beträfen, sondern die übergreifende Auswirkungen auf die betroffene Fischereiwirtschaft insgesamt hätten. Bezögen sich die Merkmale, nach denen die Fangmengen zugeteilt würden, auf eine bestimmte Gruppe von Betrieben, sei es schon aus Gleichbehandlungsgründen regelmäßig geboten, eine generelle Regelung für die gesamte Betriebsart zu treffen. Die Verteilung der Fangmengen erfolge zudem nach bestimmten „Grundzügen“; die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung habe die maßgeblichen „Zuteilungsmerkmale“ festzulegen (§ 3 Abs. 3 Satz 2 und 3 SeeFischG). Das Gesetz setze damit die Verteilung der Fangmengen auf der Grundlage eines bestimmten Konzepts voraus, bei dem es sich nicht um eine generelle fischereipolitische Entscheidung i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG handele. Ausgehend hiervon handele es sich bei dem Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe vom Dorschfang in der Ostsee im Jahr 2017 nicht um eine grundsätzliche fischereipolitische Entscheidung i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG, sondern um „eher untergeordnete Grundzüge“ der Fangerlaubnis- bzw. Fangmengenzuteilung nach § 3 Abs. 1 und 2 SeeFischG (UA S. 15).
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Bezogen auf diese Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts zur Abgrenzung der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für Beschränkungen der Ausübung der Seefischerei im Verordnungswege nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG und der Zuständigkeit der beklagten Bundesanstalt für die Zuteilung von Fangmengen durch Verwaltungsakt nach § 3 SeeFischG legt der Kläger einen Klärungsbedarf nicht dar. Er zeigt auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass eine Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG erforderlich sei, soweit es sich bei einer Fangregelung nicht nur um eine auf die in dem konkreten Jahr verfügbaren Fangmengen bezogene Sonderregelung gemäß § 3 Abs. 3 SeeFischG, sondern um eine generelle, in die Zukunft reichende fischereipolitische Maßnahme handele (UA S. 14). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 14). Es hat allerdings die tatsächlichen Umstände bei Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe vom Dorschfang in der Ostsee im Jahr 2017 anders gewürdigt als das Verwaltungsgericht. Die Einwände des Klägers richten sich im Wesentlichen gegen diese tatrichterliche Würdigung der im Jahr 2017 gegebenen Umstände; insoweit sind sie nicht geeignet, eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen.
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Das gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 11. Juni 1991 – Bf VI 44/89 – (juris) selbst entschieden, dass der Ausschluss von Fahrzeugen mit mehr als 250 RT Bruttoraumgehalt von der Allgemeinen Fangerlaubnis für das Jahr 1986 und die Folgejahre eine generelle fischereipolitische Maßnahme sei, die nicht das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft treffen könne. Maßgebend für diese Entscheidung war die tatrichterliche Würdigung, dass es dem damals zuständigen Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft im Jahr 1986 „in Wahrheit“ nicht darum gegangen sei, eine spezielle, an den Fangmengen dieses Jahres ausgerichtete Verteilungsregelung vorzunehmen, sondern eine generelle, in die Zukunft reichende Regelung zu treffen, um die kleineren Fischereifahrzeuge dauerhaft vor unerwünschter Konkurrenz durch größere Schiffe zu schützen (OVG Hamburg, Urteil vom 11. Juni 1991 – Bf VI 44/89 – juris Rn. 67, 69). Der Kläger macht geltend, dass der Sachverhalt hier sehr ähnlich liege. Das Oberverwaltungsgericht hat einen vergleichbaren Sachverhalt im angefochtenen Urteil aber nicht festgestellt. Es hat vielmehr angenommen, die beklagte Bundesanstalt habe mit dem Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe auf eine erhebliche Verringerung der zur Verfügung stehenden Dorschfangmenge (zunächst) nur im Jahr 2017 und damit auf eine erstmals aufgetretene Sondersituation reagiert (UA S. 16). Der Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe vom Dorschfang im Jahr 2017 habe mit dem Ziel der Beklagten, den Fischereidruck von der Ostsee zu nehmen, nichts zu tun. Der Fischereidruck auf die Ostsee bleibe unverändert; es ändere sich nur der Kreis der Betriebe, von denen der Druck ausgehe (UA S. 17). Dass die Ostseebetriebe die Dorschfangmenge nicht ansatzweise ausfischen würden, sei für die Beklagte nicht absehbar gewesen (UA S. 22). Die Absicht der Beklagten, auch in den Folgejahren entsprechende Regelungen zu Lasten der Krabbenfischereibetriebe zu treffen und sie – wie der Kläger befürchtet – grundsätzlich nicht mehr in die Ostsee zu lassen, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt (UA S. 17).
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Soweit das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, dass der Dorschfang für das wirtschaftliche Überleben der betroffenen Krabbenfischer von untergeordneter Bedeutung sei und nur relativ wenige Betriebe nachteilig betroffen seien, hat es daraus nicht den Schluss gezogen, dass der Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe eine Bagatelle sei. Es hat hierin lediglich einen Gesichtspunkt gesehen, der gegen eine Qualifizierung des Ausschlusses als grundsätzliche fischereipolitische Entscheidung spricht (UA S. 15 f.). Der Hinweis des Klägers, dass § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG keinen Bagatellvorbehalt enthalte, ist mithin ebenfalls nicht geeignet, einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf aufzuzeigen.
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Da die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe in den angefochtenen Verfügungen lediglich die Dorschquote für das Jahr 2017 verteilt und nicht im Wege einer grundsätzlichen, in die Zukunft reichenden fischereipolitischen Entscheidung zulasten der Krabbenfischereibetriebe die Ausübung der Seefischerei beschränkt, nicht der Überprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf, muss auch nicht geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 2 SeeFischG als „mengenmäßig“, „räumlich“ oder „in anderer Weise“ zu qualifizieren ist.
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2. Mit der Frage,
ob der Ausschluss der Krabbenfischereibetriebe von der Zuteilung von Dorschfangmengen gegen Art. 3 Abs. 1 GG als Grenze des der Beklagten zustehenden Ermessens verstößt,
zeigt der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ebenfalls nicht auf. Auch insoweit geht er von einem Sachverhalt aus, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
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Eine Benachteiligung der Krabben- gegenüber den sonstigen Fischereibetrieben, die vornehmlich in der Nordsee auf Frischfischfang gehen, hat das Oberverwaltungsgericht verneint, weil auch diese Betriebe – von einem Sonderfall abgesehen – in 2017 keine Fangmenge Dorsch in der Ostsee erhalten hätten; eine unterstellt ungerechtfertigte Privilegierung des Sonderfalls hätte – so das Oberverwaltungsgericht weiter – keinen Anspruch des Klägers zur Folge, ebenfalls (zu Unrecht) privilegiert zu werden (UA S. 19 f.). An die tatsächliche Feststellung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO); bezogen auf die rechtliche Erwägung zeigt der Kläger einen Klärungsbedarf nicht auf.
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Die Ungleichbehandlung gegenüber den Ostseefischereibetrieben, die im Jahr 2017 eine Fangmenge Dorsch erhalten haben, hat das Oberverwaltungsgericht als gerechtfertigt angesehen durch das Ziel, die infolge der erheblichen Kürzung der Dorschquote in ihrer Existenz gefährdeten Ostseebetriebe zu schützen (UA S. 22). Die Erwägung der Beklagten, dass diese Betriebe auf den Dorschfang mehr angewiesen seien als Nordseebetriebe, die auf (nicht quotierten) Krabbenfang gingen, sei nicht zu beanstanden. Die außergewöhnlich hohen Erlöse des (Ostsee-)Fischereifahrzeugs „W.“ aus dem Krabbenfang in der Nordsee in den Jahren 2016 und 2017 beruhten nicht auf großen Fangmengen, sondern auf den hohen Krabbenpreisen. Dass die Beklagte ihrer Fangmengenzuteilung eine typisierende und generalisierende Betrachtung zugrunde gelegt habe, sei nicht zu beanstanden (UA S. 21). Auch insoweit wäre der Senat an die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts – hier zu den Fangerlösen – in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Klärungsbedarf im Hinblick auf die Typisierungsbefugnis zeigt der Kläger nicht auf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.