Beschluss des BGH 1. Zivilsenat vom 15.04.2021, AZ I ZB 67/20

BGH 1. Zivilsenat, Beschluss vom 15.04.2021, AZ I ZB 67/20, ECLI:DE:BGH:2021:150421BIZB67.20.0

Verfahrensgang

vorgehend BPatG München, 22. Juli 2020, Az: 28 W (pat) 517/20, Beschluss

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 22. Juli 2020 wird auf Kosten des Anmelders zurückgewiesen.

Gründe

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I. Das Wort-Bild-Zeichen

wurde am 22. Juni 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:

Klasse 25: Badeanzüge; Badehosen; Bademäntel; Badeschuhe; Bekleidungsstücke; Blusen; Geldgürtel [Bekleidung]; Gürtel; Halstücher; Handschuhe; Hemden; Hosen; Hüte; Kopfbedeckungen; Krawatten; Mützen; Overalls; Pullover; Regenmäntel; Sandalen; Schals; Schuhwaren; Socken; Sportschuhe; Stirnbänder; T-Shirts;

Klasse 39: Organisation der Vermietung sämtlicher Verkehrsmittel; Organisation von Ausflügen; Organisation von Busreisen; Organisation von Exkursionen, Tagesausflügen und Sightseeingfahrten; Planung und Organisation von Sightseeing-Touren und Tagesfahrten; Reisebürodienste zur Organisation von Reisen; Vermietung von Autos; Vermietung von Elektroautos; Vermietung von Fahrrädern;

Klasse 41: Beratung in Bezug auf die Organisation von Sportveranstaltungen; Organisation und Durchführung von kulturellen Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Sportveranstaltungen; Organisation und Durchführung von Sportwettbewerben; Organisation und Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen; Organisation von Aktivitäten sportlicher und kultureller Art.

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Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Markenanmeldung mit Beschluss vom 25. Juni 2018 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Anmelders ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschluss vom 22. Juli 2020 – 28 W (pat) 517/20, juris).

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Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

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II. Das Bundespatentgericht hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant – angenommen, der Eintragung stehe das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen. In seiner Gesamtheit benenne der Wortbestandteil des Anmeldezeichens eine lange Straße in Schalke-Gelsenkirchen, auf der sich etwas Bestimmtes abspiele. Die angesprochenen Verkehrskreise der Durchschnittsverbraucher würden die Wortfolge „Schalker Meile“ nur als Hinweis auf den Ort der Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen bzw. ihres Angebots oder ihrer Erbringung ansehen. Den Zeichenbestandteil „Meile“ werde der Durchschnittsverbraucher als gebräuchliche Abkürzung der Begriffe „Einkaufsmeile“ oder „Verkehrsmeile“ und damit als die Bezeichnung eines bestimmten Bereichs wie einer Straße oder eines Einkaufszentrums auffassen, dessen Lage durch die vorangestellte Zeichenkomponente „Schalker“ konkretisiert werde. Das entspreche auch den tatsächlichen Verhältnissen. Mit „Schalker Meile“ werde in Gelsenkirchen ein Abschnitt der Kurt-Schumacher-Straße benannt, die zur Spielstätte des FC Schalke 04 führe.

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Damit fehle der Wortfolge „Schalker Meile“ für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft. In Verbindung mit den Waren der Klasse 25 lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, die eine Verwendung des Zeichens auf dem eingenähten Etikett auf der Innenseite von Bekleidungsstücken im Streitfall als praktisch nicht bedeutsam erscheinen ließen. Die Wortfolge „Schalker Meile“ bringe eine Art Bekenntnis zur Treue zu diesem Verein zum Ausdruck und vermittele damit eine Botschaft nach außen. Hieraus folge die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Bezeichnung als großflächiger Aufdruck an exponierter, deutlich sichtbarer Stelle verwendet werde. Es handele sich damit um die wahrscheinlichste und zugleich allein praktisch bedeutsame Form der Verwendung der Wortfolge, die jedoch keinen Herkunftshinweis vermittele.

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III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des Anmelders hat keinen Erfolg.

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1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 83, 85 MarkenG). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und hat diese Rüge im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobene Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZB 34/12, GRUR 2014, 1232 Rn. 6 = WRP 2015, 53 –; S-Bahn, mwN; Beschluss vom 10. September 2020 – I ZB 13/20, juris Rn. 5).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Bundespatentgericht hat den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Anmelders auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG, Art. 103 Abs. 1 GG).

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a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG, NVwZ 2019, 1276 Rn. 17 mwN). Das rechtliche Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, jedoch andere rechtliche Schlüsse daraus gezogen hat als die vortragende Partei (vgl. BVerfG, FamRZ 2013, 1953 Rn. 14). Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2017 – I ZB 59/16, GRUR 2018, 111 Rn. 11 = WRP 2018, 197 –; PLOMBIR, mwN). Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung.

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b) Vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe den Kernbestandteil des Vorbringens des Anmelders übergangen, wonach die Bezeichnung „Schalker Meile“ eine Wortneuschöpfung sei und es keine Straße, keinen Straßenverlauf und kein Viertel mit dieser Bezeichnung gebe.

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Das Bundespatentgericht hat den Wortbestandteil des Anmeldezeichens in seiner Gesamtheit gewürdigt und angenommen, dieser benenne eine lange Straße in Schalke-Gelsenkirchen, auf der sich etwas Bestimmtes abspiele. Damit hat es den Vortrag des Anmelders, das Zeichen stelle eine Wortneuschöpfung dar, nicht übergangen, sondern lediglich eine davon abweichende Würdigung vorgenommen. Soweit das Bundespatentgericht, gestützt auf die Anlage zum Beanstandungsbescheid des Deutschen Patent- und Markenamts, festgestellt hat, mit „Schalker Meile“ werde ein Abschnitt der Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen benannt, hat es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde schon nicht angenommen, es existiere eine (offizielle) Straße namens „Schalker Meile“. Damit bestand auch kein Anlass, ausdrücklich auf den entsprechenden Vortrag des Anmelders einzugehen. Im Ergebnis wendet sich die Rechtsbeschwerde hiermit allein gegen die Würdigung des Wortbestandteils des Anmeldezeichens durch das Bundespatentgericht.

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c) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht sei von einem zu engen Verkehrsverständnis ausgegangen und habe dabei den Vortrag des Anmelders übergangen, wonach ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Wortfolge „Schalker Meile“ schon deshalb als betrieblichen Herkunftshinweis verstehe, weil er außerhalb des Fußballs und außerhalb Gelsenkirchens erfolge.

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Das Bundespatentgericht hat angenommen, von dem Zeichen seien die breiten Verkehrskreise der Durchschnittsverbraucher angesprochen. Auch den Teilen des Verkehrs, die keinerlei Affinität zu Fußball aufwiesen, sei bekannt, dass „Schalke“ ein Stadtteil von Gelsenkirchen sei, weil es sich beim FC Schalke 04 um den nach der Zahl der Mitglieder viertgrößten deutschen Sportverein und den sechstgrößten weltweit handele. Da die Namen von Fußballvereinen regelmäßig den Namen des Orts enthielten, in dem der Verein ansässig sei, liege es für den Durchschnittsverbraucher mehr als nahe, auch den Zeichenbestandteil „Schalke“ als Ortsbezeichnung anzusehen. Indem es dem Stadtteil „Schalke“ damit auch bei Durchschnittsverbrauchern außerhalb interessierter Fußballkreise eine Bekanntheit zugebilligt hat, ist das Bundespatentgericht zwar der Auffassung des Anmelders zum Verkehrsverständnis nicht gefolgt. Das stellt aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Anmelders dar.

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d) Die Rechtsbeschwerde rügt weiter ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Vortrag des Anmelders übergangen, mit dem dieser mit Blick auf den Senatsbeschluss vom 30. Januar 2020 (I ZB 61/17, GRUR 2020, 411 = WRP 2020, 586 –; #darferdas? II) im Einzelnen ausgeführt habe, weshalb die Annahme fehlerhaft sei, das Zeichen „Schalker Meile“ werde nur in einer Art Verwendung finden können. Das Bundespatentgericht hat den als übergangen gerügten Vortrag wiedergegeben und sich damit auseinandergesetzt. Dass es der Auffassung des Anmelders nicht gefolgt ist, sondern unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats (EuGH, Urteil vom 12. September 2019 – C-541/18, GRUR 2019, 1194 = WRP 2019, 1444 –; AS/DPMA [#darferdas?]; BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 – I ZB 61/17, GRUR 2018, 932 = WRP 2018, 1196 –; #darferdas? I; BGH, GRUR 2020, 411 –; #darferdas? II) angenommen hat, die Verwendung der Bezeichnung „Schalker Meile“ auf Bekleidungsstücken als großflächiger Aufdruck an exponierter, deutlich sichtbarer Stelle in Form eines Motivs sei die allein praktisch bedeutsame Form der Verwendung, stellt eine abweichende Würdigung dar, nicht aber eine Verletzung rechtlichen Gehörs.

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e) Soweit die Rechtsbeschwerde eine Gehörsverletzung in der unterlassenen Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht, hat sie damit ebenfalls keinen Erfolg.

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aa) Eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das Bundespatentgericht habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen, mit dem geltend gemacht worden sei, der Streitfall erfordere eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ferner vor, wenn das Bundespatentgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde unterlässt, sofern gewissenhafte und kundige Verfahrensbeteiligte – selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen – damit nach dem bisherigen Verfahrensablauf nicht zu rechnen brauchten (vgl. BGH, GRUR 2014, 1232 Rn. 14 – S-Bahn, mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

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bb) Die Rechtsbeschwerde rügt auch in diesem Zusammenhang letztlich allein die Würdigung der Verwendung des Anmeldezeichens im Bekleidungssektor durch das Bundespatentgericht, die von ihrer Auffassung abweicht. Weder macht sie geltend, das Bundespatentgericht habe Vortrag des Anmelders zur Zulassung der Rechtsbeschwerde übergangen, noch behauptet sie, die unterbliebene Zulassung stelle sich als Überraschungsentscheidung dar.

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

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