BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 17.12.2020, AZ III ZR 45/19, ECLI:DE:BGH:2020:171220UIIIZR45.19.0
Leitsatz
Ist bereits rechtskräftig festgestellt worden, dass dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung uneingeschränkt zusteht, kann eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht nur noch aufgrund von Tatsachen angenommen werden, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung über die Feststellungsklage entstanden sind (Fortführung von BGH, Urteil vom 14. Juni 1988 – VI ZR 279/87, NJW 1989, 105).
Verfahrensgang
vorgehend OLG Celle, 7. März 2019, Az: 16 U 98/12
vorgehend LG Stade, 4. Juli 2012, Az: 5 O 227/08
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Schlussurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. März 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt aus Amtshaftung wegen rechtswidriger Versagung einer Baugenehmigung auf Schadensersatz in Anspruch. In Streit steht nur noch die Höhe der Ersatzpflicht seit dem 1. Januar 2011.
2
Die Klägerin beabsichtigte die Errichtung und Verpachtung eines Altenpflegeheims auf einem von ihr erworbenen Grundstück. 2001 verpachtete sie das geplante Heim mit 74 Pflegeplätzen ab dem Tag der Übergabe des fertiggestellten Gebäudes für mindestens zwanzig Jahre an die K & S GmbH & Co. KG (im Folgenden: K & S). Der Pachtvertrag enthielt eine Wertsicherungsklausel, nach der sich der vereinbarte Pachtzins unter bestimmten Voraussetzungen in Abhängigkeit von der künftigen Entwicklung des Verbraucherpreisindex verändern sollte. Im Februar 2002 beantragte die Klägerin die Baugenehmigung. Nachdem die Beklagte angekündigt hatte, diese nicht zu erteilen, kündigte die K & S den Pachtvertrag im November 2002. Mit Bescheid vom 30. April 2004 versagte die Beklagte die Baugenehmigung. Durch im Mai 2007 rechtskräftig gewordenes verwaltungsgerichtliches Urteil wurde der Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur – auch nachfolgend nicht vorgenommenen – Erteilung der Genehmigung verpflichtet.
3
2007 verhandelte die Klägerin über die Verpachtung des Heims mit der HMC – H. -M. -C. GmbH (im Folgenden: HMC), die sich schon von Anfang an für das Projekt interessiert hatte. Diese nahm im Februar 2008 von dem Vorhaben Abstand, nachdem der Bauantrag für ein – noch im selben Jahr errichtetes und in Betrieb genommenes – Altenpflegeheim mit 120 Plätzen der Konkurrentin K. GmbH (im Folgenden: K. ) auf dem Gebiet der Beklagten genehmigt worden war. Am 1. September 2015 veräußerte die Klägerin das unbebaute Grundstück.
4
Die zur Prozessführung ermächtigte Klägerin begehrt Ersatz des ihr entgangenen Pachtgewinns durch Zahlung an die darlehensgebende Sparkasse als Zessionarin des Klageanspruchs, wobei sie eine Fertigstellung des Heims 2005 mit anschließender fünfzigjähriger Nutzungsdauer bis 2055 zugrunde legt.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 19. November 2009 die Klage auf Ersatz des bis zur Berufungsverhandlung am 29. Oktober 2009 entgangenen Gewinns dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit insoweit wegen der Höhe des Zahlungsanspruchs an die Vorinstanz zurückverwiesen. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch den der Klägerin nach dem 29. Oktober 2009 bis zum 31. Dezember 2055 durch die Versagung der Baugenehmigung entgangenen Gewinn zu ersetzen.
6
Nach nochmaliger erstinstanzlicher Klageabweisung hat das Oberlandesgericht auf die erneute klägerische Berufung nach Vernehmung des Geschäftsführers der HMC, des Zeugen P. , und Einholung eines Sachverständigengutachtens durch rechtskräftiges Teilurteil vom 23. April 2015 über den bis zum 31. Dezember 2010 entgangenen Gewinn abschließend entschieden und der Klägerin für diesen Zeitraum – unter Zurückweisung der diesbezüglichen weitergehenden Berufung und Teilabweisung der Klage – 114.401 € nebst Zinsen zugesprochen. Dabei hat es im Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellt, dass sie bei pflichtgemäßer Erteilung der Baugenehmigung das fertiggestellte Heim ab 2005 zu den Bedingungen des Vertrags mit der K & S gewinnbringend an die HMC hätte verpachten können.
7
Mit Schlussurteil vom 7. März 2019 hat das Berufungsgericht die nach dem Teilurteil noch verbliebene Berufung, mit der die Klägerin nunmehr auch den Ausgleich der Differenz zwischen dem zum 31. Dezember 2006 bilanzierten Wert und dem – niedrigeren – Verkaufspreis des Grundstücks verlangt, unter Abweisung der diesbezüglichen weitergehenden Klage zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre vom Senat zugelassene Revision.
Entscheidungsgründe
8
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
9
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der verbliebene Klageanspruch wegen Verstoßes der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ab dem 1. Januar 2011 vollständig entfallen.
10
Dem stehe das Urteil vom 19. November 2009 nicht entgegen. Denn über ein im Grundverfahren nicht berücksichtigtes etwaiges Mitverschulden könne im Betragsverfahren jedenfalls dann entschieden werden, wenn es sich – wie hier – erst aus zeitlich nach der Entstehung des Anspruchs liegenden Umständen ergebe und nur auf dessen Höhe auswirke. Auch folge aus der im Teilurteil vom 23. April 2015 enthaltenen Feststellung, dass die Klägerin nach Erhalt der Baugenehmigung im April 2004 einen neuen Pachtvertrag zu gleichen Bedingungen hätte abschließen können, keine Ersatzpflicht in Bezug auf den bis 2025 entgangenen Gewinn, da in den Urteilsgründen auf die Erforderlichkeit der Prüfung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht ab dem 1. Januar 2011 hingewiesen worden sei.
11
Ein solcher Verstoß liege vor. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Mitverschulden trage zwar grundsätzlich der Schädiger. Jedoch könne die materiell-rechtliche Obliegenheit zur Schadensbegrenzung dazu führen, dass der Geschädigte nach Treu und Glauben darlegen müsse, was er zur Schadensminderung unternommen oder aus welchen Gründen er es unterlassen habe, etwas zu unternehmen. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn es um in seiner Sphäre liegende Umstände gehe, in die der Schädiger keinen Einblick habe. Im Hinblick darauf hätte die Klägerin – was sie auch auf gerichtlichen Hinweis nicht getan habe – vortragen müssen, aus welchen Gründen sie das Grundstück im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zur Veräußerung weder für das geplante Heim noch anders wirtschaftlich habe nutzen können. Ernsthafte Bemühungen, nach der Absage der HMC einen Pächter zu finden, seien ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, wobei ihr eine Neuorientierungsphase, gegebenenfalls auch in Bezug auf eine andere Grundstücksnutzung, nur bis Ende 2010 zuzugestehen sei. Zum Bedarf an Pflegeplätzen auf dem Gebiet der Beklagten habe die Klägerin zunächst nicht vorgetragen; mit diesbezüglichem neuen Vorbringen in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 14. November 2019 sei sie ausgeschlossen. Nach der Errichtung des K. -Heims 2008 habe nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvortrag noch ein Bedarf von 99 Pflegeplätzen und 2010 nach den Angaben des Zeugen P. weiterhin ein Bedarf von 59 Pflegeplätzen bestanden, wobei nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Heim ab einer Größe von 60 Pflegeplätzen wirtschaftlich betrieben werden könne. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass die ursprüngliche Planung infolge einer veränderten Bedarfslage unwirtschaftlich geworden sei. Anders als die Klägerin meine, wäre ihr eine Weiterverfolgung des Vorhabens auch zumutbar gewesen. Schließlich habe sie nicht substantiiert dargelegt, dass ihr die für eine Nutzung des Grundstücks erforderlichen Finanzmittel nicht zur Verfügung gestanden hätten. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass die für die Errichtung des geplanten Heims bewilligten Darlehen erschöpft gewesen seien oder eine – von der Beklagten bestrittene – Zahlungsunfähigkeit der Klägerin vorgelegen habe.
II.
12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
13
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin an der Schadensentwicklung seit dem 1. Januar 2011 angenommen.
14
a) Dabei hat es schon die Reichweite der Bindungswirkung seines Urteils vom 19. November 2009 verkannt.
15
aa) Das Urteil vom 19. November 2009 ist ein Grundurteil nur in Bezug auf den bis zur damaligen Berufungsverhandlung am 29. Oktober 2009 entgangenen Gewinn, über den abschließend mit Teilurteil vom 23. April 2015 entschieden worden ist. Bezüglich der Pflicht zum Ersatz auch des nach dem 29. Oktober 2009 entgangenen Gewinns ist es hingegen ein positives Feststellungsurteil. Dies ergibt sich aus dem Tenor und den Gründen des Urteils, ausweislich derer das Berufungsgericht die erhobene Zahlungsklage betreffend den zukünftigen entgangenen Gewinn für nicht entscheidungsreif gehalten, in dieser aber zugleich eine hilfsweise erhobene begründete Feststellungsklage gesehen hat. Ob möglicherweise im Streitfall ein Feststellungsurteil, dessen Rechtskraft nach § 322 ZPO weiterreicht als die aus § 318 ZPO folgende Bindungswirkung eines Zwischenurteils über den Anspruchsgrund, ohne vorherige Klärung eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin nicht hätte ergehen dürfen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Mai 1997 – VI ZR 145/96, NJW 1997, 3176, 3177; vom 10. Juli 2003 – IX ZR 5/00, NJW 2003, 2986 und vom 26. September 2006 – VI ZR 124/05, NJW 2007, 64, 66 Rn. 10 und 12), kann dahinstehen, da das Urteil vom 19. November 2009 insgesamt rechtskräftig ist.
16
bb) Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien, aus dem sich Ersatzansprüche ergeben, falls künftig ein Schaden eintritt (vgl. Becker-Eberhard in MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 256 Rn. 32), führt dazu, dass Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, die schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (vgl. RGZ 144, 220, 222; BGH, Urteile vom 20. November 1961 – VIII ZR 160/60, BeckRS 1961, 31188200; vom 15. Juni 1982 – VI ZR 179/80, NJW 1982, 2257; vom 14. Juni 1988 – VI ZR 279/87, NJW 1989, 105; vom 28. Juni 2005 – VI ZR 108/04, NJW-RR 2005, 1517 und vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200, 350, 353 Rn. 27). Damit ist grundsätzlich auch die Geltendmachung eines Mitverschuldens im späteren Verfahren über die Schadenshöhe ausgeschlossen. Anders als bei einem Grundurteil hätte diese Einwendung – unabhängig davon, ob die Mitverschuldensfrage tatsächlich im Prozess erörtert worden ist – bereits im Feststellungsurteil Berücksichtigung finden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 1982, aaO; vom 14. Juni 1988, aaO und vom 28. Juni 2005, aaO). Die sinngemäß geäußerte Auffassung der Vorinstanz, für den Mitverschuldenseinwand gelte etwas Anderes, da er sich nur (mindernd) auf die Anspruchshöhe auswirke, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich zurückgewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1988, aaO). Daran ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, in dem auch ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin, das die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Vermögensschaden betrifft, von Anfang an streitgegenständlich gewesen und von der Rechtskraft des Feststellungsurteils vom 19. November 2009 erfasst worden ist. Denn damit ist über das – ursprünglich als beziffertes Leistungsbegehren formulierte – Verlangen der Klägerin nach vollem Ersatz des ihr durch die Versagung der Baugenehmigung künftig entgehenden Gewinns umfassend entschieden (und ihm uneingeschränkt stattgegeben) worden. Im Hinblick darauf durfte das Berufungsgericht in seinem nunmehr mit der Revision angefochtenen Schlussurteil den Vorwurf der Verletzung der Schadensminderungspflicht allenfalls noch insoweit erwägen, als er sich (allein) auf Tatsachen gründet, die erst nach der letzten mündlichen Verhandlung über die Feststellungsklage entstanden sind.
17
cc) Dementsprechend unrichtig ist die Annahme des Berufungsgerichts, alle – also auch schon vor diesem Zeitpunkt entstandene – Mitverschuldensumstände berücksichtigen zu dürfen, die „sich zeitlich nach dem die Haftung der Beklagten begründenden Moment ereignet haben“. Dieser Rechtsfehler ist entscheidungserheblich.
18
Zwar hat das Berufungsgericht für seine konkrete Einschätzung, die Klägerin treffe ein anspruchsausschließendes Mitverschulden, ausdrücklich auf einen erst nach der Berufungsverhandlung vom 29. Oktober 2009 entstandenen Umstand abgestellt – nämlich darauf, dass sie nach dem Ablauf einer ihr nach dem Abbruch der Pachtverhandlungen durch die HMC zuzugestehenden Neuorientierungsphase am 31. Dezember 2010 keine erkennbaren Bemühungen mehr unternommen habe, das Grundstück in der ursprünglich geplanten oder einer anderen Weise wirtschaftlich zu nutzen. Damit widerspricht es aber nur vordergründig nicht dem rechtskräftigen Feststellungsurteil vom 19. November 2009. Vielmehr hat das Gericht seinen Vorwurf der Untätigkeit der Klägerin nach 2010 faktisch (auch) auf schon zuvor entstandene Tatsachen gestützt – beziehungsweise in sein Schlussurteil Erwägungen einfließen lassen, die sich auf eine später noch fortwirkende Untätigkeit der Klägerin im Zeitraum zwischen dem rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsprozesses und dem 29. Oktober 2009 beziehen. Diese hätten jedoch schon vor Erlass des Feststellungsurteils berücksichtigt werden können.
19
So sind namentlich die Urteilsausführungen zur unterbliebenen Durchsetzung des verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils durch die Klägerin insbesondere auch im Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen der Verfallsfrist des § 77 Niedersächsische Bauordnung (NBauO) a.F. (jetzt: § 71 NBauO) wegen der Rechtskraftwirkung des Feststellungsausspruchs unbeachtlich und damit ungeeignet, die Argumentation des Gerichts auch nur ergänzend zu tragen. Schon dies führt dazu, dass das angefochtene Schlussurteil auf einem Rechtsfehler beruht. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung des Mitverschuldensvorwurfs gelangt wäre, wenn es der Klägerin nicht auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011 angelastet hätte, nach rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – und damit schon ab 2007 – untätig geblieben zu sein und die Erteilung einer Baugenehmigung nicht erzwungen zu haben.
20
Weiterhin hat das Berufungsgericht eine Obliegenheit der Klägerin, das geplante Heim doch noch zu errichten und an einen neuen Betreiber zu verpachten, maßgeblich mit dem trotz der Inbetriebnahme des K. -Heims 2008 verbliebenen örtlichen Bedarf an Pflegeplätzen begründet, den die Beklagte für einen nicht näher bezeichneten Zeitpunkt – errechnet auf der Basis der Nachfrage von 2002 – mit 99 und der Zeuge P. für 2010 mit 59 Pflegeplätzen angegeben hat. Aus dieser Bedarfslage hat es unter Verweis auf die im Sachverständigengutachten vom 4. Januar 2014 in Ansatz gebrachte allgemeine Wirtschaftlichkeitsuntergrenze für Altenpflegeeinrichtungen von 60 Pflegeplätzen auf eine weiterhin gegebene Rentabilität des Vorhabens geschlossen. Auch dies steht in Widerspruch zum rechtskräftigen Feststellungsausspruch vom 19. November 2009, der ein Mitverschulden der Klägerin aufgrund von bis zum 29. Oktober 2009 entstandenen Tatsachen ausschließt, und im Übrigen zum Inhalt des Teilurteils vom 23. April 2015. Nach dessen – aufgrund der Aussage des Zeugen P. getroffenen – Feststellungen hatte die HMC die Pachtverhandlungen im Februar 2008 abgebrochen, weil ihr der geplante Heimbetrieb wegen des Markteintritts der K. – eines aus ihrer Sicht zu mächtigen Konkurrenzunternehmens – nicht mehr wirtschaftlich erschienen war, worauf auch die Klägerin das Projekt endgültig aufgegeben hatte.
21
Auch dieser Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Zwar hat das Berufungsgericht hinsichtlich des der Klägerin als anspruchsausschließende Obliegenheitsverletzung gemachten Vorwurfs, das Grundstück nicht einer anderweitigen Nutzung zugeführt zu haben, auf die Zeit ab dem 1. Januar 2011 abgestellt. Aus seiner Begründung ergibt sich jedoch nicht, dass es bei seinen Erwägungen zur Rentabilität eines Alternativprojekts von einem ab dem 29. Oktober 2009 veränderten Bedarf an Pflegeplätzen ausgegangen ist. Das fortgesetzte Absehen von der Errichtung und Neuverpachtung des Heims bei gegenüber dem 29. Oktober 2009 unverändert gebliebener Bedarfslage wird aber nicht allein schon durch bloßen Zeitablauf zu einer Verletzung der Schadensminderungspflicht, die erst bei rückläufiger Entwicklung des Pflegemarkts entfallen würde. Vielmehr wäre – wovon das Teilurteil (S. 18) noch ausdrücklich ausgeht – ein Obliegenheitsverstoß nur anzunehmen, wenn sich der örtliche Pflegemarkt nach dem 29. Oktober 2009 nachhaltig zugunsten der Klägerin verändert hätte. Dies behauptet aber die Beklagte nicht und ist auch nicht ersichtlich, zumal nach ihrem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 23. April 2018 (S. 4, GA X 488) irgendwann nach der Inbetriebnahme des K. -Heims, also zwischen 2008 und 2018, ein weiteres Heim mit 102 Pflegeplätzen auf ihrem Gebiet entstanden ist.
22
b) Die Annahme einer Obliegenheitsverletzung unter Verweis darauf, dass die Klägerin sich auch in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zur Veräußerung des Grundstücks nicht erkennbar um dessen anderweitige wirtschaftliche Nutzung bemüht habe, ist auch im Übrigen von Rechtsfehlern beeinflusst.
23
aa) Die Minderung oder der Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber von einer ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Möglichkeit, den Schaden gering zu halten, keinen Gebrauch macht (st. Rspr. vgl. zB BGH, Urteile vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95, BGHZ 132, 373, 376; vom 30. November 1999 – VI ZR 219/98, BGHZ 143, 189, 194 und vom 23. April 2004 – X ZR 29/00, juris Rn. 15). Damit wird ihm nicht auferlegt, jede objektiv mögliche Maßnahme zu ergreifen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als hätte er den Schaden selbst zu tragen. Was dem Geschädigten insoweit zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, ob eine Maßnahme unter Berücksichtigung seiner besonderen Situation wirtschaftlich vernünftig ist, sondern auch, ob ihm die zu ihrer Ergreifung erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen (vgl. Senat, Urteil vom 26. Mai 1988 – III ZR 42/87, NJW 1989, 290, 291; BGH, Urteile vom 7. Mai 1996; vom 30. November 1999 und vom 23. April 2004, jew. aaO).
24
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es dem Geschädigten allerdings nicht zuzumuten, um der vagen Aussicht willen, den von anderer Seite zu verantwortenden Schaden zu kompensieren, ein mit spekulativen Risiken behaftetes Geschäft einzugehen (BGH, Urteil vom 17. März 2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 18; vom 13. November 2012 – IX ZR 334/11, NJW 2013, 450 Rn. 26 f). Dies hat die Vorinstanz nicht berücksichtigt.
25
Das Berufungsgericht hat der Klägerin vorgehalten, dass sie bei einem – nach den Angaben des Zeugen P. – zuletzt verbliebenen Bedarf von 59 Pflegeplätzen auf die Errichtung und anschließende Verpachtung eines – gegenüber der ursprünglichen Planung mit 70 Pflegeplätzen – verkleinerten Pflegeheims verzichtet hat. Dabei ist es auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass Pflegeheime ab einer Größe von zirka 60 vollstationären Pflegeplätzen wirtschaftlich als eigene Heime betrieben werden können. Soweit das Berufungsgericht daraus die Überzeugung gewonnen hat, hieraus ergebe sich nicht, dass das Projekt überhaupt nicht mehr wirtschaftlich habe betrieben werden können, hat es – abgesehen davon, dass es die Darlegungslast verkannt hat (siehe dazu sogleich unter cc) – nicht die sich aufdrängende Erwägung angestellt, dass die Errichtung eines solchermaßen verkleinerten Heims, zumal in ungünstiger Lage, eine hochriskante, spekulative Investition dargestellt haben könnte. Der verbliebene Bedarf von 59 Pflegeplätzen im Einzugsbereich der beklagten Stadt lag sogar unter der vom Berufungsgericht angenommenen Rentabilitätsgrenze. Selbst wenn diese Grenze geringfügig niedriger anzusetzen sein sollte, stünde die Wirtschaftlichkeit des Betriebs einer verkleinerten Pflegeeinrichtung in Frage und wäre bereits bei einer minimalen Änderung der Rahmenbedingungen gefährdet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Zumutbarkeit einer solchen Investition für die Klägerin zu verneinen gewesen wäre, wenn diese Erwägungen in die Beurteilung des Berufungsgerichts eingeflossen wären.
26
cc) Mit Recht rügt die Revision weiter, die Ausführungen der Vorinstanz zu einem Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit, weil sie eine anderweitige Verwendung des Grundstücks unterlassen habe, beruhten auf der Verkennung der Grundsätze zur Darlegungslast. Für die Tatsachen, die die rechtsvernichtende Einwendung der Verletzung der Schadensminderungspflicht begründen, ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Senat, Urteile vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 260 und vom 11. Januar 2007 – III ZR 116/06, NJW 2007, 1063, 1064, BGH, Urteil vom 26. September 2006 – VI ZR 124/05, NJW 2007, 64, 65 Rn. 8). Dabei darf ihm indes nichts Unmögliches abverlangt werden. Deshalb hat der Geschädigte, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, in die der Schädiger keinen Einblick hat, an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Schadensminderung unternommen oder aus welchen Gründen er es unterlassen hat, etwas zu unternehmen (vgl. zB Senat, Urteil vom 22. Mai 1984 und BGH, Urteil vom 26. September 2006, jew. aaO). Eine solche, im Einzelfall nach Treu und Glauben bestehende sekundäre Darlegungslast wäre im vorliegenden Fall nur insoweit anzunehmen, als die Realisierbarkeit und Zumutbarkeit einer konkreten Maßnahme zur Geringhaltung des Schadens von internen Umständen aus dem Geschäftsbetrieb der Klägerin abhängen würde, von denen die Beklagte weder Kenntnis hat noch haben kann.
27
Diese Grundsätze hat die Vorinstanz zwar im Ausgangspunkt zutreffend gesehen, sie jedoch bei der Würdigung der Einzelfallumstände aus den Augen verloren. Die Beklagte war als Schädigerin darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig für das Bestehen einer konkreten Möglichkeit zur Schadensminderung, deren Ergreifung und Verwirklichung der geschädigten Klägerin zumutbar gewesen wäre. Insbesondere bestand keine sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Klägerin in Bezug auf den vom Gericht für die (weitere) Wirtschaftlichkeit des Vorhabens als maßgeblich erachteten aktuellen Bedarf an Pflegeplätzen auf dem Gebiet der Beklagten, den diese selbst einschätzen kann (und zur Wahrnehmung ihrer kommunalen Aufgaben auch einschätzen muss). Das Gleiche gilt für die Frage, ob ein Pflegeheim mit gegenüber der ursprünglichen Planung der Klägerin reduzierter Kapazität rentabel betrieben werden kann. Die hierfür maßgebenden Umstände liegen nicht allein in der Kenntnissphäre der Klägerin. Indem die Vorinstanz gleichwohl von einer umfassenden, nicht auf konkret benannte Umstände aus der eigenen Sphäre beschränkten Darlegungsverpflichtung der Geschädigten ausgegangen ist, hat sie im Streitfall die Verteilung der Vortrags- und Beweislast in ungerechtfertigter Weise umgekehrt und ist faktisch zu einer non-liquet-Entscheidung mit dem unrichtigen Inhalt gelangt, dass ein Mitverschulden anzunehmen sei, solange es die Klägerin nicht ausgeräumt habe. Besonders deutlich wird dies in der Formulierung des Berufungsgerichts, dass sich aus dem verbleibenden Bedarf von 59 Pflegeplätzen nicht zu seiner Überzeugung ergebe, dass das Projekt überhaupt nicht mehr mit wirtschaftlichem Erfolg realisierbar gewesen sei.
28
dd) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ferner nicht davon auszugehen, dass die Klägerin über die für eine Grundstücksnutzung – auch für eine alternative Bebauung mit einem Bürogebäude – erforderlichen Finanzmittel verfügt hat. Seine Ansicht, die Klägerin habe das Gegenteil nicht substantiiert dargelegt, wobei sich insbesondere keine Erschöpfung der bewilligten Darlehen oder eine Zahlungsunfähigkeit ihrerseits feststellen lasse, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin zumindest in Bezug auf ihre finanziellen Möglichkeiten sekundär darlegungspflichtig gewesen ist. Denn das Gericht hat, was mit der Revision zutreffend gerügt wird, diesbezügliches Vorbringen der Klägerin erkennbar unberücksichtigt gelassen beziehungsweise missverstanden. So hat sie mit Schrift-sätzen vom 28. November 2016 (S. 9 f, GA VIII 134 f) und vom 28. April 2017 (S. 13, GA IX 361) unter Vorlage ihrer Jahresabschlüsse für 2006 bis 2015 (Anlage K 102 und Anlagenkonvolut K 111) vorgetragen, die mit dem gescheiterten Bauvorhaben verbundenen und aus den gewährten Darlehensmitteln beglichenen Kosten, darunter Anschaffungs-, Planungs- und Rechtsverfolgungskosten, hätten zu ihrer nicht nur vorübergehenden Überschuldung – und nicht, wie im Schlussurteil dargelegt, zu ihrer Zahlungsunfähigkeit – geführt. Zu deren Beseitigung sowie zur Deckung der gestiegenen Baukosten habe es einer Nachfinanzierung bedurft, die auch bei einem anderen Kreditinstitut nicht zu erlangen gewesen sei (zur Zumutbarkeit, zum Zweck der Schadensminderung Kredite aufzunehmen, siehe überdies Senat, Urteil vom 26. Mai 1988 – III ZR 42/87, NJW 1989, 290, 291; BGH, Urteile vom 18. Februar 2002 – II ZR 355/00, NJW 2002, 2553, 2555 und vom 16. November 2005 – IV ZR 120/04, NJW-RR 2006, 394 Rn. 37). Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14. Februar 2019 (S. 11 ff, GA XII 803 ff) hat sie erläuternd ausgeführt, die Sparkasse (Zessionarin) habe ihre Darlehenszusage zurückgezogen, nachdem die Baugenehmigung versagt worden und wegen der nachfolgend entstandenen Konkurrenzsituation zur K. kein Pächter mehr zu finden gewesen sei. Die avisierten langfristigen Darlehen über mehr als 5,5 Mio. € seien nicht ausgezahlt worden, vielmehr habe sie nur eine Zwischenfinanzierung von 1,78 Mio. € zur Deckung ihrer Ausgaben erhalten.
29
2. Nach alldem ist das angefochtene Schlussurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
30
Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, da der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). So sind vor allem Feststellungen zum – an der Feststellungswirkung des Urteils vom 19. November 2009 nicht teilnehmenden (vgl. Becker-Eberhard in MüKo-ZPO, aaO) – Schadenseintritt ab dem 1. Januar 2011 zu treffen, für den die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig ist. Dabei ist etwa zu klären, ob auch nach 2025 noch ein fortlaufender Pachtausfallschaden entstanden ist, was unter Berücksichtigung der im Teilurteil enthaltenen Feststellung, dass die Klägerin bei amtspflichtgemäßem Verhalten der Beklagten ab 2005 das fertiggestellte Heim für mindestens 20 Jahre an die HMC hätte verpachten können, von der Wahrscheinlichkeit einer anschließenden Verlängerung des Pachtverhältnisses abhängen dürfte. Ferner wird das Berufungsgericht, das hierzu bereits ein Sachverständigengutachten vom 13. Februar 2018 eingeholt hat, die Höhe des in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum Ablauf der (fiktiven) zwanzigjährigen Pachtdauer 2025 entgangenen Pachtgewinns bemessen und die Berechnung des geltend gemachten „Verkaufsschadens“ beurteilen müssen. Soweit das Gericht unter Beachtung der Ausführungen des Senats noch Spielraum für die Annahme einer Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit der Klägerin sieht, wird es – anders als im angefochtenen Schlussurteil – unter anderem zu beachten haben, dass daraus nicht zwangsläufig ein vollständiger Anspruchsausschluss folgt, sondern die wechselseitigen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann auch Gewicht erlangen, dass die beklagte Stadt das rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsurteil bewusst nicht befolgt hat.
31
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat. Die von der Beklagten erstmals in der Revisionsverhandlung erhobenen Bedenken gegen die Prozessführungsbefugnis der Klägerin teilt der Senat im Übrigen nicht. Die Klägerin hat als Sicherungszedentin ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs (vgl. BGH, Urteile vom 22. Dezember 1988 – VII ZR 129/88, NJW 1989, 1932, 1933 und vom 3. April 2003 – IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231, 2232), das ihr nicht aufgrund ihres Vorbringens abgesprochen werden kann, die Kosten des gescheiterten Bauvorhabens hätten – jedenfalls bis 2015 – zu ihrer Überschuldung geführt. Dies rechtfertigt nicht die Annahme einer missbräuchlichen Verlagerung des Kostenrisikos auf die Beklagte, zumal erst im Prozessverlauf eingetretene und in keinem Zusammenhang mit der Forderungsabtretung und der Prozessführungsermächtigung stehende wirtschaftliche Schwierigkeiten insoweit bedeutungslos sind (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1989 – VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505, 506; vom 3. April 2003, aaO und vom 29. September 2011 – VII ZR 162/09, NJW-RR 2011, 1690 Rn. 20), erkennbar die Klägerin weder in Liquidation noch in Insolvenz, sondern weiterhin geschäftlich aktiv ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1985 – VII ZR 337/84, NJW 1986, 850, 851 und vom 3. April 2003, aaO) und sie auch ohne die Sicherungszession Prozesspartei gewesen wäre. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf die zuletzt gestellten Klageanträge zu klären haben, ob auch weiterhin Zahlung an die Zessionarin begehrt wird.
- Herrmann
- Tombrink
- Arend
- Böttcher
- Herr