Markenbeschwerdeverfahren – „EPICURE ESSENTIAL PLEASURES“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis (Beschluss des BPatG München 29. Senat)

BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 04.05.2021, AZ 29 W (pat) 36/19, ECLI:DE:BPatG:2021:040521B29Wpat36.19.0

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 001 581.5

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. Mai 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Seyfarth und den Richter kraft Auftrags Posselt

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 27. Juni 2019 und vom 5. September 2019 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

EPICURE ESSENTIAL PLEASURES

3

ist am 25. Januar 2019 zur Eintragung in das beim DPMA geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 09: Magnetdatenträger; Digitale Aufzeichnungsträger; Maschinenlesbare Datenträger für die Buchung von Bonus-Geschäften; Geschenk-, Gutschein-, Bonus-, Rabatt- und andere Karten [kodiert]; Anwendungssoftware für Mobiltelefone und Computersoftware im Bereich Kundenbindungs- und Bonusprogramme; Datenbanksoftware und Datenbankmanagementsoftware im Bereich Kundenbindungs- und Bonusprogramme; Software aller Art [soweit in Klasse 9 enthalten], insbesondere für den Bereich des digitalen Couponings und für die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften für den Handel mit Gutscheinen und Coupons via Internet, auch für mobile Endgeräte [Apps]; Software für den digitalen Versand und die digitale Authentifizierung von Gutscheinen und Coupons, auch für mobile Endgeräte [Apps]; Software für die Verwaltung von Coupons und Gutscheinen, auch für mobile Endgeräte [Apps]; Elektronisch gespeicherte Daten [herunterladbar]; [herunterladbare] elektronische Veröffentlichungen;

5

Klasse 35: Werbung;
Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Marketing;
Beratung auf dem Gebiet des Marketing; Merchandising [Verkaufsförderung]; Unternehmensberatung; Zusammenstellung und Systematisierung von Informationen in elektronischen Datenbanken; Entwicklung von Bonus-, Rabatt-, Gutschein- und Prämienprogrammen und -Systemen für Marketingzwecke, insbesondere Couponing-Systeme und Rabatt- und/oder Bonusprogramme; Durchführung von Marketingkampagnen; Erstellen auditiver und visueller Warenpräsentationen für Unternehmen [Marketing];
Erstellung von Marketingberichten; Organisation, Durchführung und Überwachung von Bonusprogrammen;
Vermietung, Verbreitung und Verteilung
von Werbematerial,
Marketingmaterial und Material für Öffentlichkeitsarbeit; Organisation der Verteilung von Geschenkgutscheinen, Geschenkschecks, Wertschecks und Coupons über Mobiltelefone, sonstige mobile Geräte und über das Internet; Bereitstellung einer Website mit Coupons, Rabatten, Preisvergleichsinformationen, Links zu den Websites Dritter sowie Rabattinformationen; Organisation und Durchführung von Geschenk-, Gutschein-, Bonus-, Geschenkkarten- und Rabattprogrammen;
Preisvergleichsdienste;
Verbraucherberatung;
Vermietung von Werbeflächen im Internet [Bannerexchange]; Kundenbindungsdienstleistungen und Kundenclub-Dienstleistungen für kaufmännische, verkaufsfördernde und Werbe-Zwecke; Unternehmensberatung bezüglich Kundenbindungsprogramme; Kundenbindungs-Marketing;
Zurverfügungstellung von Onlineinformationen über Marketing, Marktforschung, Bonus-, Kundenbindungs-, Öffentlichkeitsarbeit- und Prämien-Programmen;

6

Klasse 36:
Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte, insbesondere in Bezug auf digitales Couponing sowie auf die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften für den Handel mit Gutscheinen und Coupons via Internet; Finanz- und Geldgeschäfte in Bezug auf die Verwaltung von Coupons und Gutscheinen und der Zurverfügungstellung des gesammelten Gutscheinangebotes für andere Internetportale, auf denen gegebenenfalls Gutscheine verkauft werden können; Ausgabe von Geschenkkarten, Wertschecks und Coupons;

7

Klasse 42: Software as a Service [SaaS] im Bereich Kundenbindungs- und Bonusprogramme; Platform as a Service [PaaS] im Bereich Kundenbindungs- und Bonusprogramme; Platform as a Service [PaaS] über Mobiltelefone, andere mobile Geräte und das Internet im Bereich Rabattinformationen, Geschenkgutscheine, Geschenk-Coupons, Gutscheine und Coupons; Platform as a Service [PaaS] für die Ausstellung von Geschenkschecks, Gutscheinen und Coupons; Entwurf und Entwicklung von Computerprogrammen, insbesondere zur Datenverarbeitung, insbesondere für das Couponing, für die Einrichtung und Organisation von bargeldlosen Geldgeschäften durch Handel mit Gutscheinen und Coupons; Softwareentwicklung für den digitalen Versand und die digitale Authentifizierung von Gutscheinen und Coupons; Softwareentwicklung für die Verwaltung von Coupons und Gutscheinen; technische Beratung für Kundenfindungs- und -bindungssysteme, insbesondere auf dem Gebiet von SMS-Service, App-Service, Mailing-, Rabatt-, Gutschein- und Prämien-Programmen; Aktualisieren von Computersoftware; Aktualisierung von Internetseiten; Soft- und Hardwareberatung; Vermietung von Software; Design von Computer-Software; Wartung von Computersoftware; Qualitätsprüfung; Entwicklung und Einrichtung von Geschenk-, Coupon-, Bonus-, Geschenkkarten- und Rabatt-Systemen;

8

Klasse 43: Verpflegung von Gästen;
Vorübergehende Beherbergung von Gästen; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Cafés; Catering-Dienste; Hotel- und Restaurantreservierungen

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Klasse 45:
Lizenzierungsdienste; Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten.

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Mit Beschlüssen vom 27. Juni 2019 und 5. September 2019, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 und 5 MarkenG teilweise, nämlich mit Ausnahme der oben fett gedruckten Dienstleistungen, zurückgewiesen.

11

Bei dem Zeichen „EPICURE ESSENTIAL PLEASURES“ handele es sich um eine üblich gebildete englischsprachige Wortfolge. Diese werde von den angesprochenen Verkehrskreisen dahingehend verstanden, dass es sich bei den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen um solche handele, die zu unentbehrlichen Freuden für Feinschmecker gehörten. Das angemeldete Zeichen werde daher lediglich als unmissverständliche Zielgruppenangabe – Feinschmecker, Genießer, Gourmets – verbunden mit einem anpreisenden Werteversprechen wahrgenommen. „EPICURE“ sei in gängigen Lexika in der Bedeutung „Feinschmecker“, „Genießer“, bzw. „Gourmet“ verzeichnet. Der Hinweis auf den griechischen Philosophen Epikur sei daher irrrelevant. Der Begriff „ESSENTIAL“ sei dem deutschen Wort „essentiell“ sehr ähnlich und werde bereits deshalb problemlos verstanden.

12

Das Wort „PLEASURES“ werde in der Werbesprache gern benutzt, um Freude bzw. Vergnügen auszudrücken. Eine rein werbeanpreisende Verwendung von „ESSENTIAL PLEASURES“ als Hinweis auf „wesentliche bzw. unentbehrliche oder essentielle Freuden“ sei zudem belegt.

13

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit der sie sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27.06.2019 und vom 05.09.2019 aufzuheben und die Eintragung der Marke zu verfügen.

15

Entgegen dem Vortrag der Markenstelle handele es sich bei der Gesamtkombination „EPICURE ESSENTIAL PLEASURES“ nicht um eine sprachübliche Wortkombination, die vom angesprochenen Verkehr verstanden werde. Unabhängig von der Sprachüblichkeit der Begriffe „ESSENTIAL“ und „PLEASURES“ könne dies zumindest für den Begriff „EPICURE“ nicht angenommen werden. Dieser sei nicht der Alltags- und Umgangssprache zuzuordnen, für die im angesprochenen Verkehrskreis ein gewisses Grundverständnis angenommen werden könne.

16

Maßgeblich sei allein das Verständnis des deutschen Durchschnittsverbrauchers, der regelmäßig über keine besonderen Kenntnisse in diesem Bereich verfüge. Damit sei auch belegt, dass der Begriff nicht zum englischen Grundwortschatz zähle und somit in Deutschland weitestgehend unbekannt sei. Darüber hinaus zeigten aktuelle Entscheidungen der Beschwerdekammern des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum, dass der Begriff „EPICURE“ bereits im englischen Sprachraum nicht als allgemeinbekannt anzusehen sei, selbst wenn die maßgeblichen Dienstleistungen ausdrücklich Bezug auf die Bereiche Restaurants sowie Essen und Trinken nehmen würden. Insbesondere die Tatsache, dass der Begriff „EPICURE“ im Oxford Dictionary aufgeführt sei, habe das EUIPO für nicht ausreichend erachtet. Da bereits im englischsprachigen Raum nicht von der entsprechenden Bekanntheit des Begriffs „EPICURE“ ausgegangen werden könne, gelte dies erst recht für den in Deutschland angesprochenen Verkehr.

17

Eine gedankliche Verknüpfung, dass „EPICURE“ unmittelbar mit „eine[m] Epikureer, also Feinschmecker, Genießer“ in Verbindung gebracht würde, werde bei einem Großteil der angesprochenen Kreise gar nicht bzw. nicht ohne mehrere gedankliche Schritte erfolgen. Hierfür müsse zunächst der griechische Philosoph Epikur den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt sein, woran bereits erhebliche Zweifel bestünden. So ergebe beispielsweise eine Google-Recherche bezogen auf „berühmte griechische Philosophen“ eine Vielzahl von Treffern. Epikur sei jedoch nicht bei den „TOP Treffern“ vertreten, sondern werde erst an achter Stelle angezeigt. In einem weiteren Gedankenschritt müssten die angesprochenen Verkehrskreise von Epikur auf seine philosophischen Lehren schließen, nach denen das Vergnügen und die Freiheit von Schmerz der wichtigste Inhalt des Lebens seien. In einem zusätzlichen Schritt müsste dann eine Verbindung zu dem Bereich „Genuss“ hergestellt bzw. müssten diese Lehren auch noch mit Lebensmitteln bzw. der gehobenen Küche und/oder der Feinschmeckerei in Verbindung gebracht werden.

18

Entgegen der Annahme der Markenstelle sei zudem nicht davon auszugehen, dass mit dem Begriff „PLEASURES“ automatisch „Gaumenfreuden“ gemeint seien.

19

Im Zusammenhang mit Lebensmitteln würden eher andere englische Begriffe wie „delicious“, „tasty“ oder „exquisite“ genutzt. Ferner weise der Begriff „Gaumenfreuden“ auch keinen Zusammenhang mit einem Großteil der betroffenen Waren und Dienstleistungen in den Klassen 09, 35, 36, 42 und 45 auf.

20

Insbesondere ginge kein Bezug zu „Feinschmeckerlokalen“, Restaurants bzw. Essen und Trinken oder ähnlichem aus den aufgeführten Waren- und Dienstleistungsangaben hervor. Dies gelte auch hinsichtlich der in den Klassen 09, 35, 36, sowie 42 genannten Waren und Dienstleistungen, welche Rabatte oder Coupons zum Gegenstand hätten.

21

Bestenfalls in Bezug auf einzelne Dienstleistungen der Klasse 43 („Verpflegung von Gästen; Betrieb einer Bar; Verpflegung von Gästen in Cafés, Catering-Dienste; Restaurantreservierungen“) könne eine sog. sprechende Marke angenommen werden. Die Bedeutung des Begriffes „EPICURE“ eröffne allenfalls vage und abstrakte Vorstellungen von Exklusivität, Extravaganz oder Luxus. Dies allein könne jedoch nicht ausreichen, um von einer unmittelbaren Beschreibung der jeweiligen Waren und Dienstleistungen auszugehen.

22

Für die Eintragungsfähigkeit des Zeichens „EPICURE ESSENTIAL PLEASURES“ sprächen auch etliche, teils in deutscher Sprache gehaltene Voreintragungen mit Bezug zu deutlich bekannteren Philosophen. Die vom DPMA angeführten Zurückweisungen seien hingegen nicht mit der angemeldeten Marke vergleichbar.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen

II.

24

Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

25

1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.

26

2. Dem angemeldeten Zeichen fehlt es nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

27

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas?, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI).

28

Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi Langstrumpf-Marke; a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).

29

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

30

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat).

31

a) Von den verfahrensgegenständlichen Waren bzw. Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 36, 42, 43 werden in Klasse 9 und 43 sowohl der inländische Fachverkehr als auch der allgemeine inländische Verbraucher angesprochen, in den Klassen 35, 36 und 42 vorwiegend Fachkreise.

32

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen EPICURE ESSENTIAL PLEASURES in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen über die erforderliche Unterscheidungskraft. Der angesprochene Verkehr mag der angemeldeten Bezeichnung hinsichtlich der Dienstleistungen in Klasse 43 beschreibende Anklänge beimessen, er wird sie aber auch dort nicht für einen bloßen Sachhinweis halten.

33

Bei aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2006, 229 – BioID; BGH, Beschluss vom 10.09.2020, I ZB 13/20 – Lichtmiete).

34

Die Wortbestandteile „EPICURE“, „ESSENTIAL“ und „PLEASURES“ stammen aus dem Englischen. „ESSENTIAL“ wird mit „unentbehrlich, unverzichtbar, wesentlich, essentiell, grundlegend“ und „PLEASURES“ mit „Freude, Vergnügen“ übersetzt (vgl. auch Pons, Onlinewörterbuch Englisch, https://de.pons.com). Die relevanten Verkehrskreise werden die Worte „ESSENTIAL PLEASURES“ daher ohne weiteres im Sinne von „unverzichtbare/wesentliche/essentielle Freuden“ verstehen. Auch „EPICURE“ ist zwar lexikalisch im Sinne von „Genießer; Gourmet; Feinschmecker“ nachgewiesen (https://de.pons.com; https://dict.leo.org/englisch-deutsch/epicure), aber nicht den Grundkenntnissen der englischen Sprache zuzuordnen (vgl. auch EUIPO, Entscheidung vom 28. August 2019, R 859/2019-5, EPICURE ELITE). Es handelt sich vielmehr um einen literarischen Begriff für eine Person, die gutes Essen und Trinken liebt (vgl. MACMILLAN Dictionary https://www.macmillan dictionary.com/ dictionary/british/epicure, der seinerseits als Synonym den auch im Inland deutlich bekannteren französischen Begriff „Gourmet“ referenziert). Relevante Fundstellen für eine Verwendung im Zusammenhang mit den hier noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen, die sich an die inländischen Verkehrskreise richten, hat die Markenstelle ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Hierzu hat auch eine Recherche des Senats nichts ergeben. Der Begriff wird insgesamt selten und dann in der Regel marken- oder namensmäßig benutzt. Dies lässt sich z. B. auch der Anlage zum Erinnerungsbeschluss vom 5. September 2019 hinsichtlich des Restaurants „Epicure“ in Paris entnehmen. Ferner gibt es eine hochwertige Messer-Serie namens „Epicure“ von Wüsthof.

35

Wenn die relevanten Verkehrskreise dagegen wegen der – bei englischer Aussprache [ˈepɪkjʊəʳ] – klanglichen Nähe zum deutschen Wort „Epikur“ an den griechischen Philosophen denken sollten, werden sie zur Übersetzung „Epikurs wesentliche/essentielle Freuden“ kommen. Um zum Ergebnis zu gelangen, dass es sich um „unverzichtbare/wesentliche/essentielle Freuden für Feinschmecker bzw. Gourmets“ handelt, bedarf es weiterer analytischer Gedankenschritte. Hierfür muss zunächst von Epikur selbst auf dessen Lehre und von dieser auf „Feinschmecker, Gourmet“ geschlossen werden. Der Epikureismus war bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert hinein eine einflussreiche philosophische Schule mit zahlreichen Anhängern. Seit der römischen Zeit wurde der Begriff, insbesondere von den christlichen Gegnern Epikurs, mit einer negativen Bedeutung im Sinne von „Genussmensch“ verwendet. Sollte das Wort „EPICURE“ deutsch ausgesprochen und mit den Epikureern, also den Anhängern der Lehre Epikurs, in Verbindung gebracht werden, so gilt nichts Anderes. Auch hier ist nicht davon auszugehen, dass die relevanten Verkehrskreise, gerade im Hinblick auf die Datenträger und Computersoftware in Klasse 9 und Dienstleistungen in den Klassen 35, 36, 42 und 45, eine Verbindung zu Genussmenschen oder gar Feinschmeckern herstellen werden. Dem ganz überwiegenden Teil wird schon Epikur und dessen Lehre nicht bekannt sein. Selbst hinsichtlich der Verpflegungsdienstleistungen der Klasse 43 wird allenfalls eine vage gedankliche Verknüpfung mit Griechenland stattfinden. Trotz beschreibender Anklänge einzelner Bestandteile kommt daher dem Gesamtzeichen keine ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu (EuGH GRUR 2004, 680 Rn. 37 – BIOMILD; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy).

36

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

37

3. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ebenfalls nicht gegeben. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im Anmeldezeitpunkt vernünftigerweise zu erwartende zukünftige beschreibende Verwendung sind nicht erkennbar.