Markenbeschwerdeverfahren – „vitafy essentials (Wort-Bild-Marke)/vitafit (Unionsbildmarke)“ – zur Einrede mangelnder Benutzung – keine Anwendung der „erweiterten Minimallösung“ in Kollisionsverfahren – Warenidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr (Beschluss des BPatG München 30. Senat)

BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 01.04.2021, AZ 30 W (pat) 503/19, ECLI:DE:BPatG:2021:010421B30Wpat503.19.0

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 43 Abs 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 158 Abs 5 MarkenG, § 125b Nr 4 MarkenG, Art 18 EUV 2017/1001

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 016 092

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie sowie der Richter Dr. Meiser und Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 03. Juni 2016 angemeldete Wort-/Bildmarke

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ist am 18. August 2016 unter der Nummer 30 2016 016 092 u.a. für die Waren

3

„Klasse 05: Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Vitaminpräparate; Ballaststoffe; diätetische Ergänzungsstoffe; diätetische Nahrungsmittel für medizinische Zwecke; funktionelle Nahrungsmittel zur Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel; Mahlzeitenersatz in Pulverform; mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Multivitaminpräparate; Nährmittel auf Eiweißgrundlage, für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsgetränke; Nahrungsmittel für medizinisch-restriktive Diäten; Nahrungsmittel für Diabetiker; Nahrungsergänzungsmittel überwiegend bestehend aus Mineralstoffen oder Vitaminen; Vitaminpräparate und –getränke

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Klasse 29: Konserviertes, tiefgekühltes, gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Kompotte; Milch; Milchprodukte; Milchshakes; alle vorbenannten Waren auch in diätetischer Form, ausgenommen für medizinische Zwecke

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Klasse 30: Kaffee; Tee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel; Speiseeis; Teepads und -beutel; Teegetränke; alle vorbenannten Waren auch in diätetischer Form, ausgenommen für medizinische Zweck;

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Klasse 31: frisches Obst; frisches Gemüse;

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Klasse 32: Biere; Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke; Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; protein-angereicherte Sportgetränke; isotonische Getränke; Aloe-Vera-Getränke; Energiegetränke; milchähnliche Getränke; Molkegetränke; Sportgetränke, auch mit Elektrolytanteilen; vitaminhaltige Getränke, nicht für medizinische Zwecke“

8

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 23. September 2016.

9

Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der am 28. Februar 2006 angemeldeten und am 2. November 2007 für die Waren

10

„Klasse 32: Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Fruchtsaftgetränke“

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 registrierten Unionsmarke 004 935 409

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VITAFIT

13

sowie aus der am 23. Januar 2007 angemeldeten und am 4. Februar 2008 für die Waren

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„Klasse 32: Alkoholfreie Getränke, Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, Fruchtsaftmischgetränke, Multivitaminfruchtsaftgetränke, Frucht- und Gemüsesaftmischgetränke, Gemüsesäfte, Gemüsesaftgetränke und Gemüsesaftmischgetränke“

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eingetragenen Unionsmarke 005 633 631

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 13. März 2017 die rechtserhaltende Benutzung beider Widerspruchsmarken bestritten.

17

Zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 Unterlagen eingereicht:

18

– Übersichten über die erzielten Mindestumsätze mit den
vitafit
– Produkten in Deutschland sowie in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Polen in den Jahren 2010-2016 als Anlagen 1.1-1.5;

19

– Verpackungsdarstellungen der
vitafit
-Produkte in Deutschland und Spanien als Anlagen 2.1 und 2.2;

20

– Werbebeilagen aus den Jahren 2011-2016 für die unter der Marke
vitafit
beworbenen Frucht- und Gemüsesäfte in Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Polen als Anlagen 3.1 bis 3.5 sowie als Anlage 3.6 Screenshots der Online-Bewerbung der
vitafit
-Produkte in Deutschland und Großbritannien;

21

– Lieferantenrechnungen aus den Jahren 2011-2016 aus Deutschland, Polen, Frankreich, Spanien und Großbritannien als Anlagen 4.1-4.5;

22

– eine eidesstattliche Versicherung des bei der Widersprechenden als Einkaufsleiter tätigen Herrn M… vom 12. Mai 2017 als Anlage 5.

23

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 20. November 2018 die angegriffene Marke 30 2016 016 092 auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 005 633 631 unter Zurückweisung des weitergehenden Widerspruchs aus dieser Marke teilweise, nämlich für die obengenannten Waren gelöscht sowie das Verfahren über den Widerspruch aus der Unionsmarke 004 935 409 ausgesetzt.

24

Auf die beide Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassende und insoweit auch zulässige Einrede der Nichtbenutzung habe die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in der Union für „Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, Fruchtsaftmischgetränke, Multivitaminfruchtsaftgetränke, Frucht- und Gemüsesaftmischgetränke, Gemüsesäfte, Gemüsesaftgetränke und Gemüsesaftmischgetränke“ und damit auch für den nächstliegenden engen Oberbegriff „Alkoholfreie Getränke“ ausreichend glaubhaft gemacht.

25

Ausgehend von dieser Benutzungslage könnten sich beide Marken in Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten „Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Vitaminpräparate; Ballaststoffe; diätetische Ergänzungsstoffe; diätetische Nahrungsmittel für medizinische Zwecke; funktionelle Nahrungsmittel zur Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel; Mahlzeitenersatz in Pulverform; mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Multivitaminpräparate; Nährmittel auf Eiweißgrundlage, für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsgetränke; Nahrungsmittel für medizinisch-restriktive Diäten; Nahrungsmittel für Diabetiker; Nahrungsergänzungsmittel überwiegend bestehend aus Mineralstoffen oder Vitaminen; Vitaminpräparate und -getränke“ auf hochgradig ähnlichen Waren begegnen, da diese Waren auch in flüssiger Form mit Pflanzen- bzw. Fruchtzusätzen angeboten würden. Zudem gebe es Diätgetränke und für Diabetiker geeignete Getränke; ferner würden aus Eiweißpulver Proteinshakes zum Abnehmen gemixt sowie Vitaminpräparate in Form von Brausetabletten in alkoholfreien Getränken aufgelöst.

26

Die zu dieser Klasse weiterhin beanspruchte „Babykost“ umfasse auch Obst- und Gemüsesäfte (z.B. A…, M1…), so dass auch hier eine Ähnlichkeit bestehe.

27

Was die Waren „konserviertes, tiefgekühltes und gekochtes Obst und Gemüse“ der angegriffenen Marke betreffe, würden diese auch von denselben Firmen hergestellt und auf denselben Vertriebswegen vermarktet wie Frucht- bzw. Gemüsesäfte. Zudem handele es sich nur um unterschiedliche Verarbeitungszustände. Dies gelte auch für die angegriffenen Waren „Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Kompotte“.

28

Ähnlichkeit bestehe weiterhin zu den angegriffenen Waren „Milch; Milchprodukte; Milchshakes“, da durch Ernährungstrends wie „Wellness“ oder „Convenience“ auch fertige Mischgetränke aus Milch- und Obst- oder Multivitaminsäften, Joghurt-Fruchtgetränke oder Milchshakes mit Fruchtgeschmack verstärkt angeboten würden.

29

Zu den angegriffenen Waren „Kaffee; Tee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel; Teepads und -beutel; Teegetränken“ bestehe zwar ein größerer Abstand. Es sei aber keine Unähnlichkeit anzunehmen. So wie Tee seit jeher in einer Vielzahl von Früchteteesorten unterschiedlicher Geschmacksrichtungen angeboten würde, erfreuten sich seit einigen Jahren auch aromatisierte Kaffee- und Kakaosorten (bzw. aus diesen hergestellte Getränke) großer Beliebtheit. So werde in großen Kaffeehäusern und kleinen Cafés Kaffee z.B. mit Brombeer-Minzbeere oder Orange angeboten. In Anbetracht dieser Entwicklungen müssten Fruchtsäfte zu diesen als ähnliche Waren angesehen werden, zumal sie auch in einem Austauschverhältnis zu Kaffee, Kakao und Tee (jeweils verstanden als Getränke) stehen könnten.

30

Ebenso bestehe eine Ähnlichkeit zwischen „Speiseeis“ und Fruchtsäften. Letztere enthielten vornehmlich Wasser, Zucker, Fruchtsaftkonzentrate und Aromen. Sie unterschieden sich daher nur geringfügig von Fruchteis, das entweder mit pürierten Früchten oder mit Fruchtsaft zubereitet werde. Auch wenn sich Fruchtgetränke und Speiseeis hinsichtlich der Konsistenz unterschieden, so bedürfe es nur eines verhältnismäßig geringen Aufwandes (Kühlen im Gefrierfach), um Fruchtgetränke in Speiseeis zu verwandeln.

31

Zu den im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke aufgeführten Waren „frisches Obst und Gemüse“ bestehe eine erhebliche Ähnlichkeit, da dieses in der Regel notwendiger Bestandteil von Frucht- und Gemüsesäften sei.

32

Die von der angegriffenen Marke weiterhin beanspruchten Waren „alkoholfreie Getränke; Fruchtsäfte“ seien in den Warenverzeichnissen beider Vergleichsmarken enthalten; insoweit bestehe daher Warenidentität.

33

Dies gelte auch für die Waren „Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; Fruchtgetränke; protein- angereicherte Sportgetränke; isotonische Getränke; Aloe-Vera-Getränke; Energiegetränke; milchähnliche Getränke; Molkegetränke; Sportgetränke, auch mit Elektrolytanteilen; vitaminhaltige Getränke, nicht für medizinische Zwecke“ der angegriffenen Marke, da diese sämtlich unter den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Oberbegriff „alkoholfreie Getränke“ subsumiert werden könnten.

34

Zudem würden nicht alkoholische Getränke wie Mineralwässer oder kohlensäurehaltige Wässer regelmäßig mit Fruchtsäften gemischt und teilweise als bereits fertige Mischgetränke (z. B. Apfelschorle) regelmäßig von denselben Unternehmen angeboten, so dass auch in Bezug auf die Widerspruchswaren „Fruchtsäfte“ eine hochgradige Ähnlichkeit bestehe. Auch Molkegetränke seien in allen denkbaren Fruchtgeschmacksvarianten erhältlich.

35

In den letzten Jahren würden verstärkt auch alkoholische Getränke als Mischgetränk mit fruchtigen Geschmacksvarianten angeboten (zB „Kirschbier“), so dass auch die angegriffene Ware „Bier“ zu den für die ältere Marke eingetragenen „Fruchtsäften“ ähnlich sei.

36

Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“ seien den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren hochgradig ähnlich.

37

Weiterhin sei von einer insgesamt noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen, auch wenn der häufig in Marken verwendete Wortbestandteil „Vita“ in seiner Bedeutung „Leben, Lebensweise, Lebenskraft“ einen beschreibenden Anklang besitze. Er stelle für die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren aber keine glatt beschreibende und damit schutzunfähige Angabe dar. Der Verkehr assoziiere bei ihm allenfalls die Bedeutung „Vitalität“. Die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit weise deshalb eine knapp durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf, die zudem durch die glaubhaft gemachte jahrelange Verwendung auf den Produkten der Widersprechenden gestärkt worden sei, wenngleich eine von der Widersprechenden erheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht liquide dargelegt sei.

38

Aber selbst wenn man zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke von einem etwas eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke ausgehe und die Anforderungen an den Markenabstand danach reduziere, grenze sich das angegriffene Zeichen jedenfalls seinem klanglichen Gesamteindruck nach nicht hinreichend von der Widerspruchsmarke ab, so dass in Bezug auf die von der Löschung betroffenen Waren jedenfalls eine klangliche Verwechslungsgefahr bestehe.

39

Der klangliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde durch den Bestandteil „vitafy“ bestimmt. Das Wortelement „essentials“ stelle eine beschreibende und werblich anpreisende Angabe dar, die darauf hinweise, dass die so gekennzeichneten Produkte „wesentlich, unverzichtbar, grundlegend, lebenswichtig, unentbehrlich“ seien. Es trete daher – auch optisch – weitgehend in den Hintergrund.

40

Die danach miteinander zu vergleichenden Markenwörter „vitafy“ und „vitafit“ stimmten in der Silbenzahl, in den Anlauten „V“, „T“ und „F“ der einzelnen Silben, im Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der für den klanglichen Gesamteindruck maßgeblichen Vokalfolge „I-A-I“ überein. Von einer Aussprache „vitafai“ sei nicht auszugehen, da sowohl im Deutschen als auch im Englischen der Konsonant „Y“ am Wortende als kurzes geschlossenen i [i] ausgesprochen werde, z.B. „Dandy“, „Sherry“, „groggy“, „family“. Die einzige Abweichung durch den zusätzlichen Konsonanten „T“ am zudem in der Regel weniger beachteten Wortende sei nicht geeignet, dem Eindruck eines weitgehenden Gleichklangs beider Markenwörter entscheidend entgegen zu wirken.

41

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie macht geltend, dass die Widerspruchsmarke aufgrund des beschreibenden Aussagegehalts ihrer Bestandteile „VITA“ und „FIT“ über eine ganz geringe, letztlich auf den Identitätsbereich beschränkte Kennzeichnungskraft verfüge, was auch das BPatG bereits in seiner Rechtsprechung bestätigt habe.

42

Im Rahmen der Zeichenähnlichkeit sei zu beachten, dass der Verkehr aufgrund des deutlichen Begriffsanklangs von „VITA“ seine Aufmerksamkeit nicht auf die Übereinstimmung beider Markenworte in diesem Bestandteil, sondern auf die weiteren Bestandteile „-FIT“ bzw. „-fy“ richten werde, die klanglich deutlich voneinander abwichen, da „-fy“ entgegen der Annahme der Markenstelle entsprechend den vergleichbar mit dieser Endung gebildeten Begriffen „testify“, „identify“, „amplify“ usw. oder Marken wie „biotify“, „SymPlify“, „Tastyfy“ wie „fai“ artikuliert werde. Unter Berücksichtigung einer erhöhten Aufmerksamkeit des Verkehrs gegenüber den Endbestandteilen führe die Aussprache des Markenworts „vitafy“ wie „vitafai“ dann aber zu einer unüberhörbaren klanglichen Abweichung gegenüber „VITAFIT“. Nicht unbeachtet bleiben könne ferner, dass auch die Widerspruchsmarke über eine grafisch ausgestaltete Schrift und einen in gelber Signalfarbe gestalteten Hintergrund verfüge.

43

Zudem habe die Markenstelle zu Unrecht eine rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke 004 935 409 „VITAFIT“ angenommen, da angesichts des auf den Identitätsbereich beschränkten Schutzes bereits die aus den Benutzungsunterlagen ersichtlichen Änderungen des Schriftbildes des Markenworts ausreichten, um den kennzeichnenden Charakter der Marke zu verändern.

44

Weiterhin seien die von der angegriffenen Marke beanspruchten Nahrungsergänzungsmittel der Klasse 5 den Waren der Klasse 32, für die die Markenstelle von einer rechtserhaltenden Benutzung ausgegangen sei, entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht hochgradig ähnlich. Vielmehr bestehe ein erheblicher Warenabstand, da Fruchtsäfte dazu dienten, den Durst zu löschen, während Nahrungsergänzungsmittel Defizite in der Ernährung ausgleichen sollen und diese zudem im Gegensatz zu literweise angebotenen und konsumierten Fruchtsäften als Konzentrat in kleinen Mengen zB als Tropfen oder Kapseln eingenommen würden. Dementsprechend würden Nahrungsergänzungsmittel und Fruchtsäfte nicht durch dieselben Unternehmen angeboten. Entsprechendes gelte für die übrigen zu Klasse 05 gelöschten Waren, die ebenfalls nur unter besonderen Vorgaben wie zB §§ 14a, 21 Diätverordnung in Verkehr gebracht werden dürften. Dementsprechend seien diese vor allem in der Amtspraxis des EUIPO als unähnlich zu Fruchtsäften eingestuft worden, was auch für die von der Löschung betroffene Ware „Babykost“ gelte.

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  • Keine Ähnlichkeit bestehe ferner zwischen „Milch, Milchprodukten, Milchshakes“ und „Fruchtsäften“. Milch- und Milchprodukte stammten aus Molkereien. Aufgrund der Besonderheiten von Milchprodukten, insbesondere der äußerst beschränkten Haltbarkeit, fänden sich diese etwa im Kühlregal, während Fruchtsäfte in Getränkeabteilungen oder in Getränkemärkten angeboten würden. Soweit das das Amt eine Ähnlichkeit damit begründet habe, dass aufgrund von Ernährungstrends wie „Wellness“ oder „Convenience“ auch Milchmischgetränke aus Milch und Obst- und Multivitaminsäften verstärkt angeboten würden, fehle es an Belegen dafür.
    Auch hinsichtlich der Waren „Kaffee, Tee, Kakao, Kaffee-Ersatzmittel; Teapads und -beutel; Teegetränke“ fehle es an Ähnlichkeit. Allein die Tatsache, dass es Früchtetee gebe, führe nicht dazu, dass Früchtetee und Fruchtsaft als ähnlich einzustufen seien. Für die Behauptung der Markenstelle, dass seit einigen Jahren auch aromatisierte Kaffee- und Kakaosorten sich großer Beliebtheit erfreuten und in großen Kaffeehäusern und kleinen Cafes Kaffee z.B. mit Brombeer- Minzbeere oder Orange angeboten würden, fehle es ebenfalls als Nachweisen.
    Aber selbst soweit sich beide Marken danach auf (noch) entfernt ähnlichen Waren begegnen könnten, scheide eine Verwechslungsgefahr aus. Die gegenteilige Auffassung der Markenstelle, welche selbst bei von ihr als gering ähnlich angesehenen Waren eine Verwechslungsgefahr angenommen habe, sei in Anbetracht des geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke sowie der deutlichen Unterschiede bei den Zeichen unzutreffend; vielmehr komme eine Verwechslungsgefahr – wenn überhaupt – nur im Bereich identischer Waren in Betracht.

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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. November 2018 aufzuheben, soweit die angegriffene Marke 30 2016 016 092 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke UM 005 633 631 gelöscht worden ist und den Widerspruch aus dieser Marke auch insoweit zurückzuweisen.

48

Die Widersprechende beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

50

  • Sie macht geltend, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die im angefochtenen Beschluss genannten Waren seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt worden sei. Ihre Ausführungen zur rechtserhaltenden Benutzung in der Beschwerdebegründung beträfen nicht die verfahrensgegenständliche Widerspruchsmarke, sondern die weitere Widerspruchsmarke UM 004 935 409 VITAFIT. Das Widerspruchsverfahren aus dieser Marke sei jedoch ausgesetzt worden.
    Ausgehend davon sei mit der Markenstelle von einer Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke 005 633 631 und der angegriffenen Marke in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang auszugehen.
    Zutreffend sei die Markenstelle von einer Warenidentität oder Warenähnlichkeit zwischen den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren und den von der Löschung betroffenen Waren der angegriffenen Marke ausgegangen.
    So seien die bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren den im Beschlusstenor genannten Waren der Klasse 5 der angegriffenen Marke ohne weiteres ähnlich. Diese könnten u.a. zur Unterstützung einer Diät oder der Leistungsfähigkeit beim Sport angeboten werden, so dass ihnen der gleiche Verwendungszweck zugrunde liegen könnte. Ferner würden die Waren in denselben Vertriebsstätten angeboten; so fänden sich die hier relevanten Waren beispielsweise in Apotheken und Fitnessstudios in unmittelbar Nähe zueinander. Gerade Fitnessstudios böten Nahrungsergänzungsmittel zB in Form von Proteingetränken, -shakes oder – riegeln mit oder neben Erfrischungs- und Fruchtsaftgetränken an.
    Ähnlichkeit bestehe auch in Bezug auf „Babykost“, da die Waren der Widerspruchsmarke Teil der Babykost sein könnten oder deren Bestandteil.

51

Dies gelte entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Waren „Milch und Milchprodukte; Milchshakes“ der angegriffenen Marke. Beide Waren stünden als Getränke in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. Ferner würden die Vergleichswaren zum Durstlöschen oder als Erfrischungsgetränk serviert. Außerdem könnten die angefochtenen Waren auch Fruchtbestandteile enthalten oder mit solchen angeboten werden. Nicht zuletzt stimmten die Vertriebsstätten und die Hersteller überein.

52

Zwischen den Waren „Kaffee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel; Teepads und -beutel; Teegetränke“ und den Waren der Widerspruchsmarke bestehe ebenfalls Ähnlichkeit. Die Vergleichswaren würden von denselben Unternehmen hergestellt, vermarktet und bereitgestellt. Ferner würden sie auf denselben Vertriebswegen angeboten und richteten sich an dieselben Endabnehmer. Es handele sich zudem jeweils um Waren, deren Zweck es sei, getrunken zu werden bzw. um Getränke, die auch mit Fruchtaromen angeboten werden könnten. Die Waren könnten zum Löschen des Durstes oder als Erfrischungsgetränk verwendet werden. Schließlich stünden die Waren in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, denn jede Vergleichsware könne jederzeit problemlos vom Verbraucher statt der anderen konsumiert werden, wenn die eine Ware nicht zur Verfügung stehe.

53

Auch in Bezug auf die übrigen von der Löschungsanordnung betroffenen Waren bestehe aus den von der Markenstelle genannten Gründen Ähnlichkeit.

54

  • Die Widerspruchsmarke verfüge in ihrer Gesamtheit ohne weiteres über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei darüber hinaus durch langjährige und intensive Benutzung gestärkt.
    Angesichts einer naheliegenden Aussprache des den Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein bestimmenden Wortbestandteils „vitafy“ wie „vitafi“ bestehe eine erhebliche klangliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken. Selbst bei einer – allerdings nicht naheliegenden – Aussprache wie „vitafai“ seien sich beide Marken im Klangbild noch so ähnlich, dass im Rahmen der Gesamtabwägung von einer Verwechslungsgefahr in dem von der Markenstelle angenommenen Umfang auszugehen sei, was zudem auch für den schriftbildlichen Vergleich beider Marken gelte.

55

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

56

Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats der zulässige Widerspruch aus der Unionsmarke 005 633 631 in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang begründet ist.

57

A. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für die gegen diese Eintragung erhobenen Widersprüche gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG n. F.) weiterhin die Vorschrift des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (im Folgenden „;MarkenG“).

58

B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – Injekt/Injex; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGE- MENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; BGH a. a. O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX).

59

Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken in dem von der Markenstelle angenommenen Umfang zu besorgen, weshalb die angegriffene Marke nach §§ 125b, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen ist.

60

1. Auf die seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 13. März 2017 gegenüber der Unionswiderspruchsmarke 005 633 631 erhobene Einrede mangelnder Benutzung findet gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG die Bestimmung des § 43 Abs. 1 MarkenG Anwendung mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke gemäß Art. 18 UMV tritt.

61

Maßgebend ist dabei vorliegend § 43 Abs. 1 MarkenG in seiner bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung mit den beiden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (a.F.) maßgeblichen Benutzungszeiträumen, weil der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 erhoben wurde (§ 158 Abs. 5 MarkenG).

62

a. Die undifferenziert und sich daher auf beide nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2, 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 18 GMV relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist hinsichtlich beider Benutzungszeiträume statthaft, da die am 4. Februar 2008 eingetragene (Unions-)Widerspruchsmarke 005 633 631 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 23. September 2016 bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen war.

63

Maßgeblich für die Frage der Benutzung in zeitlicher Hinsicht sind nach §
43Abs. 1 Satz 1 MarkenG der Fünfjahreszeitraum vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 23. September 2016 und nach
§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG der weitere Fünfjahreszeitraum vor der mündlichen
§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG der weitere Fünfjahreszeitraum vor der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2020. Der Tag der (letzten) mündlichen Verhandlung ist auch dann für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebend, wenn – wie vorliegend – die Entscheidung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG an Verkündungs Statt zugestellt wird (BGH GRUR 2007, 321 Tz. 29 – COHIBA; GRUR 2017, 1043 Tz. 13 – Dorzo; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 43 Rdnr. 21).

64

Deshalb oblag es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG i.V.m. Art. 18 UMV hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände für die vorgenannten Zeiträume darzulegen und glaubhaft zu machen.

65

Nach Art. 18 UMV muss die Marke in der Union ernsthaft benutzt worden sein. Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren (oder Dienstleistungen), für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren (oder Dienstleistungen) einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428, Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Rn. 70 – VITAFRUIT). Nach der europäischen Spruchpraxis ist davon jedenfalls auszugehen, wenn die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (vgl. EuGH GRUR 2008, 343, 346, Nr. 74 – Il Ponte Finanziaria SpA/HABM).

66

Auf Seiten der Widerspruchsmarke sind gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG nur die Waren zu berücksichtigen, für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht worden ist.

67

b. In Anwendung dieser Grundsätze ist mit der Markenstelle davon auszugehen, dass die Widersprechende mit der als Anlage 5 zum Schriftsatz vom 18. Mai 2017 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des bei der Widersprechenden als Einkaufsleiter tätigen Herrn M… vom 12. Mai 2017 sowie den weiteren Unterlagen eine wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für „Frucht- und Gemüsesäfte“ in der Union glaubhaft gemacht hat.

68

Die in der eidesstattlichen Versicherung ausgewiesenen erheblichen Umsätze im Gebiet der Union und speziell in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Polen, die als Anlagen 1.1. bis 1.5 vorgelegten Übersichten über die erzielten Mindestumsätze mit „vitafit“- Produkten in Deutschland sowie in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Polen für die Jahre 2010 bis einschließlich 2016 sowie die als Anlagen 4.1-4.5 eingereichten Lieferantenrechnungen aus den Jahren 2011-2016 aus Deutschland, Polen, Frankreich, Spanien und Großbritannien belegen eine kontinuierlich über mehrere Jahre und beide Benutzungszeiträume hinweg erfolgte wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für „Frucht- und Gemüsesäfte“ im Gebiet der Union und speziell in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Polen. Für diese Waren beansprucht die Widerspruchsmarke auch konkret Schutz.

69

Unerheblich ist, dass die in der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung ausgewiesenen jährlichen Umsatzzahlen aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufs für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevanten Benutzungszeitraum nur insoweit noch verwertbar sind, als es – ausgehend vom insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2020 – die Angaben für das (gesamte) Jahr 2016 betrifft. Da rechtserhaltende Benutzungshandlungen nicht den gesamten Benutzungszeitraum ausfüllen müssen, ist allein mit den im Jahr 2016 erzielten Verkaufszahlen sowie Umsätzen in quantitativer Hinsicht eine wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Nutzung der Unionswiderspruchsmarke für die vorgenannten Waren belegt.

70

Seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke werden auch keine Einwände gegen die zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung vorgelegten Unterlagen, insbesondere gegen die darin für beide Benutzungszeiträume genannten erheblichen Umsätze, erhoben.

71

Die in der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung in Ziff. 2 c in Bezug genommen Abbildungen von Produktverpackungen und Werbematerialien belegen ferner eine der eingetragenen Form entsprechende Benutzung der Widerspruchsmarke bzw. eine von der eingetragenen Form nur minimal abweichende und die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflussende Benutzung iSv Art. 18 Abs. 1 lit. a UMV und damit eine funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke als Produktmarke.

72

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrer Beschwerdebegründung eine funktionsgemäße Benutzung in Abrede stellt, geht ihr Vorbringen dazu schon deshalb fehl, weil es – worauf die Widersprechende zutreffend hinweist – die nicht beschwerdegegenständliche Widerspruchswortmarke 004 935 409 betrifft.

73

c. Darüber hinaus ist auch eine rechtserhaltende Benutzung für die ebenfalls für die Widerspruchsmarke registrierten und teilweise im Warenverzeichnis doppelt benannten Waren „Fruchtsaftgetränke, Fruchtsaftmischgetränke, Multivitaminfruchtsaftgetränke, Gemüsesaftgetränke und Gemüsesaftmischgetränke“ anzuerkennen.

74

aa. Zwar benennt die vorgenannte eidesstattliche Versicherung des Herrn M… vom 12. Mai 2017 in Ziff. 2 a) im Rahmen der „Produktpalette der „vitafit“-Produkte“ nur „Trauben-, Mulitivitamin-, Apfel-, Orangen-, Karotten-, Tomaten- und Gemüsesäfte“, nicht jedoch entsprechende „Frucht- und/oder Gemüsesaft(misch)getränke“ und auch den Anlagen 1.1. bis 1.5 lässt sich nicht eindeutig eine Benutzung für „Frucht-/Gemüsesaft(misch)getränke“ entnehmen, da es sich bei den darin aufgeführten Produkten eher um „Frucht- und Gemüsesäfte“ handelt, worunter auch handelsübliche
Direktsäfte und Fruchtsäfte aus
Konzentrat fallen. Dies kann letztlich aber dahinstehen.

75

bb. Denn eine Benutzung der Widerspruchsmarke für „Frucht- und Gemüsesäfte“ stellt gleichzeitig auch eine Benutzung für „alkoholfreie Getränke“ dar, für die die Widerspruchsmarke ebenfalls Schutz beanspruchten kann. Wenngleich eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für diese speziellen Säfte entgegen der Auffassung der Markenstelle keine Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung für den gesamten Oberbegriff „Alkoholfreie Getränke“ nach sich ziehen kann, da darunter auch Produkte fallen, die sich in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung deutlich von Frucht- und Gemüsesäften bzw. frucht- und/oder gemüsebasierten Erfrischungsgetränken unterscheiden, ist die Widersprechende gleichwohl im Rahmen der Integrationsfrage auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs GRUR 2020, 871 – INJEKT/INJEX insoweit nicht auf die unter den Warenoberbegriff „alkoholfreie Getränke“ fallenden speziellen Produkte „Frucht- und Gemüsesäfte“ festzulegen.

76

Allerdings kann die im Löschungs(klage)verfahren entwickelte und in der Vergangenheit vom Bundespatentgericht als „erweiterte Minimallösung“ bezeichnete Rechtsprechung, wonach die Benutzung für eine Spezialware auch für einen umfassenderen, nicht zu breiten Warenoberbegriff rechtserhaltend wirkt (vgl. dazu BGH GRUR 2012, 64, 65 Nr. 10 – Maalox/Melox-GRY; BPatG 25 W (pat) 79/12 v. 22. Mai 2014 – Tebo/TOBI; 30 W (pat) 37/13 v. 21. Mai 2015 – CIRKALM/BIKALM; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O, § 26 Rdnr. 302 m. w. N.), in Kollisionsverfahren wie dem patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht mehr zur Anwendung kommen, da dies nach Auffassung des BGH zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des Inhabers einer Marke mit weit gefassten Oberbegriffen gegenüber demjenigen führt, der die Eintragung von Anfang an auf die sodann benutzte Ware beschränkt hat, und im Übrigen auch eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bei der Prüfung, ob eine Kollisionslage vorliegt, bewirkt (vgl. BGH GRUR 2020, 871, Rn. 34 – INJEKT/INJEX). Vielmehr ist danach der Schutz der Klagemarke oder der Widerspruchsmarke auf die konkret benutzten Waren beschränkt. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf gleichartige Waren (vgl. BGH aaO Rn. 36).

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Ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen. Dies legt eine Bewertung nahe, die auf einen sachgerechten Ausgleich zwischen einerseits den berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Markeninhabers und andererseits dem Anliegen der Allgemeinheit an der Freihaltung des Registers von (teilweise) unbenutzten Marken abstellt, welcher auch bei der Bestimmung des „gleichen Warenbereichs“ im Löschungsverfahren maßgeblich ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 306). Zum gleichen Warenbereich gehören gemeinhin Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen (vgl. BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 61 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2014, 662 Tz. 12 – Probiotik; GRUR 2020, 870 Tz. 33 – INJEKT/INJEX; ferner Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 305).

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Danach ist aber ebenso wie bei Anwendung der von der Markenstelle noch praktizierten – und regelmäßig zu den denselben Ergebnissen führenden (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, aaO, § 26 Rdnr. 309) – „erweiterten Minimallösung“ eine Benutzung der Widerspruchsmarke für die vorgenannten „Frucht- und Gemüsesaft(misch)getränke“ anzuerkennen. Zwar unterscheiden sich diese in lebensmittelrechtlicher Hinsicht insoweit von Frucht- und Gemüsesäften, als es sich bei „Frucht- und/oder Gemüsesaft(misch)
getränken“ um Waren handelt, die im Unterschied zum reinen Frucht- und/oder Gemüsesaft und Nektar deutlich weniger Frucht als sonstige Inhaltsstoffe, nämlich nur sechs bis 30 Prozent, enthalten und auch nicht der Fruchtsaftverordnung unterliegen. Jedoch stimmen sie als frucht- bzw. gemüsebasierte Erfrischungsgetränke in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung mit Frucht- und Gemüsesäften weitgehend überein sprechen, dieselben Abnehmerkreise an, stammen regelmäßig von denselben Herstellern und werden gemeinsam vertrieben, so dass sie nach der Verkehrsauffassung ohne weiteres zum gleichen Warenbereich wie „Frucht- und Gemüsesäfte“ gehören.

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d. Es ist daher von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für „Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, Fruchtsaftmischgetränke, Multivitaminfruchtsaftgetränke, Frucht- und Gemüsesaftmischgetränke, Gemüsesäfte, Gemüsesaftgetränke und Gemüsesaftmischgetränke“ auszugehen, so dass diese insoweit auch bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen sind (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

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2. Ausgehend von dieser Benutzungslage können sich beide Marken aus den von der Markenstelle genannten Gründen im Umfang der Löschungsanordnung teilweise auf identischen und ansonsten jedenfalls durchschnittlich ähnlichen Waren begegnen.

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a. Soweit die Markenstelle von einer hochgradigen Warenähnlichkeit zwischen den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren und den von der Löschung betroffenen Waren der Klasse 5 der angegriffenen Marke (mit Ausnahme von „Babykost“) ausgegangen ist – dies betrifft die Waren „Nahrungsergänzungsmittel; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Vitaminpräparate; Ballaststoffe; diätetische Ergänzungsstoffe; diätetische Nahrungsmittel für medizinische Zwecke; funktionelle Nahrungsmittel zur Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel; Mahlzeitenersatz in Pulverform; mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Multivitaminpräparate; Nährmittel auf Eiweißgrundlage, für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsgetränke; Nahrungsmittel für medizinisch-restriktive Diäten; Nahrungsmittel für Diabetiker; Nahrungsergänzungsmittel überwiegend bestehend aus Mineralstoffen oder Vitaminen; Vitaminpräparate und -getränke“ – weist die Markeninhaberin zwar zutreffend darauf hin, dass Fruchtgetränke und Säfte grundsätzlich dazu dienen, den Durst zu löschen, ihr Zweck daher nicht medizinisch ist, während Nahrungsergänzungs- und/oder Diätmittel Defizite in der Ernährung ausgleichen sollen.

82

Dennoch handelt es sich auch bei Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Produkten, selbst soweit sie ausdrücklich für medizinische Zwecke bestimmt sind, um Lebensmittel, die sich von „normalen“ Lebensmitteln der Klassen 29, 30 oder 32 oft nur darin unterscheiden, dass bestimmte Inhaltsstoffe durch entsprechende Austauschstoffe ersetzt werden. Solche Lebensmittel werden häufig sowohl als Diäterzeugnisse im Sinne von § 1 DiätVO wie auch als Lebensmittel des allgemeinen Verbrauchs von denselben Unternehmen aus denselben Grundprodukten hergestellt, in denselben Vertriebsstätten wie Supermärkten nebeneinander angeboten und weisen nicht nur in ihrer stofflichen Zusammensetzung Übereinstimmungen auf, sondern dienen oft auch sich ergänzenden Ernährungszwecken, wobei die bei Nahrungsergänzungsmitteln verwendeten Stoffe (Vitamine, Spurenelemente, Mineralien, Eiweiße) ohne weiteres auch für allgemeine Ernährungszwecke eingesetzt werden können.

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Dies gilt insbesondere für Fruchtsäfte oder Fruchtsaftgetränke, die durch Anreicherung mit Vitaminen, Mineralstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung eine optimale Versorgung sicherstellen oder einen Mangelzustand verhindern sollen oder die auch anstelle von Zucker einen Zuckeraustauschstoff oder Süßstoff enthalten können und insoweit als „diätetisches Lebensmittel“ anzusehen sind. Soweit diese daher nicht schon von den vorgenannten seitens der angegriffenen Marke zu Klasse 05 beanspruchten Warenoberbegriffen umfasst werden, liegt hinsichtlich der übrigen zu dieser Klasse beanspruchten Waren angesichts der Überschneidungen in der stofflichen Beschaffenheit, den Vertriebsstätten und den Abgabeformen trotz der unterschiedlichen Zweckbestimmung (einerseits Genuss, andererseits Förderung der Gesundheit) für den Verkehr die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft jedenfalls nicht so fern, dass eine Ähnlichkeit zwischen diesen Waren verneint werden könnte. Eine medizinische Zweckbestimmung kann dabei möglicherweise zu einem etwas größeren Warenabstand, keinesfalls jedoch zu einem deutlichen Warenabstand oder gar zu einer Warenunähnlichkeit führen (vgl. BPatG 25 W (pat) 152/02 v. 1.9.2004, BeckRS 2004, 17291; BPatG GRUR 2000, 223 – Netto 62/netto). Mag die Ähnlichkeit solcher Waren danach auch nicht hochgradig oder überdurchschnittlich sein, so ist sie jedenfalls als durchschnittlich zu bewerten.

84

  • b. Zu der Ware „Babykost“ der angegriffenen Marke besteht eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit, da dieser Warenbegriff auch als Babynahrung angebotene „Trinknahrung“ umfasst, wozu dann auch fruchthaltige Getränke gehören können, wie es zB bei dem Produkt „H…-Trinknahrung“ der Fall ist.
    c. Ferner besteht zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Waren „Milch und Milchprodukte; Milchshakes“ in Klasse 29 eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit, auch soweit diese „in diätetischer Form, ausgenommen für medizinische Zwecke“ angeboten werden können. Zutreffend weist die Widersprechende darauf hin, dass es sich bei diesen Waren um Getränke handelt, die nach Art, Verwendungszweck und Nutzung erhebliche Überschneidungen aufweisen. So werden die Vergleichswaren jeweils zum Durstlöschen oder als Erfrischungsgetränk serviert. Selbstverständlich können auch nicht alkoholische Getränke wie Mineralwässer, Tafelwässer und Milch mit Fruchtsäften gemischt werden, wobei die Grenze zwischen Fruchtmilch (z. B. Erdbeermilch, Bananenmilch) und sonstigen vielfach fruchthaltigen Milchprodukten fließend ist (vgl. BPatG 32 W (pat) 263/03 v. 31. Januar 2007 – QUELLGOLD/Goldquell). Beispielhaft kann dazu auf die in Anlage 11 zur Beschwerdeerwiderung der Widersprechenden enthaltenen Abbildungen „M2… Frucht Butter Milch“, der „Butter Milch Drink“-Produktreihe von M3… sowie der Produktreihe „LC1 Rote Früchte“ von N… verwiesen werden. Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerin werden Fruchtsäfte zudem sehr wohl auch gekühlt angeboten, man denke beispielsweise an gekühlte frisch gepresste Säfte oder Smoothies. Die Markenstelle geht somit zu Recht von einer Warenähnlichkeit aus (vgl. dazu auch
    Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 17. Aufl., S. 191, mittlere Spalte, wonach „Milch“ und „Fruchtsäfte“ ohne weiteres ähnlich sind)

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  • d. Ebenso weisen „Kaffee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel; Teepads und -beutel; Teegetränke“ in Klasse 30 der angegriffenen und die Waren der Widerspruchsmarke insoweit Überschneidungen auf, als sie von denselben Unternehmen hergestellt, vermarktet und bereitgestellt werden. Ferner werden sie auf denselben Vertriebswegen angeboten und richten sich an dieselben Endabnehmer. Es handelt sich zudem jeweils um Waren, deren Zweck es ist, getrunken zu werden bzw. um Getränke, die auch mit Fruchtaromen angeboten werden können. Gemeinsamkeiten bestehen auch darin, dass die Waren den gleichen Verwendungszweck zum Löschen des Durstes oder als Erfrischungsgetränk haben können. Auch werden nicht nur Tee-, sondern auch Kaffee- und Kakaosorten (bzw. aus diesen hergestellte Getränke) mit Fruchtaromen angeboten, vor allem in Verkaufsstätten und Coffee-Shops, die sich an das jüngere Publikum wenden. Daher müssen Fruchtsäfte, bei identischer Kennzeichnung, als zu jenen ähnliche Waren angesehen werden (vgl.BPatG 32 W (pat) 263/03 v. 31. Januar 2007 – QUELLGOLD/Goldquell), wobei die Ähnlichkeit auch nach dieser Entscheidung nicht als lediglich unterdurchschnittlich zu bewerten ist, sondern eine jedenfalls noch durchschnittliche Ähnlichkeit besteht.

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e. Was die von der Löschungsanordnung betroffenen Waren der Klasse 32 „Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke; Fruchtsäfte; proteinangereicherte Sportgetränke; isotonische Getränke; Aloe-Vera-Getränke; Energiegetränke; milchähnliche Getränke; Molkegetränke; Sportgetränke, auch mit Elektrolytanteilen; vitaminhaltige Getränke, nicht für medizinische Zwecke“ betrifft, besteht zunächst Warenidentität hinsichtlich der bei beiden Marken zu berücksichtigenden Waren „Fruchtsäfte“.

87

Hinsichtlich der zu dieser Klasse weiterhin beanspruchten Waren „alkoholfreie Getränke“ kann eine Warenidentität allerdings nicht damit begründet werden, dass dieser Warenbegriff auch bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen sei. Dies ist nämlich nicht der Fall, da die Widerspruchsmarke für diesen weiten Oberbegriff nicht rechtserhaltend benutzt wird. Jedoch umfasst der Warenoberbegriff „alkoholfreie Getränke“ der angegriffenen Marke auch die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden „Fruchtsäfte“ etc., so dass sich beide Marken insoweit auf identischen Waren begegnen können.

88

Dies gilt auch hinsichtlich der von der angegriffenen Marke zu dieser Klasse beanspruchten Waren „Fruchtgetränke; vitaminhaltige Getränke, nicht für medizinische Zwecke“, da es sich dabei auch um „Frucht- und/oder Gemüsesäfte bzw. –saftgetränke“ handeln kann, für die die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden ist.

89

  • Was die weiteren von der angegriffenen Marke zu dieser Klasse beanspruchten Waren „Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; proteinangereicherte Sportgetränke; isotonische Getränke; Aloe-Vera-Getränke; Energiegetränke; milchähnliche Getränke; Molkegetränke; Sportgetränke, auch mit Elektrolytanteilen“ betrifft, fehlt es zwar mangels Benutzung der Widerspruchsmarke für „alkoholfreie Getränke“ an einer Warenidentität; jedoch besteht eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit zu den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren, da diese nicht alkoholischen Getränke – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – häufig mit Fruchtsäften gemischt und teilweise als bereits fertige Mischgetränke (z. B. Apfelschorle) von denselben Unternehmen angeboten werden.

90

  • f. Hinsichtlich der übrigen von der Löschungsanordnung betroffenen Waren der angegriffenen Marke besteht aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen, welche die Inhaberin der angegriffenen Marke mit der Beschwerde auch nicht angegriffen hat und auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, teilweise Identität und ansonsten eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke.

91

3. Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke nicht eng zu bemessen oder gar auf einen Identitätsschutz zu begrenzen. Denn abgesehen davon, dass es aus Rechtsgründen nicht zulässig ist, eine eingetragene Widerspruchsmarke im Widerspruchsverfahren wegen Schutzunfähigkeit auf einen Identitätsschutz zu beschränken (vgl. BGH GRUR 2020, 870 Tz. 51 – INJEKT/INJEX), kann der Widerspruchsmarke 005 633 631

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jedenfalls in der Gesamtheit die Eignung, sich als Unterscheidungsmittel für die betreffenden Waren bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, nicht abgesprochen werden. Zwar weisen die einzelnen und dem Verkehr geläufigen Bestandteile „vita“ als aus dem Lateinischen stammendes Wortbildungselement mit der Bedeutung „Leben“ (vgl. DUDEN-online zu „vita“) sowie „fit“ als ebenfalls in die deutsche Sprache eingegangenes englisches Wort mit den Bedeutungen „in guter körperlicher Verfassung“, „sportlich durchtrainiert“, „leistungsfähig“, „kompetent“ oder „tüchtig“ (vgl. (DUDEN-online zu „fit“) in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren durchaus einen für den Verkehr ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Anklang bzw. Aussagehalt auf, wenngleich „vita“ für die bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Frucht- und Fruchtsaftgetränke – anders als zB das Adjektiv „vital“ – keine glatt beschreibende und damit schutzunfähige Angabe darstellt (vgl. BPatG
26 W (pat) 532/1026 W (pat) 532/10 vom 18.08.2011 – Vitafit/Vitalfit.). Jedenfalls entsteht durch die
26 W (pat) 532/10 vom 18.08.2011 – Vitafit/Vitalfit.). Jedenfalls entsteht durch die Aggregation des lateinischen Wortes „vita“ mit dem englischsprachigen Kurzwort „fit“ eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres individualisierend wirkt (vgl. dazu BPatG
24 W (pat) 124/06 vom 07.04.2009 – derma fit)und bei der es auf Grundlage ihrer wortsinngemäßen Bedeutung auch eines gewissen interpretatorischen Aufwands bedarf, um diese als Hinweis auf ein Erfrischungsgetränk oder einen Saft mit belebender und einer der Gesundheit sowie einer guten körperlichen Verfassung zuträglichen Wirkung zu verstehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist daher nach Auffassung des Senats in ihrer allein maßgeblichen Gesamtheit noch als durchschnittlich zu bewerten (ebenso BPatG 26 W (pat) 124/04 v. 12. April 2006 – VITAL & FIT/VITAFIT;
28 W (pat) 130/03 vom 03.12.2003 – Vita – Fit for Life/VITAFIT; 28 W (pat) 286/96 – VITAFIT/VITAFORM v. 4.11.1998; aA 26 W (pat) 124/04 v. 12. April 2006 – VITAL & FIT/VITAFIT ).

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Ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch langjährige intensive Benutzung im vorliegend relevanten Warenbereich gestärkt worden ist (bzw. eine mögliche Kennzeichnungsschwäche dadurch überwunden worden ist), kann hingegen offenbleiben.

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4. Denn die Ähnlichkeit der Zeichen ist jedenfalls in klanglicher Hinsicht zumindest durchschnittlich.

95

Mit der Markenstelle ist dabei zunächst aus den von ihr genannten Gründen davon auszugehen, dass der klangliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein durch den Markenbestandteil „vitafy“ geprägt wird, was auch von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt wird. Auch bei der (beschwerde-gegenständlichen) Widerspruchsmarke 005 633 631 wird der Gesamteindruck allein durch den Wortbestandteil „vitafit“ geprägt. Somit sind die Markenwörter „vitafy und „vitafit“ miteinander zu vergleichen. Klanglich stimmen diese am Wortanfang „vita“, in der Silbenzahl, in den Anlauten „V“, „T“ und „F“ der einzelnen Silben, im Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der den klanglichen Gesamteindruck maßgeblich mitbestimmenden Vokalfolge „I-A-I“ überein; sie unterschieden sich allein am Wortende („-it“ gegenüber „y“) Diese Abweichung ist aber bereits für sich gesehen kaum auffällig, da jedenfalls in einem nicht unerheblichen und damit auch für die Beurteilung der Markenähnlichkeit relevanten Umfang damit zu rechnen ist, dass die Endsilbe „fy“ von „vitafy“ am Wortende als kurzes geschlossenen i [i] ausgesprochen wird wie in den Begriffen „Dandy“, „Sherry“, „groggy“, „family“. Dem steht nicht entgegen, dass in der englischen Sprache auf „-fy“ endende Begriffe (Verben) wie die von der Inhaberin der angegriffenen Marke genannten Wörter „testify“, „dignify“, „humidify“ etc. am Ende wie „fai“ ausgesprochen werden, da es sich bei dem Markenwort „vitafy“ erkennbar um kein englisches Wort/Verb handelt.

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Ausgehend davon tritt der Unterschied am Wortende dann aber gegenüber den weitreichenden Übereinstimmungen nicht so deutlich hervor, dass er die weitgehend übereinstimmende Gesamtstruktur beider Markenwörter im Klangbild wesentlich beeinflussen könnte. Beide Marken weisen auch keinen sofort und ohne weiteres erfassbaren Sinngehalt auf, welcher die Übereinstimmungen im Klangbild beider Marken „neutralisieren“ oder zumindest reduzieren könnte. Insgesamt überwiegen damit die Gemeinsamkeiten in beiden Markenwörtern.

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5. In Anbetracht der weitreichenden Übereinstimmungen im Klangbild beider Marken kann im Rahmen der Gesamtabwägung bei jedenfalls noch durchschnittlicher Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen nicht verneint werden.

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C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.