Beschluss des BPatG München 6. Senat vom 26.04.2021, AZ 6 Ni 15/19 (EP)

BPatG München 6. Senat, Beschluss vom 26.04.2021, AZ 6 Ni 15/19 (EP), ECLI:DE:BPatG:2021:260421B6Ni15.19EP.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 610 452

(DE 50 2005 012 257)

hier: Tatbestandsberichtigung

hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 26. April 2021 durch die Vorsitzende Richterin Friehe, die Richterin Werner und die Richter Dipl.-Ing. Müller, Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt sowie Dipl.-Ing. Tischler

beschlossen:

Das Urteil des Senats vom 21. Oktober 2020 wird auf Antrag der Klägerin unter Punkt III. 6. Hilfsantrag 2 im Merkmal M 3.1
Hi2 durch Streichen der Wörter „oder mehr“ berichtigt.

Gründe

I.

1

Der Senat hat mit Urteil vom 21. Oktober 2020, das in vollständig abgefasster Form den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22. Januar 2021 zugestellt worden ist, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragt die Klägerin die (Tatbestands-)Berichtigung des Urteils unter Punkt III. 6. Hilfsantrag 2 im Merkmal M 3.1
Hi2 auf Seite 31 (ihrer Urteilsabschrift, wobei sich die fragliche Stelle im Original des Urteils auf Seite 30 befindet), in dem dort genannten Merkmal M 3.1
Hi2 mit dem Wortlaut „die selbst eine hohe Schutzart von IP65
oder mehr aufweist“ durch Streichung der Wörter „oder mehr“. Denn Merkmal M 3.1
Hi2 gemäß Hilfsantrag 2 vom 26. August 2020 laute: „die selbst eine hohe Schutzart von IP65 aufweist“. Die Streichung entspreche dem gestellten und abgedruckten Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aus dem Schriftsatz vom 26. August 2020 auf Seite 8 (bzw. 7) des Urteils und dessen Merkmalsanalyse auf Seite 13.

3

Mit Schriftsatz vom 22. April 2021 hat die Beklagte der (Tatbestands-)Berichtigung zugestimmt.

4

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

5

Das Urteil des Senats vom 21. Oktober 2020 war auf den fristgerechten Antrag der Klägerin nach § 96 Abs. 1 PatG wegen offenbarer Unrichtigkeit (im Tatbestand) wie aus dem Tenor ersichtlich zu berichtigen, obwohl die betreffende Passage sich in den Entscheidungsgründen des Urteils befindet.

1.

6

Nach § 96 PatG – der insoweit § 320 ZPO entspricht – können Unrichtigkeiten im Tatbestand eines Urteils, bei denen es sich nicht um Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i. S. d. § 85 PatG handelt, auf Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung berichtigt werden. Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind alle tatsächlichen Feststellungen, die sowohl den Sachverhalt als auch den Verfahrensgang betreffen können und denen die Wirkung des § 314 ZPO zukommt, nicht aber auch die rechtliche Würdigung, Schlussfolgerungen oder die Beweiswürdigung des Gerichts.

7

Dabei kommt es nicht darauf an, an welcher Stelle die Tatsachen in der Entscheidung festgestellt werden. Zum Tatbestand gehört damit auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 96 Rn. 2; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 320 Rn. 7 m.w.N.; BPatG, Beschluss vom 15. November 2016 – 4 Ni 42/14, GRUR 2017, 1023 a. E. – Intrakardiale Pumpvorrichtung).

8

Es kommen nur Unrichtigkeiten im Ausdruck in Betracht, wenn ein Widerspruch zwischen dem tatsächlich vom Gericht Erklärten und dem erkennbar Gewollten, eine Divergenz zwischen Wille des Gerichts und der in der Entscheidung zum Ausdruck gelangten Erklärung vorliegen (Schulte/Püschel, Patentgesetz mit EPÜ, 10. Aufl. 2017, § 96 Rn. 4). Dabei ist aus Gründen der Verfahrensökonomie eine weite Auslegung geboten (Benkard/Schäfers, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 96 Rn. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung; Busse/Keukenschrijver, a. a. O., § 96 Rn. 4). Die Unrichtigkeit muss offenbar, also aus der Entscheidung selbst oder aus jederzeit erreichbaren Unterlagen klar erkennbar sein (Benkard/Schäfers, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 96 Rn. 6). Eine Unrichtigkeit ist offenbar, wenn sie für jeden Dritten aus den Unterlagen selbst oder damit eng in Zusammenhang stehenden Umständen als solche klar erkennbar und der richtige Inhalt feststellbar ist (BPatG, BPatG München, Beschluss vom 12. November 2014 – 4 Ni 4/12 (EP), Rn. 2 juris).

2.

9

Die zulässigen, insbesondere fristgemäß gemäß § 96 Abs. 1 PatG binnen zwei Wochen ab Zustellung des Urteils eingereichten Antrag der Klägerin hat Erfolg.

10

Das Urteil des Senats vom 21. Oktober 2020 ist auf Seite 31 der Urteilsabschrift (bzw. 30 des Urteilsoriginals) insoweit unrichtig und zu berichtigen, dass das Merkmal M 3.1
Hi2 in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gemäß Schriftsatz vom 26. August 2020 lautet: „die selbst eine hohe Schutzart von IP65 aufweist“ und nicht die weiteren Wörter „oder mehr“ aufweist, die daher zu streichen sind.

11

Obwohl die betreffende Passage sich in den Entscheidungsgründen des Urteils befindet, ist sie dennoch einer Berichtigung zugänglich. Denn Tatbestand i. S. d. § 96 PatG sind alle Teile einer Entscheidung, die Feststellungen über das Parteivorbringen enthalten. Sie können in der eigentlichen Sachdarstellung, aber auch in den Entscheidungsgründen enthalten sein (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., § 96 Rn. 3 m. w. N.). So liegt der Fall auch hier, da der fragliche Satz eine im Kontext des Urteils unzutreffende Sachangabe zu dem von der Beklagten gestellten Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gemäß Schriftsatz vom 26. August 2020 enthält.

12

Diese offenbare unrichtige Wiedergabe des Wortlauts des M 3.1
Hi2 in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gemäß Schriftsatz vom 26. August 2020 ergibt sich aus dem Kontext des Urteils. Die Beklagte hat ausweislich des Tatbestands des Urteils auf Seite 8 der Urteilsabschrift (bzw. 7 des Urteilsoriginals) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aus dem Schriftsatz vom 26. August 2020 mit dem Wortlaut „die selbst eine hohe Schutzart von IP65 aufweist“ gestellt, wie es auch in der Merkmalsanalyse auf Seite 13 des Urteils erläutert ist.

13

Dies entspricht auch dem Wortlaut des Hilfsantrags 2, den die Beklagte auf Seite 6 ihres Schriftsatzes vom 26. August 2020 erläutert (vgl. Bl. 392 der Gerichtsakte) und in dessen Anlage formuliert (vgl. Bl. 411 der Gerichtsakte) hat.

III.

14

Über den Antrag konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da eine solche nicht beantragt worden ist, §§ 95, 96, 99 Abs. 1 PatG, § 320 Abs. 3 ZPO.

15

Die Entscheidung über den Berichtigungsantrag ist nicht anfechtbar, § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 319 Abs. 3 ZPO.