BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 21.01.2021, AZ I ZR 120/19, ECLI:DE:BGH:2021:210121UIZR120.19.0
§ 22 S 1 KunstUrhG, § 23 Abs 1 Nr 1 KunstUrhG, § 23 Abs 2 KunstUrhG, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 818 Abs 2 BGB
Leitsatz
Clickbaiting
1. Das Berufungsgericht ist bei der Überprüfung eines erstinstanzlichen Grundurteils auch dann befugt, über den Betrag des Klageanspruchs zu entscheiden, wenn es das Grundurteil nicht beanstandet und der Streit über den Betrag zur Entscheidung reif ist. Hierfür bedarf es weder einer Anschlussberufung des Klägers noch einer Zustimmung der Parteien noch einer Wiederholung des erstinstanzlichen Sachantrags des Klägers.
2. Die Nutzung des Bildnisses einer prominenten Person im Internet als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zu dieser greift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt ihres Rechts am eigenen Bild ein.
3. Eine prominente Person muss nicht hinnehmen, dass ihr Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt wird, die sie nicht betreffen.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 28. Mai 2019, Az: I-15 U 160/18, Urteil
vorgehend LG Köln, 25. Juli 2018, Az: 28 O 74/18, Urteil
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Mai 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger, Günther Jauch, ist ein in Deutschland sehr bekannter und beliebter Fernsehmoderator. Er hat öffentlich erklärt, für Werbung für Dritte nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
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Die Beklagte bietet die Programmzeitschrift „TV Movie“ an und unterhält neben der Internetseite www.tvmovie.de ein Facebook-Profil. Auf diesem postete sie am 18. August 2015 folgenden Text:
+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht
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Die Meldung enthielt ein – ohne Einwilligung verwendetes – Foto des Klägers sowie Fotos der drei weiteren prominenten Fernsehmoderatoren Roger Willemsen, Stefan Raab und Joko Winterscheidt. Sie war wie nachfolgend eingeblendet gestaltet:
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Durch Anklicken der Meldung wurden die Leserinnen und Leser auf das Internetangebot der Beklagten unter www.tvmovie.de/news weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die Erkrankung des Roger Willemsen berichtet wurde. Informationen über den Kläger fanden sich dort nicht.
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Die Beklagte gab die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Zudem entschuldigte sie sich öffentlich für den Facebook-Beitrag, für den sie in der Öffentlichkeit stark kritisiert worden war. Sie teilte dem Kläger mit, dass sie die Abbildung nur am 18. August 2015 für maximal zwei bis drei Stunden allein auf ihrer Facebook-Seite genutzt habe. Die Klickzahl der Zugriffe auf den Artikel habe bei insgesamt ca. 6.650 gelegen.
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Der Kläger hat mit seinem für das Revisionsverfahren allein noch relevanten Klageantrag zu 1 begehrt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene fiktive Lizenzgebühr, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 20.000 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Das Landgericht hat entschieden, dass dieser Klageantrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist (LG Köln, ZUM 2018, 889). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie verurteilt, an den Kläger 20.000 € nebst Zinsen zu zahlen (OLG Köln, GRUR-RR 2019, 396).
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung des Klageantrags 1 weiter.
Entscheidungsgründe
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A. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Grundurteil des Landgerichts sei zulässig gewesen, hindere das Berufungsgericht indes nicht an einer eigenen Sachentscheidung auch zur Höhe. Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB sowie aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG zu. Die unbefugte kommerzielle Nutzung des Bildnisses einer Person stelle einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und könne dem Grunde nach einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr für die Nutzung begründen. Die Nutzung des Bildnisses des Klägers sei gemessen an den §§ 22, 23 KUG rechtswidrig gewesen. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Belange im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG überwögen die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers. Mit der Bildnisveröffentlichung sei keinerlei beachtenswerter Informationswert mit Blick auf den Kläger verbunden gewesen, da die redaktionelle Berichterstattung im Zielartikel keinen Bezug zu ihm aufgewiesen habe. Die Bildnisnutzung als „Klickköder“ („Clickbaiting“) sei als kommerziell/werblich zu behandeln. Die Klageforderung sei auch der Höhe nach gerechtfertigt. Bei der Bestimmung einer angemessenen Lizenzgebühr sei im Grundsatz der Weg zur Schätzung nach § 287 ZPO eröffnet, die ohne sachverständige Hilfe möglich gewesen sei.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Umstand, dass das Landgericht lediglich ein Grundurteil erlassen hatte, stand einer Entscheidung des Berufungsgerichts auch über den Betrag nicht entgegen (dazu B I). Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Bereicherungsanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei bejaht (dazu B II). Keiner Entscheidung bedarf danach die Frage, ob dem Kläger daneben auch ein Schadensersatzanspruch zusteht (dazu B III).
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I. Das Berufungsgericht war befugt, auch über den Betrag der Klageforderung zu entscheiden, obwohl das Landgericht hierzu lediglich ein Grundurteil erlassen hatte. Einer Anschlussberufung des Klägers, Zustimmung der Parteien oder Wiederholung des erstinstanzlichen Sachantrags des Klägers bedurfte es insoweit nicht.
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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das Grundurteil des Landgerichts zulässig gewesen sei, das Berufungsgericht indes nicht an einer eigenen Sachentscheidung auch zur Höhe hindere. Es werde zwar bezweifelt, ob ein solches Vorgehen möglich sei. Nach der herrschenden Meinung könne ein Berufungsgericht den Rechtsstreit aber aus Gründen der Prozessökonomie insgesamt abschließend entscheiden, wenn es diesen bei einem prozessual zulässigen Grundurteil zugleich der Höhe nach für bereits entscheidungsreif halte, ohne dass es dazu formal einer Anschlussberufung durch die obsiegende Klägerseite bedürfe. Es sei nicht zu erkennen, dass die Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts formal zusätzlich von einer Zustimmung aller Parteien abhängig zu machen sei. Für die Entscheidung des Berufungsgerichts sei zudem ohne Belang, dass der Kläger seine Sachanträge aus erster Instanz vor dem Berufungsgericht nicht ausdrücklich als solche wiederholt habe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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2. Das Berufungsgericht war entgegen der Auffassung der Revision befugt, eine Entscheidung über den Betrag des Klageanspruchs zu 1 zu treffen. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO. Diese Vorschrift setzt eine solche Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts allerdings voraus.
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a) Die Vorschrift des § 538 Abs. 1 ZPO bestimmt als Grundsatz, dass das Berufungsgericht selbst die notwendigen Beweise zu erheben und die Sache zu entscheiden hat. In § 538 Abs. 2 ZPO sind Ausnahmen von diesem Grundsatz geregelt. Wenn das erstinstanzliche Gericht bei nach Grund und Betrag streitigem Anspruch durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen hat, darf das Berufungsgericht die Sache, soweit deren weitere Verhandlung erforderlich ist, gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 ZPO unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens grundsätzlich an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen. Als Gegenausnahme bestimmt § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO allerdings, dass dies nicht gilt, wenn der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist. In diesem Fall kommt somit wieder der Grundsatz des § 538 Abs. 1 ZPO zur Anwendung, nach dem das Berufungsgericht selbst in der Sache zu entscheiden hat.
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b) Die Vorschrift des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist im Streitfall allerdings nicht unmittelbar anwendbar. Allen in § 538 Abs. 2 ZPO aufgezählten Fällen ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gemeinsam, dass das Berufungsgericht das Urteil und das Verfahren des Gerichts des ersten Rechtszugs aufhebt und die Sache an dieses zurückverweist. Die Bestimmung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist daher unmittelbar nur auf ein aus Sicht des Berufungsgerichts fehlerhaftes Grundurteil des Erstgerichts anwendbar. Beanstandet das Berufungsgericht das Grundurteil dagegen – wie im Streitfall – nicht, liegt keine Aufhebung und Zurückverweisung im Sinne des § 538 Abs. 2 ZPO vor; vielmehr hat im Grundsatz das Gericht erster Instanz von Amts wegen das noch bei ihm anhängige Betragsverfahren durchzuführen (vgl. RG, Urteil vom 19. Oktober 1908 – VII 169/07, RGZ 70, 179, 183; BGH, Urteil vom 3. März 1958 – III ZR 157/56, BGHZ 27, 15, 26 f.; Beschluss vom 29. April 2004 – V ZB 46/03, NJW-RR 2004, 1294, 1295 [juris Rn. 9]; OLG München, NJW-RR 1999, 368 [juris Rn. 7]; OLG Stuttgart, OLGR Stuttgart 2004, 26, 27 [juris Rn. 24]; OLG Naumburg, BeckRS 2016, 132117 Rn. 74; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 538 Rn. 49; Geigel/Bacher, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 38 Rn. 87; aA im Sinne einer Anwendbarkeit der Vorschrift auch bei Bestätigung des Grundurteils Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 538 Rn. 43; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 538 Rn. 62; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 538 Rn. 18; Zimmermann, ZPO, 10. Aufl., § 538 Rn. 8; Kostuch in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl., § 538 Rn. 17; Oberheim in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 538 Rn. 29; ders. in Hirtz/Oberheim/Siebert, Berufung im Zivilprozess, 6. Aufl., Kap. 18 Rn. 72). Dies folgt auch daraus, dass der Rechtsstreit nicht in seinem vollen Umfang, sondern allein wegen des Zwischenstreits über den Anspruchsgrund in die Berufungsinstanz gelangt. Im Übrigen bleibt er beim Gericht des ersten Rechtszugs anhängig, so dass dieses gemäß § 304 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO auch während des Rechtsmittelverfahrens in der Sache weiterverhandeln kann (vgl. BGHZ 27, 15, 26 f.; BGH, NJW-RR 2004, 1294, 1295 [juris Rn. 9]). Sofern das Berufungsgericht im Falle der Bestätigung eines erstinstanzlichen Grundurteils dennoch eine Zurückverweisung ausspricht, hat dies daher lediglich klarstellende Bedeutung (vgl. Gerken in Wieczorek/Schütze aaO § 538 Rn. 49; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rn. 37; Geigel/Bacher aaO Kap. 38 Rn. 87).
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c) Der in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO geregelten Gegenausnahme ist jedoch der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, dass das Berufungsgericht bei der Überprüfung eines erstinstanzlichen Grundurteils befugt ist, auch über den Betrag zu entscheiden, wenn der Streit insoweit zur Entscheidung reif ist. Die genannte Vorschrift ist – mit Recht – „für eine Anomalie, für systemwidrig, aber zweckmäßig“ gehalten worden (zum gleichlautenden § 538 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 ZPO aF vgl. RG, Urteil vom 14. März 1921 – IX 521/30, RGZ 132, 103, 104). Sie dient der Prozessbeschleunigung und der Vermeidung unproduktiver richterlicher Arbeit (vgl. RGZ 132, 103, 104). Dafür besteht bei einem fehlerfreien Grundurteil kein geringeres Bedürfnis als bei einem fehlerhaften. Auch die Folge, dass den Parteien durch die erstmalige Entscheidung des Berufungsgerichts über den Betrag insoweit eine Instanz genommen wird, tritt in beiden Konstellationen gleichermaßen ein. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Berufungsgericht bei der Bestätigung eines fehlerfreien erstinstanzlichen Grundurteils eine Entscheidung über den Betrag verwehrt sein sollte, wenn es über diesen bei Aufhebung eines fehlerhaften erstinstanzlichen Grundurteils im Fall der Entscheidungsreife entscheiden muss und eine Zurückverweisung ausgeschlossen ist.
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Dies entspricht – soweit ersichtlich – der einhelligen Ansicht in der Rechtsprechung (vgl. RG, Urteil vom 24. April 1926 – I 340/25, RGZ 113, 261, 264; RGZ 132, 103 f.; BGH, Urteil vom 7. Juni 1983 – VI ZR 171/81, VersR 1983, 735, 736 [juris Rn. 9]; Urteil vom 30. Oktober 1984 – VI ZR 18/83, NJW 1986, 182 [juris Rn. 11]; BGH, NJW-RR 2004, 1294, 1295 [juris Rn. 16]; OLG Koblenz, MDR 1992, 805 [juris Rn. 31 bis 33]; OLG München, NJW-RR 1999, 368 [juris Rn. 8]; OLG Düsseldorf, NJOZ 2002, 2335 [juris Rn. 48]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Mai 2017 – 17 U 81/16, juris Rn. 34 f.) und der weit überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Zöller/Heßler aaO § 538 Rn. 43 und 46; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher aaO § 538 Rn. 66; Althammer in Stein/Jonas aaO § 538 Rn. 38; Rensen in Wieczorek/Schütze aaO § 304 Rn. 78; Gerken in Wieczorek/Schütze aaO § 528 Rn. 49 und § 538 Rn. 58; Reichold in Thomas/Putzo aaO § 538 Rn. 21; Hunke in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 78. Aufl., § 304 Rn. 27; Thole in Prütting/Gehrlein aaO § 304 Rn. 23; Oberheim in Eichele/Hirtz/Oberheim aaO Kap. 18 Rn. 74; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 140 Rn. 36; Geigel/Bacher aaO Kap. 38 Rn. 87; Mattern, JZ 1960, 385, 389; aA Bettermann, ZZP 88 [1975], 365, 394 f.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLGR Stuttgart 2004, 26, 27 [juris Rn. 24]) zu dieser Frage keine andere Meinung vertreten. Es hat lediglich ausgeführt, dass es im Fall der Bestätigung eines Grundurteils keiner Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 ZPO bedürfe, weil das Betragsverfahren noch in der ersten Instanz anhängig sei.
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3. Die Zulässigkeit einer Entscheidung des Berufungsgerichts über den Betrag war nicht von einer Anschlussberufung des Klägers, Zustimmung der Parteien oder Wiederholung des diesbezüglichen Sachantrags des Klägers in der Berufungsinstanz abhängig.
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a) Es bedarf keiner Anschlussberufung des Klägers gegen das Grundurteil, um dem Berufungsgericht eine Entscheidung auch über die Höhe des Anspruchs zu ermöglichen (vgl. RGZ 132, 103, 105; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Mai 2017 – 17 U 81/16, juris Rn. 34; Gerken in Wieczorek/Schütze aaO § 538 Rn. 58; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher aaO § 538 Rn. 66; Althammer in Stein/Jonas aaO § 538 Rn. 38; Oberheim in Eichele/Hirtz/Oberheim aaO Kap. 18 Rn. 74). Ergeht eine Vorabentscheidung über den Grund des Anspruchs, so kommt eine Anschlussberufung des Klägers außer im Fall einer Klageerweiterung ohnehin nicht in Frage (vgl. RGZ 132, 103, 105). Das folgt schon daraus, dass sich die Anschlussberufung allein gegen das mit dem Hauptrechtsmittel angegriffene Urteil richten kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1983 – IVb ZR 361/81, NJW 1983, 1317, 1318 [juris Rn. 9]; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher aaO § 524 Rn. 11; Althammer in Stein/Jonas aaO § 524 Rn. 12; Wulf in BeckOK.ZPO, 37. Edition [Stand 1. Juli 2020], § 524 Rn. 6), nicht aber gegen das noch beim Gericht des ersten Rechtszugs anhängige Betragsverfahren.
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b) Eine Entscheidung des Berufungsgerichts über die Höhe des Anspruchs erfordert auch nicht die Zustimmung der Parteien.
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aa) Bei einem fehlerhaften Grundurteil setzt § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO keinen Antrag und keine Zustimmung der Parteien voraus, damit das Gericht über den Betrag entscheiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 37; OLG Koblenz, MDR 1992, 805 [juris Rn. 33]; Zöller/Feskorn aaO § 304 Rn. 37; Saenger/Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 304 Rn. 16). Des Antrags einer Partei bedarf es gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 aE ZPO vielmehr allein, um dem Gericht eine Zurückverweisung zu ermöglichen (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Juni 2004 – XI ZR 90/03, NJW-RR 2004, 1637, 1639 [juris Rn. 28]). Auch dann scheidet eine Zurückverweisung – wie ausgeführt – gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 2 ZPO aus, wenn der Streit über den Betrag zur Entscheidung reif ist.
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bb) Danach kann auch bei einem fehlerfreien Grundurteil nicht verlangt werden, dass die Parteien der Erledigung des Betragsverfahrens zugestimmt haben (aA Ball in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 538 Rn. 29; Cassardt in Cepl/Voß, Praxiskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 528 ZPO Rn. 16 und § 538 ZPO Rn. 28; Mattern, JZ 1960, 385, 389). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Berufungsgericht eine Materie des Betragsverfahrens zumindest dann an sich ziehen, wenn die Parteien den vom Erstgericht ausgeklammerten Komplex zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht haben und die Entscheidung hierüber sachdienlich ist (BGH, VersR 1983, 735, 736 [juris Rn. 9]; BGH, Urteil vom 5. März 1993 – V ZR 87/91, NJW 1993, 1793, 1794 [juris Rn. 5]; ebenso OLG Düsseldorf, BauR 2002, 652, 657 [juris Rn. 82]; OLG München, Beschluss vom 2. September 2014 – 27 U 2924/14, juris Rn. 14; MünchKomm.ZPO/Musielak aaO § 304 Rn. 13; ders. in Musielak/Voit aaO § 304 Rn. 14; Göertz in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle aaO § 528 Rn. 6 „Grundurteil“). Das war vorliegend der Fall. Die Parteien haben nach dem Hinweis des Berufungsgerichts, es halte die Sache auch zur Höhe für entscheidungsreif und werde daher das Betragsverfahren zum Gegenstand der Berufungsinstanz machen, auch zur Anspruchshöhe vorgetragen.
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c) Das Berufungsgericht hat zudem mit Recht angenommen, dass es bezogen auf das Betragsverfahren keiner Wiederholung der Sachanträge vor dem Berufungsgericht bedurfte (aA Ball in Musielak/Voit aaO § 538 Rn. 29; Cassardt in Cepl/Voß aaO § 528 ZPO Rn. 16 und § 538 ZPO Rn. 28). Wenn das Berufungsgericht das Betragsverfahren an sich zieht, gelangt dieses in dem Zustand an das Berufungsgericht, in dem es sich beim erstinstanzlichen Gericht befunden hat. Im Streitfall waren die diesbezüglichen Sachanträge vor dem Landgericht bereits gestellt worden und haben im Verfahren vor dem Berufungsgericht fortgegolten.
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II. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr für die Nutzung seines Bildnisses zu. Die Beklagte hat in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild des Klägers eingegriffen (dazu B II 1). Dieser Eingriff war nicht gemäß §§ 22, 23 KUG gerechtfertigt und erfolgte daher ohne rechtlichen Grund (dazu B II 2). Die fiktive Lizenzgebühr, die von der Beklagten als Wertersatz für die eingetretene Bereicherung zu leisten ist, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit 20.000 € bemessen (dazu B II 3).
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1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild des Klägers eingegriffen hat.
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a) Die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, ist wesentlicher – vermögensrechtlicher – Bestandteil des Persönlichkeitsrechts (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 234/10, GRUR 2013, 196 Rn. 15 = WRP 2013, 184 –; Playboy am Sonntag, mwN). Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses für Werbezwecke stellt daher einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild dar und begründet grundsätzlich – neben dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch – einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 42 – Playboy am Sonntag, mwN).
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Kein Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild liegt jedoch vor, wenn die Presse über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse berichtet und nicht ersichtlich ist, dass kommerzielle Interessen einer der Öffentlichkeit bislang unbekannten Person, die Gegenstand der Berichterstattung ist, bestehen könnten. In solchen Fällen geht es der Presse nicht darum, sich die kommerzielle Verwertungsbefugnis der Person, über die berichtet wird, anzumaßen. Vielmehr steht das Berichterstattungsinteresse im Vordergrund. Die möglicherweise bestehende Absicht, durch die Gestaltung der Nachricht mit einem Bild des Betroffenen zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung der Auflage zu erzielen, ist nur ein mitwirkendes Element. Die Veröffentlichung des Bildes stellt in solchen Fällen keine „kommerzielle Verwertung“ im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2012 – VI ZR 123/11, NJW 2012, 1728 Rn. 28; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 14 Rn. 7; Soehring/Hoene in Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl., Rn. 32.23; Fricke in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 22 KUG Rn. 26).
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Die Frage, ob ein Bildnis zur Werbung, also kommerziell, eingesetzt worden ist, beurteilt sich aus der Sicht des Durchschnittslesers (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 52/94, WRP 1995, 613 [juris Rn. 12]). Ein Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwendung des Bildnisses den Werbe- und Imagewert des Abgebildeten ausnutzt, indem die Person des Abgebildeten beispielsweise als Vorspann für die Anpreisung eines Presseerzeugnisses vermarktet wird (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 17 – Playboy am Sonntag). Es genügt jedoch auch, führt allerdings zu einem geringeren Gewicht des Eingriffs, wenn eine bloße Aufmerksamkeitswerbung vorliegt, also lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt gelenkt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – I ZR 65/07, GRUR 2010, 546 Rn. 19 f. = WRP 2010, 780 –; Der strauchelnde Liebling, mwN).
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Die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 17 – Playboy am Sonntag). So greift die Verwendung des Bildnisses einer prominenten Person auf dem Titelblatt einer Zeitschrift auf Grund der Werbefunktion des Titelblatts in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild ein. Dies gilt selbst dann, wenn das Bild mit einer Berichterstattung über die abgebildete Person verknüpft ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2009 – I ZR 8/07, GRUR 2009, 1085 Rn. 28 = WRP 2009, 1269 –; Wer wird Millionär?; Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 119/08, GRUR 2011, 647 Rn. 36 = WRP 2011, 921 –; Markt & Leute).
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die (atypische) Bildnisnutzung als „Klickköder“ sei als kommerziell/werblich zu behandeln. Vorliegend gehe es nicht nur um eine redaktionelle Berichterstattung betreffend den Kläger, sondern um eine bewusste Ausnutzung des Beliebtheitsgrades des Klägers und damit auch des Marktwerts des Bildnisses des Klägers für kommerzielle Maßnahmen in Form des Generierens von Klicks für die Beklagte neben einer den Kläger überhaupt nicht betreffenden redaktionellen Berichterstattung der Beklagten allein über den tatsächlich erkrankten Moderator. Für die Frage, ob ein Bild werblich eingesetzt worden sei, sei die Sicht des Durchschnittslesers maßgeblich. Insofern sei es ohne Belang, dass die Abbildung des Klägers nicht in Form klassischer Werbung, sondern nur in einem redaktionell aufgemachten „Teaser“ eingesetzt worden sei, der auf eine redaktionelle Berichterstattung – allerdings nur über einen Dritten – verlinkt gewesen sei. Denn die für die Beurteilung einer Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gälten im Grundsatz auch entsprechend für die Eigenwerbung der Presse. Eine ausgleichspflichtige werbliche Nutzung könne auch schon dann vorliegen, wenn – wie hier – nur die Aufmerksamkeit der Leser auf ein Presseerzeugnis gerichtet werde, zumal damit vorliegend zugleich unmittelbar Werbemehreinnahmen erzielt worden seien und das Nutzen solcher „Klickköder“ letztlich nur eine besondere Vermarktungsform darstelle. Ein Anspruch auf Lizenzanalogie bei einer Aufmerksamkeitswerbung setze nicht zwingend voraus, dass die Nutzung des Bildnisses einen generell werbenden Charakter für das Presseerzeugnis als solches habe, so dass deswegen nicht schon die willkürliche Verknüpfung der streitgegenständlichen Veröffentlichung mit der Ankündigung eines konkreten redaktionellen Beitrages über einen Dritten den Anspruch des Klägers wegfallen lasse. Solche Ankündigungen im Onlinebereich seien wie Titelblattankündigungen im Printbereich letztlich eine Art „Aushängeschild“ des Gesamtauftritts bzw. der Gesamtpublikation und animierten das Publikum wie eine „Werbefläche“ zum Erwerb der Zeitschrift beziehungsweise zum Besuch der Internetseite.
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c) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
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aa) Die Revision stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte mit dem Facebook-Posting Aufmerksamkeit für den verlinkten Zielartikel erregen wollte, sondern macht allein geltend, dass dieser Umstand nichts an dem Charakter des Postings als einer redaktionellen Ankündigung eines konkreten Artikels ändere. Damit dringt sie nicht durch. Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass eine redaktionelle Berichterstattung vorlag, die die Beklagte mit dem Facebook-Posting pressetypisch beworben hat. Es hat jedoch mit Recht darauf abgestellt, dass der Kläger von der redaktionellen Berichterstattung in dem verlinkten Artikel selbst nicht betroffen war, und hieraus zutreffend auf eine Nutzung seines Bildnisses allein zum Zweck der Aufmerksamkeitswerbung geschlossen. Eine solche Bildnisnutzung als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zum Kläger greift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Rechts am eigenen Bild ein.
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bb) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Beklagte in dem Facebook-Posting mit dem Bild des Klägers ihr Unternehmen, das Presseerzeugnis als Ganzes oder nur einen einzelnen Artikel daraus beworben hat. Auch mit der Bewerbung eines einzelnen Artikels soll der Absatz des Presseerzeugnisses bzw. der Aufruf der dazugehörigen Internetseite gefördert werden. Für die Ankündigung eines Artikels auf dem Titelblatt räumt dies auch die Revision ein, da sie annimmt, dass die Werbeeinnahmen im Onlinebereich dem Verkaufspreis und den Werbeeinnahmen bei einem Printmedium entsprechen und eine Titelblattankündigung bei einer Zeitschrift den potentiellen Leser dazu anzuregen soll, das gesamte Heft zu kaufen und beim Lesen auch die darin enthaltenen Werbeanzeigen wahrzunehmen. Nichts Anderes gilt jedoch für ein Facebook-Posting, das die Funktion der Ankündigung eines Artikels auf dem Titelblatt übernimmt und den Leser dazu anregen soll, die Internetseite des Presseorgans aufzurufen, auf der sich der entsprechende Artikel befindet.
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2. Der Eingriff in das Recht am eigenen Bild des Klägers ist gemessen an den §§ 22, 23 KUG rechtswidrig.
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a) Das Berufungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des Handelns der Beklagten zutreffend nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG beurteilt.
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aa) Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Fehlt eine solche Einwilligung, ist die Verbreitung eines Bildnisses nur zulässig, wenn es dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
37
(1) Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Er beschränkt sich nicht auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen. Mit Blick darauf umfasst er ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 22 – Playboy am Sonntag; BGH, Urteil vom 7. Juli 2020 – VI ZR 250/19, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 12; Urteil vom 29. September 2020 – VI ZR 445/19, ZUM-RD 2020, 637 Rn. 21, jeweils mwN). Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht (BGH, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 13; ZUM-RD 2020, 637 Rn. 21, jeweils mwN). Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt (vgl. BGH, ZUM-RD 2020, 642 Rn. 13).
38
Auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich allerdings nicht berufen, wer keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – I ZR 182/04, BGHZ 169, 340 Rn. 15 – Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 22 – Playboy am Sonntag, jeweils mwN). Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die eigene Werbung für ein Presseerzeugnis – ebenso wie das Presseerzeugnis selbst – den Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 – VI ZR 220/01, BGHZ 151, 26, 30 f. [juris Rn. 13]; BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 27 – Playboy am Sonntag, mwN), weil sie den Absatz des Presseerzeugnisses fördert und auf diese Weise zur Verbreitung der Informationen beiträgt (vgl. BGHZ 151, 26, 30 f. [juris Rn. 13]).
39
(2) Sofern der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eröffnet ist, erfordert die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine – revisionsrechtlich voll zu überprüfende – Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit (vgl. BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 15 – Wer wird Millionär?; GRUR 2010, 546 Rn. 16 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2011, 647 Rn. 29 – Markt & Leute; GRUR 2013, 196 Rn. 23 – Playboy am Sonntag; ZUM-RD 2020, 637 Rn. 21, jeweils mwN). Der Prüfung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der den widerstreitenden Interessen ausreichend Rechnung trägt (vgl. BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 15 – Wer wird Millionär?).
40
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Allgemeinheit kommt dem Informationswert der Abbildung und der sie begleitenden Berichterstattung eine entscheidende Bedeutung zu (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 17 – Wer wird Millionär?). Eine solche Gewichtung ist nicht aufgrund der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ausgeschlossen, weil das Recht der Presse, nach publizistischen Kriterien selbst über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung zu entscheiden, nicht von der Abwägung mit den geschützten Rechtspositionen derjenigen befreit, über die berichtet wird (vgl. BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 19 – Wer wird Millionär?). Zwar steht es der Presse grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren, ohne dass eine Bedürfnisprüfung stattfindet, ob die Bebilderung veranlasst war (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2019 – VI ZR 533/16, GRUR 2019, 866 Rn. 10; BGH, ZUM-RD 2020, 637 Rn. 21, jeweils mwN). Enthält das Presseerzeugnis eine dem Schutz der Pressefreiheit unterliegende Bildberichterstattung über eine prominente Person, darf auch mit deren Bildnis auf dem Titelblatt geworben werden. Erschöpft sich eine Berichterstattung aber nur darin, einen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen, weil ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung nicht erkennbar ist, begrenzt das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Werbung für das Presseerzeugnis (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 28 – Wer wird Millionär?; GRUR 2013, 196 Rn. 39 – Playboy am Sonntag, jeweils mwN).
41
Bei der Gewichtung des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten ist die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs zu berücksichtigen, die sich auch auf eine ungewollte Vereinnahmung für fremde kommerzielle Werbeinteressen beziehen kann (vgl. BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 25 – Wer wird Millionär?, mwN). Ein Eingriff hat besonderes Gewicht, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, die abgebildete Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 19 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2013, 196 Rn. 25 – Playboy am Sonntag). Erhebliches Gewicht kommt einem Eingriff aber auch dann zu, wenn – ohne dass der Bildberichterstattung eine ausdrückliche Empfehlung des Abgebildeten für das Produkt entnommen werden kann – durch ein unmittelbares Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten in der Werbung das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter der Werbung eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, die zu einem Imagetransfer führt (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 29 ff. – Wer wird Millionär?, mwN; GRUR 2010, 546 Rn. 19 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2011, 647 Rn. 31 – Markt & Leute; GRUR 2013, 196 Rn. 25 – Playboy am Sonntag). Dagegen hat der Eingriff geringeres Gewicht, wenn die Abbildung einer prominenten Person in der Werbung weder Empfehlungscharakter hat noch zu einem Imagetransfer führt, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt lenkt (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 19 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2011, 647 Rn. 31 – Markt & Leute; GRUR 2013, 196 Rn. 25 – Playboy am Sonntag, mwN). Die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 17 – Playboy am Sonntag).
42
Für die Abwägung ist weiter bedeutsam, ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nur dessen lediglich einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt oder darüber hinaus dessen auch verfassungsrechtlich gewährleisteten ideellen Bestandteil betrifft. Den nur einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts kommt nicht grundsätzlich der Vorrang gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit zu (vgl. BGH, GRUR 2011, 647 Rn. 34 und 40 – Markt & Leute).
43
bb) Das abgestufte Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG steht sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 13 – Playboy am Sonntag; ZUM-RD 2020, 637 Rn. 15, jeweils mwN).
44
cc) Es ist zudem mit der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vereinbar, die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Handlung am 18. August 2015 noch in Kraft war.
45
(1) Der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG ist eröffnet, weil die Verwendung des den Kläger zeigenden Fotos im streitgegenständlichen Facebook-Posting der Beklagten eine automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten des Klägers gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2019 – C-345/17, GRUR 2019, 760 Rn. 29 bis 39 – Buivids). Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie 95/46/EG für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Personenbezogene Daten sind nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person; als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter diesen Begriff (vgl. EuGH, GRUR 2019, 760 Rn. 31 – Buivids, mwN). Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG umfasst jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten; hierzu gehören auch das Speichern, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Website zu stellen, als eine solche Verarbeitung anzusehen (vgl. EuGH, GRUR 2019, 760 Rn. 37 – Buivids, mwN).
46
(2) Gemäß Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig, nämlich (1) einem berechtigten Interesse, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, dem bzw. denen die Daten übermittelt werden, (2) der Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und (3) einem fehlenden Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-40/17, GRUR 2019, 977 Rn. 95 = WRP 2019, 1146 –; Fashion ID). Diese Regelung wird unter anderem durch die §§ 22, 23 KUG in das deutsche Recht umgesetzt, die den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG aF in Bezug auf die öffentliche Verbreitung als spezielleres Gesetz vorgehen (vgl. BAGE 150, 195 Rn. 14 bis 16). Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG vorzunehmende Interessenabwägung genügt den Anforderungen des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG. Nicht anders als bei der Abwägung gemäß Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG sind im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG auf Seiten des Datenverarbeitenden insbesondere die Meinungsfreiheit sowie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 95 und 102 – Recht auf Vergessen II; zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BDSG aF, der ebenfalls der Umsetzung von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG dient, vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 27; Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 51).
47
(3) Die Frage, ob im Streitfall eine Verarbeitung personenbezogener Daten „allein zu journalistischen Zwecken“ im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 95/46/EG vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Gemäß dieser Vorschrift sehen die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von den Kapiteln III, IV und VI der Richtlinie 95/46/EG nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen. Eine gesonderte Regelung für die öffentliche Verbreitung von Bildnissen zu journalistischen Zwecken enthält das Kunsturhebergesetz jedoch nicht, so dass auch in diesen Fällen die §§ 22, 23 KUG anzuwenden sind.
48
b) Das Berufungsgericht hat die Verwendung des Bildnisses des Klägers im konkreten Kontext gemessen am abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG als unzulässig angesehen. Es liege kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Belange überwögen die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers. Zwar möge dieser eine prominente Person sein und es sich um ein nicht unvorteilhaftes Foto nur aus dem Bereich seiner beruflichen Tätigkeit und damit seiner Sozialsphäre handeln. Jedoch seien berechtige Belange der Beklagten nicht, jedenfalls nicht mit Gewicht, in die Abwägung einzustellen. Mit der Bildnisveröffentlichung selbst sei keinerlei beachtenswerter Informationswert mit Blick auf den Kläger verbunden, zumal dessen Antlitz der Öffentlichkeit ohnehin ebenso bekannt gewesen sei wie die aus dem Posting allein ableitbare Mitteilung, dass auch er ein TV-Moderator sei. Ein greifbarer Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sei damit ersichtlich nicht verbunden gewesen, zumal haltlose Spekulationen über eine mögliche Krebserkrankung bezogen auf den Kläger an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und damit allenfalls am äußersten Rand des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG lägen.
49
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass das Posting immerhin auf eine Berichterstattung über den erkrankten anderen Moderator verlinkt gewesen sei. Die Rechtsprechung setze eine redaktionelle Berichterstattung über den konkret Betroffenen im Innenteil oder zumindest eine diesbezügliche Sachaussage durch Bild oder Bildunterschrift auf dem Titelblatt voraus. Daran fehle es mit Blick auf den Kläger. Es könne nicht im Sinne der Beklagten argumentiert werden, die redaktionelle Berichterstattung im Zielartikel enthalte jedenfalls „zwischen den Zeilen“ zugleich die (negative) redaktionelle Berichterstattung über den Kläger, dass immerhin dieser (ebenso wie die beiden anderen abgebildeten Moderatoren) nicht auch an Krebs erkrankt sei und er sich nicht deswegen aus dem Berufsleben zurückziehe. Soweit die Beklagte zudem argumentiere, dass das Facebook-Posting jedenfalls ein redaktionelles „Bilderrätsel“ auch mit Bezug zum Kläger sei, könne dies die Veröffentlichung seines Bildnisses ebenfalls nicht rechtfertigen, da eine solche Deutung fernliegend sei. Der Leser werde nicht angehalten, mittels „Nachdenkens“ die über den Bildern der vier Prominenten angebrachte Textnachricht dem „richtigen“, von der Textnachricht betroffenen Prominenten zuzuordnen.
50
c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Verwendung des Bildnisses des Klägers in dem Facebook-Posting der Beklagten ist nicht gemäß §§ 22, 23 KUG gerechtfertigt.
51
aa) Eine Einwilligung des Klägers gemäß § 22 Satz 1 KUG liegt nicht vor.
52
bb) Der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist allerdings eröffnet. Da auch die Eigenwerbung von Presseorganen dem Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfällt, diente die Verwendung des Fotos des Klägers nicht ausschließlich dem privaten Geschäftsinteresse der Beklagten, sondern mittelbar auch einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die Revision nimmt diese zutreffende Würdigung des Berufungsgerichts als für sie günstig hin.
53
cc) Mit Recht hat das Berufungsgericht im Rahmen der nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmenden Abwägung die Interessen des Klägers höher gewichtet als die der Beklagten.
54
(1) Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt, dass der Kläger eine prominente Person ist und es sich um ein nicht unvorteilhaftes Foto nur aus dem Bereich seiner beruflichen Tätigkeit und damit seiner Sozialsphäre handelt. Der Kläger ist durch die Bildnisnutzung zudem nur im – lediglich einfachrechtlich geschützten – vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Persönlichkeitsrechts und nicht auch in dessen – auch verfassungsrechtlich gewährleisteten – ideellen Bestandteil betroffen (vgl. hierzu auch BGH, GRUR 2011, 647 Rn. 34 und 40 – Markt & Leute).
55
(2) Auf Seiten der Beklagten hat das Berufungsgericht keine berechtigten Belange mit Gewicht in die Abwägung eingestellt und dies unter anderem damit begründet, dass das Posting bezogen auf den Kläger an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und damit allenfalls am äußersten Rand des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG liege. Der hierauf bezogene Einwand der Revision, für den unbefangenen Durchschnittsleser sei offensichtlich, dass die Aussage sich nur auf eine der vier abgebildeten Personen richte, und es bestehe daher nicht die Gefahr, dass dieser voreilige Schlüsse ziehe und die Aussage final einer der Personen zuordne, dringt nicht durch. Die Verwendung des Bildnisses des Klägers hatte für sich genommen keinen Informationswert. Sie diente allenfalls mittelbar dem öffentlichen Informationsinteresse, indem das Bildnis dafür genutzt wurde, Aufmerksamkeit auf den verlinkten Zielartikel zu lenken. Der Kläger selbst war nicht Gegenstand der redaktionellen Berichterstattung und stand mit der Erkrankung des Roger Willemsen auch in keinerlei Zusammenhang. Daran ändert auch der von der Revision hervorgehobene Umstand nichts, dass alle vier abgebildeten Personen die Gemeinsamkeit der Tätigkeit als Moderator verbindet.
56
(3) Bei dieser Sachlage kommt der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten kein überwiegendes Gewicht gegenüber dem vermögensrechtlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Klägers zu. Ohne Erfolg wendet die Revision ein, es sei nicht kommerzieller Selbstzweck, über Klickzahlen Werbeeinnahmen zu generieren, sondern finanziere – insbesondere im Onlinebereich – die journalistische Arbeit. Das trifft zu, vermag aber nicht die beliebige Nutzung des Bildnisses einer prominenten Person für eine Berichterstattung ohne inhaltlichen Zusammenhang zu ihr zu rechtfertigen. Der Kläger muss nicht hinnehmen, dass sein Bildnis – wie im Streitfall – von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt wird, die ihn nicht betreffen. Die Möglichkeit des Gebrauchs der Pressefreiheit wird dadurch nicht – wie von der Revision geltend gemacht – in unerträglichem Maße beschränkt. Es ist kein Grund ersichtlich, ein Presseorgan wegen seiner publizistischen Funktion zu privilegieren, wenn diese – wie im Streitfall – nicht hinreichend betroffen ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 43 – Playboy am Sonntag).
57
3. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Wert der von der Beklagten an den Kläger zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr mit 20.000 € bemessen hat.
58
a) Gegenstand des Bereicherungsanspruchs ist die (unbefugte) kommerzielle Nutzung eines Bildnisses. Da diese nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr zu leisten. Wer das Bildnis eines Dritten unberechtigt für kommerzielle Zwecke nutzt, zeigt damit, dass er dem Vorgang einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Abgebildete bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten; denn der Zahlungsanspruch fingiert nicht eine Zustimmung des Betroffenen, er stellt vielmehr den Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar (vgl. BGHZ 169, 340 Rn. 12 – Rücktritt des Finanzministers; BGH, NJW 2012, 1728 Rn. 24, jeweils mwN).
59
Nicht anders als im Fall einer als Schadensersatz zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr ist deren Höhe auch im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs vom Tatgericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen (vgl. BVerfG, GRUR-RR 2009, 375 Rn. 22). Zu fragen ist, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (zum Schadensersatzanspruch vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 187/17, GRUR 2019, 292 Rn. 18 = WRP 2019, 209 –; Sportwagenfoto). Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen. Dem Tatgericht kommt in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Die tatgerichtliche Schätzung unterliegt zudem nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob das Tatgericht Rechtsgrundsätze der Bemessung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, GRUR 2019, 292 Rn. 24 – Sportwagenfoto).
60
b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat ausgeführt, bei der Bemessung der Lizenzhöhe sei insbesondere der ganz überragende Markt- und Werbewert des Klägers und dessen außergewöhnlich hoher Beliebtheitsgrad berücksichtigt worden. Die von der Beklagten behaupteten wenigen Klicks besagten gerade nicht, wie viele User das Posting (ohne Anklicken) zur Kenntnis genommen hätten; insofern sei von einem ganz erheblichen Nutzerkreis auszugehen. Der Einwand der Beklagten, die gesamte Maßnahme sei nur sehr kurz gelaufen und habe zudem Negativschlagzeilen und einen sogenannten „Shitstorm“ zu ihren Lasten produziert, sei ohne Belang. Nur auf die für den konkreten Beitrag erzielten tatsächlichen oder bei typischer Laufzeit hypothetisch erzielbaren Klicks und die daraus unmittelbar fließenden Einnahmen abzustellen, trage der vorgenommenen Aufmerksamkeitswerbung nicht ausreichend Rechnung. Wesentlich sei vor allem der Bezug zu dem sehr sensiblen Gesundheits- bzw. Krankheitsthema und zu der als möglich in den Raum gestellten Krebserkrankung des Klägers. Unter Beachtung dieser Aspekte erscheine die beantragte Lizenzanalogie von 20.000 € ausreichend und angemessen.
61
c) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
62
aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht einerseits den ganz überragenden Markt- und Werbewert des Klägers und seinen außergewöhnlich hohen Beliebtheitsgrad berücksichtigt (vgl. hierzu BGH, GRUR 2013, 196 Rn. 43 – Playboy am Sonntag). Es hat andererseits zutreffend angenommen, dass bei der hier allein vorliegenden Aufmerksamkeitswerbung im Vergleich etwa zu einer unzulässigen Testimonial-Werbung mit einem Prominenten eine der eher schwächeren Werbeformen vorliegt.
63
bb) Die Revision greift vergeblich an, dass das Berufungsgericht von einem ganz erheblichen Nutzerkreis ausgegangen ist. Sie rügt insofern, es sei nicht ersichtlich, worauf das Berufungsgericht diese Annahme stütze, da es keine Feststellungen zu der Verbreitung des Facebook-Auftritts wie etwa zu der Anzahl der Follower getroffen habe. Hiermit kann die Revision jedoch nicht gehört werden, da die tatbestandliche Feststellung des Berufungsgerichts, es gehe von einem ganz erheblichen Nutzerkreis aus, für das Revisionsverfahren bindend ist, nachdem die Beklagte insoweit keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO gestellt hat.
64
(1) Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Nach § 314 Satz 1 ZPO liefert dabei der Tatbestand – vorbehaltlich abweichender Angaben im Sitzungsprotokoll (§ 314 Satz 2 ZPO) – Beweis für das mündliche Vorbringen einer Partei. Zum Tatbestand in diesem Sinne gehören auch tatsächliche Feststellungen, die sich in den Entscheidungsgründen finden (BGH, Urteil vom 16. Mai 2019 – III ZR 176/18, WM 2019, 1203 Rn. 17 mwN). Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO kommt zur Korrektur tatbestandlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht. Wird keine Tatbestandsberichtigung beantragt, kann die behauptete Unrichtigkeit des Tatbestands im Revisionsverfahren nicht im Rahmen von § 559 Abs. 1 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – I ZR 161/08, GRUR 2011, 459 Rn. 12 = WRP 2011, 467 –; Satan der Rache; Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15, GRUR 2019, 813 Rn. 111 = WRP 2019, 1013 –; Cordoba II; BGH, WM 2019, 1203 Rn. 17 mwN).
65
(2) So verhält es sich im Streitfall. Die von der Revision beanstandete Feststellung eines ganz erheblichen Nutzerkreises gehört zum Tatbestand des Berufungsurteils. Angaben im Sitzungsprotokoll, die diese Feststellung entkräften, sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Außerdem behauptet die Revision nicht, dass die in Rede stehende Feststellung des Berufungsgerichts – etwa auf Grund einer tatsächlich nur geringen Followerzahl – unrichtig sei und die Entscheidung somit auf einer fehlerhaften Feststellung beruhe (§ 545 Abs. 1 ZPO). Soweit sie den vorinstanzlich gehaltenen Vortrag zu lediglich 6.650 Klicks wiederholt, betrifft dieser nicht die Anzahl der Personen, die das streitgegenständliche Facebook-Posting zur Kenntnis genommen haben, sondern nur die Anzahl der Personen, die dem im Facebook-Posting enthaltenen Link gefolgt sind.
66
cc) Mit Recht und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht es für unerheblich gehalten, dass das Facebook-Posting Negativschlagzeilen und einen „Shitstorm“ zu Lasten der Beklagten produziert hat, da insbesondere nicht gesichert ist, dass diese Negativschlagzeilen der Beklagten geschadet und nicht zumindest zur allgemeinen Steigerung des Bekanntheitsgrads des Medienprodukts der Beklagten beigetragen haben.
67
dd) Die Revision rügt vergeblich, dass das Berufungsgericht dem sensiblen Gesundheits- bzw. Krankheitsthema wesentliche Bedeutung beigemessen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist dies weder sachfremd noch der Lizenzanalogie wesensfremd. Zum einen kommt es für die Bemessung des Bereicherungsausgleichs nicht darauf an, ob der Abgebildete überhaupt bereit gewesen wäre, die Verwendung seines Bildnisses gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten (vgl. BGHZ 169, 340 Rn. 12 – Rücktritt des Finanzministers). Zum anderen hat das Berufungsgericht in nachvollziehbarer Weise darauf abgestellt, dass vernünftig handelnde Vertragspartner bei einem solchen fragwürdigen „Spiel mit der Krebserkrankung“ eines Prominenten eine höhere Lizenzzahlung vereinbart hätten als bei einer Aufmerksamkeitswerbung in einem gänzlich unverfänglichen oder gar positiv behafteten Kontext. Soweit die Revision meint, es liege fern, dass vernünftige Vertragsparteien das Thema Krebserkrankung monetarisierten, versucht sie lediglich, die Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen.
68
ee) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Berufungsgericht sich bei der Bemessung der fiktiven Lizenzgebühr an den Ausgang des Verfahrens angelehnt hat, das der Senatsentscheidung „Wer wird Millionär?“ (BGH, GRUR 2009, 1085) zugrunde lag. Das Oberlandesgericht Hamburg hat dem Kläger dort mit Urteil vom 22. Dezember 2009 – 7 U 90/06 – eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 20.000 € zugesprochen. Die Revision rügt vergeblich, es sei nicht ersichtlich, inwiefern der vorliegende Fall mit dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar sein solle, da der streitgegenständliche Facebook-Beitrag weit hinter der dortigen Art der Nutzung zurückbleibe. Mit diesen Erwägungen versucht die Revision wiederum nur, ihre eigene Beurteilung in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Dieses hat durchaus erkannt, dass im dortigen Fall jedenfalls auch die Kompetenz und Popularität des Klägers auf das Rätselheft übertragen wurden, im Streitfall demgegenüber nur eine Aufmerksamkeitswerbung vorliegt. Im Rahmen seiner tatgerichtlichen Würdigung hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dieser Unterschied werde durch den Bezug zu dem sehr sensiblen Gesundheits- bzw. Krankheitsthema aufgewogen und der Aufmerksamkeitswert des Klägers nicht dadurch gemindert, dass er nicht alleine, sondern mit drei anderen Moderatoren abgebildet worden sei. Das Berufungsgericht hat dabei mit Recht darauf abgestellt, dass gerade die Zusammenstellung von vier prominenten Moderatoren auf engerem Raum das Funktionieren des „Klickköders“ ausmache und der besonders beliebte Kläger daran einen nicht unwesentlichen Anteil habe.
69
ff) Ohne Erfolg greift die Revision schließlich an, dass das Berufungsgericht dem unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten nicht gefolgt ist, bei Onlinevermarktungsmethoden werde üblicherweise eine Abhängigkeit des Entgelts von den mit der jeweiligen Maßnahme erzielten Klicks vereinbart und im Streitfall wären – selbst bei unterstellt „normaler“ Laufzeit des Postings in den sozialen Medien – keine nennenswerten Einnahmen generiert worden (maximal 300 €, die durch vier Bilder zu teilen wären). Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, ein für unzählige User in den sozialen Medien sichtbares Posting wie das streitgegenständliche trage immer (zumindest auch) zur Steigerung des allgemeinen Bekanntheitsgrades der Beklagten und ihres Medienprodukts bei und es sei deshalb nicht auf die Klicks und die daraus unmittelbar fließenden Einnahmen abzustellen. Mit ihrer Rüge, es liege fern, dass die Parteien bei einem erwarteten Ertrag durch Werbung in Höhe von etwa 300 € eine Lizenzgebühr in Höhe von 20.000 € vereinbart hätten, möchte die Revision erneut nur die tatgerichtliche Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre abweichende eigene ersetzen.
70
III. Ob dem Kläger daneben auch – wie das Berufungsgericht angenommen hat – ein Verschulden voraussetzender Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG zusteht, bedarf keiner Entscheidung. Seine Höhe wäre nicht anders als die des bereicherungsrechtlichen Anspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB zu bemessen.
71
C. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 –; Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
72
D. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
- Koch
- Schaffert
- Löffler
- Schwonke
- Odörfer