(Keine Ausnahme von § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG bei nachträglich festgestellter vGA) (Beschluss des BFH 1. Senat)

BFH 1. Senat, Beschluss vom 19.01.2021, AZ I B 3/20, ECLI:DE:BFH:2021:B.190121.IB3.20.0

§ 27 Abs 3 KStG 2002, § 27 Abs 5 S 1 KStG 2002, § 27 Abs 5 S 2 KStG 2002, § 27 Abs 5 S 3 KStG 2002, KStG VZ 2012

Leitsatz

NV: Die gesetzliche Fiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, der zufolge bei einer unterbliebenen Erteilung einer Steuerbescheinigung i.S. von § 27 Abs. 3 KStG ein Betrag der Einlagenrückgewähr von null € als bescheinigt gilt, wirkt auch dann, wenn nachträglich im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung eine vGA festgestellt wird, die bei Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG aus dem Einlagekonto zu finanzieren wäre. Auch kommt in diesem Fall keine Ausnahme von § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG in Betracht, wonach in den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG eine Berichtigung oder erstmalige Feststellung von Steuerbescheinigungen i.S. von § 27 Abs. 3 KStG nicht zulässig ist.

Verfahrensgang

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 4. Dezember 2019, Az: 10 K 214/18, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 04.12.2019 – 10 K 214/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Gesellschafterin eine kommunale Gebietskörperschaft ist.

2

Nach einer im Jahr 2015 durchgeführten Außenprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) zu der Auffassung, dem im Jahr 2012 (Streitjahr) von der Klägerin erzielten Gewinn sei unter dem Gesichtspunkt der Hinnahme von Verlusten aus dauerdefizitärer Tätigkeit eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von … € hinzuzurechnen. Der auf dieser Grundlage ergangene Körperschaftsteuerbescheid 2012 ist nach erfolgloser Klage (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts –FG– vom 19.09.2018 – 10 K 267/16) und erfolgloser Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Senatsbeschluss vom 11.02.2019 – I B 66/18) bestandskräftig geworden.

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Das steuerliche Einlagekonto der Klägerin auf den 31.12.2012 stellte das FA zunächst (erklärungsgemäß) mit Bescheid vom 04.03.2014 gesondert mit … € fest. Nach der Außenprüfung änderte das FA den Feststellungsbescheid unter dem 14.09.2015 und stellte das steuerliche Einlagekonto mit … € fest. Im Einspruchsverfahren gegen jenen Änderungsbescheid legte die Klägerin –mit Blick auf die von der Außenprüfung festgestellte vGA– vorsorglich eine korrigierte Steuerbescheinigung über Leistungen aus dem steuerlichen Kapitalkonto in Höhe von … € vor und beantragte, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos entsprechend der bescheinigten Verwendung zu ändern.

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Das FA lehnte die Änderung unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) ab. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, im Falle einer nachträglich festgestellten vGA müsse eine Korrektur der Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG ausnahmsweise –entgegen § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG– möglich sein, da andernfalls die vGA auch bei einem hohen Stand des Einlagekontos niemals zu einer Einlagenrückgewähr führen könne. Ihre Klage blieb indessen ohne Erfolg; das Niedersächsische FG hat sie mit Urteil vom 04.12.2019 – 10 K 214/18 als unbegründet abgewiesen.

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Mit ihrer Beschwerde beantragt die Klägerin, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen und stützt dies auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –;FGO–).

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Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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1. Die Klägerin hebt als in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung hervor:

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„a) Gilt die gesetzliche Fiktion nach § 27 Abs. 5 S. 2 KStG, wonach bei einer unterbliebenen Erteilung einer Steuerbescheinigung im Sinne von § 27 Abs. 3 KStG ein Betrag der Einlagenrückgewähr von 0 Euro als bescheinigt gilt, auch dann, wenn nachträglich durch eine steuerliche Außenprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt wird, die bei Anwendung von § 27 Abs. 1 S. 3 KStG aus dem steuerlichen Einlagekonto zu finanzieren wäre?

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b) Ist auch dann, wenn nachträglich durch eine steuerliche Außenprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung festgestellt wird, die bei Anwendung von § 27 Abs. 1 S. 3 KStG aus dem steuerlichen Einlagekonto zu finanzieren wäre, eine Korrektur oder erstmalige Erteilung einer Steuerbescheinigung im Sinne von § 27 Abs. 3 KStG ausnahmsweise entgegen der gesetzlichen Regelung des § 27 Abs. 5 S. 3 KStG doch zulässig?“

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2. Beide Fragen sind nicht klärungsbedürftig. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a., wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 20.06.2011 – I B 108/10, BFH/NV 2011, 1924, und vom 27.02.2018 – I B 37/17, BFH/NV 2018, 841, jeweils m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und der dazu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind beide Fragen eindeutig zu beantworten.

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a) Erbringt eine Kapitalgesellschaft für eigene Rechnung Leistungen, die nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG als Abgang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, so ist sie verpflichtet, ihren Anteilseignern eine Bescheinigung mit bestimmten Angaben zu erteilen (§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG). Ist für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des steuerlichen Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert (§ 27 Abs. 5 Satz 1 KStG). Ist für die Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung i.S. des Abs. 3 nicht erteilt worden, so gilt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG der Betrag der Einlagenrückgewähr mit null € bescheinigt. In beiden genannten Fällen („Zu-Niedrig-Bescheinigung“ und „fingierte Null €-Bescheinigung“) ist eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung von Steuerbescheinigungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG nicht zulässig.

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b) Der Senat hat wiederholt entschieden, dass angesichts des eindeutigen Normwortlauts von dieser Rechtsfolge nicht im Wege der teleologischen Reduktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG abgesehen werden kann. Denn mit der Neufassung des § 27 Abs. 5 KStG hat der Gesetzgeber eindeutig seinen Willen zu erkennen gegeben, dass die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitig oder gar nicht erteilten Steuerbescheinigung die materiell-rechtliche Berechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG überlagern sollen (Senatsurteil vom 11.02.2015 – I R 3/14, BFHE 249, 448, BStBl II 2015, 816; Senatsbeschluss vom 11.07.2018 – I R 30/16, BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283).

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c) Für den streitgegenständlichen Fall einer durch die Außenprüfung nachträglich festgestellten vGA gilt nichts Abweichendes (ebenso Urteil des Sächsischen FG vom 08.06.2016 – 2 K 1860/15, Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 156).

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Aus dem Umstand, dass der Senat in seinem Beschluss in BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283, der den Fall der unterbliebenen Bescheinigung einer „offenen“ Ausschüttung betraf, die durch die Anwendung des § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG ausgelösten Rechtsfolgen als für Gesellschaft und Anteilseigner „zumutbar“ bezeichnet hat, weil von der ausschüttenden Körperschaft regelmäßig verlangt werden könne, sich spätestens anlässlich der Erstellung der Feststellungserklärung nach § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG mit dem Umfang ihrer Bescheinigungspflicht nach § 27 Abs. 3 und 4 KStG zu befassen, ist nicht abzuleiten, dass die Anwendung der Rechtsfolgen des § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG unter dem Vorbehalt einer einzelfallbezogenen Zumutbarkeitsprüfung steht. Die Zumutbarkeit der Anwendung dieser Rechtsfolgen auch auf den Fall der vGA ergibt sich allgemein daraus, dass –wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat– die Voraussetzungen einer vGA für die Gesellschaft grundsätzlich subsumierbar sind und die vGA in deren Verantwortungsbereich fällt. Eine Differenzierung nach dem Grad der Erkennbarkeit der vGA im jeweiligen Einzelfall liefe dem mit der Verwendungsfestschreibung (und der damit verbundenen Präklusion) nach § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG verfolgten Zweck zuwider, zeitnah rechtssichere Verhältnisse über den maßgeblichen Bestand des steuerlichen Einlagekontos für die Steuerverwaltung und den Kreis der Bescheinigungsadressaten zu schaffen (s. dazu Senatsurteil in BFHE 249, 448, BStBl II 2015, 816).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.