Eine Ehe ist nicht im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG „vor der Flucht“ geschlossen, wenn sie erst nach Verlassen… (Urteil des BVerwG 1. Senat)

BVerwG 1. Senat, Urteil vom 27.04.2021, AZ 1 C 45/20, ECLI:DE:BVerwG:2021:270421U1C45.20.0

Leitsatz

Eine Ehe ist nicht im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG „vor der Flucht“ geschlossen, wenn sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde. Eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund ist im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG anzunehmen, wenn die für den Ausschluss von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36a Abs. 1 Satz 1 AufenthG herangezogenen Gründe einen Ausschluss nach Art oder Reichweite nicht (mehr) rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 1 C 30.19).

Verfahrensgang

vorgehend VG Berlin, 19. Juni 2020, Az: 38 K 495.19 V, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihr ein Visum zum Zwecke des Nachzugs zu ihrem Ehemann zu erteilen.

2

Die im März 1994 geborene Klägerin und ihr im Februar 1976 geborener Ehemann sind sudanesische Staatsangehörige. Der Ehemann der Klägerin verließ die Republik Sudan nach eigenen Angaben im Mai 2010. Nach etwa dreijährigem Aufenthalt in Libyen reiste er im Oktober 2013 in das Bundesgebiet ein. Im Mai 2017 wurde ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Seine gegen die Ablehnung des Asylantrags im Übrigen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Die Ausländerbehörde des Beigeladenen erteilte ihm erstmals im Juli 2017 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG. In einem Merkblatt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wurde er darauf hingewiesen, dass die Möglichkeiten des Familiennachzugs vorübergehend eingeschränkt seien, ein Familiennachzug u.a. für Ehegattinnen erst nach dem 16. März 2018 wieder möglich sei.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann, die sich eigenen Angaben zufolge im Jahr 2015 kennenlernten und verlobten, einander aber noch nicht begegnet sind, gingen im August 2017 die Ehe miteinander ein. Bei der Eheschließung im Sudan ließ sich der Ehemann der Klägerin vertreten („Handschuhehe“).

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Im Juli 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrem Ehemann. Der Beigeladene stimmte der Erteilung des Visums nicht zu. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Khartum lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Ausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ab.

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Das Verwaltungsgericht hat die insoweit erhobene Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Visums aus § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG sei gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, weil diese die Ehe nicht bereits vor der Flucht ihres Ehemannes, sondern erst nach dessen Verlassen des gemeinsamen Herkunftslandes geschlossen habe. Der Regelausschlussgrund stehe in Widerspruch weder zu Unionsrecht noch zu Art. 6 Abs. 1 GG. Ebenso wenig verstoße er gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 EMRK und Art. 20 GRC. § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entfalte zudem eine mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbare unechte Rückwirkung. Eine atypische Situation, die eine Abweichung von dem Regelfall erfordere, sei in Bezug auf die Klägerin weder ersichtlich noch vorgetragen. Diese habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da die Vorschrift auf den in den §§ 28, 30 und 36a AufenthG abschließend geregelten Nachzug zum subsidiär schutzberechtigten Ehegatten nicht anwendbar sei.

6

Die Klägerin nimmt zur Begründung ihrer Sprungrevision auf ein im März 2021 erstelltes Rechtsgutachten für „Pro Asyl“ Bezug und macht unter anderem geltend, die Erteilung eines Visums nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG sei nicht nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Diese Norm benachteilige Ehegatten von subsidiär Schutzberechtigten gegenüber Ehegatten von Ausländern, die einen der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c, d und e AufenthG genannten Aufenthaltstitel besäßen. Sie verstoße zudem gegen das Rückwirkungsverbot. Ausländer, die – wie ihr Ehemann – nach dem 16. März 2016 und vor dem 31. Juli 2018 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erlangt und bis zum 31. Juli 2018 geheiratet hätten, hätten aufgrund von § 104 Abs. 13 AufenthG i.d.F. vom 17. März 2016 davon ausgehen dürfen, den Nachzug ihrer Familienangehörigen betreiben zu dürfen.

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Die Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Insbesondere sei die Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG durch § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen. Dieser stehe im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK. Die Ungleichbehandlung gegenüber Ausländern, deren Angehörige nach § 30 AufenthG nachziehen dürften, sei durch unterschiedliche unionsrechtliche Verpflichtungen oder ein Interesse an einer Anwerbung dieser Ausländer sachlich gerechtfertigt. Eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG sei in Bezug auf die Klägerin nicht zu erkennen.

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Der Beigeladene verteidigt ebenfalls das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend aus, es streite viel dafür, dass § 36a Abs. 1 AufenthG keine einklagbaren subjektiv-öffentlichen Rechte begründe.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

Entscheidungsgründe

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Die (Sprung-)Revision ist nicht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf der Grundlage weder des § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG (1.) noch des § 22 Satz 1 AufenthG (2.) noch des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (3.).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 1 C 31.14 – BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der angefochtenen Entscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, falls sie das Gericht der Vorinstanz, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 1 C 27.14 – NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Abweichendes gilt nur, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa bei einer hier nicht erfolgten Beantragung einer rückwirkenden Verpflichtung oder Neubescheidung. Danach ist über das Begehren der Klägerin auf der Grundlage des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 10 des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855), zu entscheiden.

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Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren, der Klägerin nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein nationales Visum zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann zu erteilen. Die Erteilung richtet sich nach § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach den für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Vorschriften, hier somit nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 36a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Satz 1 und § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

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1. Gemäß § 36a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG besitzt, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Nach § 36a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG liegen humanitäre Gründe im Sinne dieser Vorschrift insbesondere vor, wenn die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft seit langer Zeit nicht möglich ist. Gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AufenthG in der Regel ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde. Im Einklang mit § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG geht das Verwaltungsgericht davon aus, der Ausschlussgrund sei in der Regel erfüllt, wenn die Ehe erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurde (1.1). Eine Ausnahme von der Regel liegt nicht vor (1.2).

14

1.1 Ohne Verstoß gegen § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Ehe der Klägerin nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, weil sie erst nach Verlassen des Herkunftslandes eingegangen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 1 C 30.19 – juris Rn. 14 ff.).

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Die Differenzierung zwischen Ehen, die vor, und solchen, die nach dem Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurden, knüpft mit der Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung dem Grunde nach an ein taugliches Differenzierungskriterium für die Ausgestaltung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten an; insoweit steht die Norm mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 6 Abs. 1 GG (a) und Art. 3 Abs. 1 GG (b) sowie mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rückwirkungsverbot (c) jedenfalls unter Berücksichtigung der von dem Regelausschlussgrund belassenen Möglichkeit einer Ausnahme im Einklang. Die vorstehenden Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Hierbei sind insbesondere auch die Europäische Menschenrechtskonvention und sonstige völkerrechtliche Vertragswerke wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. 1973 II S. 1533) (IPbpR) heranzuziehen (BVerfG, Urteil vom 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12, 1395/13, 1068/14 und 646/15 – BVerfGE 148, 296 Rn. 126 ff. und Beschluss vom 29. Januar 2019 – 2 BvC 62/14 – BVerfGE 151, 1 Rn. 61 f.). Diese Pakte gewähren keine selbstständigen, hier über die grundrechtlich geschützten Positionen hinausgehenden Nachzugsansprüche.

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a) § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG begegnet im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK keinen durchgreifenden Bedenken, zumal dem Grundrechtsschutz von Ehe und Familie erforderlichenfalls durch die Annahme eines Ausnahmefalles Rechnung getragen werden kann (dazu s. unten unter 1.2).

17

Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Weder Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der hier wegen der Kinderlosigkeit der Ehe der Klägerin nicht zu beachten ist, begründen einen unbedingten, unmittelbaren grundrechtlichen Anspruch ausländischer Ehegatten oder Familienangehöriger auf Nachzug zu ihren berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Ehegatten oder Familienangehörigen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <LS 1>). Das Grundgesetz überantwortet es vielmehr weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt festzulegen, in welcher Anzahl und unter welchen Voraussetzungen Ausländern der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <47>). Allerdings begründet Art. 6 GG in seiner Funktion als „wertentscheidende Grundsatznorm“ die Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen. Dieser Pflicht entspricht ein Anspruch des Trägers der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <LS 2 und S. 49 f.>). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden nahen Angehörigen ständigen Aufenthalt zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <50>). Der personale Bezug, den Ehe und Familie als betroffene Grundrechtsgüter aufweisen, sowie der hohe Rang, der ihnen im Gefüge des Grundgesetzes zukommt, treffen auf einen dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts zukommenden weiten Gestaltungsspielraum und Einschätzungsvorrang der politischen Organe hinsichtlich künftiger Verhältnisse und Entwicklungen. Diese widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen sind von dem Gesetzgeber mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Die betreffenden einfachrechtlichen Normen müssen insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Demgemäß muss die Vorenthaltung des Familiennachzugs zur Erreichung des hiermit verfolgten legitimen Zwecks geeignet und erforderlich sein und in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <50 ff.>).

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Diese Maßstäbe stehen mit dem durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Familienlebens im Einklang. Art. 8 Abs. 1 EMRK setzt ein bestehendes Familienleben und die Absicht, dieses fortzuführen, voraus (EGMR, Urteil vom 28. Mai 1985 – Nr. 9214/80, 9473/81 und 9474/81, Abdulaziz, Cabales und Balkandali/Vereinigtes Königreich – Rn. 62). Er garantiert einem Ausländer weder ein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land noch ein Recht auf Aufenthalt in diesem (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen – Rn. 70). Ebenso wenig begründet er eine generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch ein verheiratetes Paar zu respektieren und Ehegatten, die nicht die Nationalität des Vertragsstaates haben, zur Niederlassung zu akzeptieren (EGMR, Urteil vom 28. Mai 1985 – Nr. 9214/80, 9473/81 und 9474/81, Abdulaziz, Cabales und Balkandali/Vereinigtes Königreich – Rn. 68) beziehungsweise eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zu gestatten (EGMR, Urteile vom 3. Oktober 2014 – Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande – Rn. 107 und vom 28. Juni 2011 – Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen – Rn. 70). Die Reichweite der Verpflichtung eines Staates, Angehörige von dort lebenden Personen auf seinem Gebiet aufzunehmen, ist vielmehr Gegenstand einer nicht auf normativer Ebene abschließend vorwegzunehmenden, sondern im Rahmen der Anwendung des einfachen Rechts durchzuführenden einzelfallbezogenen Abwägung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten Interessen der betroffenen Personen andererseits. Zu den öffentlichen Interessen zählt insbesondere die effektive Kontrolle von Zuwanderung (EGMR, Urteil vom 8. November 2016 – Nr. 56971/10, El Ghatet/Schweiz – Rn. 44). Als private Interessen sind unter anderem das Ausmaß, in dem das Familienleben bei einer Versagung des Zuzugs tatsächlich unterbrochen würde, und das Bestehen etwaiger (unüberwindbarer) rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für ein Leben der Familie in ihrem Herkunftsland oder in einem aufenthaltsgewährenden Drittland (EGMR, Entscheidung vom 8. März 2016 – Nr. 25960/13, I.A.A. u.a. – Rn. 43 ff. und Urteil vom 8. November 2016 – Nr. 56971/10, El Ghatet/Schweiz – Rn. 45) in die Abwägung einzustellen. Das Ergebnis der Abwägung muss einen fairen Ausgleich der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen widerspiegeln (EGMR, Urteil vom 3. Oktober 2014 – Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande – Rn. 121). Besondere Bedeutung ist dem Umstand beizumessen, ob das Familienleben zu einer Zeit geschaffen wurde, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass die Aufnahme in dem Konventionsstaat wegen des Einwanderungsstatus eines Familienangehörigen von Beginn an unsicher war (EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 – Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen – Rn. 70 und vom 3. Oktober 2014 – Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande – Rn. 108). Zu berücksichtigen ist überdies, ob das Familienleben zu einer Zeit begründet wurde, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass die Aufnahme wegen des Aufenthaltsstatus des Stammberechtigten von Beginn an unsicher war (vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 55597/09, Nunez/Norwegen – Rn. 70 und EGMR <GK>, Urteil vom 3. Oktober 2014 – Nr. 12738/10, Jeunesse/Niederlande – Rn. 108). Erfolgte die Ausreise aus begründeter Furcht vor Verfolgung (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Juli 2014 – Nr. 2260/10, Tanda-Muzinga/Frankreich – Rn. 74; offengelassen EGMR, Urteil vom 1. Dezember 2005 – Nr. 60665/00, Tuquabo-Tekle u.a./Niederlande – Rn. 47), so ist dem Ausländer die Trennung von seiner Familie nicht entgegenzuhalten. Entsprechendes hat zu gelten, wenn das Verlassen des Herkunftslandes oder des aufnehmenden Gastlandes in der begründeten Befürchtung erfolgte, anderenfalls ernsthaften Schaden zu nehmen.

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Gemäß Art. 7 Var. 1 GRC, der gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt, hat jede Person das Recht auf Achtung unter anderem ihres Familienlebens. Dieses Recht hat gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRC die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihm in Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verliehen wird (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 – C-400/10 [ECLI:EU:C:2010:582], PPU – Rn. 53; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2020 – 1 B 65.19 – Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 382 Rn. 6).

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Die dem Familiennachzugsneuregelungsgesetz zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, zur Verhinderung einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft (BT-Drs. 18/7538 S. 1 und BT-Drs. 19/2438 S. 1) bedürfe es einer Begrenzung des Ehegattennachzugs, ist ein im Ansatz legitimer Grund und grundsätzlich vertretbar. Sie stellt sich als Einschätzung künftigen Geschehens dar, die dem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zuzurechnen ist. Der Regelausschluss des Nachzugs derjenigen Ehegatten, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, ist geeignet, dieses legitime Ziel zu erreichen, auch wenn er hier lediglich der eigentlichen numerischen Beschränkung auf monatlich 1 000 Visa (§ 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) vorgelagert ist und lediglich den Kreis derjenigen verkleinert, unter denen bei Vorliegen humanitärer Gründe gegebenenfalls eine Auswahlentscheidung zu treffen ist. Es kann bei einer dem Gesetzgeber zuzubilligenden typisierenden Betrachtung, welchen „Nachfluchtehen“ er auch wegen anzunehmender Zusammenführungsalternativen eine geringere Schutzwürdigkeit zumisst, auch nicht festgestellt werden, dass für die Vorauswahl andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten oder verfügbar geworden wären, welche es erlaubten, das Ziel der Regelung ohne beachtliche Nachteile für die Aufnahme- und Integrationskapazität in einer Ehe und Familie der Betroffenen weniger belastenden Art und Weise zu erreichen. Das Kriterium der Eheschließung nach Beginn der Flucht stellt sich dem Grunde nach angesichts der Rückausnahme in Ausnahmefällen zudem nicht als unangemessen dar. Insbesondere ist die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung nicht auf einen absoluten Ausschluss eines Ehegattennachzugs gerichtet (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <65 f.>). Wenngleich auch der Regelausschluss vielfach eine schwere Belastung gerade für junge Ehen darstellt, handelt es sich bei den stammberechtigten Ehegatten um Ausländer, deren Bleiberecht nach der typisierenden und generalisierenden Betrachtung des Gesetzgebers eher auf einen vorübergehenden, auf die Dauer des Erfordernisses der Gewährung subsidiären Schutzes begrenzten Zeitraum angelegt ist und deren Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht bereits ein Ausmaß erlangt hat, das demjenigen der Eingliederung von langjährig und auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet aufhältigen Ausländern entspricht. Die hohe Anzahl der in den zurückliegenden Jahren im Bundesgebiet Schutzsuchenden und die ebenfalls hohe Zuerkennungsquote durften dem Gesetzgeber Veranlassung geben, den Nachzug von Angehörigen der Kernfamilie zu subsidiär Schutzberechtigten so zu bemessen, dass deren Integration gelingen kann und die Aufnahmesysteme der staatlichen Institutionen deren Aufnahme und Integration bewältigen können, und in der Konsequenz auch bestimmten Familienangehörigen den Nachzug zu verwehren. Der Gesetzgeber war mit Blick auf den bei generalisierender Betrachtung nur für einen vorübergehenden Zeitraum gewährten subsidiären Schutz insbesondere nicht gehindert, für den Regelfall typisierend anzunehmen, dass es Ehegatten, deren Ehe erst nach Verlassen des Herkunftslandes geschlossen wurde, die mithin bei Antritt der Flucht nicht davon ausgehen konnten, ein von dem späteren Ehegatten abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu erlangen, deutlich eher zuzumuten ist, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland fortzuführen, als Ehegatten, deren eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Herkunftsland geführt und denen die Fortführung dieser Gemeinschaft fluchtbedingt unmöglich wurde. Die Möglichkeit der Annahme einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund und die in § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorbehaltene Anwendung der §§ 22 und 23 AufenthG stellen jedenfalls bei einer grundrechtskonformen Auslegung sicher, dass von der Typisierungsbefugnis oder der Einschätzungsprärogative nicht mehr gedeckten und in diesem Sinne atypischen Umständen des Einzelfalles, aber auch den Anforderungen aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GRC angemessen Rechnung getragen werden kann (a.A. Krause/Kamiab Hesari/Weber/Haschem/Alwasiti <Gutachten für Pro Asyl>, Zerrissene Familien, S. 24 f.).

21

b) Die in § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG angelegte Ungleichbehandlung von vor und nach dem Verlassen des Herkunftslandes geschlossenen Ehen steht bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung nur auf Regelfälle auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie auch mit Art. 20 GRC, der gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt.

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Beide gebieten dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 1 B 29.19 – Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 12 Rn. 10 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 <252 f.> m.w.N.; EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – C-534/16 [ECLI:EU:C:2017:820], BB construct – Rn. 43 m.w.N.).

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aa) Die Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Eheschließung ist im Grundsatz sachlich gerechtfertigt. Sie beruht auf der typisierenden Annahme des Gesetzgebers, dass bereits vor der Flucht geschlossene Ehen im Hinblick auf einen Familiennachzug regelmäßig schutzwürdiger sind als Ehen, die erst nach der Flucht – häufig vom Zufluchtsland aus und in Kenntnis der zunächst bestehenden Trennung – geschlossen worden sind. Das Differenzierungskriterium ist dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen. Es erweist sich für Regelfälle geringerer Schutzwürdigkeit der familiären Bindungen als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht und ist geeignet, dazu beizutragen, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Mehrzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen. Dass dieses Ziel, in den Regelfällen durch andere Maßnahmen in einer Ehe und Familie der Betroffenen weniger belastenden Art und Weise zu erreichen gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Das Differenzierungskriterium steht auch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen. Das Instrument des Regelausschlusses erlaubt es, im konkreten Einzelfall relevanten Umständen, die das generelle Überwiegen der öffentlichen Belange gegenüber dem privaten Nachzugsinteresse der von dem Regelausschluss erfassten Personengruppe beseitigen, angemessen zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen die typisierende Annahme geringerer Schutzwürdigkeit nicht (vollständig) greift, etwa weil die eheliche Lebensgemeinschaft in einem Transitland bereits über einen längeren Zeitraum gelebt worden ist, und/oder das Paar gemeinsam Kinder hat.

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bb) Der Umstand, dass Ehegatten anerkannter Flüchtlinge, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, keinem § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entsprechenden Regelausschlussgrund unterliegen, musste dem Gesetzgeber nicht Veranlassung geben, von dieser Norm insgesamt Abstand zu nehmen. Dies folgt bereits daraus, dass der Ehegattennachzug zu anerkannten Flüchtlingen den Regelungen der Richtlinie 2003/86/EG unterliegt, der nationale Gesetzgeber mithin an deren Vorgaben gebunden ist, während diese Richtlinie ihrem Art. 3 Abs. 2 Buchst. c zufolge auf den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten keine Anwendung findet (dies außer Betracht lassend Krause/Kamiab Hesari/Weber/Haschem/Alwasiti <Gutachten für Pro Asyl>, Zerrissene Familien, S. 29). Zudem ist der Aufenthalt im Aufnahmestaat beim subsidiären Schutz – im Unterschied zum Flüchtlingsschutz – eher temporärer Natur (vgl. Europäische Kommission, Mitteilung vom 6. April 2016 (COM(2016) 197 final S. 12; a.A. Krause/Kamiab Hesari/Weber/Haschem/Alwasiti <Gutachten für Pro Asyl>, Zerrissene Familien, S. 28 f.) und unterliegt eine dauerhafte Integration in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates mithin strengeren Voraussetzungen. Der nationale Gesetzgeber war daher nicht dem Grunde nach gehindert, beim Familiennachzug zwischen dem Flüchtlings- und dem subsidiären Schutzstatus in angemessener Weise zu differenzieren.

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cc) Der Umstand, dass der Familiennachzug zu Ausländern, hinsichtlich derer die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt wurden, keinem § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entsprechenden Regelausschluss unterliegt, weist nicht auf eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Ehegatten subsidiär Schutzberechtigter. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG knüpft den im Ermessen stehenden Ehegattennachzug daran, dass der Nachzugswillige selbst die Voraussetzungen für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen bzw. aus politischen Interessen der Bundesrepublik erfüllt, wobei ein dringender humanitärer Grund auch anzunehmen sein kann, wenn sich die Familieneinheit auf absehbare Zeit nur im Bundesgebiet herstellen lässt (BT-Drs. 15/420 S. 81). § 36a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG knüpft zwar ebenfalls an das Vorliegen humanitärer Gründe an; § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unterwirft den Ehegattennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten jedoch zusätzlich einer zahlenmäßigen Beschränkung und einer hiermit einhergehenden Auswahlentscheidung. Die rechtliche Ausgestaltung der betreffenden Nachzugsregelungen ist – etwa in Bezug auf das Wohnraumerfordernis (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) – so verschieden, dass es schon an der direkten Vergleichbarkeit beider Konstellationen fehlt. Der zur Typisierung grundsätzlich befugte Gesetzgeber war nicht gehalten, für beide Fallgruppen gleiche Nachzugsregelungen zu schaffen. Systematisch bedenklichen Schlechterstellungen nach § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG vom Familiennachzug Ausgeschlossener (z.B. in Fällen, in denen die Familieneinheit auf absehbare Zeit nur im Bundesgebiet hergestellt werden kann) ist bei der Prüfung eines Ausnahmefalles Rechnung zu tragen.

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dd) Keinen durchgreifenden Bedenken im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 EMRK und Art. 20 GRC begegnet schließlich die Schlechterstellung von Ehegatten subsidiär Schutzberechtigter, deren Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde, gegenüber Ehegatten von Ausländern, deren Nachzug sich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c bis g AufenthG beurteilt. Die Besserstellung der letztgenannten Gruppe gründet zum einen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/86/EG, dem zufolge die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Art. 16 RL 2003/86/EG genannten Bedingungen gemäß dieser Richtlinie dem Ehegatten des Zusammenführenden die Einreise und den Aufenthalt gestatten, während die Richtlinie 2003/86/EG – wie dargelegt – ihrem Art. 3 Abs. 2 Buchst. c zufolge keine Anwendung findet, wenn dem Zusammenführenden der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat aufgrund des ihm zuerkannten subsidiären Schutzstatus im Sinne des Art. 2 Buchst. f RL 2011/95/EU genehmigt wurde; insoweit wird an eine unionsrechtlich zumindest als möglich vorausgesetzte und sachlich gerechtfertigte Unterscheidung angeknüpft. Zum anderen ist dem nationalen Gesetzgeber ein gewisser Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage einzuräumen, ob und in welchem Umfang Unterschiede zwischen Sachverhalten, die im Übrigen ähnlich sind, eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2006 – 6 B 9.06 – Buchholz 448.0 § 1 WPflG Nr. 26 Rn. 12). Der Umfang dieses Spielraums hängt von den Umständen, dem Gegenstand und dem Hintergrund der betreffenden Behandlung ab (EGMR, Urteil vom 6. November 2012 – Nr. 22341/09, Hode und Abdi/Vereinigtes Königreich – Rn. 45). Ebenso wie es ein legitimes Ziel für eine Differenzierung darstellen kann, Anreize für den Zuzug bestimmter Gruppen von Ausländern zu schaffen, kann es gerechtfertigt sein, anderen Gruppen von Ausländern den Nachzug zu erschweren. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, den Ehegattennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie den Ehegattennachzug zu Ausländern, an deren Aufenthalt im Bundesgebiet auch ein öffentliches Interesse besteht. Dem widerstreitet nicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinsichtlich einer im britischen Recht vorgesehenen Beschränkung des Ehegattennachzugs zu Flüchtlingen auf vor der Flucht geschlossene Ehen auf eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten von Studenten und Arbeitnehmern und damit auf eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EMRK erkannte (EGMR, Urteil vom 6. November 2012 – Nr. 22341/09, Hode und Abdi/Vereinigtes Königreich – Rn. 55 f.). Zum einen betraf das betreffende Urteil nicht den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten; zum anderen hatte der Gerichtshof keine Veranlassung, in die von ihm vorgenommene Abwägung auch das maßgebliche Interesse (hier des deutschen Gesetzgebers) einzustellen, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Vielzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen (dies nicht in Betracht nehmend Krause/Kamiab Hesari/Weber/Haschem/Alwasiti <Gutachten für Pro Asyl>, Zerrissene Familien, S. 30). Abweichendes folgt auch nicht aus Art. 7 und Art. 21 GRC (a.A. Krause/Kamiab Hesari/Weber/Haschem/Alwasiti <Gutachten für Pro Asyl>, Zerrissene Familien, S. 31).

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c) Dass der Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG auch auf bereits vor seinem Inkrafttreten geschlossene Ehen Anwendung findet, stellt auch keine mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbare echte Rückwirkung, sondern eine zulässige unechte Rückwirkung dar.

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Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, etwa, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Normen mit unechter Rückwirkung sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen ihrer Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind indes erst überschritten, wenn die von dem Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17, 2190/17 – juris Rn. 127 ff.). Für die Gewichtung der Gründe des Gesetzgebers bleibt von Bedeutung, dass Normen mit unechter Rückwirkung grundsätzlich zulässig sind, gerade weil der Gesetzgeber einen weiten Spielraum benötigt, um in demokratischer Verantwortung seinen Gemeinwohlverpflichtungen gerecht werden zu können (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17, 2190/17 – juris Rn. 131 f.).

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Daran gemessen durfte der Gesetzgeber das gesetzliche Ziel, einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme von Staat und Gesellschaft durch den Nachzug einer Mehrzahl von Familienangehörigen der in den zurückliegenden Jahren aufgenommenen Schutzberechtigten vorzubeugen, höher gewichten als deren etwaiges Vertrauen auf die Ermöglichung eines Nachzugs auch in Fällen einer Eheschließung nach Verlassen des Herkunftslandes. Jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung stellt § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG sicher, dass einem schutzwürdigen Interesse der Betroffenen an einem Unterbleiben der tatbestandlichen Rückanknüpfung angemessen über die Annahme einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund, in besonderen Härtefällen auch durch eine Aufnahme aus dem Ausland nach § 36a Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung getragen werden kann.

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1.2 Der besondere Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gebietet es, das Interesse der Angehörigen der Kernfamilie des subsidiär Schutzberechtigten an der (Wieder-)Herstellung ihrer familiären Lebensgemeinschaft bereits bei der Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG und damit schon im Vorfeld unmittelbar aus der Verfassung ableitbarer Nachzugsansprüche zu berücksichtigen.

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Spezifisch ehe- und familienbezogene Gesichtspunkte sind somit nicht erst im Rahmen des gemäß § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG unberührt bleibenden § 22 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, sondern zuvörderst innerhalb des § 36a AufenthG und dort nicht allein bei der Auslegung der humanitären Gründe des § 36a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, sondern gerade auch bei der Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zu berücksichtigen, um die Reichweite dieses Regelausschlussgrundes auch in Umfang und Maß auf ein Maß zu beschränken, das die grundsätzlich gerechtfertigten Beschränkungen angemessen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang bringt. Allein ein solches Verständnis stellt zudem sicher, dass ein Nachzug der betreffenden Angehörigen grundsätzlich der Kontingentierung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten zum Zwecke des § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unterfällt.

32

Im Einklang mit den unter 1. 1.1 a) ausgeführten Maßstäben ist für die Beantwortung der Frage, ob die aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Berücksichtigungspflicht es im Einzelfall gebietet, eine Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG anzunehmen, von maßgeblicher Bedeutung, ob den Eheleuten erstens eine Fortdauer der räumlichen Trennung zumutbar und ob ihnen zweitens eine Wiederaufnahme der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des den Nachzug begehrenden Ehegatten möglich und zumutbar ist. Ist den Ehegatten eine (Wieder-)Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des Nachzugswilligen möglich und zumutbar, so übersteigen Wartezeiten von fünf Jahren bis zu einem Nachzug in das Bundesgebiet vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles noch nicht das verfassungsrechtlich hinzunehmende Höchstmaß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84 – BVerfGE 76, 1 <52 ff.>). Scheidet die Wiederherstellung der familiären Lebensgemeinschaft in dem Aufenthaltsstaat des nachzugswilligen Ehegatten demgegenüber auf absehbare Zeit aus, gewinnen die humanitären Belange an der Wiederherstellung der Familieneinheit gerade im Bundesgebiet erhebliches Gewicht. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen nicht aus den Umständen, etwa der für sich allein nicht ausschlaggebenden Ehebestandsdauer, zu folgern ist, dass eine Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden ist, etwaige Nachzugsmöglichkeiten zu eröffnen. Fehlt es an solchen besonderen Umständen des Einzelfalles, verringern sich mit zunehmender Trennungsdauer auch die Unterschiede zu den vor der Flucht geschlossenen Ehen und wächst das Gewicht der grundrechtlich geschützten Belange an einer – dann objektiv nur im Bundesgebiet möglichen – Familienzusammenführung. Jedenfalls bei Eheschließung vor der Einreise in das Unionsgebiet liegt ohne Hinzutreten besonderer, eine Verkürzung oder Verlängerung der Trennungszeiten bewirkender Umstände dann eine Ausnahme von dem Regelausschluss des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG regelmäßig bereits bei einer mehr als vierjährigen Trennung von dem Ehegatten vor.

33

1.3 Nach diesen Grundsätzen steht das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht.

34

Die von der Klägerin geschlossene Ehe verkörpert den Regelfall einer nach dem Verlassen des Herkunftslandes und nach der Einreise in den schutzgewährenden Mitgliedstaat geschlossenen Ehe, die der Gesetzgeber als weniger schutzwürdig angesehen hat und ansehen durfte. Sie wurde bei von Beginn an bestehender räumlicher Trennung der Ehegatten in der Form der Handschuhehe geschlossen. Eine tatsächliche Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu irgendeinem Zeitpunkt ist den tatrichterlichen Feststellungen nicht zu entnehmen.

35

Die verwaltungsgerichtliche Würdigung, eine atypische Situation, die eine Abweichung von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG erfordere, liege nicht vor, begegnet keinen Bedenken. Zwar kann die eheliche Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Herkunftsland der Klägerin und ihres Ehemannes wegen des diesem zuerkannten subsidiären Schutzstatus nicht geführt werden. Mit Blick darauf, dass die Ehe erst im August 2017 geschlossen wurde, ist die vorstehend bezeichnete Wartezeit von mindestens vier Jahren aber noch nicht erfüllt (gewesen). Dass das Verwaltungsgericht Umstände, die eine Verkürzung dieser Trennungszeit gebieten könnten, im Rahmen seiner Würdigung außer Betracht gelassen hätte, hat die Klägerin nicht dargetan und ist auch nicht anderweitig erkennbar. Die Behauptung, sie habe sich bereits im Jahr 2015 mit ihrem späteren Ehegatten verlobt, kann im Rahmen der Prüfung einer Ausnahme von dem Regelausschluss des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil Zeiten des Bestehens eines Verlöbnisses eine Verkürzung der Wartezeit in aller Regel, so auch hier, nicht bewirken können.

36

Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin, den Nachzug zu ihrem Ehemann nach dem Auslaufen des befristeten Ausschlusses des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 104 Abs. 13 AufenthG in der bis zum 15. März 2018 geltenden Fassung betreiben zu können, wäre nicht schutzwürdig gewesen. Zwar hatte der Gesetzgeber im Februar 2016 im Zusammenhang mit der Aussetzung des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigten für die Dauer von zwei Jahren in Aussicht genommen, dass nach Ablauf dieser zwei Jahre die seit dem 1. August 2015 für den Familiennachzug zu dieser Personengruppe geltende Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten sollte (BT-Drs. 18/7538 S. 20). Schon die Aussetzungsentscheidung gründete indes in dem Umstand, dass sich die Bundesrepublik Deutschland „der seit ihrem Bestehen bei weitem größten Zahl von Menschen“ ausgesetzt sehe, „die hier um Asyl nachsuchen“. Sie wurde in der Erwartung einer „hohe[n] Zahl von Anträgen auf Familiennachzug“ und „im Interesse der Aufnahme- und Integrationssysteme in Staat und Gesellschaft“ getroffen (BT-Drs. 18/7538 S. 1 f.). Welches Gewicht der Gesetzgeber dem Schutz der Aufnahme- und Integrationssysteme vor einer Überforderung beimaß, ist auch dem im Juni 2018 ergangenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten zu entnehmen, in dem erneut herausgestellt wurde, dass die Bundesrepublik Deutschland in den zurückliegenden Jahren Zielland einer hohen Zahl Asylsuchender gewesen sei und dieser Umstand „die Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik Deutschland bis auf weiteres vor erhebliche Herausforderungen [stelle]“ (BT-Drs. 19/2438 S. 1). Bereits mit dem im Januar 2018 ergangenen und mehr als ein Jahr vor dem Nachzugsantrag der Klägerin verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten hatte der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Ausgestaltung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten einer Neuregelung vorbehalten bleiben sollte (BT-Drs. 19/439 S. 5). Spätestens zu diesem Zeitpunkt durfte die Klägerin mit Blick auf die anhaltend hohe Belastung der Aufnahme- und Integrationssysteme nicht länger auf eine Rückkehr zu der vormaligen Rechtslage vertrauen. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang ergänzend auf das ihrem Ehemann übermittelte Merkblatt des Bundesamtes beruft, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Ehemann der Klägerin wurde darin zwar darauf hingewiesen, dass „[n]ach dem 16. März 2018 … für … Ehegattinnen … wieder ein Familiennachzug möglich“ sei; unter welchen Voraussetzungen ein solcher Familiennachzug ermöglicht werden würde, ist indes dem Inhalt des Merkblatts, das insoweit allein § 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. und – im Einklang mit § 104 Abs. 13 Satz 2 AufenthG in der bis zum 15. März 2018 geltenden Fassung – den Lauf der Frist des § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Bezug nimmt, nicht zu entnehmen. Nach alledem war die Schutzwürdigkeit eines von der Klägerin gebildeten Vertrauens auf einen Nachzug zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann nach dem knapp eineinhalb Jahre vor ihrer Eheschließung ausgesetzten Recht von Anfang an durch die Beschränkung der Aufnahme- und Integrationskapazitäten der Bundesrepublik Deutschland begrenzt. Umstände, die es geböten, das Vertrauen der Klägerin in die Wiederaufnahme des Ehegattennachzuges höher als den Schutz der Aufnahme- und Integrationssysteme vor einer Überforderung zu gewichten, sind weder dargetan noch erkennbar.

37

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Visums bzw. einer Aufenthaltserlaubnis besteht auch nicht nach § 22 Satz 1 AufenthG.

38

Ein solcher Anspruch ist hier zwar der Sache nach Gegenstand auch des Revisionsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 1 C 30.19 – juris Rn. 47 f.). Der Klägerin kann indes für ihre Aufnahme aus dem Ausland keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, da die Schwelle, bei deren Erreichen die Versagung einer Familienzusammenführung im Bundesgebiet mit Art. 6 Abs. 1 GG schlechthin unvereinbar ist und ein – vom Kontingent des § 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG unabhängiger – Aufenthaltstitel nach § 22 Satz 1 AufenthG zu gewähren ist, höher liegt als jene, die durch Annahme eines Ausnahmefalles in den Fällen des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG den Zugang zu einer (kontingentgebundenen) Auswahlentscheidung (§ 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) eröffnet (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – 1 C 30.19 – juris Rn. 49).

39

Sind daher bereits die im Rahmen einer Ausnahme von dem Regelausschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zu beachtenden Wartezeiten nicht erfüllt, so scheidet hier erst Recht ein Anspruch nach § 22 Satz 1 AufenthG aus.

40

3. Die Klägerin hat überdies keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Sie ist – wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat – als Ehegattin eines subsidiär Schutzberechtigten, deren Nachzugsanspruch nach den §§ 28, 30 und 36a AufenthG ausdrücklich und in Bezug auf § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abschließend geregelt ist, nicht „sonstige Familienangehörige“ im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (BT-Drs. 19/2438 S. 20 <zu Nr. 3 Buchst. c> und S. 21 <zu Nr. 4 Buchst. b>). Die ergänzende Anwendung auch der §§ 22, 23 AufenthG (§ 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG) erfasst etwaige Härtefälle und lässt keinen Raum für eine – direkte oder analoge – Anwendung dieser Regelung in besonderen Härtefällen oder zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Konventions-, Unions- oder Verfassungsrecht.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich der Beigeladene nicht mit einem Antrag am Kostenrisiko beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.