Mietshaus

Beschluss des BSG 13. Senat vom 13.01.2021, AZ B 13 R 149/19 B

BSG 13. Senat, Beschluss vom 13.01.2021, AZ B 13 R 149/19 B, ECLI:DE:BSG:2021:130121BB13R14919B0

Verfahrensgang

vorgehend SG Mannheim, 30. März 2017, Az: S 18 R 583/16, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 16.5.2019 den vom Kläger behaupteten Anspruch auf Erstattung der Kosten zweier Hörgeräte, die dieser sich während des erstinstanzlichen Verfahrens selbst beschafft hatte, verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 13.8.2019 begründet hat.

II

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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in jeder Hinsicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.

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Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll
(stRspr; vgl zuletzt etwa BSG Beschluss vom 22.9.2020 – B 13 R 229/19 B – juris RdNr 3 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 – 1 BvR 1411/91 – SozR 3-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 13.8.2019 nicht unter jedem Gesichtspunkt gerecht.

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Der Kläger bringt vor, das LSG habe zur Begründung der Berufungsentscheidung ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch könne sich einzig aus § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX ergeben. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch setze, da vorliegend keine unaufschiebbare Leistung betroffen sei, eine unrechtmäßige Leistungsablehnung durch den beklagten Rentenversicherungsträger voraus. Hieran fehle es. Da der Kläger im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch die Versorgung mit Hörgeräten eines anderen Modells eines anderen Herstellers begehrt habe, würden sich die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen des beklagten Rentenversicherungsträgers auch nur hierauf beziehen. Dass ein Kostenerstattungsanspruch von vornherein ausscheide, wenn ein Versicherter sich eine Leistung selbst beschaffe, ohne zuvor den Leistungsträger einzuschalten und dessen Entscheidung abzuwarten, habe das BSG bereits bezogen auf § 13 Abs 3 SGB V für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden
(Hinweis auf BSG Urteil vom 20.5.2003 – B 1 KR 9/03 R – SozR 4-2500 § 13 Nr 1 RdNr 17). Diese Rechtsprechung sei, so das LSG, auf § 18 Abs 6 Satz 1 SGB IX zu übertragen, auch in Bezug auf das Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung.

6

Der Kläger formuliert die Rechtsfrage,

„ob die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines in § 13 Absatz 3 Satz 1 SGB V geregelten Kostenerstattungsanspruches mit seinen spezifisch krankenversicherungsrechtlichen Bezügen auf den Erstattungsanspruch nach § 18 Absatz 6 Satz 1 SGB IX und seinen im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben erzeugten Wirkungen übertragbar ist oder unter spezifisch teilhabebezogenen Gesichtspunkten zu modifizieren ist.“

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Er versäumt es aber jedenfalls, die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage in der gebotenen Weise darzulegen. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben
(vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 – 13 BJ 207/92 – SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 8.2.2017 – B 13 R 294/16 B – juris RdNr 4). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei
(Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es vorliegend.

8

Das BSG hat bereits eine Vielzahl von Entscheidungen zu Kostenerstattungsansprüchen im Zusammenhang mit Leistungen zur Rehabilitation getroffen. Bezogen auf § 15 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung (im Folgenden: aF), der als Vorgängervorschrift zu § 18 SGB IX die Erstattung selbst beschaffter Leistungen regelte, hat der erkennende Senat zwar ausdrücklich offengelassen, ob diese Vorschrift im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung möglicherweise keine unmittelbare Anwendung finde
(BSG Urteil vom 21.8.2008 – B 13 R 33/07 R – BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 21). Zugleich hat er aber entschieden, dass die dann vorliegende Regelungslücke sachgerecht durch Heranziehung des § 13 Abs 3 SGB V zu schließen sei, sodass – unter der bis zum 31.12.2017 geltenden Rechtslage – über dessen Satz 2 auch § 15 SGB IX aF entsprechend anzuwenden sei
(BSG Urteil vom 21.8.2008 – B 13 R 33/07 R – BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 22). Inzwischen verweist § 13 Abs 3 Satz 2 SGB IX auf § 18 SGB IX. Der 5. Senat des BSG hält § 15 SGB IX aF sogar für unmittelbar anwendbar im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
(BSG Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R – SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Nach übereinstimmender Ansicht beider für das Rentenversicherungsrecht zuständigen Senate des BSG müssen auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung die besonderen Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs erfüllt sein, die bis zum 31.12.2017 in § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX aF geregelt waren, nämlich die nicht rechtzeitige Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung oder die unrechtmäßige Ablehnung einer Leistung durch den Leistungsträger
(vgl BSG Urteil vom 21.8.2008 – B 13 R 33/07 R – BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R – SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 22).

9

Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen näher darzulegen, dass und warum nach seinem Dafürhalten die vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 15 SGB IX aF die aufgeworfene Rechtsfrage nicht beantworten oder sich zumindest nicht auf die Rechtslage unter Geltung des § 18 SGB IX übertragen lassen. Dem wird sein Vorbringen, die aufgeworfene Rechtsfrage sei vom BSG respektive vom erkennenden Senat soweit ersichtlich noch nicht entschieden worden, nicht gerecht.

10

Soweit der Kläger es für geboten hält, in Fallkonstellationen wie der vorliegenden das Interesse der Versicherten an einer zeitnahen Entscheidung über ihre Hörgeräteversorgung stärker zu berücksichtigen, und erwägt, ob die abgelehnte Versorgung mit Hörgeräten eines bestimmten Modells nicht eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich etwaiger vergleichbarer Nachfolgemodelle umfasse, wendet er sich letztlich gegen die Richtigkeit der Berufungsentscheidung. Dass ein Beteiligter die angegriffene Entscheidung für inhaltlich falsch hält, kann indes nicht zur Revisionszulassung führen
(stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 25.7.2011 – B 12 KR 114/10 B – SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.4.2020 – B 13 R 44/19 B – juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 – 1 BvR 96/10 – SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

11

In diesem Zusammenhang erwähnt der Kläger § 96 SGG und die Einbeziehung „anderer Hörsysteme“ in „das – bisherige – Antragsverfahren“. Sollte er damit sinngemäß die Frage aufwerfen wollen, ob mit einem Verwaltungsakt, mit dem die Versorgung mit Hörgeräten eines bestimmten Modells abgelehnt wird, jedenfalls dann auch die Versorgung mit entsprechenden Hörgerätesystemen abgelehnt wird, wenn und sobald das ursprünglich begehrte Modell vom Hersteller nicht länger auf dem Markt angeboten wird, hätte er jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der unterstellten Rechtsfrage nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Hierzu trägt er nichts vor.

12

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen
(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

13

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.