BAG 10. Senat, Urteil vom 16.06.2021, AZ 10 AZR 217/19, ECLI:DE:BAG:2021:160621.U.10AZR217.19.0
§ 193 BGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 Nr 1 BGB, § 202 BGB, § 535 BGB
Leitsatz
Die Vermietung von Gussasphaltkochern mit Bedienungspersonal kann auch dann den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterfallen, wenn der Gussasphalt aus dem Kocher nicht unmittelbar an der Stelle des Einbaus abgeladen, sondern auf der Baustelle weiterbefördert wird. Der Gussasphaltkocher wird zur Erbringung baulicher Leistungen im Tarifsinn eingesetzt, wenn der Transport auf der Baustelle eine bauliche Haupttätigkeit nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes oder eine damit im Zusammenhang stehende Arbeit ist.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Wiesbaden, 2. August 2018, Az: 5/11 Ca 8/09, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 7. Mai 2019, Az: 12 Sa 1391/18 SK, Urteil
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Mai 2019 – 12 Sa 1391/18 SK – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
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Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie war bis zum 31. Dezember 2009 tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage verschiedener Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auf Beiträge für mindestens zwei beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer in Anspruch. Sie verlangt Beiträge iHv. insgesamt 11.480,00 Euro für die Zeit von Dezember 2004 bis November 2005. Für Dezember 2004 stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf den VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 17. Dezember 2003 (VTV 2003) und für den Zeitraum von Januar bis November 2005 auf den VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 14. Dezember 2004 (VTV 2004). Beide Verfahrenstarifverträge wurden für allgemeinverbindlich erklärt. Für den VTV 2003 erfolgte das mit Erklärung vom 23. März 2004
(AVE VTV 2004, BAnz. Nr. 77 vom 23. April 2004 S. 8893). Der VTV 2004 wurde am 24. Februar 2006 für allgemeinverbindlich erklärt
(AVE VTV 2006, BAnz. Nr. 71 vom 11. April 2006 S. 2729). Für die erhobenen Beitragsansprüche zieht die Klägerin die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne heran.
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Die nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält im nordrhein-westfälischen L einen Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend Gussasphalt im Auftrag von Kunden transportiert wird. Dazu werden sog. Gussasphaltkocher eingesetzt, mit denen der heiße und flüssige Asphalt vom Herstellungsbetrieb zu den Baustellen von Kunden gebracht wird. Der Gussasphalt wird nicht von der Beklagten bei den Herstellern erworben, sondern direkt von den Kunden. Das Fahrpersonal der Beklagten, das den Transport durchführt, hat dafür Sorge zu tragen, dass der Gussasphalt durch einen unter dem Gefäß befindlichen Brenner in der richtigen Temperatur und durch ein Rührwerk flüssig gehalten wird.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei eröffnet. Die Gussasphaltkocher mit Bedienungspersonal würden mietweise überlassen, um bauliche Leistungen zu erbringen. Der Transport des flüssigen Asphalts sei eine notwendige Teiltätigkeit ua. des Straßenbaus. Nach dem Zweck der tariflichen Vorschriften könne nicht zwischen dem Transport vom Mischwerk zur Baustelle und dem Weitertransport auf der Baustelle differenziert werden. Daher sei die Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ auch dann erfüllt, wenn der flüssige Asphalt nicht unmittelbar vom Kocher auf die konkrete Baustelle ausgebracht werde.
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Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.480,00 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, sie sei in den streitgegenständlichen Kalenderjahren nicht in den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge gefallen. Der Transport von Gussasphalt sei keine baugewerbliche Tätigkeit. Der Gussasphaltkocher sei zwar eine Baumaschine im Sinn der Tarifvorschrift. Die tarifliche Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ sei jedoch lediglich in den Fällen erfüllt, in denen der Gussasphalt aus dem Kocher – gegebenenfalls über Bohlen – unmittelbar auf die Straße gebracht und dort gewalzt werde. In allen anderen Fällen, in denen ein Zwischentransport erfolge, zB mithilfe von Schubkarren, Eimern oder sog. Dumpern, sei aufgrund der räumlichen und zeitlichen Zäsur zwischen dem Anliefern und dem späteren Einbau nicht davon auszugehen, dass bauliche Leistungen erbracht würden.
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Das Arbeitsgericht hat der Beitragsklage stattgegeben und die mit ihr verbundene Auskunftsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die stattgebende Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei eröffnet, weil im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Gussasphaltkocher mit Bedienungspersonal vermietet würden, um bauliche Leistungen zu erbringen. Die Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ sei bei Gussasphaltkochern erfüllt, wenn der Asphalt in verarbeitungsfähigem flüssigem Aggregatzustand gehalten werde. Ein Zwischentransport sei unschädlich. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihr Ziel, dass die Beitragsklage abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes beitragspflichtig ist. Der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ist nach deren § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 eröffnet. Der im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend versehene Transport von Gussasphalt mit sog. Gussasphaltkochern durch die eigenen Arbeitnehmer nach Weisung der Kunden erfüllt den Tatbestand der Vermietung von Baumaschinen mit Bedienungspersonal, um bauliche Leistungen zu erbringen.
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I. Die Pflicht der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, folgt aus dem VTV 2003 und VTV 2004. An sie ist die Beklagte nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE VTV 2004 und der AVE VTV 2006 gebunden. Für Dezember 2004 liegt den Beitragsansprüchen § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 39, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 3, § 18 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1 VTV 2003 zugrunde. Die Beitragsansprüche für Januar bis November 2005 beruhen auf § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 39, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 3, § 18 Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1 VTV 2004.
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1. Der im Land Nordrhein-Westfalen gelegene Betrieb unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich der Tarifverträge
(§ 1 Abs. 1 der Verfahrenstarifverträge). Die gewerblichen Arbeitnehmer, die die Beklagte im Streitzeitraum beschäftigte, werden vom persönlichen Geltungsbereich erfasst
(§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfahrenstarifverträge).
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2. Der Betrieb der Beklagten unterfiel im streitgegenständlichen Zeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Arbeitszeitlich überwiegend wurden bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge erbracht.
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a) Ein Betrieb wird vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erfasst, wenn in den Kalenderjahren des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der jeweiligen Verfahrenstarifverträge fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinn erbracht, sind ihnen auch diejenigen Nebenarbeiten zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Für den Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen ihrer Abschnitte IV oder V genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus festgestellt werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen
(st. Rspr., zB BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 17; 13. Oktober 2020 – 10 AZR 103/19 – Rn. 14; 15. Juli 2020 – 10 AZR 337/18 – Rn. 28 mwN).
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b) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 ZPO gebunden ist, transportieren die im Betrieb der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Gussasphalt, den Dritte bestellt haben, vom Hersteller zu den Baustellen der Kunden mithilfe sog. Gussasphaltkocher. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass darin eine baugewerbliche Tätigkeit iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge liegt.
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aa) Bei den von der Beklagten benutzten Gussasphaltkochern handelt es sich um Baumaschinen im tariflichen Sinn.
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(1) Eine Baumaschine ist eine Maschine, die bei der Ausführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten verwendet wird. Als Maschine wird eine mechanische, aus beweglichen und unbeweglichen Teilen zusammengesetzte Vorrichtung bezeichnet, die Kraft überträgt oder Arbeitsvorgänge selbständig verrichtet bzw. Energie aus einer in eine andere Form umwandelt
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 29; 13. November 2013 – 10 AZR 842/12 – Rn. 18; 2. August 2006 – 10 AZR 756/05 – Rn. 19).
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(2) Diese Voraussetzungen erfüllen die von der Beklagten benutzten Gussasphaltkocher. Ihre Funktion besteht zunächst darin, den Gussasphalt vom Hersteller zur Baustelle zu transportieren. Die Gussasphaltkocher unterscheiden sich von bloßen Beförderungsmitteln dadurch, dass das Baumaterial nicht nur von einem zu einem anderen Ort gebracht wird, sondern gleichzeitig in dem für die sofortige Verwendung auf der Baustelle erforderlichen Verarbeitungszustand gehalten wird. Dies geschah in früheren Zeiten durch menschliche Arbeitskraft, die heute durch die maschinelle Arbeit des Rührwerks einerseits und die weitgehend automatisierte Erzeugung und Zuführung von Wärme zum Asphalt andererseits ersetzt wird. Indem während des Transports das Rührwerk tätig ist, Wärme erzeugt und sie dem Transportgut zugeführt wird, erfüllt dieser Transport eine über die bloße Beförderung hinausgehende besondere Funktion im Rahmen der arbeitsteiligen Organisation des jeweiligen Bauprojekts. Nur so ist gewährleistet, dass der Asphalt, wie vom Kunden gewünscht, sofort verbaut werden kann und sowohl Lagerung als auch Zubereitung des Baustoffs an der Baustelle entfallen können. Der bloße Transport des Materials, ohne es gleichzeitig zu erhitzen und zu bewegen, erforderte zusätzliche Arbeitsschritte auf der Baustelle. Der Gussasphalt müsste dort durch Erhitzen und Umrühren in einen verarbeitungsfähigen Zustand versetzt werden
(BAG 13. November 2013 – 10 AZR 842/12 – Rn. 19; 2. August 2006 – 10 AZR 756/05 – Rn. 19 f.).
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bb) Die Gussasphaltkocher wurden auch im tariflichen Sinn „mit Bedienungspersonal vermietet“.
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(1) Dabei ist nicht entscheidend, ob die zwischen dem Kunden oder Bauunternehmen und der Beklagten geschlossenen Verträge in allen Einzelheiten dem gesetzlichen Bild des Mietvertrags entsprechen, wie es in §§ 535 ff. BGB niedergelegt ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Arbeitnehmer des „Vermieters“ im arbeitsrechtlichen Sinn sowohl dessen Direktionsrecht unterliegen als auch gleichzeitig Weisungen des Kunden zu befolgen haben. Entscheidend ist, dass die Baumaschinen nach mietrechtlichen Grundsätzen zum Gebrauch überlassen werden
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 31; 13. November 2013 – 10 AZR 842/12 – Rn. 20 mwN).
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(2) In einem solchen Sinn wird auch der Gussasphaltkocher mit dem Fahrpersonal, das während des Transports die Arbeit des Rührwerks und die Wärmezuführung steuert und überwacht, dem Kunden für eigene Zwecke auf Zeit zum Gebrauch überlassen. Das wird dadurch bestätigt, dass der entsprechende wirtschaftliche Vorgang branchenüblich ausnahmslos als Vermietung oder Verleih von Baumaschinen mit Personal bezeichnet wird
(BAG 13. November 2013 – 10 AZR 842/12 – Rn. 20). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden die Gussasphaltkocher jeweils von den gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten bedient. Sie unterlagen hinsichtlich des Transports den Anweisungen der Kunden.
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cc) Die Gussasphaltkocher wurden im Streitfall eingesetzt, um bauliche Leistungen zu erbringen.
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(1) Der Einsatz von Baumaschinen mit Bedienungspersonal erfolgt „zur Erbringung baulicher Leistungen“, wenn mit ihrer Hilfe Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten ausgeführt werden
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 32).
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(a) Die Verfahrenstarifverträge definieren den Begriff „bauliche Leistungen“ eigenständig. Er umfasst nach ihrem § 1 Abs. 2 nicht nur die gewerbliche Erstellung von Bauten
(Abschnitt I), sondern darüber hinaus alle Arbeiten, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können
(Abschnitt II). Zu den „baulichen Leistungen“ im Tarifsinn zählen insbesondere die in § 1 Abs. 2 Abschn. IV und V der Verfahrenstarifverträge genannten Beispiele von baulichen Haupttätigkeiten
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 33 mwN).
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(b) „Bauliche Leistungen“ sind darüber hinaus alle Arbeiten, die branchenüblich und zur sachgerechten Ausführung der in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten baugewerblichen Tätigkeiten notwendig sind. Es kommt in Betracht, solche Tätigkeiten zusammenzurechnen, die unmittelbar erforderlich sind, um die jeweilige Bautätigkeit auszuführen, ihr üblicherweise nach ihrer Wertigkeit untergeordnet sind und deshalb regelmäßig auch von ungelernten Hilfskräften verrichtet werden können. Um eine Zusammenhangstätigkeit hinzurechnen zu können, ist grundsätzlich eine eigene baugewerbliche Haupttätigkeit erforderlich. Daher unterfällt ein Betrieb, der ausschließlich Zusammenhangstätigkeiten erbringt, ohne zugleich baugewerbliche Tätigkeiten und Arbeiten auszuführen, nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 34 mwN).
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(c) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „bauliche Leistungen“ in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge nicht anderweitig definiert. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie ihm in diesem Zusammenhang dieselbe Bedeutung beimessen wollen. Eine Baumaschine wird „zur Erbringung baulicher Leistungen“ eingesetzt, wenn mit ihrer Hilfe Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten ausgeführt werden
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 35 mwN).
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(2) Die mit Bedienungspersonal vermieteten Gussasphaltkocher wurden zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt.
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(a) Nach der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht nach § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen hat, wurde der Gussasphalt transportiert, um ihn im Rahmen des Straßenbaus zu verbauen. Straßenbauarbeiten stellen nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 der Verfahrenstarifverträge eine bauliche Haupttätigkeit dar. Die Gussasphaltkocher mit Bedienungspersonal wurden daher dem Kunden überlassen, um mit ihrer Hilfe bauliche Leistungen in Form von Straßenbauarbeiten zu erbringen.
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(b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Sachverhalt nicht deshalb anders zu bewerten, weil der transportierte Gussasphalt auf den Baustellen überwiegend weitertransportiert wurde.
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(aa) Bauliche Leistungen sind regelmäßig geprägt durch eine Vielzahl verschiedener Arbeitsschritte. Sie hängen von den jeweiligen Gegebenheiten ab und sind durch das vom Auftraggeber definierte Projekt geprägt. Die Vorschriften für die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft machen deutlich, welche unterschiedlichen Tätigkeiten zu einem Berufsbild zählen. Die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft sieht für die Berufsausbildung zum Tiefbaufacharbeiter/zur Tiefbaufacharbeiterin beispielsweise vor, dass der Transport und die Lagerung von Bau- und Bauhilfsstoffen auf der Baustelle zu den im ersten Ausbildungsjahr zu erlernenden Fertigkeiten und Kenntnissen gehören
(§ 17 Nr. 7 iVm. Abschn. I Nr. 7 Buchst. c der Anlage 3 [zu § 18] der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 [BGBl. I S. 1102] idF der Verordnung vom 20. Februar 2009 [BGBl. I S. 399], BauWiAusbV).
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(bb) Für die Verfahrenstarifverträge ist daher davon auszugehen, dass auch die Tätigkeit des Transports von Baustoffen auf der Baustelle selbst zu den baulichen Haupttätigkeiten zählt. Die einzelnen Teilschritte der baulichen Haupttätigkeit trennscharf voneinander abzugrenzen, ist vielfach kaum möglich und widerspricht dem allgemeinen Verständnis der beteiligten Kreise. Im Ergebnis führte eine derartige Aufspaltung einer baulichen Tätigkeit in einzelne Arbeitsschritte dazu, die Tätigkeiten und Berufsbilder, die den Verfahrenstarifverträgen zugrunde liegen, zu „atomisieren“. Mit dem Sinn und Zweck der Verfahrenstarifverträge wäre ein solches Vorgehen nicht in Einklang zu bringen. Die Tarifvertragsparteien beabsichtigen mit dem Sozialkassensystem, dass Urlaubsansprüche auch bei Arbeitsverhältnissen von kurzer Dauer entstehen und übertragen werden können. Zudem sollen die Arbeitgeber der Bauwirtschaft die für die Berufsausbildung und die Rentenbeihilfen erforderlichen finanziellen Mittel gemeinsam und solidarisch aufwenden. Die Aufspaltung der Berufsbilder in Einzeltätigkeiten, die nur teilweise den Verfahrenstarifverträgen unterfielen, liefe diesen Zwecken zuwider.
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(cc) Auch Sinn und Zweck des Katalogtatbestands des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge spricht für dieses Verständnis. Die Kunden des Vermieterbetriebs verschaffen sich den Gebrauch der Maschine regelmäßig gerade deshalb, weil sie die Leistungen mit eigenem Personal und Gerät nicht erbringen wollen oder können. Die Vermieterbetriebe unterfallen dem Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge, weil ihre Arbeitnehmer letztlich dieselben Arbeiten wie Arbeitnehmer von Betrieben des Baugewerbes verrichten und damit im Grunde ebenfalls „Arbeitnehmer des Baugewerbes“ sind. Auf diese Weise haben die Tarifvertragsparteien verhindert, dass sich Betriebe dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge entziehen, obwohl sie durch die Vermietung ihrer Baumaschinen zusammen mit dem entsprechend geschulten Bedienungspersonal der Sache nach Tätigkeiten des Baugewerbes erbringen
(BAG 18. Dezember 2019 – 10 AZR 141/18 – Rn. 42 mwN).
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(dd) Mit dem Transport von Gussasphalt bis zur Baustelle werden auch dann bauliche Leistungen erbracht, wenn es auf der Baustelle zu einem Zwischentransport kommt. Soweit dem Urteil vom 13. November 2013
(- 10 AZR 842/12 – Rn. 22 ff.) anderes entnommen werden könnte, stellt der Senat klar, dass diese Differenzierung in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 der Verfahrenstarifverträge nicht angelegt ist
(aA Hessisches LAG 15. Mai 2015 – 10 Sa 212/14 – zu I 2 c cc der Gründe). Baumaschinen werden mit Bedienungspersonal bereits dann überlassen, um bauliche Leistungen zur erbringen, wenn mit ihrer Hilfe Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten versehen werden. Dazu gehört ua. die Weiterbeförderung angelieferter Baustoffe auf der Baustelle.
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(ee) Nach diesen Maßstäben werden Gussasphaltkocher, die Gussasphalt transportieren, immer dann zur Erbringung baulicher Leistungen im Tarifsinn eingesetzt, wenn die Person, die den Gussasphalt in verarbeitungsfähigem Zustand übernimmt, eine bauliche Leistung einschließlich der Zusammenhangstätigkeiten erbringt. Gehören die Transporte auf der Baustelle – wie im Streitfall – zu einer baulichen Haupttätigkeit, ist die tarifliche Voraussetzung erfüllt.
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3. Anspruchsinhaberin ist nach § 3 Abs. 3 VTV 2003 und VTV 2004 die Klägerin. Dies gilt auch, soweit sie als Einzugsstelle Beiträge einzieht, die anderen Sozialkassen zustehen.
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a) Die Klägerin war nach den Bestimmungen des VTV 2003 und VTV 2004 ausdrücklich ermächtigt, auch Sozialkassenbeiträge einzuziehen, soweit sie nicht ihr selbst, sondern anderen Sozialkassen zustehen. Die Arbeitgeber können und konnten im Klagezeitraum nach der tariflichen Regelung des Beitragseinzugsverfahrens auf die Beitragsforderungen aller systemangehörigen Sozialkassen befreiend nur an die Klägerin leisten. Sie hatte die ausschließliche Empfangszuständigkeit für die Sozialkassenbeiträge. Sie tritt gegenüber den Arbeitgebern wie eine Vollrechtsinhaberin auf, wenn sie die ihr tariflich eingeräumten Befugnisse wahrnimmt
(vgl. BAG 16. September 2020 – 10 AZR 9/19 – Rn. 19 mwN).
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b) Dem steht nicht entgegen, dass die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft mit Wirkung vom 1. Januar 2010 nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des VTV vom 18. Dezember 2009 (VTV 2009) die Funktion der Einzugsstelle übernommen hat. Aus § 3 Abs. 3 Satz 2 VTV 2009 ergibt sich, dass die Klägerin Einzugsstelle bleibt, wenn die Ansprüche – wie im Streitfall – vor dem 1. Januar 2010 entstanden und gerichtlich geltend gemacht worden sind.
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c) Die Klägerin ist deshalb im Außenverhältnis zu den Arbeitgebern als Beitragsschuldnern allein empfangszuständig und im Beitragsprozess aktivlegitimiert. Dem steht nicht entgegen, dass sie die fremdnützig eingezogenen, nach den tariflichen Regelungen anderen Sozialkassen zustehenden Beiträge an diese anderen Sozialkassen nach § 667 BGB herauszugeben hat. Das Innenverhältnis zwischen der Klägerin als Einzugsstelle und den hinter ihr stehenden anderen Sozialkassen spielt weder beim Beitragseinzug noch bei der Rückabwicklung des Leistungsverhältnisses zwischen der Klägerin und einem Arbeitgeber, der ohne rechtlichen Grund Beiträge an die Klägerin abgeführt hat, eine entscheidende Rolle
(vgl. BAG 16. September 2020 – 10 AZR 9/19 – Rn. 20).
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4. Die Klägerin hat ihre Forderungen auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Bauwirtschaft erhoben. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Klägerin berechtigt, die geschuldeten Beiträge mit einer Durchschnittsbeitragsklage geltend zu machen und dafür die vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Bauwirtschaft heranzuziehen
(BAG 27. Januar 2021 – 10 AZR 138/19 – Rn. 53 mwN). Die Revision hat die Ermittlung der Beiträge auf der Basis der Durchschnittslöhne und die konkrete Berechnung nicht angegriffen. Revisionsrechtlich erhebliche Fehler sind nicht zu erkennen. Den Berechnungen liegen die nicht zu beanstandenden Durchschnittsbeiträge von 493,00 Euro für das Jahr 2004 und 477,00 Euro für das Jahr 2005 zugrunde. Für zwei gewerbliche Arbeitnehmer ergeben sich daraus für den Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis 30. November 2005 Beiträge iHv. 11.480,00 Euro.
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5. Die Beitragsansprüche sind weder verjährt noch verfallen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung ausdrücklich nur gegen den Auskunftsanspruch in dem verbundenen Rechtsstreit erhoben. Sofern sich die Einrede auch gegen die Beitragsansprüche richten sollte, greift sie jedenfalls nicht durch. Mit der erhobenen Beitragsklage hat die Klägerin die Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht und die Verjährung gehemmt.
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a) Die Verfall- und die Verjährungsfrist von jeweils vier Jahren nach § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 der beiden Verfahrenstarifverträge sind gewahrt. Die Verlängerung der Verjährungsfrist gegenüber § 195 BGB ist nach § 202 BGB wirksam
(BAG 20. Mai 2020 – 10 AZR 576/18 – Rn. 30, BAGE 170, 295; 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 42 mwN, BAGE 169, 285). Für den Beginn der Verjährung ist auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen, weil ein Anspruch iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB regelmäßig entsteht, wenn er nach § 271 BGB fällig ist
(BAG 20. Mai 2020 – 10 AZR 576/18 – Rn. 33, aaO).
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b) Der älteste Beitragsanspruch für Dezember 2004 war am Montag, 17. Januar 2005, fällig. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 VTV 2003 sind die Sozialkassenbeiträge spätestens bis zum 15. des folgenden Monats bei der Einzugsstelle einzuzahlen. Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag
(BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 236/19 – Rn. 40; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 335/20 – Rn. 97 mwN). Damit begannen die Verfall- und die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres 2005 zu laufen und endeten am 31. Dezember 2009. Die Klägerin hat die streitigen Ansprüche mit ihrer am 8. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage geltend gemacht und damit die Verfallfrist gewahrt. Mit der Zustellung der Klage an die Beklagte am 12. Oktober 2009 wurde die Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
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II. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
- Gallner
- Pulz
- Pessinger
- Budde
- Beitz