Beschluss des BVerwG 2. Senat vom 17.06.2021, AZ 2 B 56/20

BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 17.06.2021, AZ 2 B 56/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:170621B2B56.20.0

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 4. März 2020, Az: OVG 82 D 1.19, Urteil
vorgehend VG Berlin, 21. November 2018, Az: 85 K 10.13 OB, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

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Die allein auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

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1. Der 1959 geborene Beklagte stand nach einer Berufsausbildung bei der Deutschen Post ab 1981 im Dienst der Volkspolizei der DDR. 1990 übernahm ihn die Klägerin zunächst als Angestellten und ab 1992 unter Berufung in das Beamtenverhältnis als Polizeihauptwachtmeister beim damaligen Bundesgrenzschutz. Im Jahr 2000 beförderte ihn die Klägerin zum Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8). Zwischen 2005 und 2012 ordnete die Klägerin den Beklagten mehrmals zum Auswärtigen Amt zum Einsatz im Hausordnungs- und Objektschutzdienst ab.

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Im Juli 2012 leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, in dem sie ihm vorwarf, am 12. Juli 2012 auf einem privaten Grillabend auf dem Gelände der Deutschen Botschaft in Kairo anlässlich einer politischen Diskussion den Holocaust geleugnet zu haben. Auf die parallel erstatte Strafanzeige stellte die Staatsanwaltschaft Berlin das Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein, weil die „an sich tatbestandliche Äußerung“ nicht öffentlich gefallen sei.

4

Im November 2013 hat die Klägerin nach vorheriger Ausdehnung des Disziplinarverfahrens (Beitrag im Blog „Für Gott, Kaiser und Vaterland“ – 2010 – und weitere Äußerungen des Beklagten im Juli 2012 in Kairo) Disziplinarklage erhoben und diese nach der Einleitung eines weiteren Disziplinarverfahrens im Jahr 2017 (Verfassen eines Facebook-Beitrags im Januar 2016, in dem die „kluge Politik Heydrichs“ als „Reichsprotektor in Böhmen und Mähren“ lobend dargestellt wird) um eine Nachtragsdisziplinarklage ergänzt. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

5

Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der Beklagte habe ein sehr schweres Dienstvergehen begangen, das die Entfernung aus dem Dienst erfordere. Mit der zweifachen Leugnung des Holocaust (12. Juli 2012), seinen weiteren in Kairo getätigten Äußerungen – „Heute gibt es doch keine starken Politiker mehr – Himmler und Goebbels, das waren noch starke Männer“ und betreffend das Gebäude der Deutschen Botschaft in Washington „Kann ja nichts werden, das hat ja auch ein Jude gebaut“ (Juli 2012) – und seinem Facebook-Beitrag zu Heydrichs Politik (2016) habe der Beklagte ein sehr schweres Dienstvergehen begangen, weil er als Polizeivollzugsbeamter gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue wiederholt verstoßen habe. Dagegen sei im Hinblick auf seinen Blog-Beitrag „Für Gott, Kaiser und Vaterland“ (2010) und seine Äußerung in Kairo „Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien“ (Juli 2012) eine Dienstpflichtverletzung nicht gegeben.

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Erschwerend wirke, dass sich der Beklagte zum einen innerhalb eines kurzen Zeitraums während des dienstlichen Aufenthalts in Kairo mehrfach und in verschiedenen Zusammenhängen in einer dem Verfassungstreuegebot widersprechenden Weise geäußert und vor allem – in Bezug auf die Leugnung des Holocaust – trotz kritischer Nachfrage daran festgehalten habe. Zum anderen habe er den weiteren Verstoß gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue, die lobende Darstellung Heydrichs in einem Facebook-Beitrag, Anfang 2016 unter dem Eindruck des bereits anhängigen Disziplinarklageverfahrens begangen. Milderungsgründe von erheblichem Gewicht, die eine abweichende Beurteilung des Vertrauensverlustes in seine Person rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere sei für eine alkoholbedingte Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt der Holocaust-Leugnung am Abend des 12. Juli 2012 nichts erkennbar. Weder der Beklagte selbst habe dafür hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen beschrieben noch seien von den vernommenen Zeugen alkoholbedingte Ausfallerscheinungen des Beklagten wahrgenommen worden. Angesichts der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht entlaste es den Beklagten disziplinarisch auch nicht, dass die eingeleiteten Strafermittlungsverfahren sowohl zur Leugnung des Holocaust als auch zum Facebook-Beitrag zu Heydrich eingestellt worden seien.

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2. Mit der Beschwerde macht der Beklagte folgende Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend:

a) das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung verletzt, weil aus Bekundungen des Beklagten und der allein vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen – entgegen den Feststellungen im Berufungsurteil – konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Beklagte am Abend des 12. Juli 2012 bei seiner Leugnung des Holocaust in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit alkoholbedingt eingeschränkt gewesen sei,

b) das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt, weil es der Frage einer verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten infolge seiner Alkoholisierung am Abend des 12. Juli 2012 nicht nachgegangen sei,

c) das Berufungsgericht habe im behördlichen Disziplinarverfahren im Hinblick auf die eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen zum Themenkomplex Leugnung des Holocaust Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung begangen und dabei die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs verletzt und

d) das Berufungsgericht habe den der Nachtragsdisziplinarklage zugrundeliegenden Lebenssachverhalt, d.h. den Facebook-Beitrag des Beklagten zu Heydrich (2016), nicht aufgeklärt.

8

Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 3 BDG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei seiner rechtlichen Würdigung außer Acht lassen, insbesondere Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, wenn das Gericht einen allgemeinen Erfahrungssatz, ein Gebot der Logik (Denkgesetz) oder der rationalen Beurteilung nicht beachtet (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 – 2 B 35.13 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19, vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60.14 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 41 f. m.w.N. und vom 25. November 2020 – 2 B 15.20 – juris Rn. 6).

10

Das Gebot der „freien Überzeugungsbildung“ nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entbindet indes nicht von der Verpflichtung, dass sich das Gericht zunächst die geeigneten Grundlagen verschafft, auf denen eine derartige Überzeugungsbildung erst möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1986 – 4 C 40.82 u.a. – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 181 S. 73). Eine Überzeugungsbildung ohne ausreichende Erforschung des Sachverhalts stellt zugleich eine Verletzung der Aufklärungspflicht dar (BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1984 – 6 C 59.84 – BVerwGE 70, 222 <225> und vom 11. April 1989 – 9 C 63.87 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 208 S. 28). Nach § 65 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG hat das Berufungsgericht grundsätzlich selbst als Tatsachengericht die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. Ein Verzicht auf eine eigene Beweisaufnahme gemäß § 65 Abs. 4 BDG ist allerdings zulässig, wenn die vom Verwaltungsgericht erhobenen Beweise nicht mehr angegriffen werden und sich das Berufungsgericht auch in ihrer Würdigung in vollem Umfang der Würdigung des Verwaltungsgerichts anschließt (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2008 – 2 B 48.08 – juris Rn. 3).

11

Gemessen daran benennt die Beschwerde keinen Verfahrensverstoß. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage einer verminderten Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten anlässlich dessen Leugnung des Holocaust am Abend des 12. Juli 2012 auseinandergesetzt (UA S. 41 f.). Aufgrund tatrichterlicher Würdigung ist es frei von Rechtsfehlern zu der Überzeugung gelangt, dass eine alkoholbedingt verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Beklagten nicht vorgelegen hat. Dazu hat sich das Berufungsgericht wesentlich zum einen auf die in sich widersprüchlichen Aussagen des Beklagten während des gerichtlichen Verfahrens gestützt. Der Beklagte hat vor dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2018 einerseits erklärt, keine Erinnerung mehr daran zu haben, wieviel Bier am Abend des 12. Juli 2012 getrunken worden ist und was er damals getrunken hat. Andererseits hat er zugleich ausgesagt, am nächsten Morgen ab 7:00 Uhr Frühdienst gehabt zu haben und zu diesem Zeitpunkt nüchtern gewesen zu sein (Bl. 191 R, VG-Akte). In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Beklagte dagegen angegeben, am Abend des 12. Juli 2012 auch Schnaps getrunken zu haben und stark angetrunken gewesen zu sein (Bl. 294 R, OVG-Akte), dann aber auf Nachfrage des Kläger-Vertreters ausgeführt, sich nicht mehr genau zu erinnern, wieviel er getrunken hat (Bl. 295 OVG-Akte). Dass das Berufungsgericht die Einlassungen des Beklagten, am Abend des 12. Juli 2012 sei viel getrunken worden, nach alledem als „vage und unsubstantiiert“ beurteilt, ist frei von Rechtsfehlern.

12

Ebensowenig verletzt es revisibles Verfahrensrecht, dass sich das Berufungsgericht auf die im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Aussagen der vernommenen Zeugen gestützt hat. Die vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen Po., Hö. und We. haben für den Abend des 12. Juli 2012 keinen exzessiven Alkoholkonsum des Beklagten bekundet und Ausfallerscheinungen beim Beklagten ausdrücklich verneint. Das Berufungsgericht hat die Zeugen gemäß § 65 Abs. 4 BDG auch nicht abermals selbst vernehmen müssen, nachdem die erstinstanzlich protokollierten Zeugenaussagen vom Beklagten nicht mehr angegriffen worden waren und sich das Berufungsgericht der Würdigung dieser Zeugenaussagen durch das Verwaltungsgericht vollumfänglich angeschlossen hat.

13

Im Übrigen hat das Berufungsgerichts bei seiner Überzeugungsbildung auch den Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht verletzt. Entlastende Umstände sind nach dem Grundsatz, „in dubio pro reo“ dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 – Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 27 und vom 23. Februar 2012 – 2 C 38.10 – NVwZ-RR 2012, 479 ff.; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006, – 4 StR 141/06 – NStZ-RR 2006, 335 Rn. 11). Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ein Sachverhalt nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, dessen rechtliche Würdigung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beamten ergibt, so ist dieser Gesichtspunkt nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ in die Gesamtwürdigung einzustellen (BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 – 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 30 und vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 – Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 27).

14

Vorliegend haben die beiden Tatsacheninstanzen den Sachverhalt jedoch – wie oben (Rn. 11) ausgeführt – aufgeklärt. Eine verminderte Schuldfähigkeit konnte gerade nach Überzeugung beider Gerichte nicht festgestellt werden (vgl. VG-UA S. 28; Berufungsurteil, UA S. 40). Aufgrund dieser Sachverhaltsaufklärung und der revisionsrechtlich nicht angreifbaren Beweiswürdigung ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ hier nicht anzuwenden, da eine verminderte Schuldfähigkeit nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts und des Berufungsgerichts fernliegend war.

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b) Im Hinblick auf eine möglicherweise verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten infolge Alkoholisierung am Abend seiner Leugnung des Holocaust – am 12. Juli 2012 – ist des Weiteren keine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsaufklärung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 69 BDG durch das Berufungsgericht festzustellen.

16

Im gerichtlichen Disziplinarverfahren haben die Tatsachengerichte nach § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 58, 65 BDG grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 20). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 2 B 108.04 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).

17

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen. Deshalb muss ferner entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 – 6 C 52.65 – BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom 19. Februar 2018 – 2 B 51.17 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 6 und vom 15. Januar 2020 – 2 B 40.19 – Rn. 18).

18

Die Verwaltungsgerichte treffen bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme eine eigene Bemessungsentscheidung gemäß § 13 Abs. 1 BDG. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 – BVerwGE 124, 252 <259 f.> und vom 3. Mai 2007 – 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 14). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt hinreichenden Anlass bietet.

19

Soweit die Beschwerde geltend macht, dass der Beweisantrag des Beklagten in der 1. Instanz – hinsichtlich der beantragten Vernehmung von Frau St. und der Herren De. und Ri. (VG-Akte, Bl. 156 R) als weiterer Zeugen u.a. zur Frage seiner erheblichen Alkoholisierung – nicht beachtet worden sei, ist festzustellen, dass dies von dem anwaltlich vertretenen Beklagten weder in seiner Berufungsbegründung noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gerügt worden ist. Die Aufklärungsrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist aber kein Mittel, einem Verfahrensbeteiligten zurechenbare Versäumnisse während der Tatsacheninstanzen nachzuholen und auszugleichen.

20

Im Übrigen hat sich dem Berufungsgericht eine weitergehende Sachaufklärung zur Frage einer etwa erheblichen Alkoholisierung des Beklagten am Abend des 12. Juli 2012 auch nicht von Amts wegen aufdrängen müssen. Die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen vier Zeugen – Wi., We., Hö., und Po. – haben nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts klar ergeben, dass alkoholbedingte Ausfallerscheinungen beim Beklagten nicht zu erkennen gewesen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vernommenen Zeugen am 12. Juli 2012 mit dem Beklagten gemeinsam am Tisch saßen, während die nicht vernommenen Zeugen – St., De. und Ri. – an einem anderen Tisch saßen, so dass sie jedenfalls aus eigener Anschauung kaum nähere Angaben zum Trinkverhalten des Beklagten hätten machen können (VG-Akte, Bl. 195 R).

21

c) Auch die von der Beschwerde darüber hinaus erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass es Fehler des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht geahndet und dabei die Grundsätze fairer Verfahrensführung und des rechtlichen Gehörs nicht beachtet habe, greift nicht durch.

22

Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei angenommen, dass die Zeugen der Leugnung des Holocaust durch den Beklagten vom Dienstherrn im behördlichen Disziplinarverfahren durch den Hinweis auf schriftliche Aussagen und Gedächtnisprotokolle zu keinem bestimmten Aussageverhalten beeinflusst worden sind. Ebenso wenig hat sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, dass sich die Zeugen im behördlichen Verfahren untereinander abgesprochen und teilweise übereinstimmende Gedächtnisprotokolle gefertigt hätten.

23

Die an die Zeugen gerichtete behördliche Bitte, zunächst schriftlich auszusagen, hat das Berufungsgericht frei von Rechtsfehlern damit gerechtfertigt, dass sich die Zeugen Wi., Hö. und We. im Zeitpunkt der Anforderungen am 13. August 2012 noch in Kairo befanden und somit deren zeitnahe Vernehmung durch den Ermittlungsführer nicht möglich war. In dem Umstand, dass die drei Zeugen in dem Anschreiben gebeten wurden, eine kurzfristige Rückkehr aus dem Auslandsaufenthalt mitzuteilen, um einen Termin zur Zeugenvernehmung zu vereinbaren, hat das Berufungsgericht den maßgeblichen Grund für das gewählte Vorgehen gesehen. Dass sich der Zeuge Po. – offenbar nach Ende seiner Referendarstation – zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Deutschland aufhielt, macht auch die an ihn gerichtete Aufforderung, zunächst eine schriftliche Aussage abzugeben, vor dem Hintergrund, dass er zu diesem Zeitpunkt zum einen nicht in Berlin oder Umgebung lebte (sondern in Göttingen) und er zum anderen offensichtlich (noch) nicht dem öffentlichen Dienst angehörte, gerade unter Berücksichtigung des Ziels einer frühzeitigen Sicherung der Erinnerung für das Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft. Soweit die Beschwerde dem entgegentritt, rügt sie einen Fehler in der konkreten, den Einzelfall betreffenden Beweiswürdigung, ohne einen revisiblen Verfahrensfehler darzulegen.

24

Auch die weitere Rüge der Beschwerde, dass dem Beklagten bereits im behördlichen Verfahren eine konfrontative Befragung der Zeugen hätte ermöglicht werden müssen, greift nicht durch. Selbst wenn diesbezüglich ein Verfahrensfehler vorgelegen haben sollte, wäre dieser jedenfalls durch die Vernehmung der Zeugen in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung geheilt. Verstöße gegen das Recht auf Beweisteilhabe im behördlichen Verfahren können durch die Verwaltungsgerichte selbst geheilt werden. Sie ziehen keine prozessualen Konsequenzen nach sich, wenn die Beweiserhebung vom Gericht im gerichtlichen Disziplinarverfahren – wie hier – fehlerfrei durchgeführt worden ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Februar 2010 – 2 B 62.09 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 9 und vom 1. Juni 2012 – 2 B 123.11 – juris Rn. 17).

25

Dies ergibt sich aus der Pflicht der Gerichte zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung, die unabhängig von der Tätigkeit der Behörden besteht. Gemäß § 58 Abs. 1 BDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Es hat selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 2 A 4.04 – Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 26; Beschlüsse vom 14. Juni 2005 – 2 B 108.04 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2 und vom 4. September 2008 – 2 B 61.07 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 7). Das Gericht hat die erhobenen Beweise nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgenden Überzeugung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies umfasst die Beurteilung des Erinnerungsvermögens von Zeugen und folglich der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zeugen bereits im behördlichen Verfahren vernommen worden sind (stRspr, BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 – 2 C 30.05 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16).

26

Da der anwaltlich vertretene Beklagte an den vom Verwaltungsgericht in mündlichen Verhandlungen durchgeführten Zeugenvernehmungen jeweils teilgenommen hat, ist zugleich für eine Verletzung des Gebots fairen Verfahrens oder des rechtlichen Gehörs schon ansatzweise nichts erkennbar.

27

Soweit der Beklagte einen Verfahrensfehler in einer vermeintlichen „Absprache der Zeugen“ behauptet und darin eine unlautere Beeinflussung der Zeugen sieht, dringt er mit seinem Vortrag ebenfalls nicht durch. Denn für eine solche Absprache fehlt es an objektiven Anknüpfungstatsachen. Allein der Umstand, dass mehrere Zeugen ein Geschehen inhaltlich übereinstimmend in lange Zeit nach dem Ereignis – 12. Juli 2012 – gefertigten Gedächtnisprotokollen bekunden, bedeutet nicht, dass sich die Zeugen untereinander abgesprochen und über ihre Aussagen „verständigt“ haben. Vielmehr kann dies ebenso für die Richtigkeit der gemachten Angaben sprechen. Dass das Berufungsgericht die Zeugen für glaubwürdig und ihre Aussagen für glaubhaft erachtet hat, liegt innerhalb der Grenzen tatrichterlicher Beweiswürdigung im Einzelfall. Soweit die Beschwerde dem widerspricht, setzt sie ihre Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts. Damit lässt sich ein Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht darlegen.

28

d) Auch hinsichtlich des der Nachtragsdisziplinarklage zugrundliegenden Lebenssachverhalts – dem Facebook-Beitrag des Beklagten zu Heydrich (2016) – kann dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden, seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt zu haben, dass es keinen Beweisbeschluss erlassen habe, mit dem Facebook aufgefordert wurde, gelöschte Posts wieder zu generieren.

29

Der Beklagte hat nach eigener Aussage die vermeintlich kontextualisierten Posts und seinen gesamten Account bei Facebook gelöscht. Damit hat er selbst den Umstand geschaffen, der zur Nichterweislichkeit der von ihm unter Beweis gestellten Tatsache – richterliche Würdigung des Facebook-Eintrags unter Berücksichtigung der dazu von ihm kontextualisierten Posts – geführt hat. Sich nunmehr selbstbegünstigend darauf zu berufen, dass es das Berufungsgericht nicht vermochte, die Folgen seines eigenen Handelns zu beseitigen, ist eine widersprüchliche Einlassung, die nicht zu einer prozessualen Besserstellung des Beklagten führen kann. Soweit sich der Beklagte im Übrigen abermals gegen die Beweiswürdigung seines Facebook-Beitrags zu Heydrich durch das Berufungsgericht wendet (UA S. 26 f.), setzt er seine Auffassung gegen diejenige des Berufungsgerichts. Damit legt er keinen revisiblen Verfahrensfehler dar.

30

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.