Klagebefugnis des Grundeigentümers im Bodenordnungsverfahren. (Beschluss des BVerwG 9. Senat)

BVerwG 9. Senat, Beschluss vom 03.08.2021, AZ 9 B 49/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:030821B9B49.20.0

Leitsatz

Im Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ist der Grundeigentümer hinsichtlich der an den Gebäudeeigentümer erteilten Genehmigungen nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FlurbG klagebefugt.

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 4. September 2020, Az: 7 C 9/19.F, Urteil

Tenor

Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. September 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Kläger sind Teilnehmer eines Bodenordnungsverfahrens (Anordnungsbeschluss vom 11. Oktober 2007). Zum Verfahrensgebiet gehört ein ca. 11 000 m2 großes Flurstück, das im Eigentum zur gesamten Hand der Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft steht. Auf dem Grundstück stehen Gebäude des ehemaligen Rinderkombinats S., die sich im (Gebäude-)Eigentum der … Agrar AG befinden (im Folgenden: Gebäudeeigentümerin).

2

Die Kläger wenden sich gegen einen auf § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 34 Abs. 1 FlurbG gestützten Bescheid, mit dem der Beklagte nachträglich Maßnahmen zur Sturmschädenbeseitigung an verschiedenen, näher bezeichneten Gebäuden der Gebäudeeigentümer auf dem Grundstück der Kläger (zwei Ställe, zwei Bergeräume und ein Lager) genehmigt hat. Der Bescheid stellt ausdrücklich fest, dass die durchgeführten wertbeeinflussenden Maßnahmen bei der Ermittlung des Abfindungswertes im Bodenordnungsverfahren unberücksichtigt bleiben (Ziff. 2 des Tenors); dies soll auch für Änderungen gelten, die von dem nachgenehmigten Umfang nicht erfasst werden (Ziff. 3 Satz 1 des Tenors).

3

Im Gerichtsverfahren begehrten die Kläger Akteneinsicht, um ihre Klage näher begründen zu können. Hierzu wies der Beklagte auf Folgendes hin: Die Akten seien dem Gericht bereits in einem anderen Verfahren der Kläger zum Az. 7 C 6/19.F vorgelegt worden (vgl. hierzu Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 9 B 48.20); es sei aber nur ein Teil dieser Akten für den Ausgangsbescheid herangezogen worden; hinsichtlich der übrigen Aktenteile bestehe kein Einsichtsrecht. Der Berichterstatter des Flurbereinigungsgerichts schloss sich dieser Auffassung an und teilte den Klägern mit, dass „die Akteneinsicht auch bei Gericht auf die Aktenbestandteile beschränkt wird, die die Klage betreffen“.

4

Nachdem die Kläger konkrete Termine zur Akteneinsicht für den Juni 2020 vorgeschlagen hatten, bat der Beklagte Anfang Juni 2020 im Verfahren mit dem Az. 7 C 6/19.F um die zeitnahe Rücksendung eines Teils der vorgelegten Akten; am 9. Juni 2020 wurden einem Vertreter des Beklagten dann ausweislich des Empfangsbekenntnisses 30 Heftungen Behördenakten auf der Geschäftsstelle ausgehändigt, darunter allerdings nicht die Akten zur Nachgenehmigung des Sturmschadens. Diese verblieben als Verwaltungsvorgang beim dortigen Verfahren; die Kläger nahmen am 16. Juni 2020 insoweit Akteneinsicht. Erst im Nachgang informierte der zuständige Berichterstatter des Flurbereinigungsgerichts die Kläger über die Rückgabe der anderen Akten (vgl. Verfügung vom 2. Juli 2020). Zugleich setzte er ihnen eine Frist nach § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Angabe von Tatsachen und wies ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO hin.

5

Im Zusammenhang mit den vorbeschriebenen Vorgängen lehnten die Kläger den Berichterstatter und seine ebenfalls tätig gewordene Stellvertreterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Hierüber entschied das Flurbereinigungsgericht jeweils in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter; die jeweils abgelehnten Richter wirkten ebenfalls nicht mit. Am 4. September 2020, dem Tag der mündlichen Verhandlung, lehnten die Kläger, nachdem sie Kenntnis von den vorgenannten Beschlüssen erlangt hatten, die beiden Berufsrichter erneut ab, diesmal mit der Begründung, dass über ihre Befangenheitsanträge entgegen der gesetzlichen Regelung in § 139 FlurbG ohne die ehrenamtlichen Richter entschieden worden sei. Über dieses Befangenheitsgesuch entschied das Flurbereinigungsgericht in seiner vollen Besetzung, also einschließlich der drei ehrenamtlichen Richter, aber unter Mitwirkung der beiden abgelehnten Richter. Das Gericht wies das Gesuch als rechtsmissbräuchlich zurück und führte anschließend die mündliche Verhandlung in der genannten Besetzung durch. Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid wurde, soweit sie sich nicht gegen die Höhe der im Widerspruchsbescheid festgesetzten Kosten richtete, als unzulässig abgewiesen. Den Klägern fehle die Klagebefugnis für die Anfechtung der Genehmigung, weil die Vorschrift des § 34 FlurbG in der Regel – und so auch hier – nur die Flurbereinigungsbehörde schütze. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.

II

6

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zwar führt sie nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (A); es liegen jedoch mehrere von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmängel vor (B), auf denen das Urteil beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz nach § 133 Abs. 6 VwGO (C).

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A. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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1. Die Frage,

ob eine Klagebefugnis aufgrund eines anderen Besitzstandes grundsätzlich in einem Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ausgeschlossen werden kann, obwohl sich die Beteiligten gemeinsam im Bodenordnungsverfahren befinden,

zielt auf die Frage, ob der Grundstückseigentümer klagebefugt ist, wenn er sich gegen Genehmigungen nach § 63 Abs. 2 LwAnpG, § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FlurbG wendet, die dem Gebäudeeigentümer erteilt worden sind. Sie lässt sich auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens in bejahendem Sinne – und damit entgegen der dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts zugrunde gelegten Auffassung – beantworten:

9

Zwar schützt im Flurbereinigungsverfahren das Genehmigungserfordernis nach § 34 Abs. 1 FlurbG grundsätzlich nicht andere Teilnehmer des Verfahrens; dies schließt aber auch dort die Möglichkeit von Ausnahmen im Einzelfall ein (stRspr, BVerwG, Urteil vom 25. April 1989 – 5 C 24.86 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 3; Beschluss vom 19. November 2020 – 9 B 46.19 – NVwZ 2021, 570). Die Regelung korrespondiert mit dem das Flurbereinigungsrecht beherrschenden Prinzip, dass jeder Teilnehmer eine seiner Einlage entsprechende wertgleiche Abfindung beanspruchen, aber nicht verlangen kann, in bestimmter Lage abgefunden zu werden. Durch die Genehmigungserteilung wird die an ihrer Einlage ausgerichtete Rechtsposition der anderen Teilnehmer der Flurbereinigung grundsätzlich nicht verschlechtert.

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In bestimmten Fallgruppen ist Drittschutz jedoch anerkannt worden, beispielsweise dann, wenn Grundstücke nur unter den Voraussetzungen des § 45 FlurbG verändert oder einem anderen zugeteilt werden dürfen (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1979 – 5 C 3.77 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 2) oder wenn durch ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 2 FlurbG der Wert der Einlage eines anderen Teilnehmers in flurbereinigungsrechtlich beachtlicher Weise beeinträchtigt würde (BVerwG, Urteil vom 25. April 1989 – 5 C 24.86 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 3 S. 2 f.).

11

Mit der letztgenannten Fallgruppe vergleichbar ist das hier betroffene Verhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Gebäudeeigentümer im Bodenordnungsverfahren. Sowohl bei der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung (§ 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. §§ 27 ff. FlurbG) als auch bei der Aufstellung des Bodenordnungsplans (§ 59 LwAnpG) ist die Restnutzungsdauer der Gebäude des Gebäudeeigentümers gemäß dem Rechtsgedanken des § 31 Abs. 1 SachenRBerG zu berücksichtigen. Soweit dem Gebäudeeigentümer nicht ein Nutzungsrecht zusteht, das ihn zu einem Neubau berechtigen würde, führt eine geringe Restnutzungsdauer zu einer Erhöhung des Bodenwertes, die im Rahmen der Wertfestsetzung dem Bodeneigentümer zugutekommt (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 – 9 C 29.15 – BVerwGE 157, 194 Rn. 15).

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Somit wird die Rechtsposition des Bodeneigentümers berührt, wenn dem Gebäudeeigentümer Veränderungen an den Gebäuden erlaubt werden, die Auswirkungen auf die Restnutzungsdauer haben können. Der Bodeneigentümer muss in einem solchen Fall überprüfen können, ob seine rechtlichen Interessen bei der Genehmigungsentscheidung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG, § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FlurbG, die im Ermessen der Bodenordnungsbehörde steht (Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 6), Berücksichtigung gefunden haben. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass – wie vorliegend – die Genehmigung mit der Maßgabe erteilt wird, dass die durchgeführten wertbeeinflussenden Maßnahmen bei der Ermittlung des Abfindungswertes im Bodenordnungsverfahren unberücksichtigt bleiben.

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2. Die Fragen,

ob Änderungen im Sinne von § 34 FlurbG zulässig sind, wenn sie die Zuteilungsentscheidung in einem Bodenordnungsverfahren beeinflussen,

ob die Behörde bei Erteilung einer Genehmigung nach § 34 FlurbG eine mögliche Zuteilungsentscheidung im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens generell mit zu überprüfen hat, wenn keine dauerhaft dinglich gesicherte Nutzung zu Zeiten der DDR vorgelegen hat,

ob bei entsprechender Anwendung des § 34 FlurbG im Bodenordnungsverfahren die dort genannte Nutzungsart der Grundstücke der Nutzungsart der Gebäude gleichsteht,

sind nicht klärungsbedürftig. Die Frage, ob § 34 FlurbG im Bodenordnungsverfahren entsprechend angewandt werden kann, wird in der Rechtsprechung der Flurbereinigungsgerichte (vgl. etwa: Sächsisches OVG, Urteil vom 27. April 2012 – F 7 C 17.10 – RzF 30 zu § 34 Abs. 1 FlurbG; Thüringer OVG, Urteil vom 7. Mai 2007 – 7 F 160/06 – RzF 28 zu § 34 Abs. 1 FlurbG) und in der Kommentarliteratur (Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 10) ohne Weiteres bejaht. Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich Änderungen im Sinne von § 34 FlurbG zulässig sind, auch wenn sie die Zuteilungsentscheidung in einem Bodenordnungsverfahren beeinflussen. Bei der Wertermittlung und bei der Aufstellung des Bodenordnungsplans wird – wie oben ausgeführt – die geringe Restnutzungsdauer eines Gebäudes zu Gunsten des Bodeneigentümers berücksichtigt, wenn dem Gebäudeeigentümer nicht ein Nutzungsrecht zusteht, das ihn zu einem Neubau berechtigen würde. Zusätzlichen Klärungsbedarf hierzu hat die Beschwerde nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

14

Die zur Nutzungsart der Grundstücke bzw. Gebäude (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG) gestellte Frage ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil Gegenstand der erteilten Genehmigung nicht eine Veränderung der Nutzungsart, sondern eine wesentliche Veränderung der Gebäude ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 FlurbG).

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3. Die Fragen,

in welcher Besetzung die Flurbereinigungsgerichte bei Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung entscheiden,

und ob ein Richter nach abgelehntem Befangenheitsantrag über die Anhörungsrüge gegen den Ablehnungsbeschluss mitentscheiden darf,

sind in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren ist grundsätzlich nur das angegriffene Urteil (§ 132 Abs. 1, § 137 Abs. 1 VwGO), nicht aber unanfechtbare vorgelagerte Entscheidungen, wie diejenigen über die Befangenheit oder Anhörungsrügen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

16

Zwar kann die Rüge der unrichtigen Entscheidung über das Befangenheitsgesuch ausnahmsweise dann als Verfahrensfehler beachtlich sein, wenn die fehlerhafte Entscheidung über die Ablehnung zugleich eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Recht auf den gesetzlichen Richter) beinhaltet; eine solche Ausnahme liegt hier nach Auffassung des Senats auch vor. Denn das Flurbereinigungsgericht hätte den zuletzt gestellten Befangenheitsantrag nicht als missbräuchlich zurückweisen dürfen, sodass die Richterbank bei der Abfassung des Urteils fehlerhaft besetzt war (s. dazu im Einzelnen unter B).

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Eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen ergibt sich gleichwohl nicht. Denn durch die Aufhebung des Urteils ist der ihm anhaftende Verfahrensmangel überholt. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die von den Klägern aufgeworfenen Fragen der richtigen Besetzung sich erneut stellen werden. Es steht weder fest, dass die frühere, vor allem aus der Behandlung des Akteneinsichtsgesuchs hergeleitete Besorgnis der Befangenheit bei den Klägern auch dann fortbesteht, wenn das Flurbereinigungsgericht nach den Maßgaben des vorliegenden Beschlusses neu entscheidet, noch steht fest, dass das Flurbereinigungsgericht im Falle eines etwaigen erneuten Befangenheitsgesuchs wiederum in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter – oder auch unter Mitwirkung der abgelehnten Berufsrichter – entscheidet. Soweit die Kläger beanstandet haben, dass an den früheren Beschlüssen ein Richter am Verwaltungsgericht mitgewirkt hat, dürfte es sich um einen zum Zwecke der Erprobung an das Oberverwaltungsgericht abgeordneten Richter gehandelt haben.

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B. Die Beschwerde macht aber zu Recht Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.

19

1. Allerdings liegt kein absoluter Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 138 Nr. 1 VwGO) darin, dass das Urteil des Flurbereinigungsgerichts in der Besetzung ohne einen planmäßigen Vorsitzenden Richter ergangen ist, sondern stattdessen mit einer beisitzenden Richterin in Vertretung des Vorsitzenden. Zwar muss der planmäßige Vorsitzende eines Flurbereinigungsgerichts ein statusrechtlicher Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht sein (BVerwG, Urteil vom 29. April 1998 – 11 C 6.97 – BVerwGE 106, 345); für Vertretungsfälle – wie hier – lässt diese Entscheidung jedoch ausdrücklich eine Abweichung zu.

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2. Kein absoluter Verfahrensmangel liegt auch darin, dass das Flurbereinigungsgericht über die beiden ersten Befangenheitsanträge ohne die drei ehrenamtlichen Richter (§ 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG)entschieden hat.

21

Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen sind nach § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angreifbar und unterliegen deshalb – wie oben bereits ausgeführt wurde – grundsätzlich nicht der Überprüfung im Revisionsverfahren, es sei denn, die fehlerhafte Entscheidung über die Ablehnung beinhaltet zugleich eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Recht auf den gesetzlichen Richter). Eine auf diese Weise verursachte fehlerhafte Besetzung der Richterbank setzt voraus, dass die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 1 BvR 1273/07 – NVwZ-RR 2008, 289 <290>; Kammerbeschlüsse vom 11. März 2013 – 1 BvR 2853/11 – juris Rn. 28 ff. und vom 5. Mai 2021 – 1 BvR 526/19 – juris Rn. 22, 26; BVerwG, Beschlüsse vom 4. Mai 2011 – 7 PKH 9.11 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 60 Rn. 3 und vom 15. Mai 2008 – 2 B 77.07 – NVwZ 2008, 1025 Rn. 6; Kopp/Schenke, 26. Aufl. 2020, § 54 Rn. 22, § 132 Rn. 21).

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Hierfür reicht allein ein Fehler bei der Gesetzesanwendung nicht aus; Willkür liegt erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm in krasser Weise fehlgedeutet wird. Eine derart willkürliche Fehldeutung der die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts regelnden Normen liegt hier nach Auffassung des Senats nicht vor; vielmehr handelt es sich um eine in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärte Frage, die in der Praxis der Flurbereinigungsgerichte unterschiedlich gehandhabt wird.

23

Nach § 138 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, der nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung unberührt geblieben ist (§ 190 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist in jedem Land bei dem obersten Verwaltungsgericht ein Senat für Flurbereinigung (Flurbereinigungsgericht) einzurichten. Für die Gerichtsverfassung und das Verfahren gelten die Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit in den §§ 139 bis 148 FlurbG nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine solche abweichende Regelung enthält § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, wonach das Flurbereinigungsgericht in der Besetzung von zwei Richtern und drei ehrenamtlichen Richtern verhandelt und entscheidet, von denen nach § 139 Abs. 2 Satz 2 FlurbG ein ehrenamtlicher Richter zum höheren Dienst der Flurbereinigungsbehörden befähigt sein muss und mindestens drei Jahre in Flurbereinigungsangelegenheiten tätig gewesen sein soll. Diese besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts dient der sachgerechten Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden besonderen Sachverhalte (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1998 – 11 C 6.97 – BVerwGE 106, 345 <346 f.> m.w.N.; vgl. zur besonderen Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts auch BVerwG, Beschluss vom 8. März 2017 – 9 B 57.16 – Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 92 Rn. 14).

24

Die Vorschrift ist hinsichtlich der Besetzung eine Spezialregelung zu § 9 Abs. 3 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2005 – 10 B 44.05 – juris Rn. 5), wonach die Senate des Oberverwaltungsgerichts in der Besetzung von drei Richtern entscheiden und landesrechtlich eine Besetzung mit fünf Richtern, davon zwei ehrenamtlichen Richtern vorgesehen werden kann; dabei kann auch geregelt werden, dass die ehrenamtlichen Richter bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mitwirken (Stelkens/Panzer, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 9 Rn. 16, s. etwa § 109 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010, GV. NRW S. 30; § 17 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 27. Oktober 1997, GVBl. I S. 381). Letzteres ist für das Verwaltungsgericht sogar generell vorgesehen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO); dort wirken bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden die ehrenamtlichen Richter nicht mit. Da in Sachsen eine Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern an den Oberverwaltungsgerichten aber grundsätzlich nicht vorgesehen ist, gibt es hier schon deshalb keine landesrechtliche Regelung zur Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern außerhalb der mündlichen Verhandlung.

25

Die Formulierung „verhandelt und entscheidet“ könnte zwar für ein enges, auf die mündliche Verhandlung beschränktes Verständnis sprechen, sodass für Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung im Flurbereinigungsgesetz eine Regelungslücke bestünde, deren Ausfüllung sich nach der Verwaltungsgerichtsordnung und dem jeweiligen – nicht revisiblen – Landesrecht richten würde.

26

Der Sinn und Zweck der speziellen Besetzungsvorgaben in § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG spricht jedoch eher für ein weites Verständnis, sodass hiervon nicht nur Urteile, sondern auch Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung erfasst werden und bundesweit sämtliche Entscheidungen des Flurbereinigungsgerichts grundsätzlich in voller Besetzung ergehen müssten. Auch bei derartigen Entscheidungen, wie etwa Eilbeschlüssen, Prozesskostenhilfeentscheidungen, Einstellungsbeschlüssen nach übereinstimmender Erledigungserklärung oder Streitwertbeschlüssen kann es entscheidend auf den besonderen Sachverstand der ehrenamtlichen Richter ankommen. Probleme bereitet bei dieser Auslegung allerdings eine Abgrenzung zu bloßen Formalbeschlüssen wie etwa Einstellungsbeschlüssen nach Klagerücknahme oder Beiladungsbeschlüssen; auch diese müssten konsequenterweise stets in voller Besetzung ergehen. Der Katalog in § 87a Abs. 1 VwGO mit Entscheidungen, die dem Berichterstatter übertragen sind, geht über bloße Formalentscheidungen hinaus; er könnte gleichwohl als ein Anhaltspunkt herangezogen werden, sodass etwa bloße Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme durch den Berichterstatter ergehen könnten.

27

Die Entstehungsgeschichte des § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist für die Auslegungsfrage nicht aufschlussreich. Die Regelung ist seit Erlass des Flurbereinigungsgesetzes am 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 591) wortgleich mit der heutigen Fassung. Sie geht auf den Regierungsentwurf eines Flurbereinigungsgesetzes vom Mai 1952 zurück, dessen Fassung des § 141 Abs. 1 Satz 2 FlurbG allerdings noch eine Besetzung mit einem Richter und zwei Beisitzern vorsah (BT-Drs. 1/3385 S. 48). Die Änderung der Besetzung (Erhöhung auf zwei Richter und drei Beisitzer) geht auf den Vorschlag des Bundesrates zurück; angesichts der Bedeutung und Tragweite der vom Flurbereinigungsgericht zu treffenden Entscheidungen sei eine stärkere Besetzung geboten. Es sei erforderlich, den Vorsitzenden im Interesse der Rechtsfindung und zum Zwecke seiner Entlastung durch einen zweiten Berufsrichter zu unterstützen. Außerdem erscheine es aus agrarpolitischen Gründen notwendig, die Zahl der bäuerlichen Beisitzer zu verstärken (BT-Drs. 1/3385 S. 65). Die Entstehungsgeschichte betont damit zwar die besondere Sachkunde des Gerichts; für die hier aufgeworfene Frage der Entscheidungen außerhalb der mündlichen Verhandlung geben die Materialien indes nichts her. Auch die Kommentar- und sonstige Literatur geht – soweit ersichtlich – nicht auf die Frage ein (vgl. etwa Seehusen/Schwede/Nebe, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar 1954 und 2. Aufl. 1966; Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Loseblattkommentar, Stand April 1989; Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2018; Stiebens, DVBl 1971, 98).

28

Dies zugrunde gelegt erscheint die Verfahrensweise des Flurbereinigungsgerichts jedenfalls nicht durch eine willkürliche Entfernung von den gesetzlichen Vorgaben geprägt.

29

3. Nach Maßgabe der oben genannten Grundsätze liegt ein durchgreifender Verfahrensmangel aber darin, dass der am Verhandlungstag gestellte Befangenheitsantrag gegen die beiden Berufsrichter unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als rechtsmissbräuchlich verworfen worden ist, da er „offensichtlich der Verhinderung der Durchführung der mündlichen Verhandlung“ diene. Mangels objektiver Anhaltspunkte für diese Einschätzung hält der Senat diesen Verfahrensfehler für derart schwer, dass er in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt.

30

Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. April 2020 – 5 B 15.20 D – juris Rn. 3 und vom 29. Januar 2014 – 7 C 13.13 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5 m.w.N.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das ist unter anderem der Fall, wenn das Gesuch rechtsmissbräuchlich ist, weil es offenbar grundlos ist oder nur der Verschleppung dient (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 – 1 BvR 1288/14 – juris Rn. 15 f.). Bei der Frage, ob ein Ablehnungsgesuch als unzulässig behandelt und durch den abgelehnten Richter selbst entschieden werden kann, ist ein Gericht in besonderem Maße verpflichtet, das Ablehnungsgesuch seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen und gegebenenfalls wohlwollend auszulegen, da es andernfalls leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein kann, tatsächlich im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Februar 2006 – 2 BvR 836/04 – BVerfGK 7, 325 <340> = NJW, 3129 Rn. 50).

31

An den Voraussetzungen für eine – nach alledem nur ausnahmsweise mögliche – Ablehnung des Befangenheitsantrags als missbräuchlich fehlte es hier. Für die vom Flurbereinigungsgericht angenommene Verschleppungsabsicht bestanden keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere handelte es sich nicht um eine bloße Wiederholung der Gründe für die früheren Richterablehnungen. Bei verständiger Auslegung des am Verhandlungstag zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gestellten und begründeten Befangenheitsgesuchs hätte das Flurbereinigungsgericht erkennen müssen, dass es den Klägern darum ging, eine Entscheidung über die ursprünglichen Befangenheitsanträge in der vollen Besetzung nach § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zu erreichen oder zumindest eine Erläuterung für die Abweichung vom Gesetzestext zu erhalten. Zur Begründung hatten sie angeführt, ihnen sei erst jetzt – auf Nachfrage – zur Kenntnis gelangt, dass das Gericht zuvor zweimal ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter über die Befangenheitsanträge entschieden habe. Dies entspreche nicht den Vorgaben des § 139 FlurbG zum gesetzlichen Richter. Auch habe ein Richter am Verwaltungsgericht mitgewirkt, was sich ihnen nicht erschließe. Da die Kläger auch im Vorfeld der auf den 4. September 2020 anberaumten mündlichen Verhandlung keinen Terminverlegungsantrag gestellt hatten, worauf sie zutreffend in ihrer Beschwerdebegründung hinweisen, deutete nichts auf eine Verschleppungsabsicht hin. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde vielmehr einmal von Amts wegen und einmal auf Antrag des Beklagtenvertreters verlegt. Daher wäre es geboten gewesen, die Vorwürfe der Kläger einer objektiven Klärung durch einen neutralen, unvoreingenommenen Richter zuzuführen, um zu verhindern, dass die abgelehnten Richter ihre eigene Prozessführung – hier in Bezug auf die gerügten Besetzungsfragen – beurteilten und sich so zum Richter in eigener Sache machten.

32

Das angefochtene Urteil beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem Verfahrensmangel, denn hierdurch hat das Flurbereinigungsgericht zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.

33

4. Die Beschlüsse des Flurbereinigungsgerichts vom 23. September 2020 betreffend die Anhörungsrügen gegen die Ablehnung der Befangenheitsanträge sind nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils und damit nicht Gegenstand der Überprüfung des Senats im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 132 Abs. 1, § 133 Abs. 1 VwGO).

34

5. Das Flurbereinigungsgericht hat zudem verfahrensfehlerhaft die Anforderungen an die Klagebefugnis überspannt. Es hätte über die Klage nicht (überwiegend) durch Prozessurteil entscheiden dürfen.

35

Zwar ist die Frage, ob das vorinstanzielle Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Vorgerichts aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt fehlerhaft sein sollte. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall der Verneinung der Klagebefugnis, wenn auf der Grundlage des tatsächlichen Prozessstoffes das Gericht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung prüft, diesen dann aber unzutreffend zum Nachteil der Klagepartei würdigt. Anders stellt sich die Rechtslage aber dar, wenn die Vorinstanz die Voraussetzungen gerade der Prozessrechtsnorm unzutreffend beurteilt, etwa bei einer Verkennung der prozessualen Bedeutung des § 42 Abs. 2 VwGO, weil ein zu strenger Maßstab an die notwendige Geltendmachung einer Rechtsverletzung angelegt wird. In diesem Falle missachtet das Gericht eine den äußeren Verfahrensgang regelnde Vorschrift. Insbesondere wenn das Vorgericht die prozessualen Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO überspannt und infolgedessen vom Fehlen einer Sachentscheidungsvoraussetzung ausgeht, kann nicht mehr lediglich von einer fehlerhaften Subsumtion des Sachverhalts ausgegangen werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juni 2007 – 7 B 4.07 – juris Rn. 7 und vom 21. Juli 2014 – 3 B 70.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68; Wysk, in: ders., VwGO, 3. Aufl. 2020, Vorb. §§ 40 bis 53 Rn. 14 m.w.N.).

36

Das Flurbereinigungsgericht hat hier deutlich überzogene Anforderungen an die Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO gestellt. Die Kläger haben diese Anforderungen bereits dadurch erfüllt, dass sie sich als Bodeneigentümer gegen eine an den Gebäudeeigentümer erteilte Genehmigung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG, § 34 Abs. 1 FlurbG wenden. Wie oben ausgeführt, muss ein Grundeigentümer überprüfen können, ob bei einer solchen Genehmigung seine rechtlich geschützten Interessen gewahrt werden. Indem das Oberverwaltungsgericht die Kläger stattdessen auf die Anfechtung der Ergebnisse der Wertermittlung verweist, überspannt es die Anforderungen an die Klagebefugnis. Der Rechtsschutz kommt in diesem Stadium zu spät, weil eine durch Baumaßnahmen an den Gebäuden veränderte Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach den oben dargestellten Maßgaben bei der Wertermittlung zu berücksichtigen ist, wenn nicht durch entsprechende Maßgaben in der Genehmigungsentscheidung etwas Anderes festgelegt wird.

37

Das angefochtene Urteil beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf dem Verfahrensmangel. Denn infolge der Klageabweisung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil ist das Oberverwaltungsgericht den von den Klägern geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht nachgegangen.

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6. Keinen Erfolg hat die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

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Das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört die Möglichkeit der Akteneinsicht; diese dient auch dem umfassenden Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG. Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich dabei auf alle dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegenden Akten mit ihrem gesamten Inhalt. Die Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine Bedeutung hat. Denn über den Beweiswert vorgelegter Akten kann und darf es sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu deren Inhalt zu äußern (BVerfG, Beschluss vom 13. April 2010 – 1 BvR 3515/08 – NVwZ 2010, 954 Rn. 36 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 – 9 C 235.86 – Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5 S. 3 f.).

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Im Unterschied zum Parallelverfahren 9 B 48.20, in dem den Klägern zum dortigen Streitgegenstand (Gebietserweiterung) gehörende Aktenbestandteile nicht zur Einsicht vorgelegt worden sind, ist vorliegend nichts Vergleichbares erkennbar. Vielmehr haben die Kläger am 16. Juni 2020 Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge zum angefochtenen Bescheid vom 10. Januar 2019 (Nachgenehmigung der Beseitigung von Sturmschäden) erhalten. Die im Verfahren 9 B 48.20 erhobene Rüge, ausweislich der durchlaufenden Zählung im Aktenvorgang seien Aktenbestandteile herausgenommen worden, bezieht sich allein auf den dortigen Gegenstand der Erweiterung des Bodenordnungsgebiets.

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Zwar rügen die Kläger zu Recht, die erteilte Genehmigung habe ihren Ausgangspunkt in einem von ihnen an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 30. November 2018, mit dem sie auf durch den Gebäudeeigentümer vorgenommene Veränderungen auf ihrem Boden hingewiesen haben, und dieses Schreiben sei nicht in dem vom Beklagten bezeichneten Aktenband enthalten, der den zum streitgegenständlichen Bescheid führenden Vorgang vollständig abbilden solle. Da das Akteneinsichtsrecht sich gerade auch auf Bestandteile erstreckt, die vom Einsichtbegehrenden selbst eingebracht worden sind, damit die Vollständigkeit der Akten überprüft werden kann (Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 100 Rn. 6), war der zum streitgegenständlichen Bescheid führende Verwaltungsvorgang damit unvollständig. Hierbei handelte es sich jedoch um eine bloße Unordnung in der Aktenführung, die zu keiner Rechtsverletzung der Kläger geführt hat. Denn ausweislich des Vermerks zur Akteneinsicht vom 16. Juni 2020 haben die Kläger auch diejenige Akte, in die ihr Schreiben eingeheftet worden ist (780.4322:250529<10.603), einsehen können.

42

7. Die von den Klägern gerügte Verbindung des Verfahrens zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung (vgl. § 93 Satz 1 VwGO) mit einem anderen – ebenfalls von ihnen geführten – Verfahren, das nach ihrer Auffassung einen anderen Gegenstand hat, kann wiederum gemäß § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden und unterliegt deshalb nicht der Überprüfung in der Revisionsinstanz (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO).

43

C. Der Senat übt sein ihm im Rahmen von § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumtes Ermessen dahin aus, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird. Dies dient der Verfahrensbeschleunigung, weil durch die noch fehlende Sachprüfung möglicherweise weitere Tatsachenfeststellungen des Flurbereinigungsgerichts erforderlich werden.

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D. Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.