BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 10.05.2021, AZ 25 W (pat) 593/19, ECLI:DE:BPatG:2021:100521B25Wpat593.19.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2019 104 425.8
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Mai 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Bezeichnung
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SmartApp
3
ist am 3. April 2019 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
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Klasse 9:
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Wartungssoftware; Software zur Suche und Abfrage von Informationen in einem Computernetz; Software zum Verarbeiten von Bildern, Grafik und Text; Software für erweiterte Realität zur Verwendung in mobilen Geräten; Schulungssoftware; Mobile Apps; Herunterladbare mobile Anwendungen zur Verwendung mit tragbaren Computergeräten; Herunterladbare mobile Anwendungen für die Übertragung von Informationen; Herunterladbare Computersoftware für Fernüberwachung und -analyse; Computersoftware, die das Bereitstellen von Informationen über Kommunikationsnetzwerke ermöglicht; Computersoftware, die das Bereitstellen von Informationen über das Internet ermöglicht; Computerprogramme und -software zur Bildverarbeitung auf Mobiltelefonen;
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Klasse 37:
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Installation, Wartung und Reparatur von Maschinen;
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Klasse 41:
9
Zurverfügungstellen von Online-Tutorien; Vorführungen zu Schulungszwecken; Veröffentlichung von Schulungsmaterialien; Veröffentlichung von Schulungshandbüchern; Veröffentlichung von Bedienungsanleitungen; Veranstaltung von Trainingskursen; Durchführung von Trainingskursen; Durchführung von Kursen [Unterricht] in Bezug auf Kundendienstleistungen; Computergestützte Schulungsdienstleistungen; Computergestützte Schulung; Veranstaltung und Durchführung von Vorträgen zu Trainingszwecken;
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Klasse 42:
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Technische Prüfung; Software as a Service [SaaS]; Prüfung der Funktionalität von Maschinen; Prüfung der Funktionalität von Apparaten und Instrumenten; Fehlersuche in Bezug auf Computersoftwareprobleme [Technische Hilfe]; Fehlersuche bei Computerhardware- und -softwareproblemen; Durchführung technischer Prüfungen; Durchführung technischer Messungen und Prüfungen; Computergestützte technische Prüfungen; Computergestützte diagnostische Prüfungsdienstleistungen; Bereitstellung von Informationen im Bereich Produktentwicklung.
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Mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 18. September 2019 hat die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts die unter der Nummer 30 2019 104 425.8 geführte Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
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Die angemeldete Marke bestehe aus dem Fachausdruck für künstliche bzw. gerätetechnische Intelligenz „Smart“ (vgl. Begriffe wie „smart card“, „smartphone“, „smartwatch“ oder „SMARTWARE“, „SMARTCLOCK“, „SmartSurf“ und „SmartAssist“) und dem auch in der deutschen Sprache gebräuchlichen Begriff „App“. Er sei die Abkürzung des englischen Wortes „Application“ und stehe für jede Art eines Anwendungsprogramms auf beliebigen Computern, Geräten oder anderen technischen Systemen. In der Gesamtheit habe die angemeldete Bezeichnung die Bedeutung „intelligente, clevere, geschickte und auf künstlicher Intelligenz (wie mit Software, Computertechnologie) basierende Anwendungssoftware“. Das Zeichen sei damit aber nur aus einer Kombination schutzunfähiger Bestandteile zusammengesetzt, die in ihrer Zusammenstellung keinen über die Summe der Einzelbestandteile hinausgehenden schutzfähigen Gesamtbegriff ergäben. Die vorhandene Binnengroßschreibung vermöge ebenso wenig die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens zu begründen. Das Wort „Smart“ sei in Kombination mit weiteren Begriffen und in einem entsprechenden Sachzusammenhang seit langem im Sinne von „technische Intelligenz“ geläufig und den angesprochenen Verkehrskreisen im Kontext mit technischen Waren bzw. im IT-Bereich bestens vertraut, nachdem es bereits vor dem Jahr 2004 mit dem Smartphone ein Mobiltelefon gegeben habe, das als „intelligentes“ Telefon über Zusatzfunktionen verfügt habe.
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Die angesprochenen Verkehrskreise würden in dem angemeldeten Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich den werblichen Hinweis und eine Qualitätsanpreisung dahingehend erkennen, dass diese eine intelligente, clevere, geschickte und auf künstlicher Intelligenz basierende Anwendungssoftware bzw. ein intelligentes, cleveres, geschicktes und auf künstlicher Intelligenz basierendes zukunftsorientiertes, hochmodernes Produkt darstellten. In dieser Bedeutung beschreibe es auch sämtliche beanspruchten Dienstleistungen ihrer Art, Bestimmung und ihrem Inhalt nach, da sie sich auf eine intelligente Anwendungssoftware beziehen oder mit deren Hilfe bzw. unter deren Einsatz durchgeführt werden könnten. Ähnlich aufgebaute Begriffe wie „Smartboard“, „Smartcard“ oder „Smartphone“ seien bereits in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen, so dass es dem hier angesprochenen Verkehr nicht schwerfalle, den Bedeutungsgehalt des angemeldeten Zeichens unmittelbar zu erkennen. Für das entsprechende Verständnis bedürfe es keiner analysierenden Betrachtungsweise oder eines vertieften Nachdenkens, zumal es sich bei den Bestandteilen der Marke um zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörende Wörter handele, die identisch oder sehr ähnlich im Deutschen gebräuchlich seien. Auch aus der Neuheit eines Zeichens könne die Unterscheidungskraft der Bezeichnung nicht abgeleitet werden. Ein betriebsneutraler werblicher Sachhinweis auf die Art, Beschaffenheit, Bestimmung und Qualität der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei für die angesprochenen Verkehrskreise kein individualisierendes Herkunftskennzeichen. Weiter könne auch der Vortrag der Anmelderin zu vermeintlich vergleichbaren Voreintragungen, die den Begriff „Smart“ enthielten, nicht zum Erfolg der Anmeldung führen.
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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, die angemeldete Bezeichnung sei, anders als die Markenstelle meinte, unterscheidungskräftig und im Übrigen auch nicht freihaltebedürftig. Die Zurückweisung der Anmeldung sei bereits deswegen fehlerhaft, weil die Markenstelle die Anmeldung insgesamt und pauschal für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen habe. Nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Unterscheidungskraft aber im Hinblick auf jede der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gesondert zu beurteilen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft des Zeichens genüge.
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Gerade im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klassen 37 und 42 sei die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses unschlüssig. Diesbezüglich sei erst eine analysierende Betrachtungsweise erforderlich, um die Wortfolge „SmartApp“ als schutzunfähig anzusehen. Die jeweiligen Wortbestandteile der Marke hätten zahlreiche weitere lexikalisch nachweisbare Bedeutungen wie beispielsweise clever, schlau, schick oder schnell („smart“) und Bewerbung, Antrag, Anmeldung, Anstrich oder Anwendung („App“), was zu entsprechend unterschiedlichen Bedeutungen der jeweils möglichen Wortkompositionen führe. Insoweit sei nicht auszuschließen, dass der Kombination „SmartApp“ gerade im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen eine herkunftshinweisende Funktion zukomme, zumal auch insoweit ein beschreibender Inhalt nicht gegeben sei.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2019 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 11. März 2021 nebst Anlagen, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „SmartApp“ als Marke steht im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 9 und den Dienstleistungen der Klassen 37, 41 und 42 jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8Abs. 2Nr. 1MarkenGist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270, Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, Rn. 13
– Marlene-Dietrich Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301, Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565, Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428, Rn. 30f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872, Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482, Rn. 22
– test; EuGH MarkenR 2010, 439, Rn. 41 bis 57 – Flugbörse). Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (vgl. BGH GRUR 2013, 522, Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100, Rn. 23
– TOOOR!).
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Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung „SmartApp“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.
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a) Die Bedeutung der angemeldeten Wortkombination „SmartApp“ im Sinne von „smarter App“, also eine smarte Applikation erschließt sich nicht zuletzt angesichts der Binnengroßschreibung völlig problemlos. Die ursprünglich der englischen Sprache entnommenen Wortbestandteile „Smart“ und „App“ sind inzwischen in den deutschen Sprachwortschatz eingegangen. „Smart“ bedeutet an sich „alert, clever, einfallsreich, taktisch, schlau, chic, elegant“ (vgl. u. a. DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, Dudenverlag). Als „smart“ werden zudem Geräte oder Maschinen, die lernen, sich automatisch anpassen und ihr Verhalten auf das Umfeld einstellen können, beschrieben. So findet sich zu dem Stichwort „Smart Machines“ folgende Aussage:
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„Smart machine technologies learn on their own and can produce unanticipated results. They must:Adapt their behavior based on experience (learning); Not be totally dependent on instructions from people (learn on their own); Be able to come up with unanticipated results” (vgl. „Gartner Glossary“ als Anlage 1 zum Senatshinweis vom 11. März 2021).
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„Smart“ bezeichnet die zunehmende Anzahl vernetzter Technologien, die uns das Leben leichter machen. Dementsprechend werden Geräte, Maschinen und Konzepte selbst als „smart“ bezeichnet, wobei das Wort „smart“, nachdem heute praktisch alles vernetzt und damit fast alles auch „smart“ ist, nahezu allgegenwärtig ist, was an Begriffen wie „Smart Cities“, „Smart Homes“ oder „Smart TVs“ deutlich wird. Der Zeichenbestandteil wird daher in den unterschiedlichsten Branchen und für unterschiedlichste Waren häufig als Werbeschlagwort verwendet, um Produkte in werblich ansprechender Art und Weise als schick und modern anzupreisen. Demzufolge gibt es beispielsweise die Slogans „A smarter way“ im Bereich Bürobedarf, „Work smart, Work clean, Work green“ oder „Smart. Simple. Safe.“ im Bereich Computer/IT und „Smarter pet care“ im Bereich Haustiere (vgl. die Auszüge aus der Datenbank der Werbung „Slogans.de“ als Anlage zum Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 15. Mai 2019).
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Das Zeichenelement „App“ wiederum ist die Abkürzung des englischen Wortes „Application“ (deutsch Applikation). Damit ist eine Anwendungssoftware gemeint, also ein ausführbares Programm, das eine zusätzliche Funktion oder Anwendung ermöglicht oder erfüllt, die jedoch für das Funktionieren eines Systems selbst nicht relevant ist. „Apps“ sind zusätzliche Applikationen, die auf bestimmte Geräte, u. a. Mobiltelefone, heruntergeladen werden können.
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Bei einer „smarten App“ kann es sich nach alledem um eine „geräteintelligente App“ handeln, also eine App, die lernen, sich automatisch anpassen und ihr Verhalten auf das Umfeld einstellen kann. In diesem Sinne werden die Wortkombinationen „Smart Apps“ und „Smart Mobile Apps“ für unterschiedliche Produkte und in unterschiedlichen Branchen bereits umfangreich verwendet (vgl. die Rechercheunterlagen als Anlagen 2 und 3 zum Senatshinweis vom 11. März 2021). So gebrauchen Dritte beispielsweise die Bezeichnungen „personalisierte SmartApps“, „LiDAT smartApp“, „HP smart App“, „smart app auto“, „GARDENA smart App“ oder „Vodafone Smart App“ (vgl. die Rechercheunterlagen als Anlage 4 zum Senatshinweis vom 11. März 2021). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die vorliegend angesprochenen gewerblichen Fachkreise sowie die Endverbraucher dem Anmeldezeichen ohne weiteres und in erster Linie die obige Bedeutung beimessen werden. Die seitens der Anmelderin aufgezeigten weiteren Interpretations- und Verständnismöglichkeiten sind demgegenüber bereits aus sich heraus, erst recht aber in Verbindung mit den beanspruchten und für die Prüfung der Schutzfähigkeit allein maßgeblichen Waren und Dienstleistungen fernliegend.
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b) Mit den eben aufgezeigten Bedeutungen kommt dem Anmeldezeichen in Verbindung mit allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht die für eine Eintragung als Marke notwendige Unterscheidungskraft zu.
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Die Begriffskombination „SmartApp“ benennt zunächst die Art und Funktion der angemeldeten Waren der Klasse 9, bei denen es sich jeweils um Software oder mobile Apps handelt. Insofern macht sie deutlich, dass sie gerätetechnisch intelligente, smarte Applikationen darstellen.
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In Verbindung mit der „Installation, Wartung und Reparatur von Maschinen“ der Klasse 37 bringt die Bezeichnung „SmartApp“ die Art und Weise der Erbringung dieser Dienste zum Ausdruck. Mit Hilfe einer solche Applikation können die Installations-, Wartungs- und Reparaturarbeiten dokumentiert, geplant und (digital) gesteuert werden. Insoweit besteht ein enger sachlicher Bezug der gegenständlichen Wortfolge zu diesen Dienstleistungen, den die angesprochenen Verkehrskreise ohne Probleme erfassen werden, nachdem sie zunehmend in digitalisierter Form erbracht werden (vgl. hierzu auch die Entscheidung 25 W (pat) 531/19 – e-visit).
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Entsprechendes gilt für die Dienstleistungen „Technische Prüfung; Prüfung der Funktionalität von Maschinen; Prüfung der Funktionalität von Apparaten und Instrumenten; Fehlersuche in Bezug auf Computersoftwareprobleme [Technische Hilfe]; Fehlersuche bei Computerhardware- und -softwareproblemen; Durchführung technischer Prüfungen; Durchführung technischer Messungen und Prüfungen; Computergestützte technische Prüfungen; Computergestützte diagnostische Prüfungsdienstleistungen“. Die Art und Weise ihrer Durchführung und Erbringung lassen sich dem Anmeldezeichen entnehmen. Die besagten Tätigkeiten können mit Hilfe digitaler Hilfsmittel ausgeübt werden, zu denen eine SmartApp gehört. Damit eignet sich beispielweise ein Computer für Prüfungen, Messungen oder die Fehlersuche.
32
Die Dienstleistung „Software as a Service [SaaS]“ der Klasse 42 ist ein Teilbereich des Cloud Computings. Das SaaS-Modell basiert auf dem Grundsatz, dass die Software und die IT-Infrastruktur bei einem externen IT-Dienstleister betrieben und vom Kunden als Dienstleistung genutzt werden. Für die Nutzung von Online-Diensten wird ein internetfähiger Computer sowie die Internetanbindung an den externen IT-Dienstleister benötigt. Der Zugriff auf die Software wird meist über einen Webbrowser realisiert (vgl. „https://de.wikipedia.org/wiki/Software_as_a_Service“). Im Rahmen dieses Dienstes können auch SmartApps zur Verfügung gestellt werden, die der Nutzer gegen Entgelt für eine gewisse Zeit nutzt. Auf diese Weise erspart er die (höheren) Kosten für die eigene Anschaffung. Die in Rede stehende Wortzusammensetzung spricht damit ausdrücklich den Gegenstand der besagten Dienstleistung an.
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In Verbindung mit der Dienstleistung „Bereitstellung von Informationen im Bereich Produktentwicklung“ der Klasse 42 sowie allen Dienstleistungen der Klasse 41, bei denen es um das Bereitstellen von Schulungsmaterialien bzw. Bedienungsanleitungen oder um die Durchführung von Tutorien, Schulungen, Kursen bzw. Vorträgen geht, bezeichnet „SmartApp“ in der werbetypisch verkürzten Art und Weise schlagwortartig den thematischen Schwerpunkt und den Gegenstand der vermittelten Informationen. Sie beschäftigen sich mit „Smart Apps“ und ermöglichen damit demjenigen, der die Dienstleistungen in Anspruch nimmt, die (bessere) Nutzung intelligenter Applikationen. Insoweit weist das angemeldete Zeichen einen engen beschreibenden Bezug zu diesen Dienstleistungen auf.
34
c) Der Auffassung der Anmelderin, wonach die Markenstelle pauschal alle beanspruchten Dienstleistungen zurückgewiesen habe, kann sich der Senat nicht anschließen. Richtig ist zwar, dass bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG alle beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu würdigen sind (vgl. EUGH GRUR 2007, 425, Rn. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952, Rn. 9 – DeutschlandCard). Es reicht aber eine globale Begründung aus, soweit dieselben Erwägungen für eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zutreffen. Das bedeutet, dass dieselbe für verschiedene Waren oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Ware oder Dienstleistung wiederholt werden muss, sondern Gruppen von Waren oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können, was die Markenstelle im angefochtenen Beschluss bezüglich der Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37, 41 und 42 auch getan hat (vgl. hierzu EuGH C-214/19P, GRUR-RS 2020, 21408, Rn. 40 – achtung!). Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht liegt nur vor, wenn verschiedene Waren oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleichbehandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden. Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen.
35
d) Zur Auffassung der Anmelderin, dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung des Schutzhindernisses ausreiche, ist ergänzend unter Bezugnahme auf die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anzumerken, dass auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen ist, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren. Die Prüfung der Markenanmeldung muss daher streng und vollständig sein, um ungerechtfertigte Eintragungen zu vermeiden (vgl. EUGH GRUR 2019, 1194, Rn. 28 – #darferdas?; GRUR 2003, 604, Rn. 57, 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565, Rn. 17 – smartbook; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8, Rn. 200).
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2. Inwieweit der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit einem Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zudem das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann vor dem Hintergrund der jedenfalls fehlenden Unterscheidungskraft des Zeichens für alle Waren und Dienstleistungen dahingestellt bleiben.
37
3. Die Anmelderin hat keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt. Diese war aus Sicht des Senats auch nicht erforderlich (§ 69 Nr. 1 und 3 MarkenG).
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Nach alledem war der Beschwerde der Erfolg zu versagen.