BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 28.06.2021, AZ 4 BN 67/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:280621B4BN67.20.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 21. September 2020, Az: 10 D 59/18.NE, Urteil
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. September 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Mit der Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dringt die Antragstellerin nicht durch. Die geltend gemachten Verfahrensmängel werden nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Ordnungsgemäß bezeichnet ist ein Verfahrensmangel nur, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht.
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a) Ein Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO folgt aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
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Hinweise auf die für das Verfahren maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte und prozessuale Anregungen gehören im Interesse einer konzentrierten Prozessführung bereits im vorbereitenden Verfahren zu den Aufgaben des Richters (§ 86 Abs. 3, §§ 87, 104 Abs. 1 VwGO), auch wenn hierdurch die Prozesschancen eines Beteiligten verringert werden. Allerdings sind dabei insbesondere die verfassungsrechtlichen Grundsätze des fairen Verfahrens, der Waffengleichheit der Beteiligten und der richterlichen Neutralität zu beachten. Dies verbietet dem Gericht, sich als „Reparaturbetrieb“ für die Verwaltung zu betätigen und zielgerichtet die Behebung von Fehlern in einem ergänzenden Verfahren zu initiieren (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 9 A 16.16 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 83 Rn. 7 ff.). Es ist nichts dafür dargetan, dass das Gericht mit seiner Hinweisverfügung vom 11. Mai 2020 die ihm gesetzten Grenzen überschritten hat. Ein Hinweis auf die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts war bei der gerade in Pandemiezeiten naheliegenden Anfrage, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet wird, im Interesse der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung angezeigt. Eine Anleitung zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens war damit nicht verbunden. Unbeachtlich ist, dass die Antragsgegnerin auf dieser Grundlage die ihr vom Gesetz eröffneten Möglichkeiten sodann eigenständig genutzt hat. Die Vermutung der Antragstellerin, das Gericht habe der Antragsgegnerin eine zweite Niederlage vor Gericht ersparen wollen, bleibt eine durch nichts belegte Spekulation.
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b) Die Antragstellerin legt auch nicht dar, dass das Urteil der Vorinstanz auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz beruht. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die als Verfahrensfehler rügefähige Verpflichtung, den festgestellten Sachverhalt der rechtlichen Würdigung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Insbesondere darf das Gericht nicht solche von ihm festgestellten Tatsachen und Beweisergebnisse unberücksichtigt lassen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm aufdrängen muss. Übergeht es eine derartige Feststellung, fehlt es an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage für die Überzeugungsbildung, auch wenn diese als solche nicht zu beanstanden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 – 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 <339> und vom 27. November 2014 – 7 C 20.12 – BVerwGE 151, 1 Rn. 43; Beschlüsse vom 29. Januar 2019 – 4 B 73.17 – juris Rn. 5 und vom 6. November 2020 – 6 B 29.20 – NVwZ-RR 2021, 207 Rn. 41).
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Die Antragstellerin bringt vor, das Oberverwaltungsgericht habe seiner Prüfung, wann es zu dem durch das ergänzende Verfahren zu behebenden Fehler – dem Ausschluss von zentren- und nahversorgungsrelevanten Randsortimenten – gekommen sei und ab welchem Stadium das Verfahren folglich neu habe durchgeführt werden müssen, einen unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Zu Unrecht sei es davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der erneuten öffentlichen Auslegung des Planentwurfs die entsprechenden Randsortimente noch zulässig gewesen seien, und auf dieser Grundlage habe es die Notwendigkeit einer erneuten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs verneint. Damit ist für den behaupteten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nichts dargetan. Denn danach hat das Oberverwaltungsgericht nicht den von ihm festgestellten Sachverhalt nur unvollständig verwertet. Vielmehr bemängelt die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt unzutreffend erfasst und festgestellt habe.
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Soweit dies nach Ansicht der Antragstellerin darauf beruht, dass ihr diesbezüglicher Vortrag nicht berücksichtigt worden sei, bleibt auch die damit der Sache nach erhobene Gehörsrüge ohne Erfolg. Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet die Gerichte, den Vortrag der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Dieser Verpflichtung ist das Oberverwaltungsgericht ausweislich der hierauf bezogenen Ausführungen im angegriffenen Urteil (UA S. 16 f.; juris Rn. 57) nachgekommen. Dem steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht dem Tatsachenvortrag und der Rechtsansicht der Antragstellerin nicht gefolgt ist (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 – 1 BvR 682/12 – NVwZ 2018, 1561 Rn. 19 m.w.N.).
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2. Die von der Beschwerde behauptete Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht dargetan. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
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a) Soweit die Beschwerde die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung betrifft, zeigt sie entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze, mit denen das Oberverwaltungsgericht von der in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein soll, nicht auf.
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Die Beschwerde verweist auf die vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung besteht, wenn (1.) der Entwurf des Bauleitplans nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, (2.) die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (siehe BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2020 – 4 BN 25.19 – ZfBR 2020, 676 Rn. 7 und die dort genannten Beschlüsse). Sie bemängelt, dass das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt nicht anhand dieser Kriterien prüfe um festzustellen, ob auf eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung habe verzichtet werden können. Soweit die Antragstellerin im Weiteren ausführt, dass das (erste) Kriterium – ob bereits Gelegenheit bestanden habe, zum Planentwurf Stellung zu nehmen – fehlerhaft geprüft und bejaht worden sei, ist dies als – unterstellt – unrichtige Anwendung von Rechtssätzen von vornherein ungeeignet, eine Divergenz darzutun (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 16. Juni 2020 – 4 BN 53.19 – juris Rn. 3).
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Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zeigt die Beschwerde auch in Bezug auf das zweite benannte Kriterium nicht auf. Sie entnimmt den fallbezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts den übergreifenden abstrakten Rechtssatz, dass auf eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung verzichtet werden kann, wenn mit der Änderung im ergänzenden Verfahren negative Auswirkungen auf die Planbetroffenen und insbesondere auf den Antragsteller nicht verbunden sind. Soweit damit auf negative Auswirkungen der Planänderung abgestellt werde, stehe das mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Einklang, bei der es lediglich auf abwägungsrelevante Gesichtspunkte ankomme.
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Es ist bereits zweifelhaft, ob damit – wie für die Divergenz erforderlich – dargetan ist, dass zwischen den von der Beschwerde als divergierend angesehenen Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt bestimmter Rechtsvorschriften oder eines Rechtsgrundsatzes besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2020 – 6 B 29.20 – NVwZ-RR 2021, 207 Rn. 35 m.w.N.). Denn nach dem Begründungsgang des Oberverwaltungsgerichts liegt es nahe, dass es mit den erwähnten Ausführungen lediglich einzelfallbezogen eine weitere Fallgestaltung entscheidet, in der die nochmalige Durchführung des Beteiligungsverfahrens nach Maßgabe der von ihm angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 8. März 2010 – 4 BN 42.09 – Buchholz 406.11 § 4a BauGB Nr. 1 Rn. 11) eine bloße Förmlichkeit wäre und folglich entbehrlich ist. Geht man hiervon aus, treten diese Erwägungen neben die von der Beschwerde zitierten Rechtssätze. In den Worten der Antragstellerin „ergänzen sie den Kriterienkatalog“ und verdrängen ihn nicht. Die Einordnung des als abweichend benannten Rechtssatzes des Oberverwaltungsgerichts kann aber letztlich dahinstehen. Denn das Oberverwaltungsgericht stellt selbstständig tragend („auch im Übrigen“, UA S. 16 juris Rn. 57) ausdrücklich darauf ab, dass hier ein Fall vorliege, in dem ein erneutes Beteiligungsverfahren sich als bloße Förmlichkeit darstelle. Gegen diese Begründung wendet sich die Beschwerde ohne Erfolg (siehe oben 1.b)), sodass jedenfalls die Voraussetzungen einer Revisionszulassung bei einer Mehrfachbegründung nicht gegeben sind (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 und vom 26. August 2019 – 4 BN 1.19 – NVwZ 2020, 326 Rn. 28).
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b) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Beschwerde eine Divergenz bei der Prüfung der Festsetzung des Einzelhandelsausschlusses auf der Grundlage des § 9 Abs. 2a BauGB geltend.
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Die Antragstellerin beruft sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2013 – 4 C 13.11 – (BVerwGE 146, 137 Rn. 19), wonach es darauf ankommt, ob der – unter Nutzung des planerischen Gestaltungsspielraums der Gemeinde – festgesetzte Einzelhandelsausschluss geeignet ist, das vom Plangeber ins Auge gefasste Ziel zu fördern. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn in einem Zentrenkonzept die für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Zentren entscheidenden und mithin zentrenbildenden Sortimente festgelegt werden und diese Sortimente in einem Bebauungsplan für ein Gebiet außerhalb der Zentren ausgeschlossen werden. Eine planerische Lenkung und damit längerfristige Beeinflussung der Entwicklung wird bereits durch den Ausschluss der für die Zentren konstitutiven Sortimente an anderer Stelle bewirkt. Etwas anderes kann nur in offensichtlichen Ausnahmefällen gelten, in denen der Ausschluss zentrenbildender Sortimente keinerlei Beitrag zum Zentrenschutz leisten kann.
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Die Beschwerde zeigt indessen keinen hiervon abweichenden Rechtssatz auf, der dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zugrunde liegt und der eine nach Ansicht der Antragstellerin völlig unzureichende gerichtliche Kontrolle der Planungen rechtfertigen soll. Von vornherein unbeachtlich ist insoweit der Hinweis auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil auf S. 19 f. des Abdrucks (juris Rn. 64). Denn damit wird nicht der „Verzicht auf jedwede Nachweisführung“ belegt; vielmehr geht es dort im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15. Mai 2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573 Rn. 11) nur um zu erwartende schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne der Gefahrenabwehr, die aber den planerischen Gestaltungsmöglichkeiten ausdrücklich gegenübergestellt wird. Auch in Bezug auf die Überprüfung, ob die auf den Zentrenschutz ausgerichteten Planungen zur Zielerreichung geeignet sind, zeigt die Beschwerde den behaupteten divergierenden Prüfungsmaßstab nicht auf. Die Beschwerde macht vielmehr im Stile der Begründung eines zugelassenen Rechtsmittels geltend, dass die inhaltliche Kontrolle der Einzelhandelsplanung durch das Oberverwaltungsgericht nur unzureichend sei und den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht genüge. Mit der fehlerhaften Anwendung von Rechtssätzen, die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegen, kann die Divergenzrüge aber nicht begründet werden. Für einen vom Oberverwaltungsgericht konkludent aufgestellten abweichenden Maßstabssatz ist nichts dargetan (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 28. August 2018 – 2 B 4.18 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 59 Rn. 31).
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3. Schließlich dringt die Beschwerde auch mit der Grundsatzrüge nicht durch. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91>). Diese Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht dar.
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a) Die zunächst als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen,
Welche Anforderungen sind an die gerichtliche Prüfungstiefe der Qualität zentraler Versorgungsbereiche zu stellen, zu deren Schutz ein Einzelhandelsausschluss gestützt auf § 9 Abs. 2a BauGB beschlossen wird, wenn sich zeigt, dass die als solche bezeichneten zentralen Versorgungsbereiche diese Funktion tatsächlich nicht mehr erfüllen und wenn ein substantiiertes planerisches Konzept zur Wiederherstellung dieser Funktion nicht vorliegt?
Reicht der Hinweis der planenden Gemeinde aus, künftig wieder ein Nahversorgungszentrum errichten zu wollen, das zuvor seine Funktion als solches verloren hat, oder sind hierzu konkrete Feststellungen zu vorhandenem Einzelhandel und bereitstehenden Erschließungsflächen zwecks Ansiedlung von Einzelhandel erforderlich?
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Es ist nicht dargetan, dass sie entscheidungserheblich und folglich in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sind. Denn sie knüpfen an Tatsachen an, die das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 12). Das Oberverwaltungsgericht hat geprüft, ob die ausdrücklich genannten Nahversorgungszentren als zentrale Versorgungsbereiche nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 C 2.08 – BVerwGE 136, 10 Rn. 7 ff.) einzuordnen sind, und dies entgegen der der Fragestellung zugrunde gelegten Annahme bejaht (UA S. 25 f.; juris Rn. 83). Bei der Frage eines Auf- bzw. Ausbaus der zentralen Versorgungsfunktion der beiden Nahversorgungszentren hat es beispielhaft auf die Wiederbelebung vorhandener Leerstände verwiesen, die der Erweiterung vorhandener oder der Ansiedlung weiterer funktionsgerechter Betriebe dienen können.
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b) Die Frage,
Ist als maßgeblicher Zeitpunkt für die der Entscheidung zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage ausnahmsweise in Fällen, in denen durch einen (rechtswidrigen) richterlichen Hinweis ein ergänzendes Verfahren nach § 214 BauGB eingeleitet und abgeschlossen worden ist, durch das materielle Rechtsfehler in der Satzung korrigiert worden sind, nicht der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern der letzte Zeitpunkt vor dem (rechtswidrigen) Hinweis des Gerichts anzusehen?
führt ebenso wenig auf die Zulassung der Revision. Soweit sie mit dem Klammerzusatz auf einen rechtswidrigen gerichtlichen Hinweis abstellt, würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil der Hinweis – wie oben ausgeführt (1.a)) – nicht rechtswidrig war, sondern den prozessrechtlichen Vorschriften entsprach. Für die Fallgestaltung, dass aufgrund eines nicht zu beanstandenden richterlichen Hinweises ein Fehler durch ein ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben wird, ist ein Klärungsbedarf nicht dargetan. Denn die Frage ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres zu verneinen.
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Führt die Gemeinde ein ergänzendes Verfahren durch, erlangt nach dessen Abschluss der ursprüngliche Bauleitplan mit dem geänderten Bauleitplan insgesamt als eine Satzung Wirksamkeit, die sich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammensetzt, während der ursprüngliche Plan nicht mehr existiert (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29. Januar 2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98 Rn. 22 und 18. Februar 2021 – 4 CN 5.19 – juris Rn. 28 m.w.N.). Von diesem Zusammenhang und der damit einhergehenden Änderung der materiellen Rechtslage, die für die gerichtliche Überprüfung grundsätzlich maßgeblich ist, kann nicht deswegen abgesehen werden, weil der Bauleitplan bereits Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens ist. Denn dieses sperrt nicht die Durchführung des ergänzenden Verfahrens. Vielmehr kann die Gemeinde auch vor einem gerichtlichen Ausspruch über die Unwirksamkeit des Bauleitplans das Verfahren im Interesse der Planerhaltung wieder aufnehmen, um einen erkannten oder als möglich angesehenen Fehler zu beseitigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 – 4 BN 42.09 – Buchholz 406.11 § 4a BauGB Nr. 1 Rn. 9; siehe auch Urteil vom 27. Juni 2019 – 7 C 22.17 – Buchholz 406.403 § 64 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 30 m.w.N.). Wenn sich damit die Erfolgsaussichten des anhängigen Normenkontrollantrags ändern, ist darauf gegebenenfalls prozessrechtlich zu reagieren. Der Antragsteller kann eine drohende und als unbillig empfundene Kostenlast durch die Abgabe einer Erledigungserklärung vermeiden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Dezember 2000 – 4 BN 47.00 – BRS 63 Nr. 60 <301> und vom 10. Oktober 2017 – 9 A 16.16 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 83 Rn. 8).
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Die Klärungsfähigkeit der Frage,
Ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren, wenn die gesetzlich in § 214 Abs. 4 BauGB zugelassene rückwirkende Anordnung der Wirksamkeit einer zunächst in unwirksamer Weise erlassenen Satzung nach Behebung des ihr anhaftenden rechtlichen Mangels infolge eines richterlichen Hinweises im laufenden Normenkontrollverfahren dazu führt, dass der Inhalt der Satzung verändert wird?
wird nicht dargelegt. Das der Gemeinde in § 214 Abs. 4 BauGB im Rahmen des Bekanntmachungsverfahrens eingeräumte Ermessen, die durch das ergänzende Verfahren entstandene Satzung rückwirkend in Kraft zu setzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 – 4 CN 2.99 – Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 7), trifft auf rechtliche Schranken, die sich aus höherrangigem Recht, insbesondere aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben können (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 – 4 C 31.85 – BVerwGE 75, 262 <267 f.> und Beschluss vom 7. November 1997 – 4 NB 48.96 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 12 S. 29 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass die Antragstellerin im Vertrauen auf die Ungültigkeit des ursprünglichen Bebauungsplans irgendwelche schutzwürdigen Dispositionen getroffen hat. Ohne solche Tatsachenfeststellungen steht aber nicht fest, dass die Klärung der aufgeworfenen Frage im Revisionsverfahren zu erwarten ist (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 4 BN 36.15 – juris Rn. 12).
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c) Die abschließend aufgeworfenen Fragen,
Sind die Grundzüge der Planung betroffen, die einer Heilung materieller Fehler im ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB entgegenstehen, wenn anders als nach der letzten Planbegründung vor Einleitung des ergänzenden Verfahrens Randsortimente zugelassen werden sollten, die nach der bisherigen Planbegründung zu einer umfangreichen Erweiterung von Verkaufsflächen(führen,)auf denen nahversorgungs- und zentrenrelevante Sortimente zugelassen sind?
Ist davon auszugehen, dass Randsortimente und/oder Annexhandel stets keine nahversorgungs- und zentrenrelevante Auswirkungen haben, auch dann nicht, wenn sie in der Summe der zusätzlichen Verkaufsflächen mehrere tausend Quadratmeter außerhalb der zu schützenden Zentren ausmachen?
sind nicht, wie für die Grundsatzrevision erforderlich, einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich; sie entziehen sich einer abstrahierenden Rechtssatzbildung. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass im Wege des ergänzenden Verfahrens grundsätzlich alle beachtlichen Satzungsmängel behebbar sind. Ausgenommen sind Nachbesserungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu stellen. § 214 Abs. 4 BauGB bietet keine Handhabe dafür, die Planung in ihren Grundzügen zu ändern. Die Identität des Bebauungsplans darf nicht angetastet werden (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 – 4 CN 20.02 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 118 S. 97 m.w.N.; Beschluss vom 15. Mai 2017 – 4 BN 6.17 – BRS 85 Nr. 42 <369>). Unter welchen Voraussetzungen hiernach die Grenzen des Anwendungsbereichs des ergänzenden Verfahrens überschritten sind, richtet sich jedenfalls auch nach dem planerischen Wollen des Satzungsgebers und folglich nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98 Rn. 23).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.