Nach einer bereits ausdrücklich erhobenen Verzögerungsrüge vorgebrachte Kritik an der Dauer des gerichtlichen Verfahrens… (Beschluss des BVerwG 5. Senat)

BVerwG 5. Senat, Beschluss vom 04.06.2021, AZ 5 B 22/20 D, ECLI:DE:BVerwG:2021:040621B5B22.20D0

Leitsatz

Nach einer bereits ausdrücklich erhobenen Verzögerungsrüge vorgebrachte Kritik an der Dauer des gerichtlichen Verfahrens, die selbst nicht als Verzögerungsrüge bezeichnet ist, ist grundsätzlich nicht als erneute Verzögerungsrüge aufzufassen.

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 19. August 2020, Az: 29 F 2121/18.EK, Urteil
vorgehend VG Wiesbaden, 17. Januar 2019, Az: 1 K 93/12.WI

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2020 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise darlegt, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO gegeben ist.

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1. Die Beschwerde legt zunächst den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in genügender Weise dar.

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Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Februar 2015 – 5 B 28.14 – juris Rn. 8 m.w.N. und vom 17. November 2015 – 5 B 17.15 – ZOV 2016, 160 Rn. 3). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 – 5 B 48.13 – Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung weder hinsichtlich der Besetzungs- (a) noch hinsichtlich der Gehörsrüge (b).

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a) Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wird nicht ausreichend bezeichnet im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, soweit sich die Beschwerde auf den absoluten Revisionsgrund des § 138 Nr. 1 VwGO beruft und dazu vorträgt, dass der gegen die berufsrichterlichen Mitglieder des Senats des Verwaltungsgerichtshofs gerichtete Befangenheitsantrag des Klägers durch die abgelehnten Richter selbst aus objektiv nicht vertretbaren Gründen verworfen worden sei.

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Die Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch die Vorinstanz stellt eine unanfechtbare Vorentscheidung (§ 146 Abs. 2 VwGO) dar, die gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, sodass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden kann. Die Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur ausnahmsweise in dem Maße beachtlich, als mit ihr – wie hier – die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO geltend gemacht wird. Das setzt objektive Anhaltspunkte dafür voraus, dass die Entscheidung über die Befangenheitsanträge auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 – 2 B 17.19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dieser Maßstab gilt auch für die Ablehnung eines Befangenheitsantrags unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als rechtsmissbräuchlich (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 4 B 6.19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung eines Spruchkörpers ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann zulässig vorgebracht, wenn die Beschwerde die nach ihrer Meinung den Mangel begründenden Tatsachen in einer Weise vorträgt, die dem Revisionsgericht deren Beurteilung ermöglichen (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 – 2 B 71.10 – juris Rn. 8, vom 25. April 2014 – 8 B 87.13 – juris Rn. 26 und vom 24. Januar 2017 – 2 B 91.15 – Buchholz 235.1 § 46 BDG Nr. 1 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Allein die verbale Behauptung der Willkür genügt nicht (BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 5 ER 614.90 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28 S. 2).

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Diesen Anforderungen wird die Beschwerde in Bezug auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2020 nicht gerecht. Die Beschwerde macht unter dem Gliederungspunkt B. geltend, das ergangene Urteil bestätige die Berechtigung der Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Vorsitzenden Richterin sowie des Richters am Verwaltungsgerichtshof B. und macht weiter geltend, es sei objektiv nicht vertretbar gewesen, dass zu den begründeten Ablehnungsgesuchen im Wege des Selbstentscheids eine Herabwürdigung der Ablehnungen als missbräuchlich erfolgt sei angesichts der grundrechtsverletzenden Verweigerung einer Teilnahme per Videokonferenz und auch einer Verlegung des Termins. Damit wird das Vorliegen von Willkür lediglich behauptet, ohne dafür substantiiert und in für das Beschwerdegericht nachprüfbarer Weise konkrete Umstände aufzuzeigen, aufgrund derer dieser Vorwurf gerechtfertigt sein soll. Dies gilt umso mehr, als die Ablehnung einer Terminsverlegung und der Gestattung der Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort (§ 102a Abs. 1 VwGO) nicht zu beanstanden sind. Darüber hinaus legt die Beschwerde keine Gründe für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit dar.

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b) Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise dargetan, soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof hätte wegen eines beachtlichen Terminsverlegungsantrags nicht aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung entscheiden dürfen (aa) bzw. er hätte dem Kläger die Teilnahme an der Verhandlung von einem anderen Ort gemäß § 102a Abs. 1 VwGO gestatten müssen (bb). Ebenso wenig legt die Beschwerde in ausreichender Weise dar, der Verwaltungsgerichtshof habe entscheidungserhebliches Vorbringen zur Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht berücksichtigt (cc).

8

aa) Eine Gehörsverletzung ist zunächst nicht hinreichend dargelegt, soweit die Beschwerde geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe trotz Ausbleibens des sich selbst vertretenden Klägers nicht entscheiden dürfen, weil dieser „vertieft begründete“ Verlegungs- und Vertagungsanträge gestellt habe.

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Zwar kommt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Betracht, wenn das Gericht einem Verlegungs- oder Vertagungsantrag eines Prozessbevollmächtigten nicht entspricht, obwohl dieser auf im Sinne des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO erhebliche Gründe gestützt worden ist (vgl. den dem Kläger bekannten Senatsbeschluss vom 7. April 2020 – 5 B 30.19 D – juris Rn. 29). Unter erheblichen Gründen sind solche Umstände zu verstehen, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des im Falle der Aufhebung bzw. Verlegung des bereits anberaumten Termins berührten Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern, weil sich der Beteiligte trotz aller zumutbaren eigenen Bemühungen nicht in hinreichender Weise rechtliches Gehör verschaffen konnte (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 1995 – 9 B 1.95 – NJW 1995, 1231 und vom 18. Juli 2007 – 5 B 95.06 – juris Rn. 4 m.w.N.). Ein erheblicher Grund ist aber unter anderem nur anzuerkennen, wenn die Abwesenheit des Beteiligten nicht verschuldet oder durch die Absicht der Prozessverschleppung getragen war (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2001 – 8 B 69.01 – NJW 2001, 2735 f. m.w.N.). Ferner müssen diese Gründe dem Gericht von dem an der Terminswahrnehmung verhinderten Beteiligten dargetan werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 1999 – 5 B 49.99 – juris Rn. 3 m.w.N.).

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Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, dass der vom Kläger vor dem Termin gestellte Verlegungsantrag auf erhebliche Gründe im genannten Sinne gestützt war. Sie zeigt nicht auf, dass der sich als Rechtsanwalt selbst vertretende Kläger gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof in hinreichender Weise dargetan hat, aus unzumutbaren und von ihm nicht verschuldeten Umständen heraus an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verhindert gewesen zu sein. Die Beschwerde macht insoweit sinngemäß geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof die im angefochtenen Urteil für die Terminsverlegung wiedergegebenen Gründe (die hochbetagte und pflegebedürftige Mutter des Klägers habe aus einem Alten- und Pflegeheim in eine Privatpflege verbracht werden müssen, was eine erhebliche Reduzierung der Kapazität des Klägers zur Folge gehabt habe; der Kläger gehöre mit 63 Jahren zu den durch Corona überdurchschnittlich gefährdeten Personengruppen und es bestehe gegenüber der bald 92jährigen Mutter eine Pflicht, weitestgehend Infektionsrisiken zu vermeiden) nicht zutreffend gewürdigt habe. Damit ist nicht substantiiert geltend gemacht, dass eine Anreise zum Termin bzw. dessen Wahrnehmung aus hinreichenden subjektiven Gründen – etwa wegen konkreter gesundheitlicher Beeinträchtigungen – unmöglich bzw. unzumutbar gewesen ist. Ob eine in der konkreten Situation des Klägers bestehende allgemeine Gesundheitsgefahr im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie eine Terminsverlegung rechtfertigen oder gar gebieten würde, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Auf der Grundlage seines Vorbringens im Beschwerdeverfahren war für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, dass dem Kläger eine Anreise von Wiesbaden zum Sitzungsort Kassel (etwa unter Benutzung eines PKW) und eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, für die die Gerichtsverwaltung nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil umfangreiche Vorsorgemaßnahmen getroffen hatte, überhaupt unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre.

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Darüber hinaus hat die Beschwerde mit der vorgenannten Kritik eine Gehörsverletzung auch aus anderen Gründen nicht hinreichend dargelegt. Da eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nur erfolgreich sein kann, wenn der Betroffene alle ihm gegebenen prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, sich Gehör zu verschaffen, muss in der Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch substantiiert und nachvollziehbar aufgezeigt werden, dass diesem Gebot Rechnung getragen wurde bzw. dass insoweit keine zumutbare Möglichkeit bestand (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2015 – 5 PB 9.14 – juris Rn. 3 m.w.N.). Das Beschwerdevorbringen lässt jedoch nicht erkennen, dass der Kläger alle ihm möglichen und zumutbaren verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich vor dem Verwaltungsgerichtshof gleichwohl rechtliches Gehör zu verschaffen. So legt der sich im Verfahren selbst vertretende Kläger nicht dar, warum es ihm – wenn er sich schon selbst an der Teilnahme der mündlichen Verhandlung gehindert sah – zur Verschaffung rechtlichen Gehörs nicht zumutbar gewesen wäre, einen anwaltlichen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu betrauen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. November 2018 – 1 BvR 957/18 – NJW 2019, 291 Rn. 7 f.).

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bb) Ein Gehörsverstoß ist des Weiteren nicht schlüssig dargelegt, soweit die Beschwerde beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger nicht antragsgemäß gestattet habe, gemäß § 102a Abs. 1 VwGO an der mündlichen Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen, während die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Die Vorschrift ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers als Befugnisnorm für das Gericht zu verstehen, in dessen Ermessen es steht, Videokonferenztechnik im konkreten Fall einzusetzen. Einen Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf eine entsprechende technische Ausstattung der Gerichte begründet sie grundsätzlich nicht (vgl. BT-Drs. 17/1224 S. 12 und 17/12418 S. 17). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass das Vorhandensein der erforderlichen Technik bei dem Gericht und an dem anderen Ort eine nicht ausdrücklich genannte, aber für den Regelfall der Teilnahme der Beteiligten selbst naturgemäße und vom Gesetzgeber mitgedachte Voraussetzung für den Einsatz von Videokonferenztechnik ist. Dies entspricht auch der nahezu einhelligen Ansicht im Fachschrifttum (vgl. etwa Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 102a Rn. 4; Fehling/Hamacher/Wilbert, in: Fehling/Kastner/Störmer, HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 102a Rn. 2; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 102a Rn. 6; Ulrich, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 39. EL Juli 2020, § 102a Rn. 27 m.w.N.).

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Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof von der durch § 102a Abs. 1 VwGO eingeräumten Möglichkeit „grundsätzlich“ keinen Gebrauch macht, solange das Gericht nicht über die zur Durchführung einer Videoverhandlung erforderliche technische Ausstattung verfügt. Davon abgesehen legt die Beschwerde einen Gehörsverstoß auch deshalb nicht dar, weil sie nicht aufzeigt, dass der Kläger alle ihm möglichen und zumutbaren verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich vor dem Verwaltungsgerichtshof gleichwohl rechtliches Gehör zu verschaffen, wozu auch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am Gerichtsort zählt. Dass der Kläger in eigener Person oder jedenfalls durch einen Bevollmächtigten hieran gehindert gewesen wäre, ist – wie bereits dargelegt – nicht dargetan.

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cc) Schließlich legt die Beschwerde einen Gehörsverstoß auch insoweit nicht dar, als sie geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe im Einzelnen bezeichnete Erklärungen aus dem Ausgangsverfahren zu Unrecht nicht als Verzögerungsrüge qualifiziert bzw. er habe den Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 überhaupt nicht gewürdigt.

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Soweit der Verwaltungsgerichtshof einzelne Schriftsätze des Klägers aus dem Ausgangsverfahren daraufhin geprüft hat, ob sie als Verzögerungsrüge aufgefasst werden können, hat er sich mit dieser Frage sowie dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers befasst und ist zu einer von der Ansicht des Klägers abweichenden Rechtsauffassung gelangt. Insoweit beanstandet die Beschwerde im Ergebnis lediglich die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs als inhaltlich unrichtig. Eine vom Klägervorbringen abweichende Rechtsansicht des Gerichts vermag jedoch einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs nicht zu begründen. Der verfassungsrechtliche Gehörsanspruch schützt weder davor, dass das Gericht dem Vortrag einer Partei in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst noch davor, dass das Gericht einzelne Tatsachen oder Erkenntnisse und bestimmtes Vorbringen von Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lässt oder sich nicht näher damit auseinandersetzt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 5. Februar 1999 – 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3 und vom 25. Mai 2016 – 5 PB 21.15 – juris Rn. 7 m.w.N.). Im Übrigen verpflichtet der verfassungsrechtliche Gehörsanspruch die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Juni 2017 – 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) – juris Rn. 9 m.w.N. und vom 15. August 2019 – 5 B 11.19 – juris Rn. 1).

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Hinsichtlich des Schriftsatzes vom 4. Dezember 2012 bemerkt die Beschwerde zwar, dass dieser im angefochtenen Urteil nicht erwähnt und gewürdigt wird. Einen Gehörsverstoß zeigt sie gleichwohl nicht auf. Abgesehen davon, dass die Beschwerde schon nicht darlegt, der Kläger habe im Entschädigungsverfahren vorgetragen, der Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 sei als Verzögerungsrüge zu verstehen oder beinhalte eine solche, liegt ein Gehörsverstoß auch deshalb nicht vor, weil ein solcher, soweit einzelnes Vorbringen übergangen worden sein soll, nur anzunehmen ist, wenn die Entscheidung auf der Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens beruht. Das ist hier nicht der Fall. Die Beschwerde macht geltend, das angefochtene Urteil hätte in Erwägung ziehen müssen, ob es sich bei dem Schriftsatz vom 4. Dezember 2012, in dem der Kläger auch die Dauer des gerichtlichen Verfahrens angesprochen hat („Somit fragt sich noch dringlicher als zuvor, wie viele weitere Etappen einer durch die Beklagte inszenierten ‚Schnitzeljagd‘ durch Absurdistan das Gericht vor Festlegung einer ‚Schlussetappe‘ mit zeitlicher Begrenzung für substantiierte Darlegungen noch zulassen möchte?“), um eine wirksame „Anhörungsrüge“ (gemeint: Verzögerungsrüge) handele (Beschwerdebegründung S. 3). Soweit damit nur die Möglichkeit der Erhebung einer Verzögerungsrüge angesprochen ist, zeigt die Beschwerde schon von vornherein die Entscheidungserheblichkeit der fraglichen Äußerungen des Klägers im Ausgangsverfahren nicht auf. Nichts anderes gilt, geht man zugunsten der Beschwerde davon aus, dass diese in dem Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 eine Verzögerungsrüge enthalten wissen will. Diese Einschätzung trifft nicht zu:

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Bei der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG handelt es sich um eine der Auslegung zugängliche und gegebenenfalls bedürftige Prozesshandlung (eigener Art), die wie sonstige prozessuale Anträge zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes wohlwollend im Sinne des am Gesamtvorbringen erkennbaren Rechtsschutzanliegens auszulegen ist (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – 1 BvR 3164/13 – NJW 2016, 2018 Rn. 31 f.; BSG, Urteil vom 27. März 2020 – B 10 ÜG 4/19 R – NZS 2020, 546 Rn. 28 ff. und Rn. 32 f. zum Maßstab des objektiven Empfängerhorizonts). Weil die Vorschrift keine besonderen Anforderungen an die Form oder den Mindestinhalt einer Verzögerungsrüge stellt, sondern lediglich verlangt, dass die „Dauer des Verfahrens gerügt“ wird, folgt daraus, dass auch eine nicht ausdrücklich als „Verzögerungsrüge“ bezeichnete Äußerung eines Verfahrensbeteiligten im Wege der Auslegung als Verzögerungsrüge anzusehen ist, wenn sich ihr in hinreichender Weise entnehmen lässt, dass der Beteiligte die Dauer des Verfahrens beanstandet oder in sonstiger Weise zum Ausdruck bringt, mit der Verfahrensdauer nicht einverstanden zu sein (BGH, Urteil vom 26. November 2020 – III ZR 61/20 – NJW 2021, 859 Rn. 18). Ist dies dem Inhalt einer Erklärung in Verbindung mit den Umständen, die für das Gericht offensichtlich sind, zu entnehmen, so wäre es eine bloße Förmelei, diese Erklärung allein deshalb nicht als Verzögerungsrüge anzusehen, weil sie nicht als solche ausdrücklich bezeichnet oder – insbesondere von nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten – unzulänglich formuliert ist (BSG, Urteil vom 27. März 2020 – B 10 ÜG 4/19 R – NZS 2020, 546 Rn. 28 m.w.N.).

18

Hat allerdings ein Beteiligter – wie hier der rechtskundige Kläger – in einem bestimmten Verfahren zuvor bereits schriftsätzlich und ausdrücklich eine Verzögerungsrüge erhoben, so ergibt sich daraus regelmäßig nicht nur, dass der betreffende Verfahrensbeteiligte diesen Rechtsbehelf kennt, sondern auch, dass er ihn bewusst und gezielt einsetzt. Dies gilt auch dann, wenn eine Verzögerungsrüge deshalb noch nicht wirksam erhoben werden konnte, weil kein Anlass zu der Besorgnis bestand, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde. Anders als die Beschwerde meint, sind in einem solchen Fall nachfolgende Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten, mit denen er – ohne dies als Verzögerungsrüge zu bezeichnen – die Dauer des Verfahrens kritisiert, regelmäßig nicht als (erneute) Verzögerungsrüge auszulegen. Vielmehr bringen solche Äußerungen – wie im vorliegenden Fall in Anbetracht der Gesamtumstände – gerade nicht zweifelsfrei den Willen des Verfahrensbeteiligten zur Erhebung einer (weiteren oder erneuten) Verzögerungsrüge zum Ausdruck und sind deshalb grundsätzlich nicht als Verzögerungsrüge im Rechtssinne aufzufassen. Ein solches Verständnis ist mit Blick auf die Interessenlage des jeweiligen Verfahrensbeteiligten auch deshalb angezeigt, weil die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GVG regelhaft frühestens nach sechs Monaten in wirksamer Weise wiederholt werden kann.

19

Dementsprechend zeigt die Beschwerde nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt hätte, dass er dessen Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 nicht dahingehend gewürdigt hat, ob dieser eine Verzögerungsrüge beinhaltet. Die Beschwerde verweist in diesem Zusammenhang ohne Erfolg darauf, dass der Inhalt dieses Schriftsatzes insbesondere im Lichte der mit Schriftsatz vom 15. November 2011 ausdrücklich erhobenen Verzögerungsrüge ausgelegt werden müsse, die der Verwaltungsgerichtshof mangels eines Anlasses zur Besorgnis nicht angemessener Verfahrensdauer als nicht wirksam erhoben angesehen hat. Vielmehr streitet die ausdrückliche Erhebung einer Verzögerungsrüge dafür, die in dem Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 enthaltenen Äußerungen zur Verfahrensdauer nicht als weitere oder erneute Verzögerungsrüge aufzufassen. Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Einschätzung ergeben sich nach dem Vorstehenden insbesondere auch nicht daraus, dass – wie die Beschwerde geltend macht (Beschwerdebegründung S. 3) – der Verwaltungsgerichtshof offengelassen hat, ob der weitere Schriftsatz vom 12. Oktober 2012 als Verzögerungsrüge angesehen werden kann.

20

2. Sofern die Beschwerde sich auch auf eine Divergenzrüge stützen sollte, legt sie auch eine die Zulassung der Revision begründende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in genügender Weise dar.

21

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. September 2018 – 5 B 20.18 D – juris Rn. 3 und vom 29. März 2019 – 5 BN 1.18 – juris Rn. 2 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

22

Die Beschwerde behauptet (unter A.I.5) lediglich, dass Ausführungen auf S. 14/15 des angefochtenen Urteils zur Unerheblichkeit oder einem grundsätzlich bestehenden Verbot einer Gesamtschau des Parteivorbringens zur Auslegung einer Prozesserklärung gemäß § 198 GVG von einer eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abwichen, wonach gerade auch in Bezug zu Entschädigungsverfahren gemäß §§ 198 ff. GVG das Erfordernis einer wohlwollenden Auslegung von Prozesserklärungen auch unter Berücksichtigung vorangegangenen Vortrags zu im Sachzusammenhang stehenden Verfahren mehrfach hervorgehoben worden sei. Das genügt den dargestellten Anforderungen an die Darlegung einer Divergenzrüge schon deshalb nicht, weil die Beschwerde weder einander widerstreitende Rechtssätze gegenüberstellt, noch (weder im Kontext der Divergenzrüge noch im Übrigen) die Entscheidung(en) des Bundesverfassungsgerichts benennt, die sie für sich in Anspruch nimmt.

23

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.