1. Ein Vorlagebeschluss wird spätestens mit seinem Eingang beim Oberlandesgericht wirksam.2. Führt eine Pressemitteilung… (Beschluss des BGH 2. Zivilsenat)

BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 17.12.2020, AZ II ZB 31/14, ECLI:DE:BGH:2020:171220BIIZB31.14.0

§ 4 Abs 1 S 1 KapMuG, § 37b Abs 1 WpHG, § 37c Abs 1 WpHG

Leitsatz

1. Ein Vorlagebeschluss wird spätestens mit seinem Eingang beim Oberlandesgericht wirksam.

2. Führt eine Pressemitteilung des Emittenten zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation, kann dies seine Haftung wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen begründen.

3. Ein Erwerb von Finanzinstrumenten liegt auch bei der Zeichnung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung vor.

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 15. Dezember 2014, Az: KAP 3/10, Beschluss
vorgehend LG München I, 22. September 2010, Az: 22 OH 17735/10

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und der Musterbeklagten zu 1 wird der Musterentscheid des Senats für Kapitalanlegermusterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 15. Dezember 2014 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 9. Juni 2015 und 17. Juli 2015 aufgehoben, soweit

zu den Feststellungszielen Komplex I, Komplex V 1. a) und c), 2., 3., Komplex XI bis Komplex XIV Feststellungen zu Lasten der Musterbeklagten zu 1 getroffen wurden,

zum Feststellungsziel Komplex V 1a. festgestellt wurde, die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei unwahr und unvollständig und die Pressemitteilung vom 3. August 2007 sei unwahr und unvollständig, weil die Musterbeklagte zu 1 das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe,

die Feststellungsziele Komplex V 4., Komplex VI 1.Halbsatz 2, Komplex VIII 1., das Feststellungsziel Komplex VIII 4. in Bezug auf eine Feststellung für den Zeitraum 8. Januar 2008 bis 15. Januar 2008 und Komplex IX, soweit gerichtet auf die Feststellung der Geeignetheit der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 zur Vermittlung von Kenntnis in Bezug auf die in den Komplexen VI und XI festgestellten Pflichtverletzungen, zurückgewiesen wurden

sowie zum Feststellungsziel Komplex XI ein Prospektfehler wegen einer fehlerhaften Darstellung zu erwartender Verluste aus dem Legacy-Portfolio der Depfa Bank plc. verneint wurde.

2. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen, im Hinblick auf die Feststellungsziele in Komplex III 2. bis 4., sowie Komplex IX im Übrigen, soweit dieses auf Feststellungen zu den im Vorlagebeschluss in den Komplexen I bis V, VI 4. und 5. sowie X angesprochenen Ansprüchen gerichtet ist, mit der Maßgabe, dass die Feststellungsziele gegenstandslos sind.

3. Die Feststellungen im Musterentscheid werden teilweise klarstellend wie folgt neu gefasst:

Komplex V 1a.:

Die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. August 2007 ist in Bezug auf folgende Aussagen unwahr:

„Aus mittlerweile erfolgten Assettäuschen ergeben sich bei 16 % des Volumens indirekte Beziehungen zu Subprime Sicherheiten. Diese stammen jedoch nur mit 5 % aus den Jahren 2006 und 2007.

Selbst wenn es zu einem vollständigen Zusammenbruch des Subprime Marktes käme, wäre dies im Rahmen unserer kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt.“

Die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. August 2007 ist in Bezug auf folgende Aussage unvollständig:

„Unsere CDO Investments haben keinen direkten Bezug zu Subprime.“

Komplex VI 1. Halbsatz 1:

Die Ad-hoc-Mitteilung vom 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, erfolgte nicht unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG in der Fassung vom 5. Januar 2007, weil bereits am 8. Januar 2008 eine Mitteilungspflicht bestand.

Komplex VIII 3.:

Das Feststellungsziel wird als unzulässig zurückgewiesen.

4. Der Musterentscheid wird im Umfang der Aufhebung teilweise wie folgt neu gefasst:

Komplex V 1a.:

Das Feststellungsziel wird zurückgewiesen, soweit die Feststellungen angestrebt werden, die Pressemitteilung vom 3. August 2007 sei unvollständig, weil diese das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe und die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei in Bezug auf die in ihr wiedergegebene Äußerung, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen, unwahr.

Komplex VIII 1.:

Der auf der Zeichnung von Aktien im Zuge der zur Übernahme der Depfa Bank plc. durchgeführten Kapitalerhöhung beruhende Erwerb ist ein Erwerb von Finanzinstrumenten im Sinne von § 37b Abs. 1, § 37c Abs. 1 WpHG in der Fassung vom 28. Oktober 2004 und von Wertpapieren im Sinne von § 44 Abs. 1 BörsG in der Fassung vom 16. Juli 2007.

Komplex IX:

Es wird festgestellt, dass der Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, nicht geeignet war, hinsichtlich der im Komplex VI 1. Halbsatz 1 angesprochenen Ansprüche, Kenntnis im Sinne von § 37b Abs. 4 WpHG in der Fassung vom 28. Oktober 2004 zu vermitteln und hinsichtlich der mit dem Komplex XI angesprochenen Ansprüche Kenntnis im Sinne des § 46 BörsG in der Fassung vom 16. Juli 2007 oder im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln.

Komplex XII:

Das Feststellungsziel wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Feststellungsziele Komplex I 1. und 2., Komplex V 1. a), 1. c) und 2. bis 4. sind gegenstandslos.

5. Im Umfang der weitergehenden Aufhebung wird die Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der durch die Teilrücknahme der Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 verursachten Kosten – zurückverwiesen.

6. Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 30.000.000 € festgesetzt.

7. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Musterklägers und des Beteiligten zu 2, ihm in entsprechender Anwendung des § 41a RVG eine besondere Gebühr zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

A.

1

I. Die Musterbeklagte zu 1 entstand im Herbst 2003 als Aktiengesellschaft im Wege der Abspaltung von der B.                       bank AG. Ihre Aktien, die sich im Streubesitz befanden, wurden bis zu ihrem wirtschaftlichen Zusammenbruch im Herbst 2008 im regulierten Markt gehandelt. Nach der Rettung der Musterbeklagten zu 1 durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung und ihrer Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nunmehr mittelbar die Bundesrepublik Deutschland alleinige Gesellschafterin der Musterbeklagten zu 1.

2

Die Musterbeklagte zu 1 war Anfang 2006 Finanzholding-Gesellschaft im Sinne des Kreditwesengesetzes und nicht operativ tätiges Mutterunternehmen gemäß § 290 Abs. 1 HGB verschiedener Tochtergesellschaften (im Folgenden gemeinsam als HRE-Gruppe bezeichnet). Sie war Alleinaktionärin der Hypo Real Estate Bank AG (im Folgenden: HRE Bank) sowie der Hypo Real Estate Bank International AG (im Folgenden: HRE Bank International). Diese hielt alle Anteile an der Hypo Public Finance Bank mit Sitz in Dublin (im Folgenden: HPFB). Mit Wirkung zum 2. Oktober 2007 erwarb die Musterbeklagte zu 1 auf der Grundlage eines sog. „Scheme of Arrangement“ nach irischem Recht vom 23. Juni 2007 unter Erhöhung des eigenen Grundkapitals im Wege des Tauschs gegen eigene Aktien aus der Kapitalerhöhung auf Basis des Schlusskurses der Aktien vom 20. Juli 2007 alle Anteile an der Depfa Bank plc., einer Aktiengesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin (im Folgenden: Depfa). Die aus der Kapitalerhöhung gebildeten Aktien wurden am 5. Oktober 2007 an der Frankfurter Wertpapierbörse in den Handel aufgenommen und in die bestehende Preisfeststellung einbezogen. Im Zuge einer Umstrukturierung übernahm die Depfa bis Ende des Jahres 2007 alle Anteile an der HPFB.

3

Der am 5. Juni 2018 verstorbene     F.    (im Folgenden: Musterbeklagter zu 2), dessen Erbin die jetzige Musterbeklagte zu 2 ist, war damals Vorstandsvorsitzender der Musterbeklagten zu 1 und der Musterbeklagte zu 3 ihr damaliger Finanzvorstand.

4

II. Im Zuge der Abspaltung von der B.                       bank AG im Jahr 2003 hatte die HRE Bank ein Altportfolio aus strukturierten Wertpapieren, sog. „Collateralized Debt Obligations“ (im Folgenden: CDO), übernommen, die bis zum 30. Juni 2007 nicht im Handelsbuch geführt wurden. Die Nominalwerte an CDO mit überwiegendem Bezug zu US-amerikanischen Immobilienkrediten (im Folgenden: US-CDO) im Portfolio der HRE Bank summierten sich Mitte 2007 auf rund 1,2 Mrd. €. Daneben hielt die HPFB Mitte 2007 US-CDO im Nominalwert von rund 300 Mio. €. Die HRE-Gruppe verfügte am 3. August 2007 damit insgesamt über ein Portfolio an US-CDO aus 53 Tranchen aus 40 verschiedenen CDO mit einem kumulierten Nominalwert von umgerechnet rund 1,5 Mrd. €, das bis 31. Dezember 2007 im Wesentlichen unverändert blieb (im Folgenden: US-CDO-Portfolio).

5

Ihren Konzernabschluss stellte die Musterbeklagte zu 1 nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) auf. Die US-CDO waren bilanziell im Anlagevermögen der HRE Bank und der HPFB als Finanzanlagen erfasst, wobei das von der HPFB gehaltene Portfolio der Bilanzierungskategorie „Available for Sale“ (AfS) und das von der HRE Bank gehaltene Portfolio überwiegend der Bewertungskategorie „Held to Maturity“ (HtM) zugeordnet war. Der Gesamtbestand des Konzerns an HtM-Finanzanlagen unter Einschluss von Staatsanleihen und aller übrigen Finanzinstrumente belief sich zum Ende des zweiten Quartals 2007 auf 7,35 Mrd. €.

6

Am 10. Juli 2007 teilte Standard & Poor´s (im Folgenden: S&P) mit, die von ihrem Ratingdienst bewerteten internationalen CDO mit Engagement in bestimmte „Subprime-Residential Mortgage Backed Securities“ (im Folgenden: RMBS) einer Überprüfung zu unterziehen und setzte diese auf die „Credit Watch“-Liste für mögliche Herabstufungen. Die Ratingagentur Moody´s stufte am 10. Juli 2007 verschiedene Basiswerte herab und kündigte am Folgetag an, die Ratings derjenigen CDO, deren Sicherheitenpool von den Ratingherabstufungen betroffen waren, zu überprüfen. Diese Meldung betraf CDO im Volumen von insgesamt 5 Mrd. US-$.

7

Mit Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007, 11.47 Uhr, gab die Musterbeklagte zu 1 Folgendes bekannt:


Hypo Real Estate Group: Ergebnis im 2. Quartal 2007 über Erwartung – Prognose für das Geschäftsjahr angehoben.

Die Hypo Real Estate Group setzt ihre erfolgreiche Geschäftsentwicklung auch im 2. Quartal 2007 fort und wird nach ersten Einschätzungen für diesen Zeitraum ein Konzernergebnis vor Steuern von ca. 183 Mio. Euro ausweisen. Maßgeblich für das gute Ergebnis ist vor allem das außerplanmäßig hohe Neugeschäft von 10 Mrd. Euro im 2. Quartal, das sich in einem deutlichen Zuwachs im Provisionsüberschuss niederschlägt.

Vor dem Hintergrund dieser positiven Entwicklung erhöht der Vorstand für das Gesamtjahr 2007 die Prognose. Erwartet wird nun der Anstieg des Konzernergebnisses vor Steuern auf über 710 Mio. Euro (die bisherige Prognose lag bei über 680 Mio. Euro).“

8

Auf die Mitteilung vom 10. Juli 2007 Bezug nehmend gab S&P am 13. Juli 2007 bekannt, dass sie 498 der überprüften 612 RMBS herabgestuft habe. Der Wert der 498 herabgestuften RMBS betrage zusammen ungefähr 5,69 Mrd. US-$, was 1,01 % der 565,3 Mrd. US-$ der von S&P zwischen dem vierten Quartal 2005 und dem vierten Quartal 2006 bewerteten RMBS mit erstrangigen US-Subprime-Hypotheken entspreche.

9

Mit Ad-Hoc-Meldung vom 23. Juli 2007 gab die Musterbeklagte zu 1 den Abschluss des Scheme of Arrangement einschließlich der wirtschaftlichen Eckpunkte zum Erwerb aller Anteile der Depfa bekannt.

10

Die HRE-Gruppe brachte aus ihrem Finanzanlagenportfolio in den am 27. Juli 2007 von der Citigroup emittierten Bonifacius-CDO US-CDO im Nominalvolumen von zumindest rund 323 Mio. US-$ nahezu zum Nennwert ein. Im Gegenzug übernahm die HRE-Gruppe Tranchen des Bonifacius-CDO, nämlich Teile der Equity Tranche im Nennbetrag von 7 Mio. US-$, der C-Tranche im Nennbetrag von 1 Mio. US-$ sowie die D-Tranche im Nennbetrag von 16 Mio. US-$, in ihr US-CDO-Portfolio.

11

Nachdem am 30. Juli 2007 bekannt geworden war, dass die I.                 bank AG (im Folgenden: I. B) wegen ihres – überwiegend in Form von Liquiditätszusagen an eine Zweckgesellschaft getätigten – Engagements in strukturierten Portfolioinvestments mit Bezug auch zu US-amerikanischen Immobilienkrediten aus dem Subprime-Bereich, durch eine Stützungsmaßnahme im Umfang von 8,1 Mrd. € gerettet werden musste, richtete sich die Musterbeklagte zu 1 für die HRE-Gruppe am 3. August 2007 mit einer Pressemeldung an den Kapitalmarkt. Darin bestätigte sie vor dem Hintergrund aktueller Marktentwicklungen ihre operative Prognose für das laufende Jahr. Zudem legte die Musterbeklagte zu 1 den Umfang ihres US-CDO-Portfolios offen, und erklärte, dass die HRE-Gruppe aufgrund der aktuellen Marktentwicklungen nicht mit Belastungen rechne. Die kalkulierte Risikovorsorge decke selbst einen vollständigen Zusammenbruch des Subprime-Markts mehrfach ab. In einem Presseinterview äußerte sich der Musterbeklagte zu 2 am 6. August 2007 u.a. zur Relevanz der aktuellen Marktlage für die HRE-Gruppe.

12

Am 28. August 2007 beschloss der Vorstand der Musterbeklagten zu 1 die Übertragung des US-CDO-Portfolios der HPFB auf die HRE Bank, die rückwirkend zum 31. Juli 2007 erfolgen sollte. Im Sitzungsprotokoll wurde festgehalten, dass der Kaufpreis von 291.094.394 € den Buchwert bei der HPFB zum Übertragungsstichtag darstelle. Ein geschätzter Marktwert läge unterhalb des Buchwerts. Das Protokoll der Sitzung des Vorstands der HRE Bank vom 29. August 2007, in der dieser über den am Vortag gefassten Beschluss informiert wurde, erläuterte hierzu, aufgrund der US-Subprime-Krise habe sich ein Rückgang des ermittelten Preises dieses Portfolios ergeben. Ein Marktpreis lasse sich aufgrund der derzeitigen Marktunterbrechungen nicht sinnvoll bestimmen.

13

Die Musterbeklagte zu 1 äußerte sich über das Investment der HRE-Gruppe in US-Subprime wieder öffentlich in dem im Zuge der Depfa-Übernahme am 10. September 2007 herausgegebenen Börsenzulassungsprospekt. Darin teilte sie mit, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die US-Subprime-Krise auf andere Finanzmärkte ausweite und sich somit negativ auf das Neugeschäft, die Refinanzierungsmärkte, das Verbriefungsgeschäft, die Handelsaktivitäten und damit die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage derHRE-Gruppe auswirke.

14

Mit sog. „Impairment-Notice“ vom 27. September 2007 wurde eine Abschreibung i.H.v. 5 Mio. US-$ auf die Equity Tranche des Bonifacius-CDO vorgenommen. Den Kapitalmarkt informierte die Musterbeklagte zu 1 hierüber nicht.

15

Am 7. November 2007 veröffentlichte die Musterbeklagte zu 1 ihren Quartalsabschluss zum 30. September 2007. Für die in der Bewertungskategorie „Held to Maturity“ (HtM) gehaltene Finanzanlagen im Nominalwert von 7,35 Mrd. € wechselte die Musterbeklagte zu 1 die Bilanzierungskategorie im Zuge der Erstellung dieses am 6. November 2007 unterzeichneten Zwischenabschlusses rückwirkend zum 1. Juli 2007 auf „Available for Sale“ (AfS). Diesen Vorgang erläuterte die Musterbeklagte zu 1 im Zwischenbericht für das dritte Quartal 2007 und im späteren Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2007 mit einer geänderten Halteabsicht für einen mehr als unwesentlichen Teil dieser Finanzanlagen. In diesem Bericht wies die Musterbeklagte zu 1 unter der Position „AfS-Rücklage“ eine Zeitwertänderung von -307 Mio. € aus und damit eine Veränderung von -263 Mio. € gegenüber dem Stand zum 31. Dezember 2006 bzw. -123 Mio. € gegenüber dem Stand zum 30. Juni 2007. Einen Bezug zum US-CDO-Portfolio legte die Musterbeklagte zu 1 nicht offen.

16

Ihren am 7. November 2007 veröffentlichten Quartalsabschluss stellte die Musterbeklagte zu 1 im Rahmen einer Investoren- und Analystenkonferenz vor. Dort äußerte der Musterbeklagte zu 2, dass die HRE-Gruppe aus der Marktkrise der vergangenen Monate gestärkt hervorgegangen sei. Dies wiederholte die Musterbeklagte zu 1 in einer Presseinformation vom gleichen Tag. Im Hinblick auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe gab der Musterbeklagte zu 3 im Rahmen der Konferenz eine Abschreibung (Impairment) von 4 Mio. € bekannt. Auf Nachfrage legte er den Zusammenhang zwischen der AfS-Rücklage und dem CDO-Portfolio offen. Auf die Veröffentlichung der Geschäftszahlen hin erschien in der Tageszeitung „Die Welt“ am 8. November 2007 ein redaktioneller Beitrag, wonach die Musterbeklagte zu 1 als Gewinner aus der weltweiten Finanzkrise hervorgehen wolle.

17

Nach einer Reihe von subprimebezogenen Ratingüberprüfungen seit dem 3. August 2007 meldete Fitch Ratings Inc. (im Folgenden: Fitch) am12. November 2007 die Herabstufung von CDO im Nennbetrag von 37,2 Mrd. US-$, darunter erstmals auch solcher Tranchen, welche sich im Portfolio der HRE-Gruppe befanden. Als Grund für die Maßnahme gab Fitch bekannt, dass sie ihre Bewertungsstandards grundlegend geändert habe. Am15. November 2007 teilte Fitch die Hintergründe und Annahmen zur Änderung der Bewertungsstandards mit.

18

Die Meldungen von Fitch vom 12. und 15. November 2007 nahm die Musterbeklagte zu 1 zum Anlass, ihr Modell zur Bewertung ihrer CDO zu überarbeiten. Die Musterbeklagte zu 1 bewertete ihre CDO bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Rechenmodell zur Abzinsung der erwarteten Zahlungsströme, das sog. Discounted-Cash-Flow-Modell (im Folgenden: DCF-Modell), für das sie von J.P. Morgan bis Ende August 2007 zur Verfügung gestellte Datensätze über Risikoaufschläge (sog. Spread) verwendete. Mit der neuen Bewertungsmethode, dem sog. Expected-Loss-Modell, sollten unter Bestimmung von statistischen Ausfallwahrscheinlichkeiten erwartbare Verluste im Sicherheitenpool und daraus abzuleitende Verlustzuweisungen an die im Portfolio gehaltenen CDO berechnet und zur Bestimmung von Impairments herangezogen werden. Die Entscheidung zu diesem Vorgehen sei – so die Musterbeklagte zu 1 – davon motiviert gewesen, dass J.P. Morgan bereits seit Ende August 2007 infolge des zu beobachtenden Versiegens des Primär- und Sekundärmarktes für US-CDO und somit des Fehlens von verfügbaren Marktdaten keine aktualisierten Datensätze über den Spread mehr geliefert habe. Hierüber unterrichtete die Musterbeklagte zu 1 den Kapitalmarkt nicht.

19

An ihren Aussagen über die Auswirkungen der US-Subprime-Krise auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe hielt die Musterbeklagte zu 1 am 22. November 2007 anlässlich einer Kundenpräsentation unverändert fest.

20

Die C- und D-Tranchen des Bonifacius-CDO wurden zusammen mit dem Restwert der Equity Tranche mit Impairment Notice vom 26. November 2007 vollständig abgeschrieben.

21

Am 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, machte die Musterbeklagte zu 1 per Ad-Hoc-Meldung u.a. bekannt, dass sie im Zuge einer Neubewertung des US-CDO-Portfolios Aufwendungen im Umfang von 390 Mio. €, davon 295 Mio. € ergebniswirksam, für eine im vierten Quartal vorgenommene Abschirmung gehabt habe.

22

Die in Bezug auf das US-CDO-Portfolio vorgenommenen Wertberichtigungen hatten nach dem Geschäftsbericht für das Jahr 2007 zu negativen Bewertungsergebnissen von -466 Mio. € geführt. Für portfoliobasierte Wertberichtigungen auf Forderungen der Bilanzkategorie Loans and Receivables (LaR) hatte die Musterbeklagte zu 1 im Zwischenbericht zum 30. September 2007 einen Betrag von 203 Mio. € ausgewiesen. Diese Rückstellung für Kreditvorsorge löste die Musterbeklagte zu 1 im vierten Quartal in Höhe von 165 Mio. € auf; in derselben Höhe nahm sie eine Verrechnung mit den Bewertungsverlusten aus dem CDO-Portfolio vor, so dass sich aus den Bewertungsverlusten eine effektive Ergebnisbelastung von 301 Mio. € ergab.

23

Am 15. Januar 2008 notierten die Aktien der Musterbeklagten zu 1 bei Börseneröffnung mit 33,10 €. Bis Börsenschluss am 15. Januar 2008 sank der Kurs auf 21,64 € ab. Am 16. Januar 2008 stieg der Kurs auf 22,20 € bei Börsenschluss.

24

III. Vor dem Landgericht München I wurden gegen die Musterbeklagten eine Vielzahl von Schadensersatzklagen erhoben, die sich darauf stützen, es seien Pflichten zur Information des Kapitalmarkts im Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis 15. Januar 2008 verletzt worden. Am 22. September 2010 erließ das Landgericht einen Vorlagebeschluss und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Herbeiführung eines Musterentscheids vor. Das Oberlandesgericht hat den Vorlagebeschluss den Parteien der Ausgangsverfahren formlos mitgeteilt. Die Musterbeklagte zu 1 hat ihren Vortrag unter den Vorbehalt eines existenten Vorlagebeschlusses gestellt.

25

Nach Erweiterung des Musterverfahrens und Zurückweisung weitergehender Erweiterungsanträge hat das Oberlandesgericht über folgende Feststellungsziele entschieden:

Komplex I

1. Die ad-hoc Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 11.07.2007, 11.47 Uhr, enthält eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG.

2. Diese Insiderinformation betraf die Beklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG und § 37c Abs. 1 WpHG.

3. Die in dieser ad-hoc Mitteilung enthaltene Insiderinformation ist unwahr und unvollständig.

4. Die Beklagte zu 1) kannte die Unrichtigkeit nicht. Die Unkenntnis beruht nicht auf grober Fahrlässigkeit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

5. Die ad-hoc Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 11.07.2007 stellt eine unrichtige oder irreführende Angabe im Sinne des § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG dar.

6. Die Veranlassung der unrichtigen ad-hoc Mitteilung vom 11.07.2007 durch die Beklagte zu 1) war sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB.

7. Die Beklagte zu 1) hat in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter durch ihre ad-hoc Mitteilung vom 11.07.2007 vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB gehandelt.

Komplex II

1. Die Zurückstufung von 498 aus 612 residential mortgage backed securities (RMBS) durch die Ratingagentur Standard & Poors Mitte des Jahres 2007 stellt eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG dar.

1.a. Die Zurückstufung von 498 aus 612 residential mortgage backed securities (RMBS) durch die Ratingagentur Standard & Poors Mitte des Jahres 2007 führte zu einer Betroffenheit des Wertes der von der Beklagten und deren Tochtergesellschaften gehaltenen Portfolien, was eine Insiderinformation im Sinne des § 13 WpHG darstellte.

1.b. Die Herabstufung von 498 aus 612 residential mortgage backed securities (RMBS) durch die Ratingagentur Standard & Poors Mitte des Jahres 2007 hat die Musterbeklagte zu 1) dazu veranlassen müssen, eine Adhoc-Mitteilung darüber zu machen, dass sie von den Risiken des Subprimemarktes, insbesondere

– Bewertungs- und Abschreibungsrisiken in Bezug auf den Bestand an US-CDOs mit Bezug zum US-amerikanischen Subprime-Markt in den Portfolien ihrer Tochtergesellschaften,

– Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken im Hinblick auf die insbesondere von der Depfa Bank plc. betriebene Fristentransformation und einer damit einhergehenden Abhängigkeit von einem liquiden Geld- und Kapital-markt,

– dem Risiko einer verminderten Gewinnspanne aus dem Fristentransformationsgeschäft,

betroffen sei.

2. Diese Insiderinformation betraf die Beklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG.

3. Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

4. Die Beklagte zu 1) war gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

5. Die Unterlassung beruht nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1). (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

6. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie erhebliche Umstände i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG verschwiegen.

7. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

8. Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex III

1. Ab dem 11.07.2007 bestand die konkrete und hinreichend wahrscheinliche Gefahr der negativen finanziellen, wirtschaftlichen oder bilanziellen Auswirkungen der US-Immobilienkrise, insbesondere des US-Subprime-Marktes, auf das Geschäftsergebnis der Beklagten zu 1) (inklusive Umsatz, Gewinn und Verlust).

2. Diese Gefahr stellt eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG dar.

3. Diese Insiderinformation betraf die Beklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG.

4. Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

5. Die Beklagte zu 1) war gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

6. Die Unterlassung beruht nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1). (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

7. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie erhebliche Umstände i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG verschwiegen.

8. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

9. Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex IV

1. Ab dem 02.10.2007 bestanden negative finanzielle, wirtschaftliche oder bilanzielle Auswirkungen der US-Immobilienkrise, insbesondere des US-Subprime-Marktes, auf die von der Beklagten zu 1) mit Zusammenschlussvertrag vom 23.07.2007 übernommene Depfa Bank plc. und die damit verbundene Gefährdung des Geschäftsergebnisses (inklusive Umsatz, Gewinn und Verlust) und des Aktienkurses der Beklagten zu 1).

2. Diese Auswirkungen stellen eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG dar.

3. Diese Insiderinformation betraf die Beklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG.

4. Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

5. Die Beklagte zu 1) war gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

6. Die Unterlassung beruht nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1). (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

7. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie erhebliche Umstände i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG verschwiegen.

8. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

9. Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex V

1. Folgende Mitteilungen der Beklagten zu 1):

a) Pressemitteilung vom 03.08.2007,

b) Presseveröffentlichte Aussage des damaligen Vorstandsvorsitzenden      F.    vom 06.08.2007,

c) Pressemitteilung vom 07.11.2007,

d) Presseveröffentlichte Aussage eines Verantwortli-chen der Beklagten zu 1) in der Tageszeitung „Die Welt“ vom 08.11.2007, enthalten jeweils Insiderinformationen im Sinne von § 13 WpHG, so dass eine ad-hoc Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG bestand.

1a. Die in Ziffern 1 a) und 1 c) genannten Mitteilungen der Musterbeklagten zu 1) sind unwahr und unvollständig.

2. Diese Insiderinformationen betrafen die Beklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b, c Abs. 1 WpHG.

3. Die in den Mitteilungen enthaltenen Insiderinformationen sind unwahr.

4. Die Beklagte zu 1) kannte die Unrichtigkeit nicht. Die Unkenntnis beruht nicht auf grober Fahrlässigkeit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

5. Die unter Ziff. 1 a-d genannten Pressemitteilungen und -veröffentlichungen werden für die Haftung nach §§ 37b, c WpHG wie ad-hoc Mitteilungen behandelt.

6. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie erhebliche Umstände i.S.d. § 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG verschwiegen.

7. Indem die Beklagte zu 1) diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB gehandelt.

8. Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB.

Komplex VI

1. Die ad-hoc Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 15.01.2008, 13.06 Uhr, erfolgte nicht unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG und enthält zudem eine unwahre Insiderinformation.

2. Die Beklagte zu 1) war vom 07. bis zum 15.01.2008, 13.06 Uhr gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

3. Die Unterlassung und Falschinformation beruht nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1). (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

4. Durch die ad-hoc Mitteilung vom 15.01.2008 hat die Beklagte zu 1) unrichtige oder irreführende Angaben gemacht sowie erhebliche Umstände verschwiegen (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG).

5. Die Veranlassung der unrichtigen und verspäteten ad-hoc Mitteilung vom 15.01.2008 war sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB.

6. Sie war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB.

Komplex VII

1. Im Falle der Haftung gemäß § 37b Abs. 1 WpHG muss der Anspruchsteller die haftungsbegründende Kausalität nicht darlegen und auch nicht beweisen.

2. Im Falle der Haftung gemäß § 37c Abs. 1 WpHG muss der Anspruchsteller die haftungsbegründende Kausalität nicht darlegen und auch nicht beweisen.

Komplex VIII

1. Zuteilungen von Aktien der Beklagten zu 1) im Rahmen der Übernahme der Depfa Bank plc. stellen einen „Erwerb“ von Wertpapieren im Sinne der §§ 37b Abs. 1, 37c Abs. 1 WpHG, § 44 Abs. 1 BörsG dar.

2. Der Schadensersatzanspruch nach § 37b bzw. § 37c WpHG kann nur auf den Kursdifferenzschaden gerichtet sein, nicht auf den Rückabwicklungsschaden. (auf Antrag der Musterbeklagten zu 1)

3. Der Rückabwicklungsschaden bei Verkauf berechnet sich wie folgt:

Saldierung der im Zeitraum einer ad-hoc-Pflichtverletzung getätigten Käufe und der dazu korrespondierenden Verkäufe erfolgt nach dem Prinzip „first in-first out“ (kurz: FIFO). Nach dieser Methode wird dem zeitlich ersten Kauf der erste zeitlich nachfolgende Verkauf zugerechnet und dann saldiert.

4. Der Kursdifferenzschaden pro erworbener Aktie der Beklagten zu 1) im Zeitraum vom 11.07.2007 bis 15.01.2008, 13.06 Uhr, beläuft sich zumindest auf 11,91 EUR und berechnet sich wie folgt:

Differenz zwischen dem Höchstkurs Xetra am 15.01.2008 und dem Tiefstkurs Xetra am 16.01.2008.

Komplex IX

Die ad-hoc Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 15.01.2008, 13.06 Uhr, war nicht zur Erlangung von Kenntnis im Sinne der §§ 37b Abs. 4 WpHG (Unterlassung), 37c Abs. 4 WpHG (Unrichtigkeit), § 46 BörsG geeignet. Ebenso wenig war sie zur Erlangung von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geeignet.

Komplex X

1.

a) Die Impairment-Notice vom 27.09.2007 und das darauffolgende Impairment stellen Insiderinformationen im Sinne von § 13 Abs. 1 WpHG dar.

b) Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

2.

a) Die Impairment-Notice vom 26.11.2007 und das darauffolgende Impairment stellen Insiderinformationen im Sinne von § 13 Abs. 1 WpHG dar.

b) Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

Komplex XI

Der von der Beklagten am 10.09.2007 herausgegebene Börsenzulassungsprospekt war in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig.

Komplex XII

Die Musterbeklagte zu 1) war spätestens am 15. November 2007 verpflichtet, die Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf das von der HRE-Gruppe gehaltene Portfolio an US-CDOs per Ad-hoc-Mitteilung zu publizieren.

Komplex XIII

1. Die Musterbeklagte zu 1) war am 3. August 2007 nach Herausgabe ihrer Pressemitteilung (Anlage K 7) verpflichtet, die in dieser Pressemitteilung enthaltenen falschen Aussagen per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren.

2. Der Umstand, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1) vom 3. August 2007 (Anlage K 7) unwahre Aussagen enthält, hilfsweise der Umstand, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, stellt eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG dar.

3. Diese Insiderinformation betraf die Musterbeklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG.

4. Die Musterbeklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

Komplex XIV

1. Die Musterbeklagte zu 1) war am 7. November 2007 verpflichtet, die in ihrer Pressemitteilung vom 3. August 2007 enthaltenen falschen Aussagen per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad-hoc-Mitteilung zu korrigieren.

2. Der Umstand, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1) vom 3. August 2007 (Anlage K 7) unwahre Aussagen enthält, hilfsweise der Umstand, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, stellt eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG dar.

3. Diese Insiderinformation betraf die Musterbeklagte zu 1) unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG.

4. Die Musterbeklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.

26

Das Oberlandesgericht (OLG München, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – KAP 3/10, juris, auszugsweise abgedruckt in ZIP 2015, 689) hat Feststellungen entsprechend der Feststellungsziele Komplex I 1. und 2., V 1. bis 3., V 1a., VI 1. Halbsatz 1, XI, XII, XIII 1. bis 4. sowie XIV 1. bis 4. zu Lasten der Musterbeklagten zu 1 getroffen. Die weitergehenden Feststellungsziele des Musterklägers sowie die von der Musterbeklagten zu 1 beantragten Feststellungsziele V 4., VI 2. und 3., VIII 2. hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und festgestellt, dass sich die übrigen Feststellungsziele der Musterbeklagten zu 1 erledigt haben.

27

Die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und des Beteiligten zu 2 wenden sich gegen den Musterentscheid, soweit zum Nachteil des Musterklägers entschieden worden ist, wobei die Zurückweisung der Feststellungsziele im Komplex X nicht angegriffen wird. Dem Rechtsbeschwerdeverfahren sind 129 Beigeladene auf Seiten des Musterklägers beigetreten. Die Beigetretene B123 hat ihren Beitritt zurückgenommen. Auf Seiten der Musterbeklagten zu 1 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren zum Zwecke der Verteidigung gegen die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und der auf dessen Seite beigetretenen Beigeladenen sowie des Beteiligten zu 2 die Musterbeklagten zu 2 und 3 beigetreten. Die Musterbeklagten begehren mit ihren Rechtsbeschwerden die Abänderung des Musterentscheids, soweit Feststellungen zu ihren Lasten getroffen und die von der Musterbeklagten zu 1 beantragten Feststellungsziele, mit Ausnahme des Feststellungsziels VIII 2., zurückgewiesen wurden.

28

Mit einer Hilfsanschlussrechtsbeschwerde haben sich der Musterkläger sowie die auf dessen Seite beigetretenen Beigeladenen (bis auf den Beigeladenen B28), den Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten angeschlossen. Der Beteiligte zu 2 hat die Rechtsbeschwerde gegen die Musterbeklagten zu 2 und 3 und der Beigeladene B123 seinen Beitritt zurückgenommen.

B.

29

Die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und der Musterbeklagten zu 1 sind zulässig. Über die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 sowie des Beteiligten zu 2 ist nicht gesondert zu entscheiden. Die Rechtsmittel der Musterbeklagten zu 2 und 3 sind in einen Beitritt zur Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 umzudeuten; das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 in einen Beitritt zur Rechtsbeschwerde des Musterklägers.

30

I. Auf das im September 2010 eingeleitete Musterverfahren ist das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in seiner ab dem 1. November 2012 geltenden Fassung anzuwenden, da in dem Musterverfahren nicht vor dem1. November 2012 mündlich verhandelt worden ist (§ 27 KapMuG).

31

II. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 sind als solche nicht mehr zu berücksichtigen. Die Musterbeklagte zu 1 hat bereits zuvor Rechtsbeschwerde eingelegt und war daher gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 KapMuG zur Musterrechtsbeschwerdeführerin zu bestimmen. Gleiches gilt für die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 im Hinblick auf die Rechtsbeschwerde des Musterklägers. Diese hat gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 KapMuG dazu geführt, dass der Musterkläger das Musterverfahren in der Rechtsbeschwerdeinstanz als Musterrechtsbeschwerdeführer fortführt.

32

1. § 21 Abs. 1 Satz 1 KapMuG spricht dem Musterkläger die Stellung des Musterrechtsbeschwerdeführers ohne Rücksicht darauf zu, ob neben ihm Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt haben, so dass stets nur ein Rechtsbeschwerdeverfahren mit nur einem Musterrechtsbeschwerdeführer in Gang gesetzt wird (Rimmelspacher in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 21 Rn. 9 f.; Reuschle in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 21 KapMuG Rn. 8; aA Schmitz in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 32 Rn. 294, 300; wohl auch Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 21 Rn. 2 ff.). Diese für den Beigeladenen geltenden Grundsätze gelten für Musterbeklagte, die nicht zum Rechtsbeschwerdeführer bestimmt wurden, entsprechend (Rimmelspacher in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 21 Rn. 36 f.).

33

2. Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2014 – II ZB 29/12, juris; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, juris) anknüpfend an die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1; Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65, Rn. 40 f. – Telekom – 2. Börsengang; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37; vgl. auch Beschluss vom 24. Oktober 2017 – XI ZB 18/17, juris Rn. 1, 3) dahin verstanden werden kann, dass von mehreren selbstständigen Rechtsmitteln auszugehen ist, wird daran nicht festgehalten.

34

a) Der Gesetzeswortlaut beantwortet die aufgeworfene Frage nicht eindeutig. § 21 KapMuG regelt zwar, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren – bei bestehender Möglichkeit wechselseitiger Rechtsbeschwerden – zwischen einem Musterrechtsbeschwerdeführer und einem Musterrechtsbeschwerdegegner durchzuführen ist. Daraus ergibt sich aber noch nicht, welche Wirkung weitere nach § 20 Abs. 1 KapMuG zulässige Rechtsbeschwerden von Beigeladenen oder weiteren Musterbeklagten haben, die nicht gemäß § 21 KapMuG in die Rolle des Musterrechtsbeschwerdeführers gelangen. Dass das Beschwerderecht nach § 20 Abs. 1 Satz 4 KapMuG allen Beteiligten zusteht, besagt nur etwas zu der Möglichkeit, eine Überprüfung des Musterentscheids im Rechtsbeschwerdeverfahren herbeizuführen, dagegen nichts zur Ausgestaltung des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

35

Angesichts der nach § 21 KapMuG ausdrücklich vorgesehenen Bündelung des Rechtsbeschwerdeverfahrens und der Möglichkeit des Beitritts weiterer Beteiligter nach § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG entspricht es der Gesetzessystematik, dass diejenigen Rechtsbeschwerdeführer, die nicht in die Rolle des Musterrechtsbeschwerdeführers gelangen, nur als Beigetretene am Rechtsbeschwerdeverfahren (weiter) teilnehmen können. Das Gesetz kennt – worauf im Schrifttum zu Recht hingewiesen wird – weder die Rolle des „rechtsbeschwerdeführenden Beigeladenen“ noch diejenige des „rechtsbeschwerdeführenden Musterbeklagten“ neben dem nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 zu bestimmenden Musterrechtsbeschwerdeführer. Für das Verhältnis zwischen dem Musterrechtsbeschwerdeführer und den auf seiner Seite Beigetretenen sieht § 20 Abs. 4 Satz 2, § 14 KapMuG die Anwendung der für die Rechtsstellung des Beigeladenen geltenden Grundsätze vor. Nach diesem Regelungskonzept soll der Musterrechtsbeschwerdeführer das Rechtsbeschwerdeverfahren als Vertreter der auf seiner Seite Beteiligten durchführen, die nach Maßgabe von § 22 Abs. 3 KapMuG an die Ergebnisse der Prozessführung gebunden sind. Dass weitere Rechtsbeschwerden nicht als solche fortwirken, legt auch § 21 Abs. 4 KapMuG nahe, der eine Regelung nur für den Fall der Rücknahme der Rechtsbeschwerde des Musterrechtsbeschwerdeführers vorsieht und die Beendigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens vom Verzicht aller Beigetretenen abhängig macht. Diese Regelung ist erkennbar nicht darauf zugeschnitten, dass auf einer Seite mehrere selbstständige Rechtsmittel Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können. Dieses Regelungskonzept wird auch auf der Seite des Rechtsmittelgegners verwirklicht, weil der Musterkläger nach § 21 Abs. 3 Satz 2 KapMuG Musterrechtsbeschwerdegegner ist bzw. aus dem Kreis der Musterbeklagten nach § 21 Abs. 1 Satz 2 KapMuG nach billigem Ermessen ein Musterrechtsbeschwerdegegner zu bestimmen ist.

36

Die Gesetzesmaterialien sprechen für dieses Auslegungsergebnis. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 15 Abs. 3 und Abs. 4 KapMuG aF sollen die Beigeladenen unabhängig vom Willen des Musterklägers Rechtsbeschwerde einlegen können (RegE KapMuG, BT-Drucks. 15/5091, S. 19, 30). Das Schicksal des Rechtsmittels neben einer Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist damit nicht angesprochen. Die Begründung zu § 21 KapMuG nimmt Bezug auf den Regelungsgehalt des § 15 KapMuG aF und betont, dass der Musterkläger, sofern er Rechtsbeschwerde einlegt, seine Rolle als Vertreter der übrigen Kläger der Ausgangsverfahren auch im Rechtsbeschwerdeverfahren fortsetzen soll (RegE KapMuG-ReformG, BT-Drucks. 17/8799, S. 25).

37

b) Der Sinn und Zweck der Bündelung der Rechtsmittel nach § 21 KapMuG spricht ebenfalls für das Fortwirken nur eines Rechtsmittels. Die mit der Bündelung angestrebte Vereinfachung des Rechtsbeschwerdeverfahrens würde nicht erreicht, wenn letztlich über sämtliche Rechtsmittel nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen zu entscheiden wäre. Dies wäre im Hinblick auf die Bindungs- und Rechtskraftwirkung des Musterentscheids nach § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KapMuG ohnehin nicht möglich, weil das Rechtsbeschwerdegericht eine einheitliche Entscheidung über die Rechtsbeschwerde des Musterklägers und der auf seiner Seite Beigeladenen herbeiführen muss (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 – XI ZB 12/12, ZIP 2012, 2177 Rn. 22; Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 51). Da hinter dem Musterrechtsbeschwerdeführer alle auf seiner Seite Beigetretenen stehen, kann dieser – wie sich aus § 21 Abs. 4 KapMuG ergibt – über die weitere Durchführung und auch über eine Beschränkung des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht mehr allein entscheiden.

38

3. An dieser Beurteilung ist der Senat nicht durch entgegenstehende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats gehindert.

39

a) § 132 Abs. 2 GVG räumt dem Großen Senat die Befugnis zur Beantwortung streitiger oder grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen nur ein, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird (BGH, Beschluss vom 5. Mai 1994 – VGS 1-4/93, BGHZ 126, 63, 71; Beschluss vom 17. März 2003 – XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205, 228 f.; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Dezember 2011 – 1 BvR 2514/11, ZIP 2012, 164 Rn. 21). Daher ist es unstatthaft, dem Großen Senat Fragen vorzulegen, deren Beantwortung lediglich die Begründung einer Entscheidung, nicht jedoch deren Ergebnis beeinflusst (BGH, Beschluss vom 17. März 2003 – XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205, 228 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Januar 2004 – 1 BvR 864/03, FamRZ 2004, 1165, 1166).

40

b) Hiervon ausgehend kommt im Streitfall eine Vorlage an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs gemäß § 132 Abs. 2, 3 GVG nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Senat über die Rechtsmittel der Musterbeklagten zu 2 und 3 sowie des Beteiligten zu 2 nicht gesondert entscheidet, wirkt sich nicht auf das Ergebnis der Entscheidung aus. Die eigene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 bzw. der Musterbeklagten zu 2 und 3 hätte im vorliegenden Fall nichts bewirkt, was diese nicht auch durch ihren den Beitritt gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 3 KapMuG erreichen konnten (vgl. Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 20 Rn. 6). Insbesondere hat der Senat keine Erklärungen und Handlungen der Beigetretenen gemäß § 20 Abs. 4 Satz 2, § 14 Satz 2 KapMuG unberücksichtigt gelassen, weil diese mit denen der Musterrechtsbeschwerdeführer in Widerspruch stehen. Von einer Abweichung wäre auch dann nicht auszugehen, wenn das eigene Rechtsmittel der Musterbeklagten zu 2 und 3 mangels nachteiliger Betroffenheit als unzulässig anzusehen sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 – XI ZB 12/12, ZIP 2012, 2177 Rn. 9 mwN zu § 15 Abs. 2 Satz 1 KapMuG aF). Dies hätte auch nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats nicht zur Verwerfung des eigenständigen Rechtsmittels der Musterbeklagten zu 2 und 3 geführt. Zum einen schiede die Verwerfung des Rechtsmittels nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats aufgrund der Bindungs- und Rechtskraftwirkung des Musterentscheids aus, solange zumindest eine Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise eingelegt worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 – XI ZB 12/12, ZIP 2012, 2177 Rn. 22; Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 51). Abgesehen davon konnten die Musterbeklagten zu 2 und 3 auf Grund ihrer Stellung als Nebenintervenienten der Musterbeklagten zu 1 ihre Beteiligungsrechte gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 67 Halbsatz 2 ZPO wahrnehmen (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 13/14, BGHZ 216, 27 Rn. 9 f.).

41

III. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind der Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 und der Beteiligte zu 2 der Rechtsbeschwerde des Musterklägers wirksam beigetreten (§ 20 Abs. 3 KapMuG).

42

1. Die Rechtsmittel der Musterbeklagten zu 2 und 3 sowie des Beteiligten zu 2 sind in einen Beitritt gem. § 20 Abs. 3 KapMuG umzudeuten (noch offen gelassen in BGH, Beschluss vom 1. Juli 2014 – II ZB 29/12, ZIP 2014, 2074 Rn. 20; zur Umdeutung einer unzulässigen Rechtsbeschwerde in eine zulässige Anschlussrechtsbeschwerde: BGH, Beschluss vom 19. August 2014 – XI ZB 12/12, ZIP 2014, 1851 Rn. 7 f.; zur Umdeutung der Rechtsbeschwerde eines Nebenintervenienten in den Anschluss an einen Beitritt: BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 13/14, BGHZ 216, 27 Rn. 10). Die Umdeutung der Rechtsbeschwerde in einen Beitritt entspricht in der Regel den Interessen des Beteiligten. Schutzwürdige entgegenstehende Interessen sind nicht ersichtlich (Rimmelspacher in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 21 Rn. 17 f.; Reuschle in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 21 KapMuG Rn. 8, 14). Es ist anerkannt, dass § 140 BGB auf Verfahrenshandlungen entsprechend anzuwenden ist (BGH, Beschluss vom 28. September 2016 – XII ZB 487/15, BGHZ 212, 133 Rn. 28) und auch dann gilt, wenn die Nichtigkeit, bzw. hier die Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels, später eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1963 – V ZR 56/62, BGHZ 40, 218, 222), wie vorliegend bei der Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2, die vor der Rechtsbeschwerde des Musterklägers eingelegt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Umdeutung der Rechtsmittel in einen Beitritt im vorliegenden Fall den Interessen der Musterbeklagten zu 2 und 3 bzw. des Beteiligten zu 2 zuwiderlaufen würden, liegen nicht vor. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 haben den Beitritt vielmehr nochmals mit Schriftsatz vom 22. Februar 2016 innerhalb der Monatsfrist gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG erklärt.

43

2. Der Beitritt eines Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren setzt den Nachweis eines besonderen Beitrittsinteresses nicht voraus (Rimmelspacher in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 20 Rn. 73). Die auf Zurückweisung der Beitritte gerichteten Anträge sind nicht statthaft (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 13/14, BGHZ 216, 27 Rn. 24).

C.

44

Die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und der Musterbeklagten zu 1 haben in der Sache teilweise Erfolg.

45

I. Ohne Erfolg rügt die Musterbeklagte zu 1, dass der Musterentscheid bereits deshalb aufzuheben sei, weil der Vorlagebeschluss vom 22. September 2010 nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht und das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei, weil der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München für die Entscheidung zuständig gewesen wäre.

46

1. Der Vorlagebeschluss des Landgerichts München I wurde mit dem Eingang beim Oberlandesgericht wirksam.

47

a) Die Prüfung der Wirksamkeit des Vorlagebeschlusses ist dem Senat nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Satz 3 KapMuG entzogen. Die Wirksamkeit des Vorlagebeschlusses ist Prozessvoraussetzung des Musterverfahrens. Der Vorlagebeschluss enthält die Feststellungsziele (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG) und bestimmt damit den Streitgegenstand des Musterverfahrens (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 32). Ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG haben das Oberlandesgericht und das Rechtsbeschwerdegericht im Musterverfahren das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen fortlaufend zu prüfen (BGH, Beschluss vom 9. März 2017 – III ZB 135/15, ZIP 2017, 720 Rn. 13; Beschluss vom 4. Mai 2017 – III ZB 62/16, AG 2017, 543 Rn. 13; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 66; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 28).

48

b) Entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde hängt die Wirksamkeit des Vorlagebeschlusses nicht von dessen Mitteilung an die Musterbeklagte zu 1 oder weitere Verfahrensbeteiligte gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO, § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO ab. Zwar ist der Vorlagebeschluss nach diesen Vorschriften ungeachtet der öffentlichen Bekanntmachung von Erlass und Datum des Vorlagebeschlusses nach § 4 Abs. 3 KapMuG aF an die Parteien der nach § 3 KapMuG aF unter-brochenen Verfahren mitzuteilen. Der Vorlagebeschluss wird aber unabhängig von dieser Mitteilung spätestens mit dem Eingang des Vorlagebeschlusses beim Oberlandesgericht wirksam.

49

aa) Auf den am 22. September 2010 ergangenen Vorlagebeschluss und das Vorlageverfahren findet das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten in der Fassung vom 16. August 2005 (BGBl. I S. 2437) Anwendung (im Folgenden: KapMuG aF). § 27 KapMuG regelt die Anwendung des KapMuG auf das Musterverfahren und nicht auf das Vorlageverfahren.

50

bb) Der Vorlagebeschluss gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF, der nach § 3 Abs. 1 EGZPO, § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, wird mit seiner Mitteilung gemäß § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO an die Parteien der nach § 3 KapMuG aF unterbrochenen Verfahren, spätestens aber mit dem Eingang des Vorlagebeschlusses beim Oberlandesgericht wirksam.

51

Das auf die Vorlage an das Oberlandesgericht gerichtete Verfahren ist kein Teil des Ausgangsverfahrens. Es findet als selbstständiges Zwischenverfahren statt, auf das nach § 3 Abs. 1 EGZPO die Vorschriften der Zivilprozessordnung Anwendung finden (Vollkommer in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 35 f.; Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 1; aA Großerichter in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 2 KapMuG Rn. 1). Die öffentliche Bekanntgabe von Erlass und Datum des Vorlagebeschlusses nach § 4 Abs. 3 KapMuG aF ersetzt nicht dessen Mitteilung gem. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. Vollkommer in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 53).

52

Die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung ihre bestimmungsgemäßen Rechtsfolgen entfalten kann, wird aber nicht durch § 329 ZPO, sondern durch die gesetzlichen Regelungen bestimmt, nach denen die jeweilige Entscheidung ergeht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 1995 – XII ARZ 2/95, NJW-RR 1995, 641; Beschluss vom 19. September 1996 – IX ZR 277/95, BGHZ 133, 307, 310). Der Beschluss des Prozessgerichts nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF dient der Herbeiführung einer Entscheidung des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts und unterliegt nicht der Anfechtung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KapMuG aF). Seine bestimmungsgemäße Rechtsfolge, nämlich die Begründung der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über das Feststellungsziel, tritt spätestens mit dem Eingang des Vorlagebeschlusses beim Oberlandesgericht ein (vgl. zu § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG: Unger, ZZP 41 [1911], 370, 393; Müller, ZZP 66 [1953], 245, 258; Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 28 Rn. 3; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 28 Rn. 27). Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Mitteilung des Vorlagebeschlusses an die Parteien der nach § 3 KapMuG aF unterbrochenen Verfahren nachgeholt.

53

2. Im Hinblick darauf wird die Rüge der Musterbeklagten zu 1 gegenstandslos, der Vorlagebeschluss sei erst im Laufe des Jahres 2011 durch öffentliche Bekanntmachung existent bzw. wirksam geworden und deshalb sei auf Grundlage des Geschäftsverteilungsplans des Oberlandesgerichts für das Jahr 2011 ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts München für die Durchführung und Entscheidung des Musterverfahrens zuständig gewesen.

54

II. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex I 3., die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 enthaltene Insiderinformation sei unwahr und unvollständig, ist unbegründet. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 gegen die Feststellungen zu Komplex I 1. und 2., die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 11. Juli 2007 enthalte eine Insiderinformation i.S.v. § 13 WpHG aF (Komplex I 1.) und diese Insiderinformation habe die Musterbeklagte unmittelbar i.S.v. § 37c Abs. 1 WpHG aF betroffen (Komplex I 2.) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Feststellungen, weil die diesen zu Grunde liegenden Feststellungsziele gegenstandslos sind.

55

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

56

Die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten vom 11. Juli 2007 enthalte mit der Erhöhung der Prognose des Konzernergebnisses vor Steuern für das Gesamtjahr 2007 aufgrund der positiven Entwicklung im Neugeschäft des ersten Halbjahres 2007 von bislang 680 Mio. € auf 710 Mio. € eine Insiderinformation mit unmittelbarem Bezug zur Musterbeklagten zu 1. Diese Aussage sei nicht unwahr.

57

Die Mitteilung des Quartalsergebnisses vor Feststellung des Zwischenberichts sei zu Recht mit der Einschränkung „nach ersten Einschätzungen“ versehen worden. Interessen der Kapitalmarktteilnehmer seien durch die Einschränkung nicht berührt. Die Aussage habe wegen der Veröffentlichung als Ad-Hoc-Meldung nicht die Interpretation zugelassen, dass die mitgeteilten Zahlen lediglich grobe unverbindliche Schätzwerte seien. Soweit der Musterkläger unter Zeugenbeweisantritt behaupte, dass es die Einschätzung des Quartalsergebnisses in Wahrheit nicht gegeben habe, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zur Behauptung, das Ergebnis habe bereits festgestanden. Dies mache den Beweisantritt unschlüssig. Dass es die mitgeteilte Einschätzung gegeben habe, belege der nachfolgend veröffentlichte Halbjahresbericht. Der Beweisantritt des Musterklägers sei ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt.

58

Es könne nicht festgestellt werden, dass das US-CDO-Portfolio im Konzern der Musterbeklagten zu 1 infolge der Subprime-Krise bereits am 30. Juni 2007 wertgemindert gewesen sei und daher die Prognose für das Gesamtjahr 2007 hätte geringer ausfallen müssen. Für diese Behauptung fehle es an schlüssigem Vorbringen des Musterklägers.

59

Es sei nicht ersichtlich, dass die vom Musterkläger behaupteten Zeitwertverluste von CDO mit Bezug zu Subprime zum 30. Juni 2007 einem endgültigen Abschreibungsbedarf gleichzusetzen seien. Konkrete Umstände, wie etwa Ratingherabstufungen in Bezug auf einzelne Finanztitel im Portfolio der HRE-Gruppe, denen die Musterbeklagte zu 1 hätte entnehmen müssen, dass etwa ermittelte Zeitwertverluste eine dauerhafte Wertberichtigung verlangen würden, seien für den Stichtag 30. Juni 2007 nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Für den 11. Juli 2007 und erst recht für das erste Halbjahr 2007 sei kein Sachverhalt vorgetragen oder ersichtlich, der eine verallgemeinernde Schlussfolgerung auf einen Abschreibungsbedarf für das CDO-Portfolio der Musterbeklagten zu 1 insgesamt wegen dessen US-Subprime-Bezugs zulassen würde.

60

Gewinnwirksame Zeitwertverluste der synthetischen CDO per 30. Juni 2007 trage der Musterkläger nicht schlüssig vor. Es handele sich um Behauptungen ins Blaue hinein ohne tragfähige Basis. Der Musterkläger behaupte verschiedene, einander widersprechende Berechnungsergebnisse. Die diesbezüglichen Beweisanträge des Musterklägers stellten sich als Beweisermittlungsanträge dar. Der Musterkläger vernachlässige außerdem, dass verschiedene Faktoren zum Geschäftsergebnis beitrügen und eine Abschreibung auf synthetische CDO nicht notwendig zu einer Ergebnisveränderung führe. Die behaupteten Mindestbeträge der Ergebnisveränderung seien durch aufzulösende Rückstellungen abgedeckt gewesen.

61

Die derivativen Anteile der synthetischen CDO in der HRE-Gruppe seien zudem zum damaligen Zeitpunkt unstreitig nicht getrennt über die Gewinn- und Verlustrechnung gebucht worden, so dass die gemeldete Gewinnerwartung wahr und nicht unwahr gewesen sei. Die Musterbeklagte zu 1 sei ihrer prozessualen Verpflichtung, sich zum Streitgegenstand einzulassen, in Bezug auf diesen Komplex nachgekommen. Einen Sachverhalt, der bereits für das erste Halbjahr 2007 Anhaltspunkte für eine Verschleierung von festgestelltem Abschreibungsbedarf liefern würde, habe der Musterkläger nicht aufgezeigt.

62

Die am 11. Juli 2007 mitgeteilte Prognose sei nicht im Hinblick auf die in ihr zum Ausdruck kommende positive Zukunftseinschätzung unvertretbar gewesen. Ein Abschreibungsbedarf im zweiten Halbjahr sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Dies spiegelten die im Verfahren vorgelegten historischen Dokumente wider. Der Umstand, dass mit Blick auf die Subprime-Krise mögliche Zukunftsrisiken einschließlich Gewinnrisiken keinen Eingang in die Prognose gefunden hätten, habe sich aus dem Wortlaut der Mitteilung vom 11. Juli 2007 unmissverständlich ergeben. Dass die Zielerreichung gefährdet sein würde, falls sich die allgemein diskutierten Risiken aus der Finanzmarktkrise realisieren würden, habe nicht gesondert verlautbart werden müssen, denn insoweit fehle es am spezifischen Bezug zur Musterbeklagten zu 1.

63

Die Ansicht des Musterklägers, die Musterbeklagte zu 1 habe das prognostizierte Jahresergebnis jedenfalls ohne belastbare Basis ins Blaue hinein aufgestellt, sei haltlos. Diese Schlussfolgerung lasse sich aus dem vom Musterkläger herangezogenen Prüfbericht der Deutschen Bundesbank vom 24. Juni 2008 nicht ableiten.

64

2. Die Ausführungen zu Feststellungsziel Komplex I 3., die in der Ad-Hoc-Mitteilung der Musterbeklagten vom 11. Juli 2007 enthaltene Insiderinformation sei unwahr und unvollständig, halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

65

a) Entgegen der Sicht der Musterbeklagten zu 2 und 3 ist das Feststellungsziel Komplex I 3. nicht zu unbestimmt formuliert, weil die in der Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 enthaltene Insiderinformation nicht konkret bezeichnet wurde.

66

aa) Jedes Feststellungsziel muss bestimmt bezeichnen, welcher Umstand bzw. welches Ereignis Gegenstand der rechtlichen Prüfung im Musterverfahren sein soll, wobei es sich auch um mehrere Umstände bzw. einen Sachverhalt handeln kann, der insgesamt eine Insiderinformation bildet (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 33 mwN). Ein Feststellungsziel darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Musterbeklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was mit Bindungswirkung für die Ausgangsverfahren feststeht (§ 22 Abs. 1 KapMuG), letztlich den Prozessgerichten der ausgesetzten Verfahren überlassen bleibt (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 64; Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 56).

67

Das Oberlandesgericht hat – ggf. nach Auslegung des Feststellungsziels und Feststellung des ihm zu Grunde liegenden Sachverhalts – seine rechtliche Prüfung zum Vorliegen von Insiderinformationen und deren Richtigkeit an diesen Anforderungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 33 mwN). Das Feststellungsziel kann anhand des rechtlichen und tatsächlichen Vorbringens ausgelegt werden, das es ausfüllen soll (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 57; vgl. Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 133 zum KapMuG aF). Ausgangspunkt für diese Auslegung ist der Vorlagebeschluss gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, der die Feststellungsziele i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG und eine knappe Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zugrundeliegenden gleichen Lebenssachverhalts enthält (§ 6 Abs. 3 KapMuG). Entsprechend kann auch der im Vorlagebeschluss wiedergegebene Parteivortrag bei der Auslegung berücksichtigt werden (offengelassen in BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 57). Dieser gibt die Rügen der Beteiligten wieder und ist geeignet, den Gegenstand des Musterverfahrens zu konkretisieren, wenn die in den Vorlagebeschluss aufgenommenen Feststellungsziele diesen für sich genommen nicht klar abgrenzen.

68

Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, den Gegenstand des Feststellungsziels aus dem Vorbringen der Parteien im Musterverfahren zu ermitteln und dieses in einer stattgebenden Entscheidung auszuformulieren (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 65; aA Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 25; Kruis, WuB 2018, 299, 301 f.). Dies folgt schon aus der fehlenden Dispositionsbefugnis einzelner Beteiligter über den durch den Vorlagebeschluss vorgegebenen Verfahrensgegenstand des Musterverfahrens (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 69; Vollkommer in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 58). Überdies hat das zur Entscheidung über den Musterverfahrensantrag berufene Prozessgericht diesen gem. § 3 Abs. 1 KapMuG als unzulässig zu verwerfen, soweit die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungzielen abhängt. Hierdurch sollsichergestellt werden, dass das Musterverfahren auf die in den Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Fragen konzentriert wird. Entsprechend ist auch die Erweiterung des Musterverfahrens gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapMuG davon abhängig, dass die Entscheidung der zugrundeliegenden Rechtsstreite von den weiteren Feststellungszielen abhängt. Die in diesen Vorschriften angelegte Begrenzung des Musterverfahrens auf die für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Fragen würde unterlaufen, wenn die Beteiligten des Musterverfahrens ein nicht hinreichend bestimmtes Feststellungsziel durch ihren Vortrag im Musterverfahren näher ausformen könnten. Auch die nachträgliche Präzisierung eines Feststellungsziels hat daher im Wege einer Erweiterung des Musterverfahrens nach § 15 KapMuG zu erfolgen (BGH, Beschluss vom19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 66; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 153). Schließlich könnte auch die Abhängigkeit eines Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG durch das Prozessgericht nicht geprüft werden, wenn der Inhalt der geltend gemachten Feststellungsziele aus dem Vorbringen der Beteiligten des Musterverfahrens zu bestimmen wäre.

69

Die Auslegung des Feststellungsziels durch das Oberlandesgericht unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 57; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 33).

70

bb) Das Oberlandesgericht hat das Feststellungsziel zutreffend dahin ausgelegt, dass die Haftung der Musterbeklagten zu 1 auf die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 mitgeteilte Erhöhung der Prognose des Konzernergebnisses vor Steuern für das Gesamtjahr 2007 von bislang 680 Mio. € auf 710 Mio. € gestützt werden soll. Mit diesem Inhalt ist das Feststellungsziel hinreichend bestimmt.

71

Für die Frage des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs gem. § 37c Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fassung vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10, im Folgenden: WpHG aF) wegen Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation ist entscheidend, welcher konkrete Umstand oder welches konkrete Ereignis Anknüpfungspunkt für eine Haftung sein soll. Die Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 enthält mehrere Informationen, nämlich eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung im zweiten Quartal, das außerplanmäßige Neugeschäft in Höhe von 10 Mrd. € in diesem Zeitraum, das Ergebnis des zweiten Quartals, die bisherige Prognose sowie die Erhöhung der Jahresprognose um 30 Mio. €. Aus dem Vorlagebeschluss und den im Komplex I zusammengefassten Feststellungszielen erschließt sich, dass Gegenstand der rechtlichen Prüfung des Oberlandesgerichts die Richtigkeit der in der Ad-Hoc-Meldung veröffentlichten Änderung der Jahresprognose für das Jahr 2007 wegen der Nichtberücksichtigung verschiedener Belastungen und Risiken sein sollte. Soweit das Oberlandesgericht auch die Information zum Ergebnis des 2. Quartals bzw. das aus diesem folgende Halbjahresergebnis zum Gegenstand seiner Prüfung gemacht hat, hat es diese als Vorfrage für die veränderte Prognose des Jahresergebnisses für relevant erachtet, der eine Verdoppelung des Halbjahresergebnisses zu Grunde gelegen hat.

72

b) Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts richtet, die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 enthaltene Insiderinformation eines Anstiegs der Jahresprognose um 30 Mio. € auf 710 Mio. € sei nicht unwahr.

73

aa) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Oberlandesgericht habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die Beweiserhebung zu der Behauptung unterlassen, die Musterbeklagte zu 1 habe gewusst, dass ergebnismindernde Bewertungsverluste bei synthetischen CDO in Höhe von 169 Mio. € bestanden hätten, weshalb die Prognose eines Quartalsergebnisses in Höhe von 183 Mio. € tatsächlich nie existiert habe, hat der Senat die hierzu erhobenen Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 ZPO).

74

bb) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde des Musterklägers, die Gewinnprognose sei wegen einer fehlerhaften Bilanzierung der Musterbeklagten zu 1 unvertretbar und damit unwahr.

75

(1) Enthält eine Mitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG aF eine Prognose als Insiderinformation, ist diese nicht nur dann unwahr i.S.d. § 37c Abs. 1 WpHG aF, wenn die Prognose tatsächlich nicht oder mit einem anderen Inhalt angestellt wurde. Der Begriff unwahr ist nach zutreffendem Verständnis ausgehend vom Begriff der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG aF und dem Sinn und Zweck der Informationshaftung nicht ausschließlich tatsachenbezogen zu verstehen, so dass eine Prognose auch dann unwahr i.S.d. § 37c Abs. 1 WpHG ist, wenn diese nicht hinreichend auf Tatsachen gestützt und kaufmännisch nicht mehr vertretbar ist (Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 99; Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 144; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rn. 41.192; Kumpan in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., § 98 WpHG Rn. 1; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 927).

76

Die Gegenansicht, die eine Prognose nur dann als unwahr ansehen möchte, wenn diese auf einen unzutreffenden Tatsachenkern gestützt wurde (Nietsch, BB 2005, 785, 788), verkennt, dass zukunftsbezogene Annahmen typischerweise auf eine wertende Betrachtung mehrerer Tatsachen gestützt sind und sich ein Prognosefehler nicht allein daraus ergeben kann, dass die der Prognose zu Grunde gelegten Tatsachen „im Kern“ unzutreffend sind, sondern ebenso aus einer unzureichenden Tatsachengrundlage oder einer fehlerhaften, kaufmännisch nicht mehr vertretbaren Bewertung (Fleischer, AG 2006, 2, 14 f.; Veil, AG 2006, 690, 696 f.). Das Vertrauen des Anlegers in eine Prognose ist unabhängig davon schutzwürdig, worauf der Prognosefehler beruht, und im Hinblick auf die in Betracht kommenden Fehlerquellen ist kein maßgeblicher Wertungsunterschied auszumachen, zumal die Veröffentlichung eigener Prognosen zur gegenwärtigen und künftigen Lage des Emittenten für den Anleger typischerweise eine besondere Bedeutung haben (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 926 f.; Klöhn, WM 2010, 289, 293). Der Emittent trägt seinerseits unabhängig von den bei ihm konkret vorhandenen Tatsachenkenntnissen die Verantwortung für die Richtigkeit von der von ihm nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF veröffentlichten Insiderinformationen (Thomale, Der gespaltene Emittent, 2018, S. 64). Diese Verantwortung erstreckt sich bei der Veröffentlichung von Prognosen auf die Wahrheit der ihr zu Grunde liegenden tatsächlichen Annahmen, eine sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlage und eine vertretbare Bewertung. Der Emittent könnte bei einer nur eingeschränkten Verantwortlichkeit im Übrigen in vielen Fällen einer Haftung wegen einer unwahren Ad-Hoc-Meldung allein durch den Hinweis auf (angebliche) Bewertungsfehler entgehen.

77

Der Emittent übernimmt aber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich die auf eine Prognose gestützte Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH, Urteil vom 21. März 2006 – XI ZR 63/05, ZIP 2006, 891 Rn. 12; Urteil vom 31. Mai 2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 10). Die Anlegerinteressen werden dadurch gewahrt, dass Prognosen durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sein müssen. Sie sind nach den seinerzeit gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 927; Urteil vom 18. Juli 2008 – V ZR 71/07, WM 2008, 1798 Rn. 11; Urteil vom 27. Oktober 2009 – XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Rn. 19;Urteil vom 31. Mai 2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 13; Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 17). Da die Prognose nur auf ihre Vertretbarkeit hin zu untersuchen ist, kommt dem Emittenten bei der Auswahl des Prognoseverfahrens und der Informationen, die ihr zu Grunde gelegt werden, ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 129, 181, 199; Veil, AG 2006, 690, 697; Fleischer, AG 2006, 2, 8; Spindler, AG 2006, 677, 679 f.).

78

Eine auf einer Bilanz basierende Prognose künftiger Geschäftsergebnisse ist nicht schon unvertretbar, wenn ein Risiko in der Bilanz nicht korrekt abgebildet ist oder diese sonst fehlerhaft ist, sondern vielmehr erst dann, wenn sich die Prognose als nicht mehr tragfähig erweist, mithin die Bilanz unter Berücksichtigung des gewählten Verfahrens keine taugliche Grundlage für die Prognose mehr darstellt. Das Oberlandesgericht hat daher zutreffend angenommen, dass die Tragfähigkeit einer Prognose typischerweise nicht in Frage gestellt ist, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Bilanzierungsfehlers durch die hierfür verfügbare bilanzielle Risikovorsorge gedeckt sind.

79

Anders als bei einem Prospekt, der neben Prognoseaussagen regelmäßig Risikohinweise enthalten und ein insgesamt zutreffendes Gesamtbild zeichnen muss (BGH, Urteil vom 18. September 2012 – XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 22 ff.; Urteil vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 74), erhebt die Bekanntgabe einer kapitalmarktbezogenen Einzelinformation mittels Ad-Hoc-Meldung erkennbar nicht den Anspruch, eine das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung zu sein (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 Rn. 13; Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 Rn. 14). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 7 WpAIV, weil die in dieser Vorschrift enthaltene Begründungspflicht sich auf die Eignung der Information zur Kursbeeinflussung bezieht, nicht aber auf die Erläuterung der Informationsgrundlagen (weitergehend Veil, AG 2006, 690, 695; Klöhn, WM 2010, 289, 291). Eine Pflicht zur Erläuterung besteht nur, soweit ausgehend von den im Kapitalmarkt vorhandenen Informationen und Erwartungen ohne weitere Erläuterung die Gefahr einer Irreführung vorliegen würde.

80

(2) Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers rügt zu Unrecht, dass die Prognose fehlerhaft sei, weil in den Cash-CDO enthaltene Derivate getrennt erfolgswirksam hätten bilanziert werden müssen. Das Oberlandesgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass Marktwertveränderungen der Cash-CDO nicht zwingend negative Auswirkungen auf den Konzernhalbjahresgewinn zum 30. Juni 2007 haben mussten. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die bilanzielle Nichttrennung der in Cash-CDO eingebetteten Finanzinstrumente rechtsfehlerhaft gewesen wäre.

81

(a) Gemäß IAS 39.11 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 108/2006 der Kommission vom 11. Januar 2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IFRS 1, 4, 6 und 7, IAS 1, 14, 17, 32, 33 und 39 sowie IFRIC 6, ABl. EG 2006 L 24, S. 1 (im Folgenden: IAS) ist ein eingebettetes Derivat von dem Basisvertrag zu trennen und gem. IAS 39 dann und nur dann als Derivat zu bilanzieren, wenn (a) die wirtschaftlichen Merkmale und Risiken des eingebetteten Derivats nicht eng mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des Basisvertrags verbunden sind, (b) ein eigenständiges Instrument mit den gleichen Bedingungen wie das eingebettete Derivat die Definition eines Derivats erfüllen würde und (c) das strukturierte (zusammengesetzte) Finanzinstrument nicht zum beizulegenden Zeitwert bewertet wird, dessen Änderungen erfolgswirksam erfasst werden. IAS 39.11 regelt ausdrücklich nicht, ob ein eingebettetes Derivat im Abschluss gesondert auszuweisen ist. In IAS 39.AG30 und 39.AG33 sind Beispiele aufgeführt, wann eine enge Verbindung gem. IAS 39.11 Satz 1 (a) vorliegt und wann nicht. Gemäß IAS 39.AG30 (h) sind Kreditderivate, die in ein Basisschuldinstrument eingebettet sind und einer Vertragspartei (dem „Begünstigten“) die Möglichkeit einräumen, das Ausfallrisiko eines bestimmten Referenzvermögenswerts, der sich unter Umständen nicht in seinem Eigentum befindet, auf eine andere Vertragspartei (den „Garantiegeber“) zu übertragen, nicht eng mit dem Basisschuldinstrument verbunden. Solche Kreditderivate ermöglichen es dem Garantiegeber, das mit dem Referenzvermögenswert verbundene Ausfallrisiko zu übernehmen, ohne dass sich der dazugehörige Referenzvermögenswertdirekt in seinem Besitz befinden muss.

82

(b) In Cash-CDO sind im Regelfall keine trennungspflichtigen Derivate eingebettet.

83

Bei einem Cash-CDO veräußert der Originator Forderungen an eine in der Regel eigens hierfür gegründete Zweckgesellschaft (special purpose vehicle). Diese wird durch den Ankauf rechtlicher und wirtschaftlicher Inhaber der Forderungen. Die Forderungen werden anschließend von der Zweckgesellschaft verbrieft und als CDO an den Kapitalmarkt weitergegeben (refinanziert). Dabei verbleiben die Wertpapiere bei der Zweckgesellschaft. Die CDO berechtigen zum Bezug der Zahlungsflüsse (Cashflow) aus dem Portfolio der Zweckgesellschaft. Soweit Forderungen des übernommenen Portfolios ausfallen, kommt es zu einer Reduzierung bzw. zum Ausfall der Zins- und Tilgungszahlungen der CDO. Dabei besteht eine Rangfolge verschiedener CDO-Tranchen (sog. Waterfall), nach der Senior-Tranchen vor den Mezzaninen und diese vor der Equity-Tranche bedient und Verluste entsprechend verteilt werden. Die höhere Tranche wird so durch die niedrigeren Tranchen geschützt.

84

Das vom Erwerber des Cash-CDO übernommene Risiko besteht im Regelfall in einem Ausfall der von der Zweckgesellschaft angekauften Forderungen und beeinflusst unmittelbar die Bonität der Zweckgesellschaft, da diese keine weitere Geschäftstätigkeit entfaltet. Die Cash-CDO sind nur mit dem Bonitätsrisiko der Zweckgesellschaft behaftet, das seinerseits unmittelbar durch das Kreditrisiko der zugrundeliegenden Forderungen bestimmt wird. Angesichts dessen wird eine Trennungspflicht, ungeachtet der mit dem sog. Waterfall bestimmten Rangbeziehungen, mit unterschiedlicher Begründung verneint (Schaber/Rehm/Märkl/Spies, Handbuch strukturierte Finanzinstrumente, 2. Aufl., S. 199 f., 203 f.; Becker/Kropp in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Stand: Oktober 2014, Bilanzierung derivativer Finanzinstrumente und Sicherungsbeziehungen nach IFRS, Rn. 194 – kein eingebettetes Derivat; IDW Positionspapier vom 10. Dezember 2007, Anlage B 37 S. 4; Gaber, DB 2008, 1221, 1223 – Merkmal einer Finanzgarantie erfüllt; Deloitte & Touche LLP, iGAAP 2008, 4. Aufl., Financial Instruments: IAS 32, IAS 39 and IFRS 7 explained, S. 199 f., 209; PwC LLP, IFRS Manual of Accounting 2019 – Volume 2, Rn. 41.43; PwC LLP, IFRS Manual of Accounting 2008, Rn. 6.5.49 – enge Verbindung mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des originären Schuldinstruments; Brackow in Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof, Rechnungslegung nach IFRS, Stand: 30.6.2016, IAS 39 Rn. 47).

85

Eine Trennungspflicht besteht nur, soweit in den Aktiva der Zweckgesellschaft neben den Forderungen Derivate enthalten sind, die nicht ihrerseits Finanzgarantien sind (für die Bilanzierung nach HGB Wiechens/Lorenz/Morawietz in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses, Stand: Mai 2014, Bilanzierung von derivativen Finanzinstrumenten und Sicherungsbeziehungen nach HGB, Rn. 196). Die Rechtsbeschwerde bezieht sich für ihre gegenteilige Auffassung auf Stimmen, die sich mit der Einbettung von Credit Default Swaps in eine Schuldverschreibung befassen (Löw/Lorenz in Löw, Rechnungslegung für Banken nach IFRS, 2. Aufl., S. 555; PwC, IFRS für Banken, 3. Aufl., S. 477, 480; so auch, ohne Differenzierung zwischen Cash- und synthetischen CDO, Schmitz/Huthmann, Bilanzierung von Finanzinstrumenten, 2012, S. 115, 125) und damit nicht die typische Struktur eines Cash-CDO betreffen.

86

(c) Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Sachvortrag auf, der die bilanzielle Einordnung der Cash-CDO bei der Musterbeklagten zu 1 zum 30. Juni 2007 als unvertretbar erscheinen lässt. Insbesondere wird die Einbettung von Credit Default Swaps oder vergleichbarer Kreditderivate in die im Konzern der Musterbeklagten zu 1 gehaltenen Cash-CDO nicht behauptet. Soweit der Musterkläger sich auf die Ausführungen des Privatgutachters des Musterklägers bezieht, betreffen dessen Ausführungen die Cash-Flow Umleitung auf Anlegerseite, die nach den oben aufgezeigten Grundsätzen auf den mit dem sog. Waterfall bestimmten Rangbeziehungen beruht, die für die Annahme einer Trennungspflicht nach IAS 39.11 aber nicht relevant sind.

87

(3) Die Rechtsbeschwerde wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, dass ein aus Wertminderungen folgender Wertberichtigungsbedarf auf das gesamte US-CDO-Portfolio in Höhe von 452,6 Mio. € vom Musterkläger nicht schlüssig dargelegt worden sei. Unabhängig davon, ob die vom Oberlandesgericht angenommene Widersprüchlichkeit des Sachvortrags die Annahme der Unschlüssigkeit trägt, liegt kein schlüssiges Vorbringen des Musterklägers vor.

88

(a) Das Oberlandesgericht hat seiner Beurteilung, ob nach dem Vorbringen des Musterklägers eine Einzel- oder Pauschalwertberichtigung auf die im CDO-Portfolio gehaltenen Finanztitel zwingend vorzunehmen war, entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde nicht die Rechtsauffassung zu Grunde gelegt, dass Wertberichtigungen nach IAS 39.59 nur bei bereits eingetretenen Zahlungsausfällen im Portfolio in Betracht zu ziehen seien (vgl. IAS 39.59 [b]). Vielmehr hat es in Betracht gezogen, dass Wertberichtigungen auch auf Grund anderer Umstände geboten sein können.

89

(b) Mit der von der Rechtsbeschwerde wiedergegebenen, auf die Ausführungen seines Privatgutachters gestützten Behauptung des Musterklägers, am 30. Juni 2007 habe das CDO-Portfolio der HRE einen mit Hilfe des von der HRE verwendeten DCF-Modells und der Spread-Matrix von J.P. Morgan berechneten Marktwert in Höhe von 81,8 % des Nominalvolumens gehabt, was einer Wertberichtigung von -452,6 Mio. € oder -18,2 % entspreche, wurde nicht schlüssig dargelegt, dass das Absehen von einer Wertberichtigung auf das Portfolio in dem zum 30. Juni 2007 aufgestellten Zwischenabschluss kaufmännisch unvertretbar war. Der Musterkläger hat damit lediglich eine Rechtstatsache, bei der es sich nicht um einen einfachen, jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufigen Rechtsbegriff handelt (dazu BGH, Urteil vom 2. Juni 1995 – V ZR 304/93, ZIP 1995, 1633; Urteil vom 13. März 1998 – V ZR 190/97, WM 1998, 1400, 1402; Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 15), pauschal behauptet. Aus dem weiteren von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Vortrag des Musterklägers und dessen Bezugnahme auf die Ausführungen des Privatgutachters lässt sich nicht ableiten, dass eine Wertberichtigung aus kaufmännischer Sicht zwingend geboten war.

90

(aa) Dass bei einem Verkauf der CDO zum 30. Juni 2007 nicht der volle Nennwert zu erzielen war, macht die Prognose, bei unverändertem Halten der CDO bis zur Endfälligkeit werde der volle Wert realisiert, nicht unvertretbar. Auch der Ansatz der fortgeführten Anschaffungskosten in der Bilanz wird damit nicht in Zweifel gezogen. Marktwertänderungen der teilweise in der Kategorie HtM zu fortgeführten Anschaffungskosten und teilweise in der Kategorie AfS erfolgsneutral in der AfS-Rücklage bilanzierten CDO sind grundsätzlich nicht erfolgswirksam zu buchen (Paa/Schmidt in Thiele/von Keitz/Brücks, Internationales Bilanzrecht, Stand: 1. November 2014, IAS 39 Rn. 245, 249; von Eitzen/Zimmermann, Bilanzierung nach HGB und IFRS, 2. Aufl., Kap. 5.7.4.1 S. 245 f.). Um die mitgeteilte Jahresprognose zu beeinflussen, müssten die behaupteten Zeitwertänderungen der CDO ergebnisrelevant gewesen sein.

91

(bb) Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers kann Ihre Rechtsbehauptung nicht auf die Feststellungen des Privatgutachters in seiner Stellungnahme vom 23. Juni 2014 stützen, weil sich aus dieser Stellungnahme schon nicht eindeutig ergibt, dass der Privatgutachter die von ihm ermittelten Marktwertveränderungen einem Wertberichtigungsbedarf gleichgestellt hat. Die Schlussfolgerung der Rechtsbeschwerde, mit den vom Gutachter wiedergegebenen Zahlen sei stets ein Abschreibungsbedarf gemeint, widerspricht den vorgelegten Stellungnahmen. Der Privatgutachter differenziert nur teilweise zwischen Zeitwert und Abschreibung, wobei die Werte erheblich voneinander abweichen.

92

(cc) Unabhängig davon gelangt der Musterkläger mit seiner Bezugnahme auf die Ausführungen des Privatgutachters selbst zum Ergebnis, dass zum 30. Juni 2007 noch nicht in jedem Fall eine ergebniswirksame Wertberichtigung zu erfolgen hatte. In seiner Stellungnahme vom 14. August 2013, die sich der Musterkläger auch nach Vorlage der späteren Stellungnahmen weiterhin zueigen gemacht hat, gelangt der Privatgutachter zum Ergebnis, dass das CDO-Portfolio zum 29. Juni 2007 nur noch einen Marktwert von 85 % des Nominalwerts aufgewiesen habe, zu diesem Zeitpunkt aber nach den in der Stellungnahme angewandten Maßstäben noch kein Wertberichtigungsbedarf bestanden habe. In der ergänzenden Stellungnahme vom 17. März 2014 gelangt der Privatgutachter für die im Juli 2007 veräußerten CDO zu einem ebenfalls um 15 % geminderten Marktwert, ohne einen Wertberichtigungsbedarf festzustellen.

93

(dd) Die vom Privatgutachter in den Stellungnahmen vom 23. Juni 2014 und 8. September 2014 behaupteten Zahlen stützen sich im Übrigen nicht durchgehend auf begründete Vermutungen und Schlussfolgerungen. Zentrales Element der Bewertung von CDO ist neben dem vereinbarten Zins und dem Risikoaufschlag (spread) die erwartete durchschnittliche Restlaufzeit des CDO (WAL). Diese – so das Vorbringen des Musterklägers – habe sich im Laufe des Jahres 2007 verlängert, nachdem zunehmend vertraglich eingeräumte Möglichkeiten der Aussetzung von Zahlungen genutzt worden und Möglichkeiten vorzeitiger Kredittilgungen vermehrt ungenutzt geblieben seien. Die Musterbeklagte zu 1 hat ihre Annahmen zur verbleibenden Restlaufzeit mit Vorlage des Schreibens an die BaFin vom 31. August 2007 aufgedeckt. Hieraus hat der Musterkläger anknüpfend an die Annahmen des Privatgutachters eine durchschnittliche Laufzeit ermittelt und die Annahmen der Musterbeklagten zu 1 angesichts der Marktsituation als unrealistisch verworfen. Dabei stützt sich der Privatgutachter maßgeblich auf den Rückgang einer von J.P. Morgan am 29. Juni 2007 publizierten konstanten vorzeitigen Rückzahlungsrate von vormals 50 % auf 35 % für im frühen Jahr 2005 emittierte Kredite sowie für Kredite aus dem späten Jahr 2005 und dem Jahr 2006 um weitere 25 % bis 30 %. Für die eigene Berechnung werden nachfolgend aber weder diese auf der Marktsituation beruhenden Annahmen noch die seit der Emission der CDO vergangene Zeit berücksichtigt, sondern die ursprünglich erwartete Laufzeit bei Emission des jeweiligen Papiers zu Grunde gelegt. Diese Vorgehensweise verkehrt die auf dem Bericht von J.P. Morgan fußende Erkenntnis, dass jüngere CDO überproportional von längeren Laufzeiterwartungen betroffen waren, teilweise in ihr Gegenteil und orientiert sich auch nicht an einem Vertretbarkeitsmaßstab, anhand dessen die Richtigkeit der Prognose zu bewerten ist. Die vom Privatgutachter gewählte Methode würde dazu führen, dass bei den als gefährdet angesehenen Neuemissionen mangels Zeitablauf letztlich die laufzeitbedingte Wertminderung nicht bzw. kaum abgebildet würde, sich bei älteren CDO, auf die sich der Bericht nicht bezieht, dagegen wesentliche Wertminderungen ergäben, ohne dass der Bericht hierfür Anhaltspunkte aufgezeigt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Annahme des Privatgutachters zu der erwarteten Laufzeitverlängerung im Sicherheitenpool von „bis zu 7,5 Jahren“ andere vertretbare Annahmen ausschließt. Den auf diese Weise gewonnenen Ergebnissen fehlt damit ein nachvollziehbarer Bezug zu der in dem Bericht beschriebenen Marktsituation.

94

(ee) Aus den weiteren von der Rechtsbeschwerde hervorgehobenen Umständen lässt sich ebenfalls nichts Zwingendes für eine Wertminderung des CDO-Portfolios nach IAS 39.59 zum 30. Juni 2007 ableiten. Weder die von der Rechtsbeschwerde des Musterklägers hervorgehobenen Marktwertveränderungen noch die beschriebenen Laufzeitverlängerungen vermögen – wie aus den in IAS 39.59 (a) bis (f) genannten Schadensfällen zu ersehen – für sich gesehen objektive Hinweise auf eine Wertminderung des CDO-Portfolios zu begründen, sondern – wie die Rechtsbeschwerde selbst erkennt – zunächst nur eine Marktwertveränderung. Diese ist nach IAS 39.60 Satz 3 kein notwendiger Hinweis auf eine Wertminderung. Soweit die Rechtsbeschwerde auf Vorbringen des Musterklägers verweist, wonach die Marktwertveränderungen bereits zum 30. Juni 2007 Ratingherabstufungen impliziert und deutlich gemacht hätten, dass die ursprüngliche Bewertung der CDO nicht habe aufrechterhalten werden können, mögen solche Schlussfolgerungen möglich gewesen sein. Dass diese Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Regelungen über Schadensfälle in IAS 39.59 zwingend waren, ergibt sich daraus nicht. Diese Umstände erfüllen auch unter Berücksichtigung des vom Musterkläger allgemein gehaltenen Vortrags zu beobachtenden sinkenden Häuserpreisen in den USA nicht die Voraussetzungen eines Schadenfalls nach IAS 39.59 (f) (ii). Das Oberlandesgericht hat sich – ohne dass die Rechtsbeschwerde hiergegen Einwände erhebt – mit den im Markt vorhandenen Informationen über den Verlauf der Subprime-Krise im ersten Halbjahr 2007 befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass deren weiterer Verlauf zum 30. Juni 2007 noch nicht in einer Weise absehbar gewesen sei, dass die Folgen für das Portfolio der HRE-Gruppe vorausschauend quantifiziert hätten werden können und müssen.

95

Das vorgetragene Absinken des TABX-Index zum 30. Juni 2007 genügt für die Darlegung eines zwingenden Abschreibungsbedarfs ebenfalls nicht. Mit der Behauptung, der TABX-Index habe bereits vor dem 30. Juni 2007 Ratingherabstufungen impliziert, ist nicht gesagt, dass die Musterbeklagte zu 1, die ein anderes Verfahren zur Bewertung der im Konzern gehaltenen CDO verwandt hat, daraus zwingend einen Abschreibungsbedarf hätte folgern müssen. Erst recht ergibt sich ein Abschreibungsbedarf nicht aus der Heranziehung einzelner Transaktionen und Handelspreise, von denen nicht erkennbar ist, dass die Musterbeklagte das entsprechende Marktgeschehen verfolgt hat oder hätte verfolgen müssen.

96

(4) Ohne Erfolg rügt der Musterkläger, die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 veröffentlichte Jahresprognose für 2007 sei falsch, weil ein Zeitwertverlust bei synthetischen CDO in Höhe von 169,3 Mio. € bestanden habe und die in den synthetischen CDO eingebetteten Derivate getrennt erfolgswirksam hätten bilanziert werden müssen. Die vom Oberlandesgericht nicht beantwortete Frage, ob eingebettete Derivate in synthetischen CDO zum 30. Juni 2007 getrennt zu bilanzieren gewesen wären, bzw. ob die Musterbeklagte zu 1 mit der Nichttrennung der eingebetteten Derivate im Sommer 2007 noch vertretbar handelte, muss vom Senat nicht entschieden werden. Das Oberlandesgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass etwaige Zeitwertverluste bei den synthetischen CDO durch bilanzielle Risikovorsorge kompensiert werden konnten und damit die Tragfähigkeit der Prognose nicht in Frage stellen.

97

(a) Gegenstand der Ad-Hoc-Meldung, die das Rechtsbeschwerdegericht selbst auslegen kann (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/17, ZIP 2019, 655 Rn. 21 zum Fondsprospekt mwN), war nicht die Bilanzierung selbst, aus der auch die Minderung der Rückstellungen ersichtlich wäre, sondern lediglich die auf die Bilanz gestützte Jahresprognose. Die Bilanz trägt die Prognose auch dann, wenn sich die verbleibende Risikovorsorge für das laufende Jahr vermindert. Die Rechtsbeschwerde beanstandet weder grundsätzlich das von der Musterbeklagten zu 1 gewählte Prognoseverfahren noch zeigt sie Vortrag auf, nach dem die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 veröffentlichte Jahresprognose für das Jahr 2007 aufgrund der Nichtabtrennung der in den synthetischen CDO enthaltenen Derivate im Quartalsbericht unvertretbar wäre.

98

(b) Das Oberlandesgericht hat die Behauptung des Musterklägers, es habe zum 30. Juni 2007 eine Wertminderung der synthetischen CDO in Höhe von 169,3 Mio. € vorgelegen, mit Recht für unbeachtlich gehalten.

99

Die Behauptung über den Umfang der sich unter Verwendung des von der Musterbeklagten zu 1 seinerzeit verwendeten Bewertungssystems ergebenden Wertminderung wurde, wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein aufgestellt, weil die Annahmen über die Restlaufzeit der CDO auf willkürlich ausgewählten Berechnungsparametern beruhen (vgl. bereits vorstehend [3] [b] [dd]). Der in der Tabelle 2 der Stellungnahme vom 23. Juni 2014 vom Privatgutachter ermittelte Wertberichtigungsbedarf im Bereich der synthetischen CDO beruht ganz überwiegend auf CDO, die bereits im Jahr 2003 angeschafft wurden und bei denen der Gutachter ungeachtet des Anschaffungszeitpunkts und der bis zum Bilanzstichtag verstrichenen Laufzeit Restlaufzeiten zwischen 8,5 und 12,9 Jahren zu Grunde gelegt hat.

100

Zudem ist auch nach dem Vorbringen des Musterklägers davon auszugehen, dass die Musterbeklagte zu 1 auf der Grundlage eines anderen, nach den Angaben des Privatgutachters geeigneten Bewertungssystems den Zeitwertverlust der synthetischen CDO am 29. Juni 2007 mit 24 Mio. € zuzüglich 22,3 Mio. € hinsichtlich der im dritten Quartal 2007 veräußerten CDO, mithin mit 52,48 Mio. € vertretbar hätte bewerten können. Die Annahmen des Musterklägers zum Absinken eines Marktpreisindex unterstellt, hätte sich danach bei einer getrennt erfolgswirksamen Bilanzierung der eingebetteten Derivate nur in dieser Höhe ein Zeitwertverlust unmittelbar in der Gewinn- und Verlustrechnung niedergeschlagen.

101

(c) Von diesem Vortrag ausgehend ist die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die Vertretbarkeit der Prognose für das Jahresergebnis 2007 durch eine möglicherweise fehlerhafte Bilanzierung der synthetischen CDO nicht in Frage gestellt wird, nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde zeigt selbst Rückstellungen über 56 Mio. € auf und behauptet nicht, dass die Auflösung von Rückstellungen rechtlich unzulässig gewesen wäre oder hierdurch ein unrichtiges Bild von der Ertragslage der Musterbeklagten zu 1 gezeichnet worden wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924 ff.). Die Unvertretbarkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Musterbeklagte zu 1 selbst bereits eine Ergebnisänderung im Bereich von 30 Mio. € für mitteilungspflichtig erachtet hat. Dies ändert nichts daran, dass die durch eine getrennte Bilanzierung der in den synthetischen CDO eingebetteten Derivate bewirkte Ergebnisbelastung durch Rückstellungen gedeckt gewesen wäre.

102

cc) Die Prognose ist entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde des Musterklägers auch nicht deswegen unrichtig bzw. unvollständig, weil in die Prognose für das Jahresergebnis 2007 zwingend die Bewertung hätte einschließen müssen, ob im zweiten Halbjahr 2007 ein Einzelwertberichtigungsbedarf entsteht bzw. andere erhebliche Umstände mit Kursbeeinflussungspotential nicht angesprochen wurden.

103

(1) Der Beurteilungsspielraum bei einer Prognose über die künftige Geschäftsentwicklung oder bei ihrer späteren Anpassung ist nicht nur dann überschritten, wenn der Emittent wider besseren Wissens von einer optimistischen oder zumindest kontinuierlichen Entwicklung ausgeht, sondern auch dann, wenn er Umstände außer Betracht lässt, die für diese Erwartung erkennbar relevant sind. Umgekehrt ist aber zu respektieren, dass eine Prognose eine subjektive Wahrscheinlichkeitsbeurteilung enthält, in der auch die Risikoeinstellung des Emittenten zum Ausdruck kommt (vgl. Spindler, AG 2006, 677, 679 f.), so dass auch optimistische Erwartungen im Bereich des Vertretbaren liegen (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Rn. 22). Soweit in der früheren Rechtsprechung des Senats zum Ausdruck kommt, es sei bei Voraussagen und Werturteilen allgemein Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 927), hält der Senat hieran nicht fest. Soweit er ausgesprochen hat, dass bei langfristigen Prognosen mit erheblichen Risiken vorsichtig kalkulierend auf die Zukunft zu schließen ist (BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 17), kommt darin nur zum Ausdruck, dass bei der prognostischen Betrachtung die Grenze zur Spekulation nicht überschritten werden darf.

104

(2) Die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass die bis zum 11. Juli 2007 eingetretenen Ereignisse es nicht geboten, von einer ausschließlich auf die zurückliegenden Geschäftsergebnisse basierenden Jahresprognose abzusehen, ist von diesen Grundsätzen ausgehend aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

105

(a) Entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde ist die Ad-Hoc-Meldung, die das Rechtsbeschwerdegericht selbst auslegen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/17, ZIP 2019, 655 Rn. 21 zum Fondsprospekt mwN), nicht dahin zu verstehen, dass mit der Prognose des Jahresergebnisses die Erklärung verbunden ist, es lägen keine unter Berücksichtigung der MaRisk bedeutsamen Risiken vor. Entsprechend kann die Unrichtigkeit der Mitteilung auch nicht mit den von der Rechtsbeschwerde hervorgehobenen Feststellungen des Prüfberichts der Deutschen Bundesbank vom 26. Juni 2008 begründet werden. Die Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 enthält auch nicht die Erklärung, dass die Musterbeklagte zu 1 sich von der sich abzeichnenden Instabilität des CDO-Markts nicht betroffen sah. Die auf zurückliegende Geschäftsergebnisse gestützte Jahresprognose gibt lediglich darüber Auskunft, dass die Musterbeklagte zu 1 ihrer Prognose eine unter Berücksichtigung des Halbjahresergebnisses konstante Geschäftsentwicklung zu Grunde gelegt hat.

106

(b) Das Oberlandesgericht hat festgestellt, die Musterbeklagte zu 1 habe die weitere Entwicklung der Subprime-Krise am 11. Juli 2007 als so ungewiss ansehen dürfen, dass ein Abwertungsbedarf im CDO-Bestand für das zweite Halbjahr 2007 vertretbar habe verneint werden können. Die gegen diese Feststellung gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde des Musterklägers bleiben ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht hat erkannt und in seine Würdigung einbezogen, dass die US-Immobilienkrise bereits vor der Mitteilung am 11. Juli 2007 begann. Es hat sich ausgehend von den im Musterverfahren vorgelegten Dokumenten allerdings nicht davon überzeugen können, dass diese Marktlage erkennbar negative Auswirkungen auf die Ertragslage der Musterbeklagten zu 1 im zweiten Halbjahr 2007 haben musste. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers zeigt nicht auf, dass diese Würdigung widersprüchlich ist, Denkfehler enthält oder maßgeblichen Parteivortrag unberücksichtigt gelassen hat. Schließlich ist auch die Bewertung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, dass die Ad-Hoc-Meldung für den Anlegerkreis offengelegt hat, dass im Markt allgemein bekannte Risiken in der Prognose gesondert berücksichtigt wurden.

107

dd) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde schließlich, das Oberlandesgericht habe den beweisbewehrten Vortrag des Musterklägers übergangen, die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 berichtete Prognose zum Jahresergebnis der Musterbeklagten zu 1 sei falsch, weil die schon im zweiten Quartal beschlossene Umklassifizierung der in der Kategorie HtM gehaltenen Finanzanlagen nicht berücksichtigt sei. Die Behauptung ist nicht geeignet, die in der Ad-Hoc-Meldung veröffentlichte Prognose infrage zu stellen, da die Bilanzierung dann anstatt erfolgsneutral zu fortgeführten Anschaffungskosten zwar zum Marktwert, ebenfalls aber erfolgsneutral in der AfS-Rücklage hätte erfolgen müssen und dies auf die Ergebnisprognose keinen Einfluss gehabt hätte. Soweit der Musterkläger Wertberichtigungsbedarf behauptet, ist zumindest der Anlass der Wertberichtigung unabhängig von der Klassifizierung der Finanzinstrumente.

108

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 sei unvollständig, weil Tatsache und Zeitpunkt der Umklassifizierung kursrelevant gewesen seien, ist dies nicht Gegenstand des vom Oberlandesgericht zutreffend ausgelegten Feststellungsziels, das sich nur auf die Richtigkeit der Gewinnprognose bezieht.

109

3. Die Feststellungsziele, die Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 enthalte eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG und diese Insiderinformation habe die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG und § 37c Abs. 1 WpHG betroffen (Komplex I 1. und 2.) sind gegenstandslos, weil das Oberlandesgericht das Feststellungsziel, die in dieser Ad-Hoc-Meldung enthaltene Insiderinformation sei unwahr und unvollständig (Komplex I 3.) zurückgewiesen hat und die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Musterklägers ohne Erfolg bleibt. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 führt zur Aufhebung der Feststellungen des Oberlandesgerichts zu Komplex I 1. und 2.

110

a) Das Oberlandesgericht hat im Kapitalanlegermusterverfahren ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses fortlaufend zu prüfen, ob für die einzelnen Feststellungsziele ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der vorangegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrundeliegende Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG) hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49; Beschluss vom9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 60; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 – III ZB 62/16, AG 2017, 543 Rn. 16).

111

b) Die Zurückweisung des Feststellungsziels, die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 liegende Insiderinformation sei unwahr und unvollständig (Komplex I 3.), führt zum Fortfall des Sachentscheidungsinteresses, weil die den Feststellungszielen Komplex I 1. und 2. zugrundeliegenden Fragen, ob dieAd-Hoc-Meldung eine die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformation enthielt, nicht mehr entscheidungserheblich werden können. Ein Anspruch wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation würde voraussetzen, dass die vom Emittenten gegenüber dem Kapitalmarkt abgegebene Erklärung unwahr oder unvollständig war.

112

III. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers gegen die Zurückweisung der Feststellungsziele Komplex III 1. bis 4. ist unbegründet. Sie rügt ohne Erfolg, dass das Oberlandesgericht die Feststellung zum Feststellungsziel Komplex III 1. rechtsfehlerhaft nicht getroffen hat, ab dem 11. Juli 2007 habe die konkrete und hinreichend wahrscheinliche Gefahr der negativen finanziellen, wirtschaftlichen oder bilanziellen Auswirkungen der US-Immobilienkrise, insbesondere des US-Subprime-Markts, auf das Geschäftsergebnis der Beklagten zu 1 (inklusive Umsatz, Gewinn und Verlust) bestanden. Im Hinblick darauf sind die Feststellungsziele Komplex III 2. bis 4., gerichtet auf die Feststellung, dass es sich dabei um eine die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformation gehandelt habe, deren unverzügliche Veröffentlichung unterlassen worden sei, gegenstandslos, was im Tenor klarzustellen ist.

113

1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass am 11. Juli 2007 die konkrete und hinreichend wahrscheinliche Gefahr einer negativen Auswirkung der US-Immobilienkrise auf das Geschäftsergebnis der Musterbeklagten zu 1 bestanden habe und zur Begründung auf seine Ausführungen zu Komplex I verwiesen. Trotz der Formulierung des Feststellungsziels im Sinne eines lediglich durch ein Anfangsdatum gekennzeichneten Zeitraums seien Feststellungen zum Vorliegen solcher Auswirkungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht veranlasst, da es Aufgabe des Musterklägers sei, den gegebenenfalls spätesten Zeitpunkt zu benennen und die für die Entstehung der postulierten Rechtspflicht kennzeichnenden Umstände dazulegen. Die weiteren vom Kläger verfolgten Feststellungsziele aus dem Komplex III seien zurückzuweisen, weil eine positive Aussage zu dem diesem vorgeschalteten Feststellungsziel zum Komplex III 1. nicht habe getroffen werden können.

114

2. Die Musterbeklagten wenden zu Unrecht die fehlende Bestimmtheit des Feststellungsziels ein. Ausgehend von den unter II. 2. a) aa) dargestellten Anforderungen ist das Feststellungsziel in der Auslegung, die das Oberlandesgericht dem Musterentscheid zutreffend zu Grunde gelegt hat, hinreichend bestimmt.

115

a) Richtig ist im Ausgangspunkt, dass der Begriff der „Gefahr“, auch mit den Zusätzen „konkret“ und „wahrscheinlich“, für sich genommen ausfüllungsbedürftig ist und der Gegenstand der Gefahr näher bestimmt werden muss, weil anderenfalls die Insiderinformation, deren Veröffentlichung pflichtwidrig unterlassen worden sein soll, nicht konkret bezeichnet wäre. Das Oberlandesgericht hat mit der Bezugnahme auf seine Ausführungen zum Komplex I hinreichend deutlich gemacht, dass Gegenstand der Gefahr ein unter dem Gesichtspunkt von § 13 WpHG aF relevantes Risiko von Abschreibungen auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe mit Blick auf die US-Immobilienkrise, insbesondere im Bereich des US-Subprime-Markts, und die hieraus folgenden Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis der Musterbeklagten zu 1, ist. Mit dieser Auslegung, die im Vorlagebeschluss eine hinreichende Grundlage findet, ist das Feststellungsziel hinreichend bestimmt. Dass der Begriff der Gefahr hier nicht in einem polizeirechtlichen Kontext zu verstehen ist, ergibt sich schon aus dem Feststellungsziel Komplex III 2., nach dem die im Komplex III bezeichnete Gefahr eine Insiderinformation i.S.v. § 13 WpHG aF darstellen soll. Das Feststellungsziel selbst konkretisiert die sich aus dem Marktgeschehen ergebenden Folgen für die Musterbeklagte zu 1 mit Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis. Nach der Begründung des Vorlagebeschlusses sollen diese Auswirkungen auf Wertberichtigungen im US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe mit einem Volumen von mindestens 1,5 Mrd. € beruhen.

116

Das Feststellungsziel beschreibt das Marktgeschehen, das Anlass für die Wertberichtigungen sein soll, hinreichend konkret. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass der Begriff der US-Immobilienkrise das Platzen der Immobilienblase auf dem US-amerikanischen Markt im Verlauf der Jahre 2007/2008 anspricht.

117

b) Den Musterbeklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass die Zeitangabe „ab dem 11. Juli 2007“ das Feststellungsziel unbestimmt macht und die Auslegung des Oberlandesgerichts, es gehe um die Auswirkungen „am 11. Juli 2007“, einer Neufassung des Feststellungsziels gleichkommt. Das Oberlandesgericht hat ausgehend von der Zielrichtung der Feststellungsziele im Komplex III im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass das Feststellungsziel Komplex III 1. auf die Feststellung einer am 11. Juli 2007 bestehenden Gefahrenlage für die Musterbeklagte zu 1 gerichtet ist. Die zeitraumbezogene Formulierung des Feststellungsziels bedarf insoweit nicht einmal einer einschränkenden Auslegung, sondern ist im Hinblick auf das Feststellungsziel Komplex III 4. dahin zu verstehen, dass es um die Feststellung einer Gefahrenlage geht, die „ab dem 11. Juli 2007“ vorgelegen hat und aus der ein zu diesem Zeitpunkt beginnendes Unterlassen der Musterbeklagten zu 1 abgeleitet werden soll, eine Insiderinformation zu veröffentlichen.

118

3. Für die Feststellung fehlt es auch nicht an einem Sachentscheidungsinteresse. Die Feststellungsziele im Komplex III decken sich, anders als die Musterbeklagten meinen, inhaltlich nicht mit dem Feststellungsziel Komplex I 3. Dieses Feststellungsziel bezieht sich nur auf die Richtigkeit der am 11. Juli 2007 veröffentlichten Prognose für das Jahresergebnis der Musterbeklagten zu 1 für das Geschäftsjahr 2007. Demgegenüber sind die Feststellungsziele im Komplex III darauf gerichtet, festzustellen, ob eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht der Musterbeklagten zu 1 bezogen auf einen aus den Folgen der US-Immobilienkrise herrührenden Wertberichtigungsbedarf für das US-CDO-Portfolio bestand.

119

4. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde greift die Erwägungen des Oberlandesgerichts zur Zurückweisung des Feststellungsziels unter Bezugnahme auf seine gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex I 3. gerichteten Rügen an und meint, aus diesen folge zugleich, dass am 11. Juli 2007 eine konkrete und hinreichend wahrscheinliche Gefahr im Sinne des Feststellungsziels Komplex III 1. vorgelegen habe. Dieser Angriff der Rechtsbeschwerde stellt die Beurteilung des Oberlandesgerichts nicht in Frage. Der Musterkläger hat die Würdigung des Oberlandesgerichts, die in der Ad-Hoc-Meldung vom 11. Juli 2007 mitgeteilte Erhöhung der Prognose für das Ergebnis des Geschäftsjahres 2007 sei nicht unwahr, nicht mit Erfolg angegriffen (siehe II.). Die dem Musterentscheid zu Grunde liegende Schlussfolgerung, aus der Vertretbarkeit der Prognose folge zugleich, dass die im Feststellungsziel beschriebene Gefahrenlage für die Musterbeklagte zu 1 zu verneinen sei, wird vom Musterkläger nicht in Frage gestellt und ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden.

120

5. Damit sind die Feststellungsziele III 2. bis 4. gegenstandslos, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass es sich bei der Gefahr der negativen Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf das Geschäftsergebnis der Musterbeklagten zu 1 um eine diese unmittelbar betreffende Insiderinformation gehandelt habe, deren unverzügliche Veröffentlichung unterlassen worden sei. Diese knüpfen an die mit dem Feststellungsziel Komplex III 1. angestrebte tatsächliche Feststellung an, die rechtsfehlerfrei nicht getroffen wurde. Die Gegenstandslosigkeit der Feststellungsziele ist im Tenor auszusprechen.

121

IV. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 ist begründet, soweit das Oberlandesgericht zu den Feststellungszielen Komplex V 1. a) und c), 2. und 3. festgestellt hat, dass die Pressemitteilungen der Musterbeklagten zu 1 vom 3. August 2007 und 7. November 2007 eine unwahre, die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformation enthalten und eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht bestanden hätte und das Feststellungsziel Komplex V 4., mit dem auf Antrag der Musterbeklagten zu 1 die Unkenntnis bzw. die nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis der Unrichtigkeit der Pressemitteilungen festgestellt werden sollte, zurückgewiesen hat. Sie ist weiter begründet, soweit das Oberlandesgericht zum Komplex V 1a. festgestellt hat, die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei unwahr und unvollständig und die Pressemitteilung vom 3. August 2007 sei unwahr und unvollständig, weil die Musterbeklagte zu 1 das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe. Sie führt insoweit in Bezug auf das Feststellungsziel V 1a. teilweise zur Zurückweisung des Feststellungsziels und im Übrigen zu der Klarstellung, dass die Pressemitteilung vom 3. August 2007 hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Aussagen zu den die Musterbeklagte zu 1 betreffenden Risiken aus der Subprime-Krise unwahr war. Die Feststellungsziele Komplex V 1. a) und c), 2., 3. und 4. sind gegenstandslos, was im Tenor zum Ausdruck zu bringen ist. Ohne Erfolg bleibt die Rechtsbeschwerde des Musterklägers mit ihrer Rüge, das Oberlandesgericht habe nicht festgestellt, dass die Pressemitteilung vom 7. November 2007 falsch sei, weil am 30. September 2007 ein Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 542 Mio. € bestanden habe.

122

1. Die Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Komplex V 1. a) und c), 2. und 3., die Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und vom 7. November 2007 enthielten eine die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende, unwahre Insiderinformation, sodass eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht bestanden habe, halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Soweit die diesen Feststellungen zugrundeliegenden Feststellungsziele hinreichend bestimmt sind, fehlt es im Hinblick auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angegriffene Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex V 5., dass die Pressemitteilungen und -veröffentlichungen für die Haftung nach §§ 37b, c WpHG wie Ad-Hoc-Meldungen behandelt werden, an einem Sachentscheidungsinteresse.

123

a) Das Oberlandesgericht hat seine Feststellungen wie folgt begründet:

124

Die Höhe des Subprime-Anteils am 3. August 2007 sei eine konkrete Information über Umstände, die sich auf den Emittenten selbst bezöge, öffentlich nicht bekannt und geeignet gewesen sei, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Dies sei ein die Konzerngesellschaft unmittelbar und die börsennotierte Konzernmutter mittelbar betreffender Umstand. Potentielle Anleger hätten ein vitales Interesse an Informationen darüber gehabt, in welchem Umfang eine börsennotierte Gesellschaft selbst oder mittelbar über konsolidierte Gesellschaften in US-Subprime investiert habe. Der Wesentlichkeit dieser Informationen nach dem Rettungswochenende 28./29. Juli 2007 sei sich die Musterbeklagte zu 1 auch bewusst gewesen, da sie selbst vortrage, aus Anlass der Meldungen über die I. B-Krise die Pressemitteilung mit dem Ziel der Beruhigung des Kapitalmarkts herausgegeben zu haben.

125

Die Aussage in der Pressemitteilung vom 7. November 2007, die HRE-Gruppe sei gestärkt aus der jüngsten Marktkrise hervorgegangen, sei ebenfalls ein solcher Umstand. Das Interesse des Kapitalmarkts an Informationen über die Auswirkungen der Subprime-Krise auf börsennotierte Unternehmen sei ungebrochen gewesen. Eine inhaltlich zutreffende Mitteilung über diese Auswirkungen hätte diejenigen Umstände offengelegt, mit welchen die Unrichtigkeit der Pressemitteilung begründet worden sei. Zudem hätte sie die mit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 herbeigeführte Fehlinformation aufgedeckt. Es habe nach § 15 WpHG aF eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht über die wahren Umstände bestanden.

126

b) Die Feststellungsziele Komplex V 1. a) und c), 2. und 3. sind nach den unter II. 2. a) aa) näher bezeichneten Voraussetzungen nur teilweise hinreichend bestimmt.

127

aa) Es ist schon zweifelhaft, ob die Feststellungsziele, wovon das Oberlandesgericht ausgegangen ist, überhaupt Feststellungen zu einem pflichtwidrigen Unterlassen von Insiderinformationen ermöglichen. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungsziele aus dem Komplex V erschließt sich, dass mit diesen die Voraussetzungen einer Haftung wegen einer pflichtwidrig unterlassenen Veröffentlichung von Insiderinformationen, welche durch die Pressemitteilungen verdeckt wurden, geklärt werden sollen. Aus der Feststellung von der Unwahrheit der Mitteilungen ergibt sich nicht der Gegenstand eines Unterlassens. Die genannten Feststellungsziele teilen lediglich mit, dass die Mitteilungen jeweils Insiderinformationen i.S.v. § 13 WpHG aF enthielten, „so dass eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG aF bestanden habe“ (Komplex V 1.). Diese Insiderinformationen hätten die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar i.S.v. §§ 37 b, c WpHG aF betroffen und seien unwahr (Komplex V 2., 3.).

128

bb) Die die Pressemitteilung vom 3. August 2007 betreffenden Feststellungsziele sind jedenfalls nicht hinreichend bestimmt, soweit sie die Pflicht zur Aufdeckung verdeckter Sachverhalte durch eine Ad-Hoc-Meldung betreffen. Hinreichend bestimmt sind die Feststellungsziele nur, soweit sie die Unwahrheit konkreter Insiderinformationen der Pressemitteilung zum Gegenstand haben.

129

Unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts des Vorlagebeschlusses ist die Verlautbarung in Bezug auf fünf Einzelaussagen auf das Vorliegen von unwahren und die Musterbeklagte unmittelbar betreffenden Insiderinformationen zu prüfen, nämlich (i) die Bestätigung der Prognose für das laufende Geschäftsjahr, (ii) die Aussage, die HRE-Gruppe habe aus der Krise um die US-Subprime keine negativen Belastungen zu erwarten, (iii) die CDO-Investments der HRE-Gruppe hätten keinen direkten Bezug zu Subprime, (iv) eine Beschreibung zum Volumen und der Zusammensetzung des US-CDO Portfolios verknüpft mit der Aussage, dass aufgrund der aktuellen Marktentwicklung nicht mit Belastungen zu rechnen sei und (v) die Aussage, dass auch der vollständige Zusammenbruch des Subprime-Markts im Rahmen der kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt sei. Der Vorlagebeschluss gibt aus der Pressemitteilung diese fünf Aussagen und die Klägerbehauptung wieder, die Musterbeklagte zu 1 habe „rudimentär zugegeben, in US-CDO´s im Gesamtwert von ca. 1,5 Milliarden EUR investiert zu sein.“ Diese Ausführungen lassen hinreichend deutlich erkennen, welche Insiderinformationen in der Pressemitteilung enthalten sein und auf die unmittelbare Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 sowie ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden sollen. Dass die einzelnen Aussagen konkretisierungsbedürftig sind bzw. Bewertungen enthalten und die diesen zugrundeliegenden Tatsachen nicht bezeichnet wurden, steht der Bestimmtheit des Feststellungsziels nicht entgegen. Die weitere Aufklärung des hinter der jeweiligen Aussage stehenden Sachverhalts kann dem Musterverfahren überlassen werden.

130

Nicht hinreichend bestimmt ist hingegen, hinsichtlich welcher Insiderinformationen eine Mitteilungspflicht gemäß § 15 Abs. 1 WpHG aF geprüft werden soll. Es wird, die Auslegung der Feststellungsziele durch das Oberlandesgericht unterstellt, nicht deutlich, welche konkreten veröffentlichungspflichtigen wahren Sachverhalte durch die Pressemitteilung verdeckt worden sein sollen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, es sei eine die sachlich unzutreffenden Aussagen korrigierende Ad-Hoc-Meldung geboten gewesen, findet im Vorlagebeschluss keine hinreichenden Anknüpfungspunkte. Komplex V 1. des Vorlagebeschlusses stellt zwar eine Verbindung zwischen in den Pressemitteilungen enthaltenen Insiderinformationen und dem Bestehen einer Mitteilungspflicht her. Daraus allein ergibt sich aber nicht, auf welche Informationen sich die Mitteilungspflicht beziehen soll, zumal der Wortlaut des Feststellungsziels nahelegt, die Mitteilungspflicht beziehe sich auf eine in der Pressemitteilung enthaltene Insiderinformation selbst. Auch wenn die Formulierung des Feststellungsziels mit dem Oberlandesgericht so verstanden würde, dass etwaige durch unwahre Aussagen verdeckte Informationen hätten offenbart werden müssen, ist nicht ersichtlich, um welche Informationen es sich dabei gehandelt haben soll. Aus dem weiteren Inhalt des Vorlagebeschlusses erschließt sich der Inhalt solcher Informationen ebenfalls nicht. So wird aus dem Vorlagebeschluss nicht deutlich, dass eine korrigierende Ad-Hoc-Mitteilungspflicht zu der Zusammensetzung des US-CDO-Portfolios bestanden haben soll, wie es das Oberlandesgericht geprüft hat. Hinsichtlich der weiteren Angaben der Pressemitteilung vom 3. August 2007 untersucht das Oberlandesgericht nicht näher, zu welchen Informationen eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht bestanden haben könnte, sondern nimmt lediglich auf seine Feststellungen zur Unrichtigkeit einzelner Angaben der Pressemitteilung Bezug.

131

cc) Die die Pressemitteilung vom 7. November 2007 betreffenden Feststellungsziele sind nur hinreichend bestimmt, soweit sie die Aussage betreffen, die Musterbeklagte sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen. Im Übrigen und soweit sie die Pflicht zur Aufdeckung verdeckter Sachverhalte durch Ad-Hoc-Meldung betreffen, sind sie ebenfalls zu unbestimmt.

132

Die die Pressemitteilung vom 7. November 2007 betreffenden Feststellungsziele werden durch den weiteren Inhalt des Vorlagebeschlusses nur insoweit näher konkretisiert, als es um die Prüfung des Wahrheitsgehalts der von der Musterbeklagten zu 1 wiedergegebenen Aussage des Musterbeklagten zu 2 geht, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen. Im Vorlagebeschluss wird diese in der Pressemitteilung enthaltene Aussage und die Behauptung „der Klagepartei“ wiedergegeben, die Meldung sei ersichtlich darauf angelegt gewesen, den Aktienkurs der Musterbeklagten zu 1 hoch zu halten. Zwar ist die Aussage ebenfalls in hohem Maße konkretisierungsbedürftig. Dies schließt es aber nicht aus, ihren Inhalt aus dem Kontext der Pressemitteilung und ggf. weiterem Vortrag im Musterverfahren zu den dieser Einschätzung zu Grunde liegenden Tatsachen zu erschließen und anhand dessen zu prüfen, ob es sich um eine unwahre und die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformation gem. § 13 WpHG aF gehandelt hat.

133

Auch unter Berücksichtigung der Auslegung des Oberlandesgerichts von der Zielrichtung des Feststellungsziels ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss allerdings nicht, welchen Inhalt eine unwahre Angaben korrigierende Ad-Hoc-Meldung hätte habe sollen. Der Vorlagebeschluss beschränkt sich auf die Wiedergabe der Zielrichtung der Aussage, der Aktienkurs der Musterbeklagten habe hochgehalten werden sollen. Daraus wird nicht deutlich, welche Informationen durch die Musterbeklagte zu 1 anstelle der erfolgten Presseverlautbarung hätten offenbart werden sollen. Das Oberlandesgericht hat die Unwahrheit der Aussage darauf gestützt, es seien die Refinanzierungs- und Liquiditätsrisiken aus dem Geschäftsmodell der Depfa nicht offenbart. Überdies sei unrichtig behauptet worden, die US-Subprime-Krise sei für die HRE-Gruppe ohne Relevanz, diese sei sogar Profiteur der Finanzkrise, weil ein bereits bestehender Wertberichtigungsbedarf auf die Equity-Tranche der Ende Juli 2007 emittierten Bonifacius-CDO sowie das Erfordernis einer Portfoliowertberichtigung in Höhe von mindestens 131 Mio. € zu offenbaren gewesen sei. Ferner sei der falsche Eindruck erweckt worden, die Musterbeklagte zu 1 hätte die Herausforderung der Finanzmarktkrise erfolgreich abschließen können, obwohl das Ende der Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf sie selbst noch nicht eingetreten gewesen sei. Diese Sachverhalte werden im Vorlagebeschluss bezogen auf den 7. November 2007 nicht angesprochen. Eine aus ihnen abgeleitete Ad-Hoc-Mitteilungspflicht findet weder im Feststellungsziel noch im sonstigen Inhalt des Vorlagebeschlusses eine Grundlage.

134

c) Soweit die Feststellungsziele zum Komplex V 1. a) und c), 2. und 3. nach den Ausführungen unter vorstehend b) bb) und cc) bestimmt sind, fehlt es nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angegriffenen Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex V 5., dass die Pressemitteilungen und -veröffentlichungen für die Haftung nach §§ 37b, c WpHG wie Ad-Hoc-Meldungen behandelt werden, an einem Sachentscheidungsinteresse. Nach den unter II. 3. a) aufgestellten Grundsätzen ist der Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG) hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist.

135

aa) Die im Komplex V 1. a) und c), 2. und 3. beantragten Feststellungen, dass die Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und 7. November 2007 unwahre Insiderinformationen beinhalten, können die ausgesetzten Verfahren nicht weiter fördern, weil eine Haftung der Musterbeklagten nicht davon abhängig ist, ob die Pressemitteilungen unwahre, die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformationen enthalten. Das Oberlandesgericht hat anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend ausgesprochen, dass die Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation in einer Pressemitteilung nicht Anknüpfungspunkt für eine Haftung gemäß § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF sein kann (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 16).

136

bb) Dass Feststellungen zur Wahrheit einzelner in den Pressemitteilungen enthaltener Informationen und zur unmittelbaren Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 Bedeutung für andere Ansprüche gegen die Musterbeklagte zu 1 haben könnten, insbesondere als Vorfrage für eine mögliche Haftung gemäß § 37b Abs. 1 WpHG aF, wenn sich aus der Abweichung der durch die Presseinformation geschaffenen Informationslage von der tatsächlichen Lage eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht gem. § 15 Abs. 1 WpHG aF ergibt, begründet kein fortbestehendes Sachentscheidungsinteresse.

137

Die Bindungswirkung des Musterentscheids nach § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG erfasst in objektiver Hinsicht zwar nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente. Sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 54; Beschluss vom 16. Juni 2020 – II ZB 10/19, ZIP 2020, 1457 Rn. 26). Ebenso wenig wie den Feststellungen des Musterentscheids damit eine Bindungswirkung für Folgeprozesse zukommt, denen lediglich parallele Fallgestaltungen zugrunde liegen (BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 52; Beschluss vom 16. Juni 2020 – II ZB 10/19, ZIP 2020, 1457 Rn. 26), tritt die Bindungswirkung außerhalb der Tatbestandsmerkmale und Einwendungen ein, die Gegenstand der Feststellungsziele waren (vgl. Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 613 Rn. 2; Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 613 Rn. 15; wohl auch Mekat in Nordholtz/Mekat, Musterfeststellungsklage, § 8 Rn. 63). Zwar ist das Kapitalanlegermusterverfahren nicht auf die Feststellung von Tatbestandsmerkmalen einer gesetzlichen Anspruchsnorm oder einer Einwendung beschränkt. Feststellungsziel können alle Merkmale sein, die die Anwendung der Anspruchsnorm selbst begründen oder der Konkretisierung einer anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzung der Norm dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 14, 17; Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 41). Hieraus folgt aber nicht, dass ein auf die Klärung einer Vorfrage gerichtetes Feststellungsziel seinen Bezug zu der jeweiligen anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzung verlieren würde. Anderenfalls liefe das Musterverfahren auf eine umfassende Tatsachenbindung hinaus.

138

2. Die Zurückweisung des Feststellungsziels der Musterbeklagten zu 1 Komplex V 4. hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand.

139

Die Musterbeklagte zu 1 strebt mit dem Feststellungsziel die Feststellung an, sie habe die Unrichtigkeit nicht gekannt und die Unkenntnis beruhe nicht auf grober Fahrlässigkeit. Das Feststellungsziel war bereits Gegenstand des Vorlagebeschlusses und ist unter Berücksichtigung der weiteren, im Vorlagebeschluss unter Komplex V aufgeführten Feststellungsziele 1. bis 3. dahin auszulegen, dass sich die Unkenntnis auf die Unrichtigkeit der in den dort bezeichneten Mitteilungen enthaltenen Insiderinformationen beziehen soll. Entsprechende Feststellungen in Bezug auf das nachträglich eingefügte Feststellungsziel V 1a. sind demgegenüber nicht beantragt.

140

Der Musterbeklagten zu 1 fehlt es aus den oben unter 1. c) angeführten Gründen an einem Sachentscheidungsinteresse für eine solche Feststellung. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 ist nicht davon abhängig, ob die Pressemitteilungen unwahre, die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende Insiderinformationen enthalten.

141

3. Die Feststellungen zum Feststellungsziel Komplex V 1a., die Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und vom 7. November 2007 seien unwahr und unvollständig, halten einer rechtlichen Prüfung nur teilweise stand.

142

a) Das Oberlandesgericht hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

143

Die Aussage in der Pressemitteilung vom 3. August 2007 „Aus mittlerweile erfolgten Assettäuschen ergeben sich bei 16 % des Volumens indirekte Beziehungen zu Subprime Sicherheiten. Diese stammen jedoch nur mit 5 % aus den Jahren 2006 und 2007“ sei unwahr.

144

Das tatsächliche Subprime-Exposure sei irreführend und verharmlosend dargestellt worden. Die Angabe der prozentualen Anteile beziehe sich sprachlich auf das Portfoliovolumen und nicht auf den Sicherheitenpool. Sie rege einen Rechenvorgang im Hinblick auf das maximale Abschreibungsvolumen dergestalt an, dass maximal 16 % von 1,5 Mrd. €, mithin 240 Mio. €, betroffen seien. Eben diese Information sei für potentielle Investoren von erheblichem Interesse gewesen, da es für die Frage, ob und in welchem Umfang Risiken des Subprime-Markts auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe hätten durchschlagen können, wesentlich darauf angekommen sei, welcher Anteil der CDO Subprime Risiken aufgewiesen habe.

145

Aus der Pressemitteilung gehe nicht hervor, dass sich die Prozentangaben nur auf das Portfolio der HRE-Bank bezogen hätten und das Portfolio der HPFB unberücksichtigt geblieben sei. Der Subprime-Anteil im Sicherheitenpool des Gesamtportfolios habe nach der eigenen Erklärung der Musterbeklagten zu 1 nicht nur 5 % betragen. Es sei davon auszugehen, dass der Anteil der CDO mit Bezug zu Subprime-Sicherheiten aus den Jahren 2006 und 2007 am Gesamtportfolio der HRE-Gruppe 23 % betragen habe.

146

Irreführend und falsch sei die Pressemitteilung auch, da sie die Herkunft des US-CDO-Portfolios aus der Zeit vor der Abspaltung als besonderes Qualitätsmerkmal betone, obwohl sich trotz des Emissionsjahres die Zusammensetzung des Sicherheitenpools und der Subprime-Anteil durch Assettäusche ändern könne, wie es nachfolgend auch geschehen sei.

147

Die Aussage „Selbst wenn es zu einem vollständigen Zusammenbruch des Subprime Marktes käme, wäre dies im Rahmen unserer kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt“ sei unwahr. Nicht einmal die bis Januar 2008 vorgenommenen Abwertungen seien durch Rückstellungen abgedeckt gewesen. Mit welchen Maßnahmen die behauptete mehrfache Risikoabdeckung sogar für den Fall des vollständigen Zusammenbruchs des Subprime-Markts erfolgt sei, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Angabe habe nicht lediglich eine subjektive Einschätzung, sondern einen nicht den Tatsachen entsprechenden Zustand beschrieben, die Subprime-Krise ginge die HRE-Gruppe selbst im worst case „nichts an“.

148

Die Aussage „Unsere CDO Investments haben keinen direkten Bezug zu Subprime“ sei unvollständig. Der für CDO aufgrund ihrer Wertpapierstrukturierung stets nur indirekte Bezug zum Subprime Segment werde durch Betonung dieses Umstands als individuell erwähnenswertes positives Merkmal herausgestellt. Durch Herausstellen dieser Selbstverständlichkeit werde das Fehlverständnis gefördert und die Mitteilung ohne einen korrigierenden Zusatz unvollständig.

149

Die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 7. November 2007 sei unwahr und unvollständig hinsichtlich des im Abschnitt „Aussichten“ wörtlich wiedergegebenen Zitats des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten zu 1, des Musterbeklagten zu 2, „auch wenn wir uns den Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht ganz entziehen konnten, so heben die jüngsten Fehlentwicklungen auf den Immobilien- und Finanzierungsmärkten die besondere Stärke und Solidität unseres Geschäftsmodells hervor, sei es das geringe Risikoprofil des Staatsfinanzierungsgeschäfts, die Attraktivität des Pfandbriefs als langfristiges und krisenfestes Kapitalanlageinstrument oder auch die Notwendigkeit, Risiken adäquat zu bepreisen. Die Hypo Real Estate Group ist somit aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen.“

150

Die Aussage, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen, sei unwahr. Die Herleitung und Begründung dieser Aussage zeichne unter Betonung der Stärken des Geschäftsmodells ein einseitig positives und mit der Qualifizierung als „stark“ und „solide“ zudem unzutreffendes Bild. Die Erklärung habe eine qualitative Gesamtbeurteilung des Geschäftsmodells der HRE-Gruppe vorgenommen und die diese Beurteilung tragenden Säulen aufgelistet, so dass auch das sich in angespannten Kapitalmarktlagen auf die Geschäftstätigkeit auswirkende Refinanzierungs- und Liquiditätsrisiko einbezogen und zum Thema hätte gemacht werden müssen. Die notwendige Vervollständigung werde nicht schon mit einer vagen Aussage über die „Turbulenzen auf den Finanzmärkten, denen man sich nicht ganz entziehen konnte“ erreicht. Die Depfa habe ein aggressives Fristentransformationsmodell betrieben, so dass das an den Kapitalmarkt gerichtete beruhigende Resümee nicht gerechtfertigt gewesen sei.

151

Die mit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 erzeugte optimistische Erwartung der Finanzmärkte, in Bezug auf das US-CDO-Portfolio würden keine Belastungen drohen, sei durch eine objektive Tatsachenbehauptung des Inhalts verstärkt worden, die US-Subprime-Krise sei für die HRE-Gruppe, wenngleich sie sich den Turbulenzen nicht ganz habe entziehen können, ohne Relevanz. Die Behauptung sei angesichts der negativen Belastungen der HRE-Gruppe aus der Subprime-Krise falsch. Die Aussage, die Musterbeklagte zu 1 sei gestärkt aus der Krise hervorgegangen, sei falsch, da ein gegenwärtiges Resultat behauptet werde, obwohl die Auswirkungen der „jüngsten Marktkrise“ auf die HRE-Gruppe noch nicht abgeschlossen gewesen seien.

152

b) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen gegen die Zulässigkeit des Feststellungsziels greifen nicht durch. Das eine – im Tatsächlichen liegende – Vorfrage einer Anspruchsvoraussetzung betreffende Feststellungsziel ist zulässig, hinreichend bestimmt und nicht gegenstandslos.

153

aa) Das Feststellungsziel Komplex V 1a. kann Gegenstand eines Musterverfahrens sein.

154

(1) Der Senat ist weder durch § 20 Abs. 1 Satz 3 KapMuG noch durch § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG an der Überprüfung gehindert, ob ein Feststellungsziel Gegenstand eines Kapitalanlegermusterverfahrens sein kann. Das Rechtsbeschwerdegericht kann prüfen, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine feststellungsfähige kapitalmarktrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KapMuG handelt und ob diese sich auf verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen bezieht (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 13; Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 135; Beschluss vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, ZIP 2019, 25 Rn. 70; Beschluss vom 21. Juli 2020 – II ZB 19/19, ZIP 2020, 1879 Rn. 22).

155

(2) Die Zulässigkeit der im Rechtsbeschwerdeverfahren noch verfahrensgegenständlichen Feststellungsziele hängt nicht von der Beantwortung der Frage ab, ob Informationen in Pressemitteilungen Kapitalmarktinformationen im Sinne von § 1 Abs. 1 KapMuG sind. Sie betreffen vielmehr in zulässiger Weise die Klärung von Vorfragen für einen Anspruch wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG).

156

(a) Ein Feststellungsziel ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender oder -ausschließender Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation gerichtet. Feststellungsziel können entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde alle Merkmale sein, die die Anwendung der Anspruchsnorm selbst begründen oder der Konkretisierung einer anspruchsbegründenden oder –ausschließenden Voraussetzung der Norm dienen (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 14, 17; Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 41).

157

(b) Das Feststellungsziel Komplex V 1a. zielt auf die Klärung im Tatsächlichen liegender Vorfragen zu einer unterlassenen unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen, nämlich der Unwahrheit und Unvollständigkeit von Angaben der Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und 7. November 2007. Es steht im Zusammenhang mit den Feststellungszielen der Komplexe XIII und XIV, mit denen Voraussetzungen hieran anknüpfender Schadensersatzansprüche festgestellt werden sollen und betrifft mithin Vorfragen für einen Anspruch wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG). Das Oberlandesgericht hat im Erweiterungsbeschluss vom 5. Mai 2014 deutlich gemacht, dass das Feststellungsziel der Konkretisierung der Ad-Hoc-Informationspflichten der Musterbeklagten zu 1 unter dem Gesichtspunkt der Richtigstellung unrichtiger Presseverlautbarungen dient und damit eine tatsächliche Vorfrage für die Beurteilung der Ad-Hoc-Mitteilungspflichten der Musterbeklagten zu 1 betroffen ist.

158

bb) Das Feststellungsziel Komplex V 1a. ist auch hinreichend bestimmt. Es bezieht sich auf die Aussagen der Pressemitteilungen, die im Vorlagebeschluss zur Konkretisierung der Feststellungsziele Komplex V 1. a) und c) hervorgehoben wurden (vgl. oben 1. b] bb] und cc]).

159

Das Feststellungsziel Komplex V 1a. wurde mit Erweiterungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2014 in das Musterverfahren eingeführt. Aus dem Erweiterungsbeschluss ergibt sich nicht, welche konkreten Aussagen der Pressemitteilungen unrichtig oder unvollständig sein sollen. Das Oberlandesgericht hat die Erweiterung darauf gestützt, das Feststellungsziel betreffe eine im Tatsächlichen liegende Vorfrage für die Beurteilung der Ad-Hoc-Pflichten der Musterbeklagten zu 1. Konkrete Aussagen, die auf ihre Richtigkeit zu prüfen sind, werden nicht genannt. Der Erweiterungsantrag benennt zwar ebenfalls keine konkreten Aussagen der Pressemitteilungen, deren Feststellung als unrichtig und unvollständig begehrt wird. Der Antrag nimmt aber auf die Ziffern I und III (richtig: 1. und 3.) des Komplexes V Bezug und führt dazu aus, deren bisherige Fassung sei zu eng, weil sie sich nur auf Insiderinformationen bezögen und die Feststellung der Unvollständigkeit der Aussagen nicht umfassten. Davon geht auch der Erweiterungsbeschluss erkennbar aus, so dass die in den Feststellungszielen Komplex V 1. a) und c) bestimmt bezeichneten Aussagen, (i) die Bestätigung der Prognose für das laufende Geschäftsjahr, (ii) die Aussage, die HRE-Gruppe habe aus der Krise um die US-Subprime keine negativen Belastungen zu erwarten, (iii) die CDO-Investments der HRE-Gruppe hätten keinen direkten Bezug zu Subprime, (iv) eine Beschreibung zum Volumen und der Zusammensetzung des US-CDO-Portfolios verknüpft mit der Aussage, dass aufgrund der aktuellen Marktentwicklung nicht mit Belastungen zu rechnen sei und (v) die Aussage, dass auch der vollständige Zusammenbruch des Subprime-Markts im Rahmen der kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt sei (dazu oben 1. b] bb]) sowie, in Bezug auf die Pressemitteilung vom 7. November 2007, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen, unter dem Gesichtspunkt einer auf die Richtigstellung unwahrer und unvollständiger Angaben gerichteten Ad-Hoc-Mitteilungspflicht untersucht werden sollen. Mit diesem Inhalt und in diesem Umfang wird der Gegenstand des Feststellungsziels hinreichend bestimmt bezeichnet.

160

c) Die Feststellungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit das Oberlandesgericht angenommen hat, die Pressemitteilung vom 3. August 2007 sei irreführend und falsch, weil die Musterbeklagte zu 1 das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe, sowie, die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei unwahr und unvollständig. Soweit das Oberlandesgericht die Aussagen, „Aus mittlerweile erfolgten Assettäuschen ergeben sich bei 16 % des Volumens indirekte Beziehungen zu Subprime Sicherheiten. Diese stammen jedoch nur mit 5 % aus den Jahren 2006 und 2007.“ und „Selbst wenn es zu einem vollständigen Zusammenbruch des Subprime Marktes käme, wäre dies im Rahmen unserer kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt“ für unwahr und die Aussage „Unsere CDO Investments haben keinen direkten Bezug zu Subprime“ für unvollständig gehalten hat, bleiben die Angriffe der Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 ohne Erfolg. Insoweit ist lediglich klarzustellen, dass die Pressemitteilung hinsichtlich dieser konkreten Aussagen unwahr bzw. unvollständig ist.

161

aa) Die Feststellungen des Oberlandesgerichts unterliegen nur einer eingeschränkten Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren. Die Beweiswürdigung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, § 576 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 546 ZPO. Sie ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob er sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 217/03, WM 2004, 1726, 1729; Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 29). Das gilt auch für das Musterrechtsbeschwerdeverfahren. Dass einem Musterverfahren nach § 20 Abs. 1 Satz 2 KapMuG grundsätzliche Bedeutung zukommt, auch wenn es auf die Feststellung von Tatsachen zielt, betrifft die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, beseitigt aber nicht die grundsätzliche Bindung des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht an rechtsfehlerfrei getroffene tatsächliche Feststellungen des Oberlandesgerichts nach § 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO (BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 11; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 131). Gleiches gilt für die vom Oberlandesgericht gezogenen Schlussfolgerungen, die ebenfalls vom persönlichen Dafürhalten im Hinblick auf die Umstände des konkreten Einzelfalls geprägt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1964 – II ZR 110/62, WM 1964, 944, 946, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 42, 89; Urteil vom 15. Oktober 1979 – II ZR 144/78, WM 1979, 1381, 1382; Urteil vom 1. Dezember 1988 – I ZR 160/86, BGHZ 106, 101, 105; Urteil vom 29. März 1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263, 271).

162

bb) Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Pressemitteilung als an die Allgemeinheit gerichtete Erklärung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 – VI ZR 276/99, WM 2000, 2393, 2394 f.; BGH, Urteil vom 16. Juni 1998 – VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95, 102).

163

Während sich Ad-Hoc-Meldungen auf einen konkret bekanntzugebenden Sachverhalt zu beschränken haben, der vollständig wiederzugeben ist und nicht durch Auslassungen und Unvollständigkeiten verzerrt werden darf (Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 99; Fuchs in Fuchs, WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 24; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl., Rn. 41.192; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rn. 11.596; weitergehend Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 140), sind Pressemitteilungen nicht auf die Bekanntgabe von Insiderinformationen ausgerichtet, sondern Teil der im Ausgangspunkt frei bestimmbaren Öffentlichkeitsarbeit eines Emittenten. Sie enthalten nicht zwingend einen konkreten Tatsachenkern, der auf Vollständigkeit und Richtigkeit hin prüfbar ist. Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, ob einer Pressemitteilung überhaupt ein bestimmter, auf die Information des Kapitalmarkts gerichteter Inhalt zukommt, ob sie gegebenenfalls werbenden Charakter hat bzw. ob sie darauf gerichtet ist, dem Empfänger ein geschlossenes Bild von einem bestimmten Sachverhalt zu vermitteln. Bei der Auslegung ist entsprechend zu berücksichtigen, dass mit der Veröffentlichung einer Pressemitteilung unterschiedliche, auch unternehmenspolitische Ziele verfolgt werden können und ihr typischerweise nicht dieselbe Aussagekraft zukommt, wie einer Ad-Hoc-Meldung (OLG Braunschweig, ZIP 2016, 414, 418). Bewertende Aussagen, die keinen erkennbaren Tatsachenkern enthalten, sind nur dann als unwahr anzusehen, wenn sie bewusst ins Blaue hinein aufgestellt werden.

164

cc) Die Feststellungen des Oberlandesgerichts zur Unrichtigkeit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand, soweit es angenommen hat, die Pressemitteilung sei irreführend und falsch, weil diese das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe. Im Übrigen bleiben die Angriffe der Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Insoweit ist lediglich im Tenor klarzustellen, welche Aussagen der Pressemitteilung unwahr oder unvollständig sind. Dass das Oberlandesgericht zu einzelnen Aussagen des durch Auslegung gewonnenen Feststellungsziels keine Feststellungen getroffen hat, nimmt die Rechtsbeschwerde hin.

165

(1) Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die in der Pressemitteilung enthaltenen Prozentangaben darauf gerichtet waren, die Abhängigkeit der von der HRE-Gruppe gehaltenen US-CDO von Subprime- Sicherheiten unter Hervorhebung derjenigen der Jahre 2006 und 2007 darzustellen. Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

166

(a) Die am Wortlaut orientierte und den Kontext der Äußerung berücksichtigende Auslegung des Oberlandesgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden und die Rechtsbeschwerde zeigt kein für die Auslegung erhebliches Vorbringen auf, das vom Oberlandesgericht nicht berücksichtigt wurde. Dass es den seiner Auslegung entgegenstehenden Interpretationen der Musterbeklagten nicht gefolgt ist, ist kein Gehörsverstoß. Die Formulierung „Aus mittlerweile erfolgten Assettäuschen ergeben sich bei 16 % des Volumens indirekte Beziehungen zu Subprime Sicherheiten“ lässt entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde nicht die Deutung zu, die Prozentangabe beziehe sich auf den Anteil an Subprime-Sicherheiten im Sicherheitenpool. Vom Volumen des Sicherheitenpools ist in der Pressemitteilung nicht die Rede, wohl aber vom Volumen der US-CDO-Portfolien. (Subprime-)Sicherheiten werden nur als Bezugsgröße hierzu erwähnt und der Hinweis auf erfolgte Assettäusche erläutert lediglich, wie die Beziehung zustande gekommen ist. Dies wird auch durch das Wort „indirekt“ unterstrichen. Denn wäre lediglich der Anteil der Subprime-Sicherheiten im Sicherheitenpool beschrieben, hätte dieses Wort keinen Erkenntniswert und wäre der Sache nach unrichtig verwendet.

167

(b) Zu Recht erinnert die Rechtsbeschwerde, dass das Verständnis des Oberlandesgerichts, die Aussage „Diese stammen jedoch nur mit 5 % aus den Jahren 2005 und 2006“ beziehe sich ebenfalls auf das US-CDO-Portfolio, keine Grundlage im Wortlaut der Pressemitteilung findet, weil das Wort „diese“ auf die im vorhergehenden Satz erwähnten Sicherheiten Bezug nimmt. Ein relevanter Bedeutungsunterschied ist hieraus jedoch nicht abzuleiten, weil auch bei diesem Verständnis nicht ein Anteil des gesamten Sicherheitenpools beschrieben wurde, sondern lediglich der Anteil derjenigen Subprime-Sicherheiten, die in „indirekten Beziehungen“ zum US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe standen. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil die für die Auslegung relevanten Tatsachen vom Oberlandesgericht festgestellt worden und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.

168

(c) Möglich und frei von Widersprüchen ist die Annahme des Oberlandesgerichts, die Angabe 16 % lege die Schlussfolgerung nahe, nur in Höhe dieses Anteils könnten Subprime-Risiken auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe durchschlagen. In dem betreffenden Absatz der Pressemitteilung werden zunächst die Engagements in US-CDO unter Angabe des jeweiligen Einzelvolumens beschrieben und nachfolgend die Beziehungen zu Subprime-Sicherheiten. Soweit dort von „Volumen“ die Rede ist, lässt sich dies nachvollziehbar als das Gesamtvolumen der zuvor beschriebenen Engagements auffassen. Dies unterstreicht auch die erkennbare Zielrichtung der Pressemitteilung, die Öffentlichkeit über die Abhängigkeit der eigenen Engagements von der das Subprime-Segment betreffenden allgemeinen Marktentwicklung zu informieren. Anders als die Musterbeklagten zu 2 und 3 behaupten, geht das Oberlandesgericht weder von einem „eindeutigen“ Wortlaut aus noch erschließt es den Inhalt der Aussage aus der Präsentation der Musterbeklagten zu 1 vom 27. März 2008. Es hat vielmehr weitere, auch außerhalb des Wortlauts liegende Umstände bei seiner Auslegung berücksichtigt und darauf abgestellt, dass die Pressemitteilung nicht offengelegt habe, dass die CDO aus dem Portfolio der HPFB unberücksichtigt geblieben seien. Aus der benannten Präsentation und dem hierzu gehaltenen Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht lediglich abgeleitet, dass die Aussagen der Pressemitteilung über die Beziehungen zum Subprime-Segment nach dem eigenen Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 unrichtig seien.

169

Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die daran anknüpfende Annahme des Oberlandesgerichts, die Pressemitteilung vermittele den Eindruck, es habe die maximale Abhängigkeit der gehaltenen US-CDO von Subprime-Sicherheiten dargestellt werden sollen. Hierzu wenden die Musterbeklagten zwar im Ausgangspunkt zutreffend ein, dass durch den Ausfall von Subprime-Sicherheiten begründete Auswirkungen auf die US-CDO nicht durch deren Anteil im (Gesamt-)Sicherheitenpool bestimmbar, sondern maßgeblich von der Strukturierung der jeweils gezeichneten Tranche abhängig waren. Diese Erwägung stellt die Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts, dass mit den aufgezeigten Größen das höchstmögliche Ausfallrisiko beschrieben werden sollte, aber nicht in Frage.

170

(2) Die Feststellungen zur Unrichtigkeit der Aussagen „Aus mittlerweile erfolgten Assettäuschen ergeben sich bei 16 % des Volumens indirekte Beziehungen zu Subprime Sicherheiten. Diese stammen jedoch nur mit 5 % aus den Jahren 2006 und 2007“ und „Selbst wenn es zu einem vollständigen Zusammenbruch des Subprime Marktes käme, wäre dies im Rahmen unserer kalkulierten Risikovorsorge mehrfach abgedeckt“ sowie zur Unvollständigkeit der Aussage „Unsere CDO Investments haben keinen direkten Bezug zu Subprime“ halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 stand.

171

(a) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, die objektive Unrichtigkeit der Aussage zum Subprime-Bezug ergebe sich bereits aus dem Vorbringen der Musterbeklagten zu 1, die einen Bezug der mitgeteilten Prozentangaben auf das Volumen des Sicherheitenpools behaupte. Das Oberlandesgericht setzt sich in diesem Punkt ausschließlich mit der von der Musterbeklagten zu 1 behaupteten Auslegung der Pressemitteilung auseinander, aus der deren objektive Unrichtigkeit ebenso wenig abgeleitet werden kann wie aus der Präsentation der Quartalszahlen vom 7. November 2007, mit deren Inhalt das Oberlandesgericht begründet hat, ihr liege dasselbe Verständnis zu Grunde, wie es aus der Pressemitteilung hervorgehe. Eine Unrichtigkeit, Irreführung oder Verharmlosung kann sich aber nur aus dem Vergleich mit der seinerzeit tatsächlich bestehenden Situation ergeben, zu der das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen hat. Die Gründe des Musterentscheids lassen zu diesem Punkt auch nicht erkennen, unter welchen Gesichtspunkten die Pressemitteilung unrichtig oder unvollständig sein soll.

172

(b) Dagegen ist die Annahme, die Pressemitteilung sei irreführend, weil das Portfolio der HPFB nicht in den mitgeteilten Quoten berücksichtigt worden sei, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 im Sicherheitenpool dieses Portfolios Subprime-Sicherheiten enthalten gewesen seien, die damit in den Angaben zum höchstmöglichen Ausfallrisiko nicht berücksichtigt worden sein konnten. Der Sache nach hat das Oberlandesgericht danach die Unwahrheit der Aussagen über die Darstellung des Subprime-Bezugs angenommen. Die von der Rechtsbeschwerde beanstandete Feststellung, der Subprime-Anteil im Sicherheitenpool habe nicht nur 5 %, sondern 26 % betragen, hat das Oberlandesgericht nicht getroffen.

173

(c) Die Annahme des Oberlandesgerichts, das höchstmögliche Abschreibungsrisiko aus dem Subprime-Bezug des US-CDO-Portfolios sei in der Pressemitteilung unrichtig dargestellt, weil dieses weit über dem Betrag von 240 Mio. € (16 % aus 1,5 Mrd. €) gelegen habe, hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

174

Die Feststellung, der Anteil der CDO mit Bezug zu Subprime-Sicherheiten aus den Jahren 2006 und 2007 am US-CDO-Portfolio habe nicht nur 5 %, sondern 23 % betragen, findet im Klägervortrag allerdings keine Grundlage. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 weist zu Recht darauf hin, dass der Musterkläger lediglich die Ausführungen des Prüfberichts der Bundesbank vom 24. Juni 2008 referiert hat, der den gesamten Sicherungspool von rund 52 Mrd. € als Bezugsgröße anführt. Ein Anteil der CDO mit Bezug zu Subprime-Sicherheiten aus den Jahren 2006 und 2007 am US-CDO-Portfolio ist vom Musterkläger nicht behauptet worden. Die Beantwortung der Frage, welche CDO einen Bezug zu Subprime-Sicherheiten hatten, setzt zwingend einen Blick auf die diesen konkret zu Grunde liegenden Sicherheiten voraus. Entsprechend fehlt auch der daran anknüpfenden Feststellung, dass höchstmögliche Abschreibungsrisiko aus dem Subprime-Bezug des US-CDO-Portfolio sei falsch dargestellt worden, die Grundlage.

175

Die Rechtsbeschwerde greift allerdings die in diesem Zusammenhang angestellten Hilfserwägungen des Oberlandesgerichts, schon die Abwertung am 15. Januar 2008 in Höhe von 466 Mio. € und weitere Abwertungen in der Folgezeit belegten die Falschangabe, nicht an.

176

(3) Keinen Bestand hat die Feststellung des Oberlandesgerichts, die Pressemitteilung sei irreführend und falsch, weil sie das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool verschwiegen habe. Diese Feststellung findet im Erweiterungsbeschluss vom 5. Mai 2014 eine hinreichende Grundlage, weil die Unwahrheit bzw. Unvollständigkeit der Pressemitteilung unter dem Gesichtspunkt der richtigen Darstellung des Subprime-Anteils im US-CDO-Portfolio im Musterverfahren zu prüfen war (vgl. oben 2. b] bb]). Das Oberlandesgericht hat allerdings die Unwahrheit der Aussage festgestellt, ohne aufzuzeigen, welche konkrete Aussage mit der Wirklichkeit nicht übereingestimmt hat. In Betracht käme nach der Argumentation des Oberlandesgerichts nur eine unvollständige Darstellung eines Sachverhalts. Diesbezüglich fehlen Feststellungen zu der Frage, ob der Empfänger der Pressemitteilung überhaupt eine Aufklärung über künftig mögliche Veränderungen im Sicherheitenpool erwartet hat. Der Wortlaut der Pressemitteilung lässt nicht erkennen, dass die Information die Zielrichtung hatte, allgemein über die Risiken der CDO aufzuklären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Gegenstand der Mitteilung auch künftige Erwartungen sind, weil die diesen zu Grunde liegende Risikoeinschätzung nicht offen gelegt wird. Überdies ist der Umstand, dass es in der Vergangenheit durch Assettäusche zu Veränderungen im Sicherheitenpool gekommen war, in der Pressemitteilung ausdrücklich erwähnt worden. Bei unbefangener Lektüre wird hierdurch eher der Eindruck erweckt, dass der Subprime-Anteil der Sicherheiten auch künftig veränderlich sei. Jedenfalls wird kein Vertrauen erzeugt, dass solche Veränderungen nicht zu erwarten sind.

177

(4) Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Aussage, selbst ein vollständiger Zusammenbruch des Subprime-Marktes sei in der Risikovorsorge mehrfach abgedeckt, sei unrichtig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

178

(a) Die Auslegung der Presseerklärung durch das Oberlandesgericht, mit dieser Aussage sei eine Behauptung mit dem Inhalt aufgestellt worden, selbst der vollständige Zusammenbruch des Subprime-Marktes werde keine Auswirkung auf das Geschäftsergebnis haben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob dieser Behauptung in jedem Einzelpunkt ein nachprüfbarer Tatsachengehalt zukommt, ist für die rechtliche Bewertung ausgehend von der Zielrichtung der begehrten Feststellung nicht von Bedeutung, weil es für den Begriff der Unwahrheit und Unvollständigkeit nicht auf eine trennscharfe Abgrenzung zwischen bewertenden Äußerungen und Tatsachenbehauptungen ankommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob eine den Kurs eines Finanzinstruments beeinflussende und der Richtigstellung bedürfende Fehlvorstellung hervorgerufen werden kann, was auch dann der Fall sein kann, wenn eine wertende Aussage nicht hinreichend durch Tatsachen gestützt oder kaufmännisch vertretbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 927). Die Verwendung unbestimmter Begriffe und pauschale Aussagen über Risiken und deren vermeintliche Abdeckung hindern die Bewertung einer Aussage als unwahr daher nicht.

179

Dies zu Grunde gelegt zeigt die Rechtsbeschwerde keine fehlerhafte Würdigung des Oberlandesgerichts auf. Der Hinweis auf die „kalkulierte Risikovorsorge“ deutet dem Kontext nach nicht darauf hin, es sei eine ausreichende Risikovorsorge für einen Zusammenbruch des Subprime-Marktes nach Maßgabe der subjektiven Risikoeinschätzung getroffen worden. Die Pressemitteilung hat sich verstärkender Formulierungen bedient („vollständiger“ Zusammenbruch des Marktes und „mehrfache“ Abdeckung durch kalkulierte Risikovorsorge). Dies konnte das Oberlandgericht nachvollziehbar und widerspruchsfrei als Hinweis darauf verstehen, dass auch außergewöhnliche Szenarien im Subprime-Markt ergebnisneutral abgesichert seien. Ein Rechtsfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass das Oberlandesgericht eine Verbindung zwischen der gebotenen Risikoabsicherung und möglicherweise gebotenen Abschreibungen auf das CDO-Portfolio hergestellt hat. Es hat nicht angenommen, dass ein Zusammenbruch des Subprime-Markts mit einem Totalausfall der gehaltenen US-CDO gleichzusetzen gewesen wäre. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, der Zusammenbruch eines Markts habe nur die Einstellung von Handelsaktivitäten und keinen bilanzwirksamen Ausfall der Papiere zur Folge, verkennt, dass nach IAS 39.60 das Verschwinden eines Markts und die Herabstufung eines Bonitätsratings zwar für sich genommen keine Hinweise auf eine Wertminderung sind, diese Umstände aber zusammen mit anderen Informationen auf eine Wertminderung hindeuten können (vgl. z.B. IAS 39.59 [e]). Dass solche Informationen mit einem vollständigen Zusammenbruch eines Markts einhergehen konnten, war daher zumindest in eine Betrachtung außergewöhnlicher Risikoszenarien einzubeziehen.

180

(b) Nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass die Aussage der Pressemitteilung falsch und damit unwahr war. Dass die (mehrfache) Abdeckung außergewöhnlicher Risikoszenarien, die auch den vollständigen Zusammenbruch des Subprime-Marktes einbezogen haben, vor der Herausgabe der Pressemitteilung geprüft und bestätigt worden wäre, hat die Musterbeklagte nach den für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindenden Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht substantiiert vorgetragen. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde auf den Wechsel des Bewertungsmodells erst ab Mitte November 2007, anhand dessen die Wertberichtigungen zum Jahresende 2007 letztlich ermittelt wurden, spricht nicht gegen die Würdigung des Oberlandesgerichts, sondern bestätigt diese. Nach den weiteren, auf Beanstandungen der Deutschen Bundesbank fußenden Feststellungen des Oberlandesgerichts war die interne Bewertung der CDO nach dem bis Mitte November 2007 verwendeten Modell von aktuellen externen Marktdaten abhängig, die seit Ende August nicht mehr aktualisiert wurden. Umso mehr drängt sich dann die Frage auf, wie die Aussage in der Pressemitteilung trotz fehlender Marktpreise zustande kommen konnte.

181

(5) Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Annahme des Oberlandesgerichts, die Pressemittelung sei unvollständig, weil der Hinweis, dass „unsere“ CDO-Investments keinen direkten Bezug zum Subprime-Segment hätten, als positives, individuelles Merkmal des CDO-Investments der HRE-Gruppe herausgestellt worden sei. Das Oberlandesgericht hat seiner Würdigung keinen fehlerhaften Maßstab zu Grunde gelegt, weil es unausgesprochen die Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes angewandt hätte. Die Feststellung des Oberlandesgerichts ist ausschließlich tatsächlicher Natur und darauf gerichtet, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 in diesem Punkt unvollständig sei, weil durch die Darstellung ein Fehlverständnis gefördert werde. Die hierzu erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend befunden. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 ZPO).

182

dd) Die Feststellungen zur Pressemitteilung vom 7. November 2007 halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

183

(1) Soweit das Oberlandesgericht die Pressemitteilung als unvollständig ansieht, weil die sich aus dem Refinanzierungsmodell der Depfa resultierenden Liquiditätsrisiken verschwiegen worden seien, bleiben bei der Würdigung wesentliche Umstände unberücksichtigt. Die Auslegung, der Vorstandsvorsitzende habe in der Pressemitteilung eine qualitative Gesamtbeurteilung des Geschäftsmodells der HRE-Gruppe vorgenommen und die diese Beurteilung tragenden Säulen aufgelistet, ist ebenso von Rechtsfehlern beeinflusst, wie die Annahme, die Erklärung sei auf die Vermittlung eines Gesamtbilds über die marktbedingte Risikolage in der HRE-Gruppe gerichtet gewesen.

184

(a) Die Pressemitteilung diente der Zusammenfassung des Quartalsberichtes vom selben Tag und der Information über den Abschluss der Übernahme der Depfa. Die in der Pressemitteilung wiedergegebenen Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden waren im Kontext dieser Informationen zu sehen und wollten kein vollständiges Bild der gegenwärtigen Lage und des Geschäftsmodells der Gruppe zeichnen. Sie waren darauf gerichtet, das Quartalsergebnis zusammenzufassen und aus Unternehmenssicht zu bewerten. Die Rechtsbeschwerde wendet auch zutreffend ein, dass die Pressemitteilung erkennbar werbend die strategischen Ziele der Übernahme der Depfa und die sich daraus erschließenden Perspektiven für den Konzern hervorhebt und dies gegen die Erwartung des Lesers spricht, eine unter dem Aspekt der Geschäftsrisiken differenzierte Information zu erhalten.

185

(b) Durchgreifend ist auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass die Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht die Schlussfolgerung tragen, dass ausgehend von den Marktbedingungen zum Zeitpunkt der Pressemitteilung ein besonderer Hinweis auf die Refinanzierungs- und Liquiditätsrisiken aus dem nach den Feststellungen marktbekannten Geschäftsmodell der Depfa zu erwarten war, weil sich die Einschätzung ohne deren Erwähnung als unvollständig erweisen würde. Es ist nicht festgestellt, ob und ggf. wie die bis November 2007 aufgetretenen Entwicklungen am Geldmarkt sich auf die HRE-Gruppe bzw. die Depfa ausgewirkt haben und das Vertrauen auf den Fortbestand der Refinanzierungsmöglichkeiten daher als erschüttert angesehen werden musste. Der Hinweis auf krisenhafte Liquiditätsanspannungen am Geldmarkt im Juli und August 2007 trägt eine entsprechende Schlussfolgerung nicht. In diesem Zusammenhang berücksichtigt das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung nicht genügend, dass die Erklärung sowohl offenlegt, dass die HRE-Gruppe sich den Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht ganz habe entziehen können und es Fehlentwicklungen auf den Immobilien- und Finanzierungsmärkten gegeben habe. Ob die daran anknüpfende Annahme von der besonderen Stärke und Solidität des eigenen Geschäftsmodells angesichts der Refinanzierungs- und Liquiditätsrisiken der Depfa jeder Grundlage entbehrte, hängt aber maßgeblich von der Frage ab, welche Schlüsse aus der bisherigen Marktentwicklung in Bezug auf das Geschäftsmodell der Depfa gezogen werden mussten. Hierzu hat das Oberlandesgericht aber in anderem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Musterkläger nicht dargelegt habe, welche im Jahr 2008 getroffenen Prüfungsfeststellungen zum Risiko- und Liquiditätsmanagement bereits im September 2007 relevant und von einem solchen Gewicht gewesen seien, dass ein Verschweigen die Unrichtigkeit des Börsenzulassungsprospekts vom 10. September 2007 begründet hätte.

186

(2) Die Annahme des Oberlandesgerichts, bei der in der Pressemitteilung wiedergegebenen Äußerung des Vorstandsvorsitzenden „Die Hypo Real Estate Group ist somit aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen“ handele es sich um eine unwahre objektive Tatsachenbehauptung, hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Die Würdigung des Oberlandesgerichts lässt die vorstehend aufgezeigte Einordnung der Aussage als zusammenfassende Bewertung und deren Kontext unberücksichtigt und erforscht nur ungenügend ihren Inhalt. Weder der Wortlaut der Aussage noch die vom Oberlandesgericht herangezogenen Presseverlautbarungen vom 8. November 2007 tragen die Schlussfolgerung auf eine positive Tatsachenbehauptung mit dem Inhalt, die US-Subprime-Krise sei für die HRE-Gruppe (praktisch) ohne Relevanz. Entsprechend lässt sich aus den vom Oberlandesgericht im Einzelnen aufgezeigten Belastungen unabhängig davon, ob die diesen zu Grunde liegende Würdigung einer rechtlichen Prüfung in allen Punkten standhält, die Unwahrheit der Äußerung nicht herleiten.

187

(a) Das Oberlandesgericht berücksichtigt bei seiner Auslegung nicht die vorstehend unter (1) (a) aufgezeigte Zielrichtung und den Kontext der Äußerung, die ihren Schwerpunkt in einer kommentierenden Zusammenfassung des Quartalsergebnisses und die sich mit der Übernahme der Depfa erschließenden Perspektiven hatte. Anders als die Pressemitteilung vom 3. August 2007 enthielt die Äußerung keine konkreten Informationen zur Betroffenheit von der Subprime-Krise, sondern beschränkte sich auf die vage Formulierung, man habe sich „den Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht ganz entziehen“ können. Damit wird eine Betroffenheit der HRE-Gruppe von der Marktkrise nicht in Abrede gestellt. Dass diese hinter der insgesamt positiven Gesamteinschätzung zurücktritt ist erkennbar eine subjektive, auf der Erwartung einer günstigen Entwicklung fußende Bewertung. Die ihr vorangestellten und durch das Wort „somit“ verbundenen Ausführungen enthalten mit ihren Beschreibungen „stark“, „solide“, „attraktiv“, „langfristig“, „krisenfest“ und „adäquat“ kaum nachprüfbare Wertungen, die mit dem vagen Hinweis auf die eigene Betroffenheit zu einer optimistischen Gesamtaussage verknüpft werden.

188

(b) Einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme des Oberlandesgerichts, in der Pressemitteilung sei nicht lediglich eine Zukunftserwartung, sondern die Einschätzung geäußert worden, die Finanzmarktkrise sei bereits überwunden. Auch diese Aussage findet im Wortlaut der in der Presseerklärung wiedergegebenen Äußerung unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs keine hinreichende Grundlage. Ebenso, wie der Äußerung nicht entnommen werden kann, die Finanzmarktkrise sei für die HRE-Gruppe ohne Relevanz geblieben, enthält die zusammenfassende Bewertung nicht die Aussage, die Finanzkrise sei bereits beendet und von der HRE bereits endgültig überwunden worden. Bei der Aussage, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen, handelt es sich vielmehr um eine optimistische Beurteilung der Geschäftschancen in einem unsicheren Marktumfeld.

189

(c) Die vom Oberlandesgericht festgestellten Pressereaktionen auf die Äußerung referieren lediglich die subjektive Einschätzung und lassen nicht erkennen, dass diese anders als vorstehend beschrieben aufgefasst wurden. Die zitierten Passagen geben lediglich die optimistische Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden wieder und heben zudem ihren subjektiven Einschlag und die ihr zugrundeliegenden Zukunftserwartungen hervor („nach Ansicht seines Vorstands“ bzw. „will als Gewinner aus der weltweiten Finanzkrise hervorgehen“).

190

(d) Angesichts der in der Aussage wiedergegebenen wertenden Gesamtbetrachtung fehlt es für die Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts, die Aussage erweise sich wegen der Nichtberücksichtigung der Belastungen der HRE-Gruppe aus der Subprime-Krise als unwahr, an einer tragfähigen Grundlage. Die Feststellungen über die einzelnen Belastungen aus der Subprime-Krise erlauben nicht die Schlussfolgerung, dass die positive Gesamteinschätzung unter Berücksichtigung ihres werbenden Charakters jeder Grundlage entbehrt hat. Dies lässt sich aus den Feststellungen über bereits vorgenommene und konkret drohende Abschreibungen auf einzelne CDO-Tranchen, der Unzuverlässigkeit von Ratingeinschätzungen oder der vom Oberlandesgericht angenommenen Notwendigkeit einer Portfoliowertberichtigung nicht ableiten.

191

Die nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts konkret drohenden Abschreibungen auf die C- und D-Tranchen des Bonifacius-CDO betrafen ein Volumen von insgesamt 17 Mio. US-$. Daneben hat das Oberlandesgerichteinen Portfoliowertberichtigungsbedarf von mindestens 131 Mio. € angenommen. Angesichts des im Quartalsbericht vom 30. September 2007 ausgewiesenen Vorsteuerergebnisses von 527 Mio. € sind die festgestellten Belastungen nicht geeignet, eine positive Zukunftsprognose grundsätzlich in Frage zu stellen, die nach dem Wortlaut der Erklärung maßgeblich darauf basiert hat, die Chancen des Geschäftsmodells der HRE-Gruppe im Marktumfeld ohne eine bestimmte zeitliche Einordnung wertend zu betrachten. Die ausschließlich die Risiken aus dem US-CDO-Portfolio in den Blick nehmende Bewertung des Oberlandesgerichts genügt hierfür nicht, weil dessen Bedeutung im Verhältnis zum ausdrücklich erwähnten Staatsfinanzierungs- und Pfandbriefgeschäft offenbleibt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang nicht die die Bewertung maßgeblich tragende Argumentation berücksichtigt, die Fehlentwicklung auf den Immobilien- und Finanzierungsmärkten hebe die Stärke des eigenen Geschäftsmodells hervor. Da eine Betroffenheit der HRE-Gruppe nicht in Abrede gestellt, sondern ausdrücklich erwähnt wurde, hätte die Würdigung darauf aufbauen müssen, ob die der Argumentation zu Grunde liegende Gewichtung willkürlich erscheint. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang aber die Behauptung der Musterbeklagten zu 1, wegen der einsetzenden „Flucht in die Qualität“ sei eine optimistische Zukunftserwartung berechtigt gewesen, nicht als widerlegt angesehen, sondern die Richtigkeit der hervorgehobenen positiven Aspekte bescheinigt.

192

4. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde des Musterklägers, dass das Oberlandesgericht nicht festgestellt hat, die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei falsch, weil am 30. September 2007 ein Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 542 Mio. € bestanden habe (Feststellungsziele Komplex V 1. c) und V 1a. Fall 2).

193

a) Das Oberlandesgericht hat festgestellt, die Pressemitteilung vom 7. November 2007 sei falsch. In den Gründen hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Behauptung des Musterklägers, die Musterbeklagte habe im dritten Quartal 2007 Bewertungsverluste in Höhe von 542 Mio. € erlitten, sei nicht nachzugehen, da der Sachvortrag ins Blaue hinein gehalten sei.

194

b) Das Oberlandesgericht war an einer entsprechenden Feststellung schon deswegen gehindert, weil die Feststellungsziele V 1. c) und V 1a. nicht die Prüfung einschlossen, ob am 30. September 2007 ein Wertberichtigungsbedarf bestand (siehe 1. b] cc]).

195

c) Die von der Rechtsbeschwerde zu diesem Punkt erhobenen Verfahrensrügen bleiben im Übrigen ohne Erfolg. Diese werden ausschließlich mit einem Verweis auf das Vorbringen zu dem zu Komplex I festzustellenden Abwertungsbedarf und die insoweit erhobenen Verfahrensrügen begründet, die allerdings gegen die Feststellungen des Oberlandesgerichtes im Komplex I nicht durchgreifen (siehe II. 2.).

196

5. Der Senat kann gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Feststellungen im Komplex V 1a. nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Im Umfang der Aufhebung sind die Feststellungsziele zurückzuweisen, weil die Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und vom 7. November 2007 ausgehend von den unter 3. c) cc) und dd) dargestellten Maßstäben nicht unwahr und unvollständig sind. Die erforderliche Auslegung der Pressemitteilungen kann der Senat selbst vornehmen, weil die für die Auslegung maßgeblichen Tatsachen vom Oberlandesgericht festgestellt worden und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.

197

a) Die Pressemitteilung vom 3. August 2007 ist nicht unvollständig, weil sie das Risiko künftiger Änderungen im Sicherheitenpool nicht erwähnt. Bei einem Empfänger der Pressemitteilung wurde auch unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Erklärung, Marktteilnehmer über mögliche Belastungen der HRE-Gruppe aus der Krise um US-Subprime aufzuklären, nicht die berechtigte Erwartung erzeugt, allgemein über die Risiken des CDO-Engagements aufgeklärt zu werden, zu denen mögliche Veränderungen im Sicherheitenpool zählen. Abgesehen davon, dass von einer Pressemitteilung typischerweise keine Risikoaufklärung erwartet werden kann, enthält die Pressemitteilung vom 3. August 2007 konkrete Aussagen zum Subprime-Engagement nur auf den Ist-Zustand bezogen und begründet die in ihr enthaltenen Prognosen nicht näher. Die Erklärung enthält keine Aussagen, aufgrund derer der Empfänger auf die Unveränderlichkeit dieser Situation hätte vertrauen können. Die Erwähnung von Assettäuschen in der Vergangenheit hat im Gegenteil deutlich gemacht, dass der Subprime-Anteil im Portfolio veränderlich ist. Einer ausdrücklichen Klarstellung bedurfte es hierzu nicht.

198

b) Die in der Pressemitteilung vom 7. November 2007 wiedergegebene Äußerung des Musterbeklagten zu 2, die HRE-Gruppe sei aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervorgegangen, ist nicht unwahr.

199

Die in der Pressemitteilung wiedergegebene Äußerung hebt erkennbar werbend die strategischen Ziele der Übernahme der Depfa und die sich daraus erschließenden Perspektiven für den Konzern hervor und hat nicht die Erwartung differenzierter Informationen erzeugt (siehe 3. c] dd] [1] [a]). Die Pressemitteilung enthält keine konkreten Informationen zur Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 bzw. der HRE-Gruppe von der Subprime-Krise, sondern beschränkt sich auf vage Formulierungen. Die insgesamt positive Gesamteinschätzung, ist erkennbar eine subjektive, in die Zukunft gerichtete Bewertung (3. c] dd] [2] [b]).

200

Die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu den allgemeinen Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken und über bereits vorgenommene oder konkret drohende Abschreibungen auf einzelne CDO-Tranchen, der Unzuverlässigkeit von Ratingeinschätzungen oder der Notwendigkeit einer pauschalen Wertberichtigung auf das CDO-Portfolio lassen nicht die Beurteilung zu, dass dieser Einschätzung jede Grundlage gefehlt hat. Diese beruht im Schwerpunkt auf der Hervorhebung von Besonderheiten des eigenen Geschäftsmodells und ist in Bezug auf die sich daraus ergebenden Chancen nicht näher konkretisiert. Da die in der Erklärung hervorgehobenen positiven Aspekte des Geschäftsmodells im damaligen Marktumfeld nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts als zutreffend angesehen wurden, ist die Schlussfolgerung, die positive Gesamteinschätzung sei ohne jede Grundlage ins Blaue hinein geäußert worden, nicht gerechtfertigt.

201

V. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 ist begründet, soweit sie sich gegen die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu den Komplexen XIII und XIV wendet. Die Annahmen des Oberlandesgerichts, die Musterbeklagte zu 1 sei nach der Herausgabe der Pressemitteilung vom 3. August 2007 und auch noch am 7. November 2007 verpflichtet gewesen, die in dieser Pressemitteilung enthaltenen falschen Aussagen per Ad-Hoc-Meldung zu korrigieren und der Umstand, dass die Pressemitteilung vom 3. August 2007 unwahre Aussagen enthalten habe, stelle eine Insiderinformation dar, sind von Rechtsfehlern beeinflusst. Damit fehlt es zugleich an einer Grundlage für die weiteren zu den Komplexen XIII und XIV getroffenen Feststellungen, die daran anknüpfende Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 37b Abs. 1 WpHG aF betreffen. Die Rechtsbeschwerde führt insoweit zur Aufhebung des Musterentscheids und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

202

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

203

a) Der Umstand, dass die Pressemitteilung vom 3. August 2007 unwahre Aussagen enthalte, stelle eine Insiderinformation dar. Die sachlich unzutreffende kapitalmarktbezogene Mitteilung habe konkrete Informationen über das in der Öffentlichkeit nicht bekannte Investment des HRE-Konzerns im verbrieften Kreditportfoliomarkt und über das mithin bestehende Subprime-Exposure der Gruppe enthalten, welche präzise genug gewesen seien, im Falle ihres Bekanntwerdens die Auswirkung auf den Börsenkurs der Anteile an der Musterbeklagten zu 1 zu beurteilen. Die Tatsache der Inkongruenz von Aussageinhalt und wahren Fakten stelle ihrerseits eine Insiderinformation dar.

204

Die Tatsache der Fehlerhaftigkeit der gegebenen Informationen sei geeignet gewesen, bei ihrem Bekanntwerden den Kurs der Aktie der Musterbeklagten zu 1 zu beeinflussen. Aufgrund der Marktverhältnisse und der Entwicklungen seit den Ratingherabstufungen vom 10. Juli 2007 seien die Banken unter Generalverdacht geraten, sodass die Musterbeklagte zu 1, auch im Hinblick auf den geplanten Zusammenschluss mit der Depfa, mit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 potentielle Anleger habe beruhigen wollen, wie sie selbst vorgetragen habe. Ein verständiger Anleger habe im damaligen Marktumfeld Art und Umfang des Subprime-Exposures bei seiner Investitions- oder Deinvestitionsentscheidung berücksichtigt. Dies zeige auch der Kursrutsch nach Bekanntwerden der Information am 15. Januar 2008.

205

Diese aktiv an den Sekundärmarkt gerichtete Information habe die Musterbeklagte zu 1 im Wege der Ad-Hoc-Meldung korrigieren müssen. Auch wenn eine konkrete, den Emittenten betreffende, aber nicht öffentliche Information mit Kursrelevanz durch eine freiwillige Verlautbarung verschleiert werde, komme § 37b WpHG aF zur Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der „freiwilligen“ Mitteilung bereits eine Insiderinformation vorgelegen habe. Die freiwillig publizierte, inhaltlich aber unzutreffende Information über Art und Umfang des Subprime-Exposures der HRE-Gruppe und der diesbezüglichen Absicherung sei eine Insiderinformation gewesen. Darüber hinaus entstehe mit der kursrelevanten, freiwillig in den Kapitalmarkt gegebenen Falschinformation eine Insiderinformation des Inhalts, dass diese Falschinformation nicht zutreffe. Dies löse eine Berichtigungspflicht als Ausprägung der gesteigerten Handlungspflichten aus Ingerenz aus. Die jedem Emittenten zuzubilligende Prüffrist sei am 3. August 2007 abgelaufen gewesen, da an diesem Tag die Musterbeklagte zu 1 die Pressemitteilung zur Vermeidung negativer Marktreaktionen herausgegeben habe. Weil die Musterbeklagte zu 1 ihrer Verpflichtung zur Publizierung einer korrigierenden Ad-hoc-Meldung nicht nachgekommen sei, habe sie es unterlassen, die Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen.

206

b) Die Verpflichtung zur Bekanntgabe einer korrigierenden Ad-Hoc-Meldung habe auch am 7. November 2007 fortbestanden, da das ungeschmälerte Interesse des Kapitalmarkts an zutreffenden Informationen über Subprime-Risiken der Banken fortbestanden habe. Vor dem Hintergrund anhaltender Enthüllungen über bis dahin nicht bekannt gewordene subprime-induzierte Risiken, des entstandenen Misstrauens in die für strukturierte Finanzinstrumente mit Subprime-Bezug vergebenden Ratings, der Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Finanzmarktkrise und wegen der bestehenden Intransparenz der Investments in US-Subprime sei das Interesse des Kapitalmarkts an Informationen ungebrochen gewesen.

207

Dass die Zuführung zur AfS-Rücklage keine negativen Reaktionen bei Analysten und am Kapitalmarkt hervorgerufen habe, besage nicht, dass dem kein Kursbeeinflussungspotential innegewohnt habe. Zum einen habe die Musterbeklagte zu 1 statt einer Abwertung nur eine Rücklagenbildung bekannt gegeben. Zum anderen habe die Musterbeklagte zu 1 ihre Aussage am 7. November 2007 in einen Kontext gestellt, der den am Kapitalmarkt hervorgerufenen Eindruck, sie sei von der Krise praktisch nicht betroffen, verstärkt habe, was von Analysten aufgegriffen und zur Grundlage von Investitionsempfehlungen gemacht worden sei. Da die Markterwartungen in die Kurse „eingepreist“ gewesen seien, ließen fehlende Reaktionen auf die Zwischenbilanzzahlen der P.  bank AG und C.      bank AG nicht den Schluss auf eine fehlende Bewertungs- und Kursrelevanz zu, weil Kurskorrekturen nur als Reaktion auf Abweichungen von der ohnehin bestehenden Markterwartung zu erwarten gewesen seien. Die im Hinblick auf das vorangegangene Informationsverhalten der Musterbeklagten zu 1 erzeugte Markterwartung wäre durch die erforderliche Korrekturmeldung aber erschüttert worden, wie sich nach der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 gezeigt habe.

208

2. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar kann eine unwahre öffentliche Verlautbarung in einer Pressemitteilung entgegen der Sicht der Musterbeklagten zu 1 eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben in dieser Pressemitteilung begründen. Auch kann gemäß § 37b WpHG aF ein tatbestandsmäßiges Unterlassen vorliegen, wenn eine Mitteilung, die nicht die Form einer Ad-Hoc-Meldung hat, zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation führt. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Oberlandesgerichts, es entstehe als Ausprägung einer gesteigerten Handlungspflicht aus Ingerenz mit der kursrelevanten Falschinformation eine Insiderinformation des Inhalts, dass diese Falschinformation nicht zutreffe.

209

a) Die Musterbeklagten zu 2 und 3 wenden zu Unrecht die Unbestimmtheit der Feststellungsziele ein. Hinsichtlich der vom Oberlandesgericht erörterten Ad-Hoc-Mitteilungspflicht zur Information über die Unwahrheit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 sind die Feststellungsziele unter Berücksichtigung der oben unter II. 2. a) aa) dargestellten Voraussetzungen hinreichend bestimmt. Die Auslegung des Oberlandesgerichts, dass das Bestehen einer Ad-Hoc-Mitteilungspflicht unter den zum Feststellungsziel Komplex V 1a. erörterten Gesichtspunkten zur Unwahrheit bzw. Unvollständigkeit der Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und 7. November 2007 zu prüfen ist, ist nicht zu beanstanden. Mit der Formulierung, dass eine Mitteilungspflicht unter dem Aspekt der Korrektur falscher Aussagen bestehe, ist der Gegenstand der Mitteilungspflicht hinreichend eingegrenzt. Gegenstand einer auf die Korrektur falscher Aussagen gerichteten Ad-Hoc-Mitteilungspflicht kann sowohl die Offenbarung der Unwahrheit oder Unvollständigkeit sein, als auch eine auf die Offenbarung der durch falsche oder unvollständige Aussagen verdeckten Sachverhalte. Der Zusammenhang mit dem Feststellungsziel Komplex XIII 2., mit dem die Feststellung angestrebt wird, der Umstand, dass die Pressemitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 3. August 2007 unwahre Aussagen enthalte, hilfsweise der Umstand, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt werde, stelle eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG aF dar, macht deutlich, dass bereits die Offenbarung der Unwahrheit bzw. einer Irreführung Gegenstand der Mitteilungspflicht sein soll. Soweit eine korrigierende Mitteilung darüber hinaus auf die Offenbarung verdeckter Sachverhalte gerichtet sein könnte, enthält der Erweiterungsbeschluss allerdings keine Anhaltspunkte dazu, welche konkreten Informationen Gegenstand einer solchen Ad-Hoc-Meldung hätten sein sollen.

210

aa) Richtig ist, dass der Wortlaut der Feststellungsziele Komplex XIII 1. und Komplex XIV 1. nicht näher eingrenzt, unter welchen Gesichtspunkten die Pressemitteilung vom 3. August 2007 „falsch“ sein soll. Der Zusammenhang mit dem Feststellungsziel Komplex V 1a., das die Frage der Unwahrheit und Unvollständigkeit der Angaben in der Pressemitteilung betrifft und ebenfalls durch den Erweiterungsbeschluss vom 5. Mai 2014 Gegenstand des Musterverfahrens wurde, macht aber deutlich, dass eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht hinsichtlich derselben Aussagen geprüft werden soll, deren Unwahrheit oder Unvollständigkeit Gegenstand des Feststellungsziels im Komplex V 1a. ist. Der Erweiterungsbeschluss nimmt ausdrücklich Bezug auf das Feststellungsbegehren, das die Unrichtigkeit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 betrifft. Diese Bezugnahme betrifft das Feststellungsziel Komplex V 1a., das den oben unter IV. 3. b) bb) beschriebenen Inhalt hat.

211

bb) Der Wortlaut des Feststellungsziels macht in Verbindung mit der Begründung des Erweiterungsbeschlusses deutlich, dass zu untersuchen ist, ob eine auf Korrektur gerichtete Ad-Hoc-Mitteilungspflicht durch unrichtige, mithin unwahre oder unvollständige Aussagen ausgelöst wurde. Diese weite Fassung des Feststellungsziels schließt die Prüfung ein, ob im Hinblick auf einzelne oder mehrere Aussagen eine Mitteilungspflicht bestand und legt auch nicht fest, ob eine korrigierende Mitteilung lediglich auf die Offenbarung der Unrichtigkeit einer Aussage oder auf die Mitteilung eines durch sie verborgenen Sachverhalts gerichtet ist. Die Offenbarung der Unrichtigkeit wäre Bestandteil einer Richtigstellung und mit der Bezeichnung der Aussagen ist der Inhalt der Mitteilungspflicht konkret eingegrenzt.

212

cc) Das Oberlandesgericht hat lediglich festgestellt, dass es sich bei den mit der Pressemitteilung bekannt gegebenen (unwahren) Angaben und der Tatsache der Inkongruenz von Aussageinhalt und wahren Fakten um Insiderinformationen gehandelt habe. Es hat seine Feststellung zur Kursbeeinflussungseignung zwar auch damit begründet, dass ein verständiger Investor bei seiner Anlageentscheidung auch Art und Umfang des Subprime-Exposures der Gruppe berücksichtige. Diese Begründung bezieht sich aber auf die Tatsache der Fehlerhaftigkeit der mit der Pressemitteilung gegebenen Informationen. Sie offenbart im Übrigen nicht, welche (zutreffenden) Informationen über Art und Höhe des Subprime-Engagements Gegenstand einer Ad-Hoc-Meldung hätten sein sollen.

213

b) Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 meint zu Unrecht, eine unwahre öffentliche Verlautbarung in einer Pressemitteilung könne keine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben in dieser Pressemitteilung begründen. Sie weist darauf hin, der durch § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF auf fehlerhafte Ad-Hoc-Meldungen begrenzte Anwendungsbereich werde unterlaufen, wenn eine Haftung nach § 37b WpHG aF dadurch ausgelöst werden könne, dass die Unrichtigkeit der Pressemitteilung eine Insiderinformation ist.

214

aa) Der Einwand geht am Inhalt der Feststellungsziele Komplex XIII 1. und XIV 1. vorbei, die auf die Klärung der Frage gerichtet sind, ob im Hinblick auf falsche Aussagen der Pressemitteilung vom 3. August 2007 eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht bestand. Diese Feststellungsziele sprechen eine Vorfrage für eine mögliche Haftung der Musterbeklagten zu 1 nach § 37b Abs. 1 WpHG aF an, nämlich ob eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF bestand. Obwohl § 37b Abs. 1 WpHG aF nicht ausdrücklich auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF Bezug nimmt, kommt eine Haftung des Emittenten auf Schadensersatz – wie sich auch aus § 15 Abs. 6 WpHG aF ergibt – nur in Betracht, wenn nach dieser Vorschrift eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation bestand (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 30 f.; RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz,BT-Drucks. 14/8017, S. 93; Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 113; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 84). Ob § 37b Abs. 1 WpHG aF dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass nicht jede Falschmeldung außerhalb der Ad-Hoc-Publizität zu einer Haftung wegen unterlassener Richtigstellung führt, weil die Veröffentlichung unwahrer Angaben in einer Pressemitteilung ihrerseits nicht nach § 37c Abs. 1 WpHG aF haftungsbewehrt ist, ändert an einer möglichen Mitteilungspflicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF nichts (Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 416).

215

bb) Der Sache nach wendet sich der Einwand gegen die zu den Feststellungszielen Komplex XIII 4. und XIV 4. getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts. Dieses hat die Feststellungsziele zutreffend dahin ausgelegt, dass sie sich nicht nur auf die Feststellung der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG aF richten, sondern auf die Feststellung eines nach § 37b Abs. 1 WpHG aF tatbestandsmäßigen Unterlassens. Dies schließt die Beantwortung der Frage ein, ob und ggf. in welchem Umfang der Anwendungsbereich des § 37b Abs. 1 WpHG aF bei der Veröffentlichung unwahrer Aussagen außerhalb einer Ad-Hoc-Meldung eröffnet ist. Insoweit werden im Schrifttum unterschiedliche Positionen vertreten.

216

(1) Teilweise wird angenommen, die Anwendung von § 37b WpHG aF sei nur eröffnet, wenn bereits vor der fraglichen Mitteilung, die nicht die Form einer Ad-Hoc-Meldung gehabt habe, eine Insiderinformation vorgelegen habe. Sei dies nicht der Fall, könne ihr Vorliegen nicht allein mit der fehlerhaften Mitteilung bzw. ihrem Gegenteil begründet werden (Klöhn, AG 2012, 345, 347 f.; Hellgardt, DB 2012, 673, 678; Hannich, WM 2013, 449, 450; Zimmer/Steinhäuser in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 31; Bachmann, JZ 2012, 578, 580). Ergänzend wird vertreten, es sei aber zu prüfen, ob die fehlerhafte Mitteilung zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation geführt habe (Bachmann, JZ 2012, 578, 580; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 94; so wohl auch Spindler, NZG 2012, 575, 576; von Bernuth/Wagner/Kremer, WM 2012, 831, 833 f.).

217

(2) Ferner wird angenommen, eine Haftung nach § 37b WpHG aF sei auch dann eröffnet, wenn einer freiwilligen Verlautbarung keine Insiderinformation zu Grunde liege, die Verlautbarung aber, wäre sie zutreffend, eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation enthalte, weil auf Grund der freiwilligen „Falschmeldung“ in unmittelbarem Anschluss eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht zur unverzüglichen Berichtigung der Falschmeldung entstünde, wenn und weil das Nichtzutreffen der verlautbarten Information ihrerseits eine Insiderinformation sei (Schmolke, ZBB 2012, 165, 168).

218

(3) Schließlich wird unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts vertreten, durch eine Falschinformation in einer Pressemitteilung entstehe stets die Insiderinformation, die Mitteilung sei falsch (Heidel/Seggewiße, AktG, 5. Aufl., § 97 WpHG Rn. 5).

219

cc) Zutreffend ist die zuerst genannte Ansicht. Ein gem. § 37b WpHG aF tatbestandsmäßiges Unterlassen kann sowohl vorliegen, wenn vor einer Mitteilung, die nicht die Form einer Ad-Hoc-Meldung hatte, eine Insiderinformation vorlag, als auch dann, wenn die Mitteilung zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation geführt hat.

220

(1) Es entspricht dem Wortlaut und der Zielrichtung von § 37b WpHG aF, dass Anknüpfungspunkt für die Haftung des Emittenten das Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation ist. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn der Emittent für die unterlassene Veröffentlichung von Insiderinformationen allgemein unter den Voraussetzungen des § 37b WpHG aF haften würde, dies aber im Hinblick auf eine Abweichung der Realität von einer Markterwartung, die der Emittent durch eine Fehlinformation selbst geschaffen hat, nicht der Fall wäre. Der mit der Vorschrift bezweckte Anlegerschutz (RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 93) ist unabhängig davon betroffen, wodurch die mitteilungspflichtige Informationslage geschaffen wurde.

221

(2) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus § 37c WpHG aF oder dem Zusammenhang von § 37b und § 37c WpHG aF herleiten. Hierzu wird eingewandt, § 37b WpHG aF werde zum Auffangtatbestand der Kapitalmarktinformationshaftung und die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftungsnorm für fehlerhafte Kapitalmarktinformation werde unterlaufen, wenn das Vorliegen einer Insiderinformation allein mit der fehlerhaften Nicht-Ad-Hoc-Meldung begründet werde (Klöhn, AG 2012, 345, 347 f.; Bachmann, JZ 2012, 578, 580). Es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, der mit § 37c WpHG aF einen Spezialtatbestand der Haftung für irreführende Informationen geschaffen habe, der überflüssig wäre, wenn sich diese Fälle sämtlich schon auf Grundlage des § 37b WpHG aF lösen ließen (Hellgardt, DB 2012, 673, 678). Diese Einwände sprechen nicht gegen eine Haftung nach § 37b WpHG aF, wenn die fehlerhafte Veröffentlichung ihrerseits zu einer mitteilungspflichtigen Insiderinformation führt.

222

Richtig ist, dass die Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation in einer Pressemitteilung eine Haftung gemäß § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF nicht begründen kann. Für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Verlautbarungen, die nicht als Ad-Hoc-Meldung veröffentlicht wurden, ist kein Raum, weil der Gesetzgeber bewusst allein die Haftung für fehlerhafte Ad-Hoc-Meldungen geregelt hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 16 f.).

223

Hieraus kann indes nichts für eine Einschränkung der Haftung wegen unterlassener Kapitalmarktinformation abgeleitet werden. Der Emittent, der außerhalb der gesetzlich vorgesehen Publikationsform der Ad-Hoc-Meldung Insiderinformationen bekannt gibt, erfüllt seine Mitteilungspflicht nach § 15 WpHG aF nicht, so dass eine Haftung nach § 37b Abs. 1 WpHG aF in Betracht zu ziehen wäre, wenn nicht infolge der Bekanntmachung die Insiderinformation als solche verloren ginge (Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 143). Entsprechend gehen auch die Befürworter einer einschränkenden Auslegung davon aus, dass im Falle einer Falschinformation eine auf die verdeckte Information bezogene Mitteilungspflicht erhalten bleibt und deren Nichterfüllung haftungsbewehrt sein kann (Klöhn, AG 2012, 345, 347).

224

Nichts anderes kann gelten, wenn durch eine fehlerhafte Marktinformation eine Insiderinformation erst geschaffen wird. Für einen Willen des Gesetzgebers, eine fehlerhafte Marktinformation außerhalb von Ad-Hoc-Meldungen unabhängig von den hierdurch erzeugten Markterwartungen haftungsfrei stellen zu wollen, ist nichts ersichtlich. Mit den §§ 37b und 37c WpHG aF hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, Lücken des Anlegerschutzes zu schließen, weil das Publizitätsverhalten einiger börsennotierter Unternehmen insoweit starke Mängel aufweise (RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 93). Aus der Beschränkung der Haftung für unrichtige Informationen auf Ad-Hoc-Meldungen lässt sich nicht ableiten, dass zugleich auch eine Haftung wegen unterlassener Mitteilungen eingeschränkt ist (Schmolke, ZBB 2012, 165, 168). Diese hat eine andere Zielrichtung, weil sie nicht an eine aktive Fehlinformation, sondern an die Abweichung der Informationslage im Markt von der tatsächlich bestehenden Lage anknüpft. Entsprechend löst eine Fehlinformation eine auf Korrektur gerichtete Informationspflicht nicht aus sich heraus aus, sondern nur, wenn eine auf ihr basierende Markterwartung tatsächlich eingetreten ist. Zudem begründen die Falschmitteilung einerseits und die Nichtmitteilung des wahren Sachverhalts andererseits selbstständige Pflichtverletzungen, die zu unterschiedlichen Schäden führen können (Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 143).

225

(3) Ob die Verlautbarung, wäre sie zutreffend, selbst eine den Emittenten betreffende Insiderinformation enthalten hätte, ist für die Haftung nicht relevant, weil es, wie vorstehend aufgezeigt, allein auf die durch die Information geschaffene Informationslage im Markt ankommt (aA wohl Schmolke, ZBB 2012, 165, 168). Entsprechend entsteht weder stets eine auf Korrektur gerichtete Informationspflicht noch basiert eine solche auf dem Gedanken der Ingerenz (aA Heidel/Seggewiße, AktG, 5. Aufl., § 97 WpHG Rn. 5).

226

dd) Hiervon ausgehend ist die Annahme des Oberlandesgerichts, es entstehe als Ausprägung einer gesteigerten Handlungspflicht aus Ingerenz mit der kursrelevanten Falschinformation ohne weiteres eine Insiderinformation des Inhalts, dass diese Falschinformation nicht zutreffe, rechtsfehlerhaft.

227

c) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberlandesgericht daneben der Frage nachgegangen, ob die Tatsache der Inkongruenz von Aussageinhalt und wahren Fakten eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation dargestellt hat. Seine zum Feststellungsziel Komplex XIII 1. und 2. getroffenen Feststellungen, die Tatsache der Falschinformation sei eine Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 WpHG aF gewesen und habe eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht begründet, halten einer rechtlichen Prüfung allerdings nicht stand.

228

aa) Das Oberlandesgericht hat die Eignung der Information zur Kursbeeinflussung danach beurteilt, ob Anleger die Information über den Subprime-Anteil in den Sicherheitenpools der US-CDO-Investments der HRE-Gruppe sowie über die Vorsorge gegen die hieraus resultierenden Risiken bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigt hätten. Nach den oben unter b) cc) dargestellten Maßstäben ist schon der Ausgangspunkt für die Prüfung unzutreffend. Das Oberlandesgericht hätte sich vielmehr die Frage stellen müssen, ob ein verständiger Anleger die Information darüber, dass die Musterbeklagte zu 1 den Subprime-Anteil in den US-CDO-Investments der HRE-Gruppe unrichtig dargestellt hat und dass der vollständige Zusammenbruch des Subprime-Marktes durch die Risikovorsorge der HRE-Gruppe nicht mehrfach abgedeckt war, bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt hätte, mithin das nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch die Musterbeklagte zu 1 treffende Misstrauen im Markt nach der Pressemitteilung vom 3. August 2007 weiterhin gerechtfertigt war. Dieser Frage ist das Oberlandesgericht nicht nachgegangen. Dass die Musterbeklagte zu 1 mit einer (Fehl-)Information über ihr Subprime-Engagement und dessen Risikoabsicherung eine Beruhigung des durch das damalige Marktgeschehen hervorgerufenen Verunsicherung angestrebt hat, belegt für sich genommen nicht, dass die Fehlinformation ihrerseits zu einer Insiderinformation geführt hat.

229

bb) Die Kursrelevanz kann auch nicht mit dem Kursrutsch nach der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 begründet werden. Der tatsächliche Kursverlauf kann zwar eine Indizwirkung für das Kursbeeinflussungspotential einer Information haben, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für eine erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden können (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 41; Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 23). Die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008, mit der Aufwendungen in Höhe von 390 Mio. € für eine im vierten Quartal 2007 vorgenommene Abschirmung des US-CDO-Portfolios bekannt gemacht wurden, ist allerdings nicht mit der Information über die Unrichtigkeit der Presseinformation vom 3. August 2007 gleichzusetzen. Die Begründung des Musterentscheids lässt nicht erkennen, dass das Oberlandesgericht diesen Umstand bei seiner Würdigung berücksichtigt hat.

230

d) Die zum Feststellungsziel Komplex XIV 1. und 2. getroffenen Feststellungen, die eine Verletzung der Ad-Hoc-Mitteilungspflicht in Bezug auf falsche bzw. unwahre Aussagen der Pressemitteilung vom 3. August 2007 am7. November 2007 betreffen, halten einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Das Oberlandesgericht begründet diese Feststellungen im Anschluss an seine Würdigung zum Feststellungsziel Komplex XIII mit einem Fortbestehen der Kursrelevanz, die aus den vorstehend unter c) angeführten Gründen aber für den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 3. August 2007 nicht rechtsfehlerfrei festgestellt wurde. Hieran ändern auch die weiteren Feststellungen des Oberlandesgerichts nichts, nach denen am Kapitalmarkt die Annahme erzeugt worden sei, die HRE-Gruppe sei von der Krise um Subprime praktisch nicht betroffen bzw. durch das Informationsverhalten der Musterbeklagten zu 1 sei eine Markterwartung erzeugt worden, die durch die erforderliche Korrekturmeldung erschüttert worden wäre.

231

aa) Insoweit knüpft das Oberlandesgericht zwar zutreffend an die durch die Informationen der Musterbeklagten beeinflussten Markterwartungen an. Diese Würdigung, die auch im Musterrechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 11; Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/12, ZIP 2014, 2284 Rn. 37), hält auch den von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwänden stand. Die Feststellungen des Oberlandesgerichts tragen auch ein am7. November 2007 fortdauerndes Korrekturbedürfnis, weil es ausdrücklich auf Analysteneinschätzungen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang abgestellt hat, die auf die von der Musterbeklagten zu 1 mit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 verbreitete Einschätzung aufbauen. Das Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 zu einem wellenförmigen Verlauf der Finanzmarktkrise steht der Würdigung nicht entgegen, weil das Oberlandesgericht das weiterhin bestehende Marktinteresse an Informationen über Subprime-Risiken im Schwerpunkt damit begründet hat, dass der Überprüfungsprozess der Ratingagenturen betreffend die Bewertung von Wertpapieren mit Bezug zum Subprime-Markt noch nicht abgeschlossen gewesen sei und die Unsicherheiten über eine zutreffende Bewertung und den weiteren Verlauf der Finanzmarktkrise fortbestanden hätten. Das Oberlandesgericht hat auch das Vorbringen des Musterbeklagten zu 3 zum Inhalt der Investoren- und Analystenkonferenz vom 7. November 2007 rechtsfehlerfrei in seine Würdigung einbezogen, weil die Mitteilung über die Verringerung der AfS-Rücklage ersichtlich nicht mit einer Information über die Unwahrheit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 gleichzusetzen ist. Schließlich steht auch der Kommentar in der Börsenzeitung vom 15. Januar 2008 der Würdigung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass sich dieser gerade verwundert über die allgemeine Marktreaktion äußert, schließt er maßgeblich aus Herabstufungen auf CDO durch Ratingagenturen im November 2007 darauf, dass die Betroffenheit der HRE-Gruppe von der Marktkrise vorhersehbar gewesen wäre. Dass diese Herabstufungen bereits am 7. November 2007 vorlagen, ist nicht behauptet und im Übrigen kann diese aus dem allgemeinen Marktgeschehen abgeleitete Einschätzung nicht mit einer Information über die von der Musterbeklagten zu 1 selbst herbeigeführten Falschinformation am 3. August 2007 gleichgesetzt werden.

232

bb) Das Oberlandesgericht begründet im Ergebnis die Kursrelevanz einer Korrekturmitteilung aber in unzulässiger Weise mit den Marktreaktionen auf die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 (siehe bereits oben c] bb]).

233

e) Angesichts dessen fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu den übrigen Feststellungszielen der Komplexe XIII und XIV, die weitere Voraussetzungen einer Haftung gem. § 37b Abs. 1 WpHG aF im Hinblick auf die Angaben in der Pressemitteilung vom3. August 2007 betreffen.

234

3. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Feststellungszielen in den Komplexen XIII und XIV ist der Musterentscheid aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das erneut durchzuführende Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

235

Die Prüfung, ob insoweit Feststellungen zu treffen sind, wird das Oberlandesgericht an der Frage zu orientieren haben, ob die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Pressemitteilung vom 3. August 2007 für sich genommen eine Insiderinformation war. Dabei wird zu prüfen sein, ob ein verständiger Anleger die Information darüber, dass die Musterbeklagte zu 1 den Subprime-Anteil in den US-CDO Investments der HRE-Gruppe unrichtig dargestellt hat und dass der vollständige Zusammenbruch des Subprime-Marktes durch die Risikovorsorge der HRE-Gruppe nicht mehrfach abgedeckt war, bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt hätte, mithin das nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch die Musterbeklagte zu 1 treffende Misstrauen im Markt nach der Pressemitteilung vom 3. August 2007 weiterhin gerechtfertigt war.

236

VI. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 ist begründet, soweit sie sich im Komplex XII gegen die Feststellung des Oberlandesgerichts wendet, die Musterbeklagte zu 1 sei spätestens am 15. November 2007 verpflichtet gewesen, die Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf das von ihr gehaltene US-CDO-Portfolio per Ad-Hoc-Meldung zu publizieren. Die Rechtsbeschwerde führt insoweit zur Zurückweisung des Feststellungsziels.

237

1. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Umstand, dass die HRE-Gruppe aufgrund der Mitteilung der Ratingagentur Fitch vom 15. November 2007 die Überarbeitung ihres Bewertungsmodells und ihrer Methodik zur Feststellung von Impairments im Wertpapierportfolio initiiert habe, stelle eine Insiderinformation i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF dar.

238

Die Musterbeklagte zu 1 habe eingeräumt, dass bereits am 12. November 2007 konkrete von der HRE-Gruppe gehaltene US-CDO-Tranchen von Ratingherabstufungen betroffen gewesen seien. Die Meldung der Ratingagentur Fitch vom 15. November 2007, in der verschärfte Bewertungsannahmen erläutert und begründet worden seien, habe gezeigt, dass der punktuellen Abwertung eine grundlegende Überarbeitung der Bewertungsstandards mit weitreichender Bedeutung zugrunde gelegen habe. Dies habe die Musterbeklagte zu 1 erkannt und umgehend einen internen Prozess mit dem Ziel in Gang gesetzt, möglichst kurzfristig die Prozesse zur Überwachung und Bewertung der US-CDO an die veränderten Umstände anzupassen. Bereits damals habe für die Musterbeklagte zu 1 festgestanden, dass die bisherigen Berechnungen zur Bewertung der Wertpapiere und der vorzunehmenden Abschreibungen überholt gewesen seien und eine Neuberechnung „unter Verwendung der Fitch Methodik“ deutliche Abwertungen nach sich ziehen werde, mit denen die Kapitalmarktteilnehmer aufgrund der bis dahin in den Kapitalmarkt gereichten Informationen über das Ausmaß der eigenen Betroffenheit von US-Subprime nicht gerechnet hätten. Nicht erst die konkreten Ergebnisse der Neubewertung seien für den Kapitalmarkt von erheblichem Interesse gewesen, sondern bereits die Tatsache der Durchführung einer grundlegenden Neubewertung auf der Basis verschärfter Modellannahmen. Die Musterbeklagte zu 1 sei vor dem Hintergrund des sensiblen Markts verpflichtet gewesen, die durch eigene Bekundungen gesetzte und nicht mehr haltbare Markterwartung, das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe sei von Abschreibungen auf US-Subprime allenfalls marginal betroffen, zu korrigieren. Die Information darüber, dass die bisherige positive Einschätzung infolge grundlegender Änderung der Bewertungskriterien einer substantiellen Überprüfung unterzogen werden und insoweit eine Neubewertung unter strikteren Vorgaben als bisher stattfinden müsse, sei von erheblicher Relevanz für Anlageentscheidungen gewesen.

239

Dieser Mitte November 2007 eingeleitete Neubewertungsprozess habe eine Insiderinformation i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF dargestellt. Insbesondere habe es sich um eine konkrete, öffentlich nicht bekannte Information über die eigenen Investments der HRE-Gruppe in US-Subprime gehandelt. Die Tatsache, dass die Methodik zur Berechnung der Abschreibungen infolge substantieller Rückstufungen und verschärfter Annahmen der Ratingagenturen geändert werde und daher die bisherigen optimistischen Äußerungen über die eigene Betroffenheit von der US-Subprime-Krise ihre Grundlage eingebüßt hätten, habe ein präzises Faktum dargestellt. In dem Umstand der Neuberechnung des US-CDO-Portfolios der Musterbeklagten zu 1 auf der Basis verschärfter Annahmen komme nach außen sichtbar zum Ausdruck, dass die Musterbeklagte zu 1 selbst davon ausgegangen sei, die geänderten Modellannahmen der Ratingagentur Fitch hätten bedeutsame und daher Anlass für eine Neuberechnung gebende Auswirkungen. Die Tatsache, dass den bisherigen Verlautbarungen die Basis entzogen gewesen und eine Neuberechnung begonnen worden sei, deren Ergebnis noch nicht beziffert werden könne, sei eine präzise Information.

240

Die schon aus dem Gesichtspunkt der Ingerenz geschuldete Information sei geeignet gewesen, bei ihrem Bekanntwerden den Kurs der Aktie der Musterbeklagten zu 1 zu beeinflussen. In Analystenberichten über die veröffentlichten Quartalsergebnisse III/2007 sei das Subprime-Exposure der HRE-Gruppe und das daraus resultierende Risiko wenige Tage vor dem 15. November 2007 als harmlos eingestuft und im Rahmen der ausgesprochenen Anlageempfehlungen verarbeitet worden. Eine hierzu in Widerspruch stehende Meldung der wahren Umstände hätte in gleicher Weise Aufmerksamkeit und Berücksichtigung im Rahmen von Investitionsempfehlungen gefunden. Dies räume die Musterbeklagte zu 1 letztlich selbst ein, wenn sie sich dahingehend einlasse, dass eine solche Meldung ohne gleichzeitige Bekanntgabe der geänderten Berechnungsergebnisse wegen einer Überreaktion des Marktes zu möglicherweise völlig unberechtigten und überzogenen Kursausschlägen geführt hätte.

241

Es sei nicht öffentlich bekannt gewesen, dass am 15. November 2007 die Grundlage für die positive Analysteneinschätzung entfallen gewesen sei. Aus der Ad-Hoc-Meldung der Ratingagentur Fitch vom 15. November 2007 hätte selbst ein fachkundiger Marktteilnehmer nicht schlussfolgern können, dass die gemeldeten grundlegenden Änderungen der Bewertungsmethodik für Finanztitel Auswirkungen auf das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe haben würden. Der Umstand, dass die öffentlich bekannt gegebenen Maßnahmen der Ratingagentur Auswirkungen für die Berechnung der Wertberichtigung auf Wertpapiere in den Finanzanlagen der HRE-Gruppe gehabt habe, stelle eine Insidertatsache i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF dar, die unverzüglich, mithin am 15. November 2007 in Reaktion auf die Fitch-Meldung von der Musterbeklagten zu 1 zu veröffentlichen gewesen sei.

242

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 rügen zu Recht, dass das Feststellungsziel im Komplex XII mit der Formulierung „Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf das von ihr gehaltene Portfolio an US-CDO“ im Erweiterungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2014 nicht hinreichend bestimmt ist.

243

a) Die Frage, ob eine Information über bestimmte Umstände als Insiderinformation i.S.v. § 15 WpHG aF unverzüglich zu veröffentlichen gewesen wäre, kann als anspruchsbegründende Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs nach § 37b Abs. 1 WpHG aF Gegenstand eines Musterverfahrens sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Ausgehend von den oben unter II. 2. a) aa) dargestellten Anforderungen muss das Feststellungsziel die Insiderinformation, hinsichtlich der eine Pflicht zur Veröffentlichung bestanden haben soll, bestimmt bezeichnen. Diese Bezeichnung muss sich, wenn das Feststellungsziel im Wege der Erweiterung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG Gegenstand des Musterverfahrens wurde, aus dem Erweiterungsbeschluss ergeben, der das Feststellungsziel und die öffentliche Kapitalmarktinformation anzugeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 57). Auch insoweit unterliegt die Auslegung des Oberlandesgerichts zum Inhalt des Feststellungsziels in vollem Umfang der Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Ob für die Auslegung des Feststellungsziels auf den dem Erweiterungsbeschluss zu Grunde liegenden Antrag nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KapMuG zurückgegriffen werden kann, kann der Senat offenlassen.

244

b) Das Feststellungsziel Komplex XII bezeichnet die Insiderinformation, die Gegenstand der Veröffentlichungspflicht hätte sein sollen, nicht hinreichend bestimmt. Soweit das Oberlandesgericht den Gegenstand des Feststellungsziels durch Auslegung näher konkretisiert hat, findet diese Auslegung im Beschluss über die Erweiterung des Musterverfahrens vom 5. Mai 2014 keine Grundlage. Gleiches gilt für den der Erweiterung zugrundeliegenden Antrag. Auch dieser bezeichnet den Gegenstand des Feststellungsziels nicht bestimmt.

245

aa) Die Formulierung „Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf das von der HRE-Gruppe gehaltene Portfolio an US-CDO“ lässt den Gegenstand der Veröffentlichungspflicht nicht erkennen. Zwar wird mit dem Begriff der US-Immobilienkrise ein Marktgeschehen bezeichnet, aus dem sich Auswirkungen auf die US-CDO ergeben sollen. Es bleibt aber unklar, welche konkreten Auswirkungen dieses Marktgeschehen auf die Musterbeklagte zu 1 haben soll, die Gegenstand einer Informationspflicht sein können. Ebenso wie bei der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAIV kommt es auch für die Bestimmbarkeit des auf die Verletzung einer Informationspflicht gerichteten Feststellungsziels maßgeblich darauf an, dass die unmittelbare Betroffenheit des Emittenten und die aus ihr abgeleiteten Folgen für die (veränderte) Bewertung der betroffenen Finanzinstrumente deutlich werden (vgl. Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Anh. § 4 WpAIV Rn. 12). Entsprechend verlangt auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 WpAIV weitere Erklärungen zur unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten und zum Kursbeeinflussungspotential, wenn sich diese Voraussetzungen der Informationspflicht nicht schon aus der Information selbst ergeben.

246

Die danach notwendige Konkretisierung des Feststellungsziels ergibt sich weder aus dem Begriff „Auswirkungen“ noch aus der Bezugnahme auf das CDO-Portfolio der HRE-Gruppe, weil nicht deutlich wird, aus welchen Umständen eine unmittelbare Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 und ein Kursbeeinflussungspotential abgeleitet wird. Eine andere Betrachtung würde es den Beteiligten des Musterverfahrens eröffnen, die maßgeblichen Umstände erst im Verlauf des Musterverfahrens zu behaupten oder gar beliebig auszutauschen und damit den Streitgegenstand des Musterverfahrens erst später zu bestimmen oder zu verändern, obwohl der Streitgegenstand des Verfahrens durch den Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 KapMuG) und etwaige Erweiterungsbeschlüsse (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG) zu bestimmen ist (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 32). Es wäre nicht vorhersehbar, welche konkreten Fragen für die Ausgangsverfahren einer Klärung im Musterverfahren zugeführt würden, und die Verteidigungsmöglichkeiten der Musterbeklagten wären unzumutbar eingeschränkt.

247

bb) Die Auslegung des Oberlandesgerichts zur näheren Bestimmung des Feststellungsziels findet im Erweiterungsbeschluss und in dem diesem zu Grunde liegenden Antrag keine hinreichende Grundlage.

248

(1) Das Oberlandesgericht hat die Initiierung einer Überarbeitung des Bewertungsmodells und der Methodik zur Feststellung von Impairments im Wertpapierportfolio als Insiderinformation angesehen. Die unmittelbare Betroffenheit der Musterbeklagten zu 1 von dieser Information liegt auf der Hand. Das Kursbeeinflussungspotential hat das Oberlandesgericht darin gesehen, dass die zuvor vorhandene, und von der Musterbeklagten zu 1 selbst genährte Einschätzung des Marktes, die Musterbeklagte zu 1 sei von Abschreibungen auf US-Subprime allenfalls marginal betroffen, mit der Entscheidung über die Neubewertung ihre Grundlage verloren habe.

249

(2) Diese Konkretisierung lässt sich aus dem Beschluss über die Erweiterung des Musterverfahrens und dem von diesem Beschluss in Bezug genommenen Erweiterungsantrag nicht herleiten.

250

Der Erweiterungsbeschluss vom 5. Mai 2014 enthält keine weitere Konkretisierung des Feststellungsziels, sondern nimmt auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 7. Februar 2014 Bezug. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2014 enthält den Antrag des Vertreters dreier Beigeladener auf Erweiterung des Musterverfahrens auf der Grundlage seiner Ausführungen in einem Schriftsatz vom 16. Juli 2012. In diesem Schriftsatz wird angenommen, dass die Musterbeklagte zu 1 ausgehend von den bereits seit dem 11. Juli 2007 bestehenden Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf ihr Geschäftsergebnis spätestens am 15. November 2007 verpflichtet gewesen sei, einen Abschreibungsbedarf auf das CDO-Portfolio bzw. zumindest das erkennbare Risiko eines erheblichen Abschreibungsbedarfs per Ad-Hoc-Meldung zu publizieren. Unter dem Gesichtspunkt des Kursbeeinflussungspotentials wird zwar das starke Vertrauen des Kapitalmarkts in die Nichtbetroffenheit der Musterbeklagten zu 1 von der US-Subprime-Krise und eine Pflicht zur Korrektur dieses falschen Eindrucks hervorgehoben. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass der Antragsteller den Anknüpfungspunkt für eine Ad-Hoc-Mitteilungsplicht bereits in der Entscheidung über die Neubewertung des Portfolios unter strikteren Vorgaben gesehen hat, mithin in einer bereits eingetretenen Tatsache, die von einem tatsächlichen Wertberichtigungsbedarf und dem Risiko eines künftigen Wertberichtigungsbedarfs zu unterscheiden ist. Die Entscheidung über die Neubewertung ist auch nicht als Minus eines Abschreibungsbedarfs vom Feststellungsziel umfasst. Es handelt sich um eine andere kapitalmarktrechtliche Information und nicht ein weniger gegenüber der Abschreibung.

251

3. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 führt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO zur Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex XII als unzulässig, weil es nicht hinreichend bestimmt ist.

252

VII. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 gegen die zum Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1 getroffenen Feststellungen, dass die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 nicht unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG aF erfolgt ist, und die Zurückweisung der Feststellungsziele Komplex VI 2. und 3., mit denen die Musterbeklagte zu 1 die Befreiung von der Pflicht gem. § 15 Abs. 3 WpHG aF sowie fehlenden Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit festgestellt wissen will, ist unbegründet. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist dagegen begründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex VI 1. Halbsatz 2, dass die Ad-Hoc-Mitteilung vom 15. Januar 2008 unwahre Insiderinformationen enthält, wendet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Musterentscheids und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

253

1. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Oberlandesgericht die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 nicht als unverzüglich i.S.v. § 15 Abs. 1 WpHG aF gewertet (Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1) und die Feststellungsanträge der Musterbeklagten zu 1 (Feststellungsziele Komplex VI 2. und 3.) zurückgewiesen hat. Sie führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung der getroffenen Feststellung, mit der klargestellt wird, dass bereits am 8. Januar 2008 eine Mitteilungspflicht bestand. Diese Klarstellung kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der Feststellungen des Oberlandesgerichts und innerhalb der Grenzen des Feststellungsziels selbst vornehmen.

254

a) Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, das Begehren des Musterklägers sei darauf gerichtet, die verzögerte Kapitalmarktinformation über die Umstände festzustellen, die den Inhalt der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 definierten, nämlich die Wertberichtigung auf US-CDO.

255

Die Mitteilung über den Abschreibungsbedarf sei um eine Woche verspätet. Am 7. Januar 2008 habe der Musterbeklagten zu 1 eine Insiderinformation vorgelegen, die am 8. Januar 2008 der Kapitalmarktöffentlichkeit hätte mitgeteilt werden müssen. Bei der Bemessung der Überlegungsfrist müsse sich fristverkürzend auswirken, dass die Musterbeklagte zu 1 den Kapitalmarkt mittels von ihr selbst gestreuter Fehlinformationen über das Subprime-Risiko unzutreffend unterrichtet habe und die vorzunehmenden Abwertungen erheblich gewesen seien.

256

Eine Selbstbefreiung sei nicht zulässig gewesen, weil ein Hinauszögern der Information in Anbetracht der vorangegangenen kapitalmarktbezogenen Äußerungen der Musterbeklagten zu 1 eine Kapitalmarkttäuschung durch Aufrechterhalten der aktiv hervorgerufenen Fehlinformation und damit eine Irreführung der Öffentlichkeit bewirkt habe.

257

Nach dem eigenen Vortrag der Musterbeklagten zu 1 beruhe die Unterlassung mindestens auf grober Fahrlässigkeit. Dem Gesamtvorstand und dem Ad-Hoc-Komitee der Musterbeklagten zu 1 sei am 8. Januar 2008 bewusst gewesen, dass der nach langer Vorarbeit nun ziffernmäßig bekannte Abwertungsbedarf erheblich gewesen sei und eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht bestanden habe. Es habe keinen Grund gegeben, mit der Ad-Hoc-Meldung bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrats abzuwarten. Zudem hätten in dieser Situation organisatorische Vorkehrungen getroffen werden müssen, um den Aufsichtsrat bereits am 8. Januar 2008 mit dieser Angelegenheit zu befassen.

258

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.

259

aa) Entgegen der Auffassung der Musterbeklagten zu 2 und 3 ist das Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1 mit der Formulierung, die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008 sei „nicht unverzüglich“ erfolgt, ausgehend von den oben unter II. 2. a) aa) dargestellten Voraussetzungen hinreichend bestimmt formuliert. Das Feststellungsziel ist dahin auszulegen, dass (jedenfalls) die Feststellung angestrebt wird, die Veröffentlichung hätte seit dem 7. Januar 2008 erfolgen müssen. Mit der isolierten Feststellung, eine tatsächlich erfolgte Ad-Hoc-Meldung sei verspätet erfolgt, ist keine relevante Förderung der Ausgangsverfahren verbunden. Nach den recht verstandenen Parteiinteressen auf Musterklägerseite (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – II ZR 191/13, juris Rn. 10; Urteil vom 21. Juni 2016 – II ZR 305/14, WM 2016, 1599 Rn. 12) ist auch die Feststellung, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Pflicht zur Veröffentlichung bestanden hat, vom Inhalt des Feststellungsziels umfasst, wenn sich dieser Zeitpunkt durch Auslegung ermitteln lässt. Dies ist hier der Fall. Aus dem Zusammenhang mit dem Feststellungsziel Komplex VI 2., mit dem die Musterbeklagte zu 1 die Feststellung einer Befreiung von der Mitteilungspflicht für den Zeitraum 7. bis 15. Januar 2008 anstrebt, erschließt sich, dass jedenfalls eine in diesem Zeitraum bestehende Pflicht zur Veröffentlichung vom Inhalt des Feststellungsziels gedeckt ist. Die Feststellungsziele sind inhaltlich unmittelbar miteinander verknüpft, weil für den Fall des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen in dem betreffenden Zeitraum keine Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung besteht (Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 178).

260

bb) Die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008 nicht unverzüglich i.S.v. § 15 Abs. 1 WpHG aF erfolgte (Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1), hält einer rechtlichen Prüfung stand.

261

(1) Die Musterbeklagten zu 2 und 3 rügen ohne Erfolg, bei den am 7. Januar 2008 vorgelegten Ergebnissen der Neubewertung der US-CDO habe es sich nicht um Insiderinformationen nach § 13 Abs. 1 WpHG aF gehandelt. Das Oberlandesgericht hat bei seiner Würdigung kein Vorbringen der Musterbeklagten übergangen. Dieses bezieht sich auf spätere Ereignisse eines gestreckten Geschehensablaufs, nämlich die Billigung des Verfahrens zur Ermittlung des Abschreibungsbedarfs durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die anschließende Befassung des Aufsichtsrats. Bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, kann jeder Zwischenschritt in diesem Vorgang als Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG aF anzusehen sein (BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 15; EuGH, ZIP 2012, 1282 Rn. 40; nunmehr auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 596/2014). Der Einwand der Rechtsbeschwerde stellt die Würdigung des Oberlandesgerichts, bereits bei den am 7. Januar 2008 vorgelegten Prüfungsergebnissen habe es sich um eine Insiderinformation gehandelt, nicht in Frage. Das Ergebnis dieser Würdigung entsprach nach dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Vorbringen der Musterbeklagten zu 1 auch der Einschätzung ihres noch am 7. Januar 2008 befassten Ad-Hoc-Komitees.

262

(2) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht hätte eine Prüffrist zur Veröffentlichung der Insiderinformation zubilligen müssen, die die Musterbeklagte zu 1 vorliegend eingehalten habe, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

263

(a) Mit der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen soll sichergestellt werden, dass eine Insiderinformation den Kapitalmarkt so bald wie möglich erreicht. Das Merkmal konkretisiert die objektive Pflicht zur rechtzeitigen Bekanntgabe einer Insiderinformation (Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 100; vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn. 65). Danach ist eine Insiderinformation grundsätzlich sofort zu veröffentlichen. Allerdings ist dem Emittenten ein angemessener Prüfungszeitraum einzuräumen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 45), der sowohl eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung als auch die rechtliche Beurteilung der Veröffentlichungspflicht und einer möglichen Befreiung gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aF einschließt (Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn. 66; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 10. Aufl., Rn. 486; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 10 Rn. 128; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 10 Rn. 107; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., § 15 WpHG Rn. 122; Happ/Semler, ZGR 1998, 117, 129; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 107 Rn. 150; Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 110 f.; Klöhn, AG 2016, 423, 430; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rn. 13.325; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 15 WpHG Rn. 49; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 VO (EU) 596/2014 Rn. 73). Welcher Prüfungszeitraum angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Bei offenkundig publizitätspflichtigen Informationen kann eine Prüfungsfrist auch entfallen (vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn. 66; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 10 Rn. 128; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 10 Rn. 107; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rn. 13.325).

264

(b) Von diesem rechtlichen Maßstab ist das Oberlandesgericht ausgegangen. Die Musterbeklagte zu 1 rügt ohne Erfolg, dass sich mit der vom Oberlandesgericht angeführten Begründung der Zeitpunkt der Veröffentlichungspflicht nicht rechtfertigen lasse, weil dieses mit seiner Feststellung, dass die Musterbeklagte zu 1 den Kapitalmarkt mittels von ihr selbst gestreuter Fehlinformationen über das Subprime-Risiko unzutreffend unterrichtet habe und die vorzunehmenden Abwertungen erheblich gewesen seien, von einer offenkundig publizitätspflichtigen Information ausgegangen sei [ME 105 Abs. 1 und 2]. Das Ad-Hoc-Komitee der Musterbeklagten zu 1 ist nach dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Vorbringen auf seine Befassung am 7. Januar 2008 hin selbst zu der Erkenntnis gelangt, dass im Hinblick auf die Ergebnisse der Neubewertung der US-CDO eine Insiderinformation vorliegt. Angesichts dessen musste das Oberlandesgericht nicht davon ausgehen, dass die Einbeziehung des Wirtschaftsprüfers und die Befassung des Aufsichtsrats das Ziel hatten, den publizitätspflichtigen Sachverhalt weiter aufzuklären bzw. eine Veröffentlichungspflicht zu prüfen.

265

cc) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex VI 2., gerichtet auf die Feststellung, dass die Musterbeklagte zu 1 vom 7. Januar 2008 bis zum 15. Januar 2008 gem. § 15 Abs. 3 WpHG aF von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit war, haben ebenfalls keinen Erfolg.

266

(1) Eine Befreiung von der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation kommt nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aF nur in Betracht, wenn keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist. Eine Irreführung der Öffentlichkeit ist zu befürchten, wenn sich die Insiderinformation wesentlich von früheren öffentlichen Ankündigungen des Emittenten unterscheidet, etwa, weil die zuvor öffentlich bekanntgegebenen finanziellen Ziele des Emittenten aller Wahrscheinlichkeit nach verfehlt werden oder weil die Insiderinformation im Gegensatz zu vom Emittenten geweckten Markterwartungen steht (Klöhn in KK-WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 289 f.; Pfüller in Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 15 Rn. 480; Cahn/Götz, AG 2007, 221, 226; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Veith, NZG 2005, 254, 257; vgl. zur Marktmissbrauchsverordnung: ESMA, MAR-Leitlinien, Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen, ESMA/2016/1478 DE, S. 5 f.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., Art. 17 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn. 123 f.; Klöhn, Marktmissbrauchsverordnung, Art. 17 Rn. 252, 258; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 783 f.; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl., Rn. 38.81; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 10 Rn. 82; Veil/Brüggemeier in Meyer/Rönnau/Veil, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 123 ff.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 15.35; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 VO (EU) 596/2014 Rn. 249; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 10. Aufl., Rn. 517; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2043 f.; Retsch, NZG 2016, 1201, 1203 f.; anders Ziemons, NZG 2004, 537, 543). Soweit teilweise angenommen wird, in diesen Fällen scheide eine Befreiung von der Informationspflicht aus, weil die berechtigten Interessen des Emittenten die Informationsinteressen des Kapitalmarkts nicht überwögen (Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., § 15 WpHG Rn. 135; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 15 WpHG Rn. 67 f.; Zimmer, Festschrift Schwark, 2009, S. 669, 676 ff.; kritisch dazu Möllers, WM 2005, 1393, 1396), führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis.

267

(2) Hiervon ausgehend ist die Würdigung des Oberlandesgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht die Befürchtung einer Irreführung nicht nur auf das durch die verzögerte Publikation verursachte Informationsdefizit, sondern auf die durch die vorangegangenen kapitalmarktbezogenen Äußerungen der Musterbeklagten zu 1 aktiv hervorgerufene Fehlinformation des Kapitalmarkts gestützt. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend befunden. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 ZPO).

268

dd) Die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex VI 3., mit dem die Musterbeklagte zu 1 die Feststellung angestrebt hat, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Musterbeklagten zu 1 beruht, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

269

(1) Nach § 37b Abs. 2 WpHG aF kann nicht auf Schadensersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen in Anspruch genommen werden, wer nachweist, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Es handelt sich um eine gesetzliche Vermutung zu Gunsten des Anlegers, die der Emittent zu widerlegen hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 33).

270

(a) Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 11. Mai 1953 – IV ZR 170/52, BGHZ 10, 14, 16; Urteil vom 6. November 2018 – II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 20). Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH, Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 286/15, NJW-RR 2017, 596 Rn. 17 mwN).

271

(b) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahingehend, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrads wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 27; Urteil vom 24. Juli 2012 – II ZR 177/11, ZIP 2012, 1804 Rn. 17; Urteil vom 6. November 2018 – II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 20; jeweils mwN).

272

(2) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Oberlandesgericht den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war dem Ad-Hoc-Komitee und dem Vorstand der Musterbeklagten zu 1 am 8. Januar 2008 bewusst, dass eine Ad-Hoc-Mitteilungspflicht in Bezug auf die am 7. Januar 2008 bekannt gewordenen Prüfungsergebnisse bestand. Eine Entlastung der Musterbeklagten zu 1 kommt angesichts dessen nur unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aF in entschuldbarer Weise verkannt wurden. Dies setzt voraus, dass die Emittentin die der Befreiungsentscheidung zugrundeliegende rechtliche Beurteilung für vertretbar halten durfte (Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 197; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 114; Zimmer/Steinhäuser in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., §§ 97, 98 Rn. 70). Die Rechtsbeschwerde verweist hierzu auf Vorbringen der Musterbeklagten, nach dem das Ad-Hoc-Komitee die Voraussetzungen eines Aufschubs nach § 15 Abs. 3 WpHG geprüft habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Musterbeklagte zu 1 zunächst von der Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation befreit gewesen sei, weil nach § 10 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zunächst dessen Zustimmung zur Änderung der Bewertungsmethode und die damit verbundene Abschreibung auf US-CDO habe eingeholt werden müssen.

273

(a) Dieses Vorbringen ist ungeachtet der Erwägungen, die das Oberlandesgericht hierzu angestellt hat, nicht geeignet, die Musterbeklagte zu 1 zu entlasten. Es lässt nicht erkennen, welche Bedeutung es dem angenommenen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats in Bezug auf die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung beigemessen und anhand welcher Umstände und mit welchem Ergebnis eine rechtliche Prüfung überhaupt stattgefunden hat. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung grob fahrlässig verkannt wurden, ist anhand dieses Vorbringens nicht möglich. Dem zum damaligen Zeitpunkt veröffentlichten Schrifttum wäre bei Sichtung zudem ohne weiteres zu entnehmen gewesen, dass bei der gegebenen Sachlage eine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten war (vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Aufl., § 15 Rn. 160; Versteegen in KK-WpHG, § 15 Rn. 153, 155; Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 107 Rn. 102; Cahn/Götz, AG 2007, 221, 226; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Veith, NZG 2005, 254, 257) bzw. das Interesse der Musterbeklagten zu 1 an einem Aufschub der Veröffentlichung zurückstehen musste (vgl. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., § 15 WpHG Rn. 135).

274

(b) Hiervon abgesehen hat das Oberlandesgericht mit Recht angenommen, dass die Vornahme von nach geltendem Bilanzrecht notwendigen Wertberichtigungen einschließlich der Entscheidung über die ihr zugrundeliegende Bewertung der CDO nicht nach § 10 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zustimmungsbedürftig war. Maßnahmen, zu deren Durchführung der Vorstand gesetzlich verpflichtet ist, sind einem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unzugänglich. Hierzu gehört die Aufstellung des Jahresabschlusses nach §§ 242, 264 Abs. 1 HGB, aber auch die Erfüllung allgemeiner Publizitätspflichten, etwa gegenüber dem Kapitalmarkt (Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 84; MünchKomm-AktG/Habersack, 5. Aufl., § 111 Rn. 128; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 684; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 88). Dass der Vorstand in der konkreten Situation annahm oder annehmen durfte, es sei ein Ermessenspielraum für die zu veranlassenden Maßnahmen verblieben, der möglicherweise Raum für eine Befassung des Aufsichtsrats hätte bieten können (vgl. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 685), ist nicht festgestellt und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. Diese Schranken wären im Rahmen einer rechtlichen Prüfung auch bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung erkennbar gewesen (vgl. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 645; KK-AktG/Mertens, 2. Aufl., § 111 Rn. 70).

275

(c) Nachdem der Vorstand und das Ad-Hoc-Komitee der Musterbeklagten zu 1 bereits am 8. Januar 2008 vom Vorliegen einer Insiderinformation ausgingen, ist auf der Grundlage des Vorbringens der Rechtsbeschwerde auch nicht ersichtlich, warum die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung gerechtfertigt gewesen sein soll, weil zunächst die Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abgewartet werden musste. Die Rechtsbeschwerde vermag nicht aufzuzeigen, dass die Musterbeklagten dargelegt haben, mit welchem konkreten Inhalt und welcher Zielrichtung die Stellungnahme erbeten wurde und in welcher Beziehung diese Maßnahme zu der Befreiungsentscheidung stand.

276

(d) Die Fragen, ob und gegebenenfalls welche organisatorischen Vorkehrungen die Musterbeklagte zu 1 für eine rechtzeitige Information des Kapitalmarkts bereits vor dem 7. Januar 2008 hätte treffen müssen und ob das Unterlassen solcher Vorkehrungen ein Verschulden der Musterbeklagten zu 1 begründen kann (vgl. dazu Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 180 ff.), muss daher vom Senat nicht beantwortet werden.

277

2. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers rügt mit Erfolg, dass das Oberlandesgericht von einer Entscheidung darüber, ob die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 eine unwahre Insiderinformation enthält (Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 2), nicht absehen durfte.

278

a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, es sei nicht durch Musterentscheid festzustellen, ob die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 eine inhaltlich unwahre Insiderinformation enthalte (Feststellungsziel Komplex VI 1.Halbsatz 2). Dem Musterverfahren lägen nach dem Vorlagebeschluss nur Schadensersatzklagen zu Grunde, welche auf Anlageentscheidungen vor der Veröffentlichung der Ad-Hoc-Meldung beruhten. Diese zeitliche Eingrenzung schließe eine kausale Verknüpfung zwischen der Unrichtigkeit der Mitteilung und einer Anlageentscheidung aus. Die weite Formulierung des Feststellungsziels zu Komplex VI 1. Halbsatz 2 überschreite den durch den Vorlagebeschluss selbst gezogenen Rahmen des Musterverfahrens, nämlich den dort mitgeteilten Lebenssachverhalt. Auch die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses reiche nicht über die durch den Vorlagebeschluss gezogenen Grenzen hinaus.

279

b) Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Oberlandesgericht war an das in den Vorlagebeschluss aufgenommene Feststellungsziel gebunden, § 6 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG, und hat die Entscheidungserheblichkeit der beantragten Feststellung zu Unrecht verneint.

280

aa) Allein das Prozessgericht hat gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG darüber zu befinden, ob der Musterverfahrensantrag unzulässig ist, weil die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtsstreits nicht von dem geltend gemachten Feststellungsziel abhängt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 – III ZB 62/16, AG 2017, 543 Rn. 20 mwN). Entsprechendes gilt für die Entscheidung über die Aussetzung eines Verfahrens gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG.

281

(1) Der Streitgegenstand eines Musterverfahrens wird durch das in § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG definierte Feststellungsziel bestimmt, das im Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 KapMuG) enthalten ist oder durch einen Erweiterungsbeschluss (§ 15 Abs. 1 KapMuG) zum Gegenstand des Musterverfahrens geworden ist (BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 103; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 32). Im Musterverfahren sollen die in den einzelnen Feststellungszielen unterbreiteten Fragen mit Bindungswirkung für die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren geklärt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 KapMuG).

282

(2) Die knappe Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zugrundeliegenden gleichen Lebenssachverhalts nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG kommt keine einem Tatbestand entsprechende Funktion zu, sondern dient der Beurteilung der Gleichgerichtetheit der Musterverfahrensanträge (Begr. RegEKapMuG-ReformG, BT-Drucks. 17/8799, S. 20; Gängel/Huth/Gansel in Heidel, AktG, 4. Aufl., § 6 KapMuG Rn. 17 f.; Halfmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 6 KapMuG Rn. 6) und ggf. der Konkretisierung eines nicht hinreichend bestimmt gefassten Feststellungsziels (siehe II. 2. a] aa]). Das Oberlandesgericht ist an die Darstellung des Lebenssachverhalts nicht gebunden, sondern die Beteiligten des Musterverfahrens haben nach dem im Musterverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz Tatsachen vorzutragen und Beweismittel zu bezeichnen (vgl. Begr. RegE KapMuG-ReformG, BT-Drucks. 17/8799, S. 20; Kruis in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 11 KapMuG Rn. 8, 42 ff.; Vollkommer inKK-KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 59, 66 f., § 11 Rn. 13, 95 ff.; Kessler/Helle, Unternehmensfinanzierung Mittelstand, § 8 Rn. 13). Allgemeine Ausführungen des vorlegenden Prozessgerichts zum Gegenstand der Ausgangsverfahren sind nicht geeignet, die von diesem mit der Aufnahme eines Feststellungsziels in den Vorlagebeschluss bejahte Entscheidungserheblichkeit für das zu Grunde liegende Verfahren und die Bedeutung für andere Rechtsstreitigkeiten zu widerlegen oder einzugrenzen. Zudem kann auf der Grundlage des Vorlagebeschlusses nicht beurteilt werden, ob im Hinblick auf ein bestimmtes Feststellungsziel ein Verfahren gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt wurde.

283

bb) Es kann auch nicht angenommen werden, dass ein Sachentscheidungsinteresse für die Feststellung fehlt, eine in der Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten vom 15. Januar 2008 enthaltene Insiderinformation sei unwahr.

284

(1) Allerdings hat das Oberlandesgericht im Musterverfahren ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses fortlaufend zu prüfen, ob für die einzelnen Feststellungsziele ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht, was dann nicht der Fall ist, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der vorangegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrundeliegende Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG) hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist (BGH, Beschluss vom22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49; Beschluss vom9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 60; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 – III ZB 62/16, AG 2017, 543 Rn. 16).

285

(2) Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Wie vorstehend bereits aufgezeigt, lässt sich auf der Grundlage der im Vorlagebeschluss enthaltenen Darstellung des Lebenssachverhalts nicht beurteilen, ob das Feststellungsziel für die im Hinblick auf das Musterverfahren ausgesetzten Verfahren von Bedeutung ist.

286

c) Der Musterentscheid stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Wertberichtigungsbedarf betreffend das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe in der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 mit 390 Mio. € zutreffend angegeben war.

287

d) Das Verfahren ist insoweit zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

288

aa) Das Oberlandesgericht hat zu prüfen, ob der Wertberichtigungsbedarf betreffend das US-CDO-Portfolio der HRE-Gruppe in der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 mit 390 Mio. € zutreffend angegeben war.

289

bb) Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers nimmt im Ergebnis zu Recht an, dass die Beteiligten des Musterverfahrens im neu eröffneten Verfahren Gelegenheit haben, die Erweiterung des Feststellungsziels Komplex VI entsprechend dem Entscheidungsausspruch zu 3. des Erweiterungsbeschlusses vom 27. November 2013 zu beantragen.

290

(1) Das Oberlandesgericht hat das Musterverfahren auf Antrag der Beigetretenen B 19 und B 20 mit Beschluss vom 27. November 2013 unter 3. um die Feststellungsziele Komplex VI 1a. und 1b. erweitert, nach denen die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 eine die Musterbeklagte zu 1 unmittelbar betreffende, unwahre Insiderinformation enthalte, weil in die in dieser Ad-Hoc-Meldung mitgeteilten Bilanzzahlen für das Geschäftsjahr 2007 die Geschäftszahlen der Depfa aus dem gesamten Jahr 2007 einbezogen seien, nicht erst ab dem Stichtag 2. Oktober 2007. Die Erweiterung des Musterverfahrens hat das Oberlandesgericht gem. § 15 Abs. 2 KapMuG im Klageregister bekannt gemacht. Mit Beschluss vom 5. Mai 2014 hat das Oberlandesgericht den Erweiterungsbeschluss in diesem Punkt aufgehoben.

291

(2) Die Aufhebung eines das Musterverfahren erweiternden Beschlusses gem. § 15 Abs. 1 KapMuG ist jedenfalls nach dessen Bekanntmachung gem. § 15 Abs. 2 KapMuG unzulässig. Der ungeachtet dessen ergangene Beschluss vom 5. Mai 2014 hat nicht zum Ausscheiden der Feststellungsziele Komplex VI 1a. und 1b. aus dem Musterverfahren geführt.

292

(a) Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sieht die Möglichkeit einer Abänderung oder Aufhebung eines Erweiterungsbeschlusses nicht vor. Eine solche Befugnis widerspräche dem Sinn und Zweck des Musterverfahrens. Der das Musterverfahren erweiternde Beschluss nimmt wie der Vorlagebeschluss an der Bindungswirkung nach § 6 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Satz 2 KapMuG teil(Kotschy in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 15 Rn. 11; MünchHdB GesR VII/Schmitt, 6. Aufl., § 43 Rn. 75). Das Musterverfahren bezweckt, die in den Feststellungszielen unterbreiteten Fragen mit Bindungswirkung für die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Verfahren zu klären (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 KapMuG), und zwar unabhängig davon, ob das Feststellungsziel dem Oberlandesgericht mit dem Vorlagebeschluss unterbreitet wurde oder ob dieses durch einen Erweiterungsbeschluss zum Gegenstand des Musterverfahrens geworden ist (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 32). Entsprechend sind nach der Bekanntmachung eines Erweiterungsbeschlusses anhängige oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele noch anhängig werdende Verfahren entsprechend § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einem der im Erweiterungsbeschluss bezeichneten Feststellungsziele abhängig ist (Kruis in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 8 Rn. 11). Dieser Entscheidung würde durch eine nachträgliche Aufhebung des Erweiterungsbeschlusses in unzulässiger Weise die Grundlage entzogen.

293

(b) Einem ungeachtet dessen ergangenen Aufhebungsbeschluss fehlt die verfahrensrechtliche Grundlage. Er ist nicht geeignet, den Gegenstand des Musterverfahrens zu verändern (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 – IV ZB 22/94, NJW-RR 1995, 765; Beschluss vom 22. September 2010 – IX ZB 195/09, ZIP 2010, 2160 Rn. 19).

294

(3) Die Feststellungsziele Komplex VI 1a. und 1b. sind dennoch nicht mehr Gegenstand des Musterverfahrens, weil der Musterkläger nicht geltend macht, dass eine Entscheidung über diese Feststellungsziele verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. Der Musterentscheid des Oberlandesgerichts weist in diesem Punkt keine Lücke auf, die entsprechend § 321 Abs. 1 ZPO durch eine nachträgliche Entscheidung hätte geschlossen werden können. Vielmehr wäre eine Anfechtung des Musterentscheids geboten gewesen, die vorliegend nicht erfolgt ist. Die Bindungswirkung des Musterentscheids steht einer erneuten Erweiterung des Musterverfahrens nicht entgegen.

295

(a) Das Ergänzungsverfahren nach § 321 ZPO, das auf verfahrensabschließende Beschlüsse wie den Musterentscheid entsprechende Anwendung findet (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 39), ist auf die Schließung einer – auch nur vermeintlichen – Entscheidungslücke gerichtet und deshalb unzulässig, wenn die Korrektur einer inhaltlich falschen Entscheidung begehrt wird (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1952 – III ZR 102/52, MDR 1953, 164, 165; Urteil vom 16. Dezember 2005 – V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 9; Urteil vom 20. August 2009 – VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 70; Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 29/09, NJW 2010, 1148 Rn. 11; Urteil vom 1. Juni 2011 – I ZR 80/09, MDR 2011, 1064 Rn. 7; Beschluss vom 25. April 2017 – VIII ZR 208/16, juris Rn. 2; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 39). Die Entscheidung über ein Feststellungsziel ist daher nur „übergangen“ im Sinne von § 321 Abs. 1 ZPO, wenn dieses versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn es rechtsirrtümlich nicht beschieden wurde (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1952 – III ZR 102/52, MDR 1953, 164, 165; Urteil vom16. Dezember 2005 – V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 9). In diesem Fall kann der Musterentscheid nur mit einem Rechtsmittel angefochten werden (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 39).

296

(b) Danach war der Musterentscheid mit der Rechtsbeschwerde anzufechten. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Entscheidung über die Feststellungsziele Komplex VI 1a. und 1b. versehentlich unterblieben ist. Das Oberlandesgericht ging vielmehr – wie unter vorstehend (2) aufgezeigt – rechtsirrtümlich davon aus, diese Feststellungsziele seien mit der Aufhebung des Erweiterungsbeschlusses aus dem Musterverfahren ausgeschieden.

297

(c) Der Musterentscheid wurde unter diesem Gesichtspunkt nicht angegriffen. Weder der Musterkläger noch die ihn unterstützenden Beigeladenenmachen mit der Rechtsbeschwerde geltend, dass das Oberlandesgericht über die Feststellungsziele Komplex VI 1a. und 1b. hätte entscheiden müssen.

298

(4) Die Bindungswirkung des Musterentscheids steht einem erneuten Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens um die genannten Feststellungsziele nicht entgegen. Das Oberlandesgericht hat über die Feststellungsziele nicht entschieden, so dass keine bindende Entscheidung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KapMuG vorliegt. Die Entscheidung über die Nichtberücksichtigung der Feststellungsziele im Musterentscheid bindet das Oberlandesgericht nach § 3 EGZPO, § 318 ZPO nur dergestalt, dass diese nicht ohne weiteres weiterhin Gegenstand des Musterverfahrens sind, weil die vom Musterentscheid insoweit ausgehende Beschwer im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beseitigt wurde. Eine (erneute) Erweiterung des Musterverfahrens hindert diese Entscheidung nicht.

299

VIII. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex IX wendet, mit dem die Feststellung angestrebt wird, die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008 sei nicht zur Erlangung von Kenntnis im Sinne von § 37b Abs. 4 WpHG aF, § 37c Abs. 4 WpHG aF, § 46 Börsengesetz in der Fassung vom 16. Juli 2007, BGBl. I S. 1330, 1351 (BörsG aF) bzw. Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geeignet. Sie führt insoweit zu der Feststellung, dass der Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, nicht geeignet war, hinsichtlich der im Komplex VI 1. Halbsatz 1 angesprochenen Ansprüche Kenntnis im Sinne von § 37b Abs. 4 WpHG in der Fassung vom 28. Oktober 2004 zu vermitteln und hinsichtlich der mit dem Komplex XI angesprochenen Ansprüche Kenntnis im Sinne des § 46 BörsG in der Fassung vom 16. Juli 2007 oder im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln.

300

1. Das Oberlandesgericht hat zur Zurückweisung des Feststellungsziels ausgeführt, es betreffe eine Frage des Einzelfalls, bei deren Beantwortung insbesondere der Kenntnisstand des jeweiligen Anlegers sowie der konkrete Inhalt der verletzten Informationspflicht maßgeblich sein dürften, und sei einer allgemeingültigen Feststellung entzogen.

301

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nur teilweise stand. Das Oberlandesgericht hat das Feststellungsziel nur insoweit zu Recht als im Musterverfahren unstatthaft zurückgewiesen, als es auf die Feststellung der fehlenden Eignung der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 zur Begründung einer grob fahrlässigen Unkenntnis gerichtet ist. Das Feststellungsziel ist aber gegenstandslos, soweit es um die Vermittlung der Kenntnis von Umständen in Bezug auf diejenigen Ansprüche geht, die in den Komplexen I bis V, VI 4. und 5. sowie X des Vorlagebeschlusses angesprochen worden sind. Die im Feststellungsziel Komplex V 1a. angesprochenen Umstände sind vom Feststellungsziel nicht umfasst, da dieses erst nachträglich in das Musterverfahren eingeführt wurde.

302

a) Das Feststellungsziel ist entgegen der Sicht des Oberlandesgerichts im Musterverfahren statthaft, soweit es auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008 nicht zur Erlangung von Kenntnis im Sinne der § 37b Abs. 4 WpHG aF (Unterlassung), § 37c Abs. 4 WpHG aF (Unrichtigkeit), § 46 BörsG aF und § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geeignet war. Ob diese Ad-Hoc-Meldung darüber hinaus auch grob fahrlässige Unkenntnis bestimmter Umstände vermitteln konnte, kann demgegenüber im Musterverfahren nicht festgestellt werden.

303

Die individuelle Voraussetzung eines von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis abhängigen Verjährungsbeginns, die in der Person des Gläubigers vorliegen und bei mehreren Gläubigern für jeden persönlich festgestellt werden muss, kann nicht Gegenstand eines Feststellungsziels im Musterverfahrens sein (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 25). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kann im Musterverfahren aber verbindlich geklärt werden, ob eine bestimmte Kapitalmarktinformation geeignet war, die Kenntnis von bestimmten Tatsachen zu vermitteln (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 155). Das Feststellungsziel Komplex IX ist auf die abstrakte Feststellung gerichtet, ob die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 geeignet war, die Kenntnis über vorangegangene Informationspflichtverletzungen zu vermitteln. Es betrifft damit eine verallgemeinerungsfähige Vorfrage für die in jedem Ausgangsverfahren individuell festzustellende Kenntnis des jeweiligen Gläubigers.

304

Demgegenüber kann die Frage, ob der Inhalt einer Kapitalmarktinformation geeignet war, den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis zu begründen, nicht losgelöst von den individuellen Besonderheiten des jeweiligen Ausgangsverfahrens beurteilt werden. Neben den objektiven Voraussetzungen muss insoweit stets auch subjektiv eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH, Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 286/15, NJW-RR 2017, 596 Rn. 17; Urteil vom 6. November 2018 – II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 20; jeweils mwN). Die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann daher nicht allein nach dem Inhalt der Ad-Hoc-Meldung vorgenommen werden, sondern muss die Umstände des Einzelfalls einbeziehen.

305

b) Die Entscheidung ist, soweit das Feststellungsziel statthaft ist, auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 3 ZPO. Das Feststellungsziel Komplex IX ist ausgehend von den unter II. 2. a) aa) dargestellten Anforderungen hinreichend bestimmt, soweit es um die Kenntnis von Umständen der Ansprüche geht, die durch die Feststellungsziele der Komplexe I bis VI, X und XI des Vorlagebeschlusses ihrerseits hinreichend bestimmt bezeichnet worden sind. Der Wortlaut des Feststellungsziels, die Ad-Hoc-Meldung der Musterbeklagten zu 1 vom 15. Januar 2008 sei nicht zur Erlangung von Kenntnis im Sinne der § 37b Abs. 4 WpHG aF (Unterlassung), § 37c Abs. 4 WpHG aF (Unrichtigkeit), § 46 BörsG aF bzw. § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB geeignet, benennt zwar nicht ausdrücklich, hinsichtlich welcher konkreten Umstände welcher Ansprüche die Mitteilung geeignet sein soll, Kenntnis zu vermitteln. Das Feststellungsziel Komplex IX knüpft aber an die im Vorlagebeschluss bezeichneten weiteren Feststellungsziele an. Der Vorlagebeschluss gibt den Einwand der Musterbeklagten zu 1 wieder, Prospekthaftungsansprüche seien ebenso verjährt wie Ansprüche gemäß §§ 37b, 37c WpHG aF. Der Kläger dagegen halte keinen der geltend gemachten Ansprüche für verjährt. Damit konkretisiert der Vorlagebeschluss die Umstände, auf die sich die (fehlende) Kenntnisvermittlung beziehen soll, auf diejenigen, die den Beginn einer kenntnisabhängigen Verjährung der vom Kläger verfolgten Ansprüche vermitteln können, denen eine Pflichtverletzung vor dem 15. Januar 2008 zu Grunde liegt. Diese werden durch den weiteren Inhalt des Vorlagebeschlusses näher bestimmt, soweit dieser die betreffenden Ansprüche in den weiteren Feststellungszielen näher konkretisiert.

306

c) Hinsichtlich der Ansprüche und Anspruchsvoraussetzungen, die im Vorlagebeschluss zu den Komplexen I bis V, VI 4. und 5. sowie X angesprochen worden sind, ist das Feststellungsziel mangels Feststellung der jeweils behaupteten anspruchsbegründenden Pflichtverletzung gegenstandslos.

307

Das Oberlandesgericht hat im Kapitalanlegermusterverfahren fortlaufend zu prüfen, ob für die einzelnen Feststellungsziele ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der vorangegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrundeliegende Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG) hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106; Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49; Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 60). Dies ist in dem vorstehend beschriebenen Umfang der Fall, weil es mangels Pflichtverletzung nicht mehr darauf ankommt, ob die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 geeignet war die Kenntnis bestimmter Umstände zu vermitteln.

308

3. Über das Feststellungsziel kann der Senat im Übrigen gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

309

Zum Feststellungsziel Komplex IX ist die Feststellung in Bezug auf die in den Feststellungszielen Komplex VI 1. und Komplex XI angesprochenen Ansprüche zu treffen, weil die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 nicht geeignet ist, Kenntnis im Sinne des § 46 BörsG aF, § 37b Abs. 4 WpHG aF oder § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln.

310

a) Die Ad-Hoc-Meldung offenbart nicht, zu welchem bestimmten früheren Zeitpunkt die Informationen über die Notwendigkeit einer Abschreibung (Abschirmung) auf das US-CDO-Portfolio im vierten Quartal 2007 bereits vorlag und dass die Veröffentlichung nicht mehr unverzüglich erfolgt ist. Die Ad-Hoc-Meldung enthält auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der tatsächliche Abschreibungsbedarf höher als 390 Mio. € sein könnte. Mit dem dortigen Hinweis, dass die Neubewertung des US-CDO-Portfolios einer konservativen Risikopolitik entspreche und der anhaltenden Schwäche der Finanzmärkte sowie den Herabstufungen dieser Assetklasse durch Ratingagenturen Rechnung trage, wird im Gegenteil der Eindruck verstärkt, dass der Abschreibungsbedarf zutreffend und jedenfalls nicht zu niedrig ermittelt worden sei.

311

b) Die Ad-Hoc-Meldung war auch nicht geeignet, einen Anleger über eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Börsenzulassungsprospekts zu unterrichten. Sie bezieht sich auf Ereignisse nach der Prospektveröffentlichung und steht in keinem Zusammenhang mit den im Vorlagebeschluss im Einzelnen aufgeführten Prospektangaben. Insbesondere verhält sich die Mitteilung nicht zu den Risiken aus dem Legacy-Portfolio der Depfa.

312

IX. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Feststellungsziele in Komplex VII, dass der Anspruchsteller im Falle der Haftung gem. § 37b Abs. 1 WpHG aF (Feststellungsziel Komplex VII 1.) bzw. gem. § 37c Abs. 1 WpHG aF (Feststellungsziel Komplex VII 2.) die haftungsbegründende Kausalität nicht darlegen und auch nicht beweisen muss, wendet. Das Oberlandesgericht hat diese Feststellungen rechtsfehlerfrei nicht getroffen.

313

1. Zur Begründung hat sich das Oberlandesgericht auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs gestützt (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 61), wonach dem Anleger im Rahmen des von ihm zu erbringenden Kausalitätsnachweises bei § 37b WpHG aF grundsätzlich keine Beweiserleichterungen zugutekommen. Dies gelte entsprechend für § 37c WpHG aF.

314

2. Die Rechtsbeschwerde, die dies im Ausgangspunkt für zutreffend hält, rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht hätte als Minus gegenüber den begehrten Feststellungen zu Beweiserleichterungen feststellen müssen, dass der Anleger bei der Geltendmachung eines Kursdifferenzschadens nicht die ursächliche Beziehung zwischen Kapitalmarktinformation und Anlageentscheidung darlegen und beweisen müsse.

315

Für eine solche Feststellung boten die Feststellungsziele zum Komplex VII keinen Anlass, weil diese lediglich die Frage aufgeworfen haben, ob der Anspruchsteller im Falle einer Haftung gem. § 37b Abs. 1 WpHG oder § 37c Abs. 1 WpHG die haftungsbegründende Kausalität darlegen und beweisen muss. Damit ist der Anknüpfungspunkt des Kausalitätsnachweises nicht angesprochen. Das Oberlandesgericht hätte die begehrte Feststellung nur treffen müssen, wenn bei der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität entweder überhaupt nicht zu führen wäre oder die Darlegungs- und Beweislast nicht beim Anspruchsteller läge. Beides ist nicht der Fall. Der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität ist im Falle einer Haftung nach § 37b Abs. 1 WpHG aF oder § 37c Abs. 1 WpHG aF entgegen der Sicht der Rechtsbeschwerde vom Anleger auch dann zu führen, wenn dieser den Kursdifferenzschaden geltend macht (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 67).

316

X. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist begründet, soweit das Oberlandesgericht das Feststellungsziel Komplex VIII 1., dass Zuteilungen von Aktien der Musterbeklagten zu 1 im Rahmen der Übernahme der Depfa einen „Erwerb“ von Wertpapieren im Sinne der §§ 37b Abs. 1, 37c Abs. 1 WpHG aF, § 44 Abs. 1 BörsG aF darstellen, zurückgewiesen hat. Sie führt insoweit zur angestrebten Feststellung mit der Klarstellung, dass es sich um einen auf der Zeichnung von Aktien im Zuge der durchgeführten Kapitalerhöhung beruhenden Erwerb handelt. Hinsichtlich des Feststellungsziels Komplex VIII 3., das die Berechnung des Rückabwicklungsschadens bei einem Verkauf betrifft, macht die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend, dass im Tenor klarzustellen ist, dass das Feststellungsziel als unzulässig zurückgewiesen wird. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex VIII 4. wendet, dass der Kursdifferenzschaden pro erworbener Aktie der Musterbeklagten zu 1 im Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, sich zumindest auf 11,91 € beläuft und aus der Differenz zwischen dem Höchstkurs Xetra am 15. Januar 2008 und dem Tiefstkurs Xetra am 16. Januar 2008 berechnet, ist sie begründet, soweit die Feststellung für den Zeitraum 8. Januar 2008 bis15. Januar 2008 zurückgewiesen wurde, und führt insoweit zur Aufhebung des Musterentscheids und zur Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

317

1. Die Zurückweisung des Feststellungsziels Komplex VIII 1., dass die Zuteilung der Aktien der Musterbeklagten zu 1 im Rahmen der Übernahme der Depfa einen Erwerb im Sinne der § 37b Abs. 1, § 37c Abs. 1 WpHG aF, § 44 Abs. 1 BörsG aF darstellen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

318

a) Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Beteiligungserwerb habe sich auf Grundlage eines schuldrechtlichen Zeichnungsvertrags und der gesetzlich angeordneten dinglichen Rechtswirkung gem. § 189 AktG vollzogen. Die §§ 37b, 37c WpHG aF seien nach der Vorstellung des Gesetzgebers demgegenüber auf das Vorliegen eines Kaufs als typische Gestaltung des Aktienerwerbs ausgerichtet. Die wertpapierhandelsrechtliche Ad-Hoc-Publizitätspflicht ziele auf den Schutz der Integrität der Finanzmärkte sowie auf die Stärkung des Anlegervertrauens in die Ordnungsmäßigkeit der Preisbildung am Sekundärmarkt und solle die Chancengleichheit aller Marktteilnehmer gewährleisten und sicherstellen. Die hier vorliegende Unternehmensübernahme werde von der Schutzrichtung der Ad-Hoc-Publizitätspflicht nicht angesprochen. Der Bieter zahle für die Anteile des Zielunternehmens nicht den Marktpreis, sondern denjenigen Preis, den der bietende Emittent im Rahmen des Übernahmeangebotes mache. Für die auszugebenden Aktien gebe es nicht einmal einen Marktpreis, da diese noch nicht existent seien.

319

Der Erwerb im Sinne des § 44 Abs. 1 BörsG aF erfasse nach den Gesetzesmaterialien nur den entgeltlichen Erwerb. Das Abstellen auf einen „Erwerbspreis“ und die Haftungsfolge, die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, lege nahe, dass die Norm nach der Vorstellung des Gesetzgebers den kaufmäßigen Erwerb des Wertpapiers an der Börse nach Zulassung des Wertpapiers zum Börsenhandel erfasse. Diesem Verständnis entspreche auch das Ziel des Börsengesetzes, die Kapitalbeschaffung über die Börse zu regulieren. Die Zuteilung der Aktien an die Altaktionäre der Depfa habe demgegenüber mit der Preisbildung am Primärmarkt bei oder nach Markteinführung nicht in Verbindung gestanden. Die Zuteilung sei Entschädigung für die Einziehung der Altaktien, welche ihrerseits als Sacheinlage eingebracht würden und nicht als „Entgelt“. Die Ausgestaltung der im Synallagma stehenden Verpflichtungen basiere nicht auf dem am 10. September 2007 herausgegebenen Prospekt, sondern auf dem vor Prospekterstellung am 23. Juli 2007 geschlossenen Zusammenschlussvertrag und den dort ausgehandelten Konditionen, basierend auf dem Xetra-Schlusskurs der Aktien der Musterbeklagten zu 1 und der Depfa vom 20. Juli 2007. Die Vereinbarung der Höhe der Entschädigung tangiere daher nicht das Schutzgut des § 44 BörsG aF, die Integrität des Primärmarkts. Auch die Rückabwicklung gegen Erstattung des nach oben begrenzten Erwerbspreises lasse sich bei der hier vorliegenden Zuteilung von Aktien im Zuge einer korporationsrechtlichen Neuordnung nicht umsetzen. Zudem liege infolge der Mehrheitsentscheidung in der Aktionärsversammlung keine von § 44 BörsG aF vorausgesetzte Investitionsentscheidung des einzelnen Aktionärs vor.

320

Ohnehin komme die begehrte Feststellung nicht in Betracht, da nach dem eigenen Vortrag der Musterkläger die Depfa mit ihrem Geschäftsmodell die Ursache für den nur mit Staatshilfen verhinderten Untergang der Musterbeklagten zu 1 gesetzt habe, sodass ein ersatzfähiger Schaden im Ergebnis zu verneinen sei.

321

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung ein rechtlich nicht zutreffendes Verständnis vom Begriff des Erwerbs in § 37b Abs. 1 und § 37c Abs. 1 WpHG aF und § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF zu Grunde gelegt. Ein Erwerb im Sinn von § 37b Abs. 1 und § 37c Abs. 1 WpHG aF liegt auch bei der Zeichnung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung vor.

322

aa) Der Erwerbsbegriff in § 37b Abs. 1 und § 37c Abs. 1 WphG aF ist umstritten.

323

(1) Ein Teil des Schrifttums zu §§ 37b, 37c WpHG aF geht davon aus, dass Erwerb im Sinne dieser Vorschriften nur ein solcher auf der Grundlage eines entgeltlichen schuldrechtlichen Geschäfts sein könne, so dass Erwerbsvorgänge im Rahmen eines Aktientauschs bei Unternehmensübernahmen nicht erfasst seien (Wagner, NZG 2014, 531, 535; Fuchs in Fuchs, WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 18; Zimmer/Steinhäuser in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 77 Fn. 177; vorsichtiger: Schäfer inMarsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 17.14; Krämer/Gillessen in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl., Rn. 32.54). Zur Begründung wird auf die Gesetzesmaterialien verwiesen, die den Normalfall eines Kaufvertrags als entgeltliches Geschäft vor Augen hätten. Ferner sei der Schutzzweck der Normen auf die ordnungsgemäße Funktionsweise des Sekundärmarkts gerichtet. Dieser Schutzzweck sei beim Ersterwerb von Finanzinstrumenten nicht berührt. Schließlich zeige ein Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien des KapMuG, dass § 37b und § 37c WpHG aF außervertragliche Anspruchsgrundlagen seien. Deren Schutzzweck greife nicht Platz, weil beim Aktientausch gesellschaftsrechtliche Vertragsbeziehungen zwischen Emittent und Anleger bestünden.

324

(2) Eine andere Ansicht geht davon aus, der Begriff des Erwerbs erfasse nach dem Schutzzweck der Vorschriften entgeltliche Verträge, bei denen das Entgelt direkt durch den Marktpreis der Finanzinstrumente bestimmt werde und die zu einem tatsächlichen Leistungsaustausch führten, durch den das Kursrisiko des Finanzinstruments auf den Erwerber übergehe. Dies könne auch für einen Aktientausch im Rahmen einer Übernahme zutreffen. Voraussetzung sei aber, dass sich die Tauschrelation allein nach dem Kurswert der getauschten Finanzinstrumente richte. Da der Übernahmepreis außerbörslich ausgehandelt werde und es maßgeblich auf den Übergang des Kursrisikos ankomme, sei dies aber regelmäßig nicht der Fall (Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 74; Seulen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 29 Rn. 93: jedenfalls, wenn sich das Tauschverhältnis auf den Kurswert beziehe).

325

(3) Eine dritte Ansicht meint, für die mit dem Begriff des Erwerbs angestrebte Eingrenzung der Haftungstatbestände sei die sachenrechtliche Zuordnung maßgeblich. Ein Erwerb liege vor, wenn die sachenrechtliche Zuordnung wechsle. Dass dieser Zuordnung zu Grunde liegende Geschäft sei allein für die Frage relevant, welche Schäden ersatzfähig seien (Florstedt, AG 2017, 557, 566).

326

bb) Ein Erwerb im Sinn von § 37b Abs. 1 und § 37c Abs. 1 WpHG aF liegt auch bei der Zeichnung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung vor. Auf welchen Zeitpunkt es für die in diesen Vorschriften beschriebene zeitliche Abfolge von Erwerb und Informationspflichtverletzung ankommt, muss vom Senat nicht entschieden werden, weil das Feststellungsziel diese Frage nicht aufwirft.

327

(1) Der Wortlaut der Vorschriften spricht für ein weites Verständnis des Begriffs „erwerben“. Ein Anspruch auf Schadensersatz steht unter den weiteren Voraussetzungen demjenigen zu, der Finanzinstrumente nach der Unterlassung bzw. Veröffentlichung erwirbt und bei Bekanntwerden der Insiderinformation bzw. von deren Unrichtigkeit noch Inhaber der Finanzinstrumente ist (Abs. 1 Nr. 1)oder die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation bzw. der Veröffentlichung erwirbt und nach der Unterlassung bzw. dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation veräußert (Abs. 1 Nr. 2). Der Begriff „erwerben“ meint nach allgemeinem Verständnis das Erlangen einer Sache, eines Rechts oder einer Rechtsposition mit der Folge, dass der Empfänger als Inhaber angesehen wird (z.B. § 14 Abs. 2; § 854 Abs. 1; §§ 873, 929 Satz 2, §§ 931, 932 BGB). Obwohl die Worte „Erwerb“ bzw. „erwerben“ umgangssprachlich mit „Verdienst“ oder „Kauf“ gleichgesetzt werden, ist dem Begriff weder eine Verengung auf bestimmte Erwerbsgründe noch gar auf im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Rechtspflichten zu entnehmen.

328

In den Materialien zu § 37b und § 37c WpHG aF kommt nicht zum Ausdruck, dass dem Begriff ein spezifisch kapitalmarktrechtliches Verständnis zu Grunde liegen soll, das vom allgemeinen juristischen Sprachgebrauch abweicht. Dem Kapitalmarktrecht liegt auch allgemein kein einheitliches von diesem Sprachgebrauch abweichendes Verständnis dieses Begriffs zu Grunde (vgl. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54). Aus § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF ergibt sich vielmehr, dass entsprechend dem auf dem Abstraktionsprinzip beruhenden allgemeinen Verständnis zwischen dem Erwerb und einem diesem zu Grunde liegenden Erwerbsgeschäft zu unterscheiden ist.

329

(2) „Erwerben“ ist nicht wegen des Transaktionserfordernisses in § 37b und § 37c WpHG aF einschränkend auszulegen. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften, dass die Anspruchsberechtigung des Dritten von einer das Finanzinstrument betreffenden Transaktion im Zeitraum der durch eine Informationspflichtverletzung bewirkten Desinformationsphase abhängig ist (Zimmer/Steinhäuser in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 77). Eine einschränkende Auslegung des Begriffs „erwerben“ lässt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Die Gesetzesmaterialien greifen das Transaktionserfordernis auf und beschreiben die Eingrenzung des Tatbestands in der Weise, dass der Anleger durch die Informationspflichtverletzung bei seinen Wertpapiergeschäften einen Schaden erlitten haben muss, weil – in dem im jeweiligen Absatz 1 Nr. 1 beschriebenen Fall – die Wertpapiere „zu teuer“ gekauft oder – in dem im jeweiligen Absatz 1 Nr. 2 beschriebenen Fall – diese „zu billig“ verkauft würden (RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 93). Dem lässt sich nicht entnehmen, dass eine Eingrenzung auf bestimmte Erwerbstatbestände angestrebt wird. Auch der dem Transaktionserfordernis zu Grunde liegende Zweck wird nicht erwähnt, sondern es erhält lediglich eine veranschaulichende Beschreibung (Florstedt, AG 2017, 557, 558; aA Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 72). Nach der Beschreibung in den Gesetzesmaterialien muss sich die auf der Fehlinformation des Markts beruhende Kursveränderung aber in einer Transaktion über das Finanzinstrument auswirken (Baums, ZHR 167 [2003], 139, 177 f.; Fuchs in Fuchs, WpHG, 2. Aufl., § 37b, § 37c Rn. 18 f.; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 70).

330

Die Vorschriften im jeweiligen Absatz 1 Nr. 2 enthalten den Begriff „erwerben“ allerdings auch außerhalb der zuvor beschriebenen Transaktionsvoraussetzung in der Desinformationsphase, weil in den dort beschriebenen Fällen ein Erwerb bereits vor dem Entstehen der Insiderinformation stattgefunden haben muss, die die Anspruchsberechtigung auslösende Transaktion aber erst die Veräußerung des Finanzinstruments während dieser Phase ist. Naturgemäß kann sich für diesen Erwerbsvorgang die Fehlinformation des Markts noch nicht auswirken, so dass der Tatbestand im Falle einer am Transaktionserfordernis orientierten Auslegung sinnwidrig eingeschränkt wäre. Da kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Begriff bei mehrfacher Verwendung in derselben Vorschrift eine unterschiedliche Bedeutung haben sollte, kann aus dem Transaktionserfordernis für eine einschränkende Auslegung des „Erwerbens“ nichts hergeleitet werden.

331

Zu berücksichtigen ist überdies, dass sich die aus dem Transaktionserfordernis abgeleiteten Einschränkungen für die Anspruchsberechtigung mit den Voraussetzungen des allgemeinen Schadensrechts überschneiden, insbesondere, soweit es um die Ursächlichkeit der Informationspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden geht (Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 216; Florstedt, AG 2017, 557, 565 f.). Es besteht daher kein Bedürfnis für eine einschränkende Auslegung des Erwerbsbegriffs, wenn und soweit sich entsprechende Einschränkungen bereits aus allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts ergeben. Die Bedeutung des Transaktionserfordernisses liegt im Verhältnis zu diesen Grundsätzen weniger darin, den vom Schutzzweck der Haftung erfassten Schaden (positiv) zu konkretisieren (so Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 70), als vor allem darin deutlich zu machen, welche Schäden abweichend von allgemeinen Grundsätzen nicht ersatzfähig sind. Die Informationspflichtverletzung kann nach allgemeinen Grundsätzen auch denjenigen schädigen, der von einem Erwerb oder von einer Veräußerung des Finanzinstruments absieht, aber der auf diese Weise Geschädigte soll im Hinblick auf das Transaktionserfordernis nicht anspruchsberechtigt sein (Fleischer, BB 2002, 1869 f.; Baums, ZHR 167 [2003], 139, 178; Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 216; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., § 97 WpHG Rn. 70; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 17.19). Mit dieser, auf der sog. Birnbaum-Rule des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts basierenden Einschränkung soll zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten sichergestellt werden, dass der Klage eine greifbare Transaktion zu Grunde liegt, und der Gefahr missbräuchlicher Klagen begegnet werden (Baums, ZHR 167 [2003], 139, 178; Hopt/Voigt in Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2004, S. 113). Anknüpfend daran wird die Funktion der Einschränkung auch darin gesehen, den Regelungen einen vereinfachenden Zuschnitt zu geben (Möllers/Leisch inKK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 230) bzw. den Emittenten vor einer unübersehbaren Fülle von Schadensersatzansprüchen zu schützen (Fleischer, NJW 2002, 2977, 2980; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 340, 342). Der Erwerb eines Finanzinstruments ist ungeachtet des jeweiligen Erwerbsgrunds ein greifbarer Anhaltspunkt für eine schadensrechtliche Betrachtung und es besteht auch kein Missbrauchspotential durch erdachte Transaktionsabsichten im Anschluss an eine Informationspflichtverletzung. Ob und ggf. in welchem Umfang sich die auf einer Informationspflichtverletzung beruhende Beeinflussung des Marktpreises beim Erwerb eines Finanzinstruments konkret ausgewirkt hat, kann bezogen auf den Erwerbsvorgang nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt werden. Zwar könnte die Vereinfachungs- und Begrenzungsfunktion des Transaktionserfordernisses darauf gerichtet werden, nur solche Erwerbsvorgänge zu erfassen, denen der Börsenpreis des jeweiligen Finanzinstruments zu Grunde gelegt wurde. Eine dahingehende Einschränkung kommt im Wortlaut der Normen aber nicht zum Ausdruck und lässt sich aus dem Transaktionserfordernis selbst nicht ableiten.

332

cc) Schließlich spricht auch der Schutzzweck der Normen nicht für eine einschränkende Auslegung. Die Schadensersatzpflicht wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation dient in erster Linie dem Vermögensschutz der Anleger. Die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung schützt das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Märkte und soll dem Insiderhandel entgegenwirken; sie schützt auch das Vermögensinteresse der Anleger hinsichtlich des Erzielens „richtiger“ Preise sowie ihre Entscheidungsfreiheit (BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – II ZB 7/09, ZIP 2013, 1165 Rn. 34). Diese nebeneinander stehenden Ziele rechtfertigen keine Einschränkung der Anspruchsberechtigung auf Anleger, die das jeweilige Finanzinstrument am Sekundärmarkt erworben oder veräußert haben, weil die Preisbildung an diesem Markt sich typischerweise auch auf andere Erwerbsvorgänge auswirkt. Es trifft nicht zu, dass der Schutzzweck der Vorschriften nur dann tangiert ist, wenn das für den Erwerb zu entrichtende Entgelt direkt durch den Marktpreis der Finanzinstrumente bestimmt wird (Seulen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl., § 29 Rn. 93; aA Wagner, NZG 2014, 531, 536; Hellgardt in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl., §§ 97, 98 WpHG Rn. 74) oder – wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint – die Transaktion auf einem individuellen Willensentschluss des Anlegers beruht. Ein nach allgemeinen Grundsätzen ersatzfähiger Vermögensschaden kann einem Dritten auch dann entstehen, wenn die von ihm für den Erwerb des Finanzinstruments erbrachte Gegenleistung mittelbar von einem durch eine Informationspflichtverletzung beeinflussten Preis bestimmt wird und dieser nicht auf einem individuellen Willensentschluss beruht.

333

dd) Entgegen der Sicht des Oberlandesgerichts erfasst der Begriff des Erwerbs nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF nicht nur den Erwerb von Wertpapieren über die Börse, sondern auch den (Erst-)Erwerb von Aktien bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen. Dieses weite Begriffsverständnis, das auch den außerbörslichen Erwerb einschließt, kommt bereits in den Gesetzesmaterialien zu § 44 BörsG aF zum Ausdruck (vgl. RegE Drittes Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 13/8933, S. 78) und wird im Schrifttum einhellig geteilt (Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, WpPG/VermögensAnlG, 3. Aufl., § 21 Rn. 98; Assmann/Kumpan in Assmann/Schütze/Buck-Heeb,Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., § 5 Rn. 176; Heidelbach in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl., § 9 WpPG Rn. 24; Holzborn/Wackerbarth, WpPG, 2. Aufl., §§ 21-23 Rn. 56; Nomos-BR/Müller, WpPG, 2. Aufl., § 21 Rn. 12; Kumpan in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl., § 9 WpPG Rn. 12; Seiler/Singhof in Frankfurter Kommentar WpPG undEU-ProspektVO, 2. Aufl., § 21 WpPG Rn. 25; Hamann in Schäfer/Hamann,Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., §§ 44, 45 BörsG Rn. 121; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 9 WpPG Rn. 89; Groß, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., § 9 WpPG Rn. 70).

334

ee) Die Zurückweisung des Feststellungsziels wird auch von der Hilfserwägung des Oberlandesgerichts nicht getragen, den Aktionären der Depfa sei jedenfalls ein ersatzfähiger Schaden nicht entstanden. Diese Erwägung betrifft die Entscheidungserheblichkeit des Feststellungsziels für die zu Grunde liegenden Ausgangsverfahren, die vom Oberlandesgericht nicht zu prüfen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG). Die Entscheidung über ein Feststellungsziel ist nur dann mangels Sachentscheidungsinteresses entbehrlich, wenn auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse des Musterverfahrens durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

335

c) Über das Feststellungsziel kann der Senat gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Feststellung kann in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung getroffen werden, da es sich um einen auf der Zeichnung von Aktien im Zuge der durchgeführten Kapitalerhöhung beruhenden Erwerb handelt. Mit der vom Vorlagebeschluss abweichenden Fassung der Feststellung wird lediglich der Erwerbstatbestand, der sich aus den Feststellungen des Oberlandesgerichts ergibt, näher präzisiert.

336

2. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 macht mit Erfolg geltend, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts über das Feststellungsziel Komplex VIII 3., mit dem eine bindende Festschreibung des Prinzips „first in – first out“ für die Berechnung des Rückabwicklungsschadens angestrebt wurde, klarzustellen und das Feststellungsziel als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 12; Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 133 ff.; Beschluss vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, ZIP 2019, 25 Rn. 69). Der Musterkläger kann mit seiner Rechtsbeschwerde das Ziel verfolgen, im laufenden Rechtsstreit die Klarstellung einer auslegungsbedürftigen Feststellung zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – II ZB 30/12, ZIP 2014, 2284 Rn. 27).

337

Das Oberlandesgericht hat das Feststellungsziel zurückgewiesen und nicht ausdrücklich mitgeteilt, ob die Zurückweisung aus materiellen Gründen oder deswegen erfolgt ist, weil das Feststellungsziel mangels Statthaftigkeit unzulässig ist. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass eine bindende Festschreibung dieser, der Vereinfachung der Schadensschätzung dienenden Methodik als einzig maßgebliche Betrachtungsweise eine Berücksichtigung der den individuellen Anleger und sein Anlageverhalten kennzeichnenden Umstände ausschließen würde. Die Anwendung der „FiFo-Methode“ habe sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu richten. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht zum Ausdruck gebracht, dass Gegenstand des Feststellungsziels nicht verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen sind. Nicht verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen können nicht Gegenstand eines Musterfeststellungsverfahrens sein (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 15), so dass das Feststellungsziel unzulässig ist.

338

3. Die Rüge der Rechtsbeschwerde des Musterklägers, das Oberlandesgericht habe nicht festgestellt, dass sich der Kursdifferenzschaden pro erworbener Aktie der Musterbeklagten zu 1 im Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis 15. Januar 2008 zumindest auf 11,91 € beläuft (Feststellungsziel Komplex VIII 4.) hat insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht das Feststellungsziel für den Zeitraum 8. Januar 2008 bis 15. Januar 2008 zurückgewiesen hat. In diesem Umfang kann das Feststellungsziel nicht mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Der Musterentscheid ist insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

339

a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, als Richtgröße für die Schadensschätzung könne zwar die Kursveränderung dienen, die das Finanzinstrument unmittelbar nach Bekanntwerden der wahren Sachlage genommen habe, und es könne sodann mittels rückwärtiger Induktion näherungsweise auf den wahren Wert des Papiers am Tag des Geschäftsabschlusses geschlossen werden. Diese vereinfachende Berechnungsweise rechtfertige es jedoch nicht, den Kursdifferenzschaden für den gesamten Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis15. Januar 2008 an dem Kurseinbruch festzumachen, welcher der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 nachgefolgt sei. Im Rahmen der Schadensberechnung sei eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich, welche die im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2007 bis zum 15. Januar 2008 verletzten Informationspflichten in den Blick nehme, da zu früheren Zeitpunkten nicht sämtliche der am 15. Januar 2008 mitgeteilten Informationen zur Verfügung gestanden hätten oder veröffentlichungspflichtig gewesen seien.

340

b) Die begehrte Feststellung ist unter Berücksichtigung der nachstehenden Auslegung des Feststellungsziels im Musterverfahren statthaft.

341

aa) Nach seinem Wortlaut ist das Feststellungsziel auf die Feststellung eines Kursdifferenzschadens von mindestens 11,91 € für alle im Zeitraum 11. Juli 2007 bis 15. Januar 2008 erworbenen Aktien der Musterbeklagten zu 1 gerichtet. Mit diesem Inhalt wäre das Feststellungsziel nicht statthaft.

342

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht kann prüfen, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine feststellungsfähige kapitalmarktrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KapMuG handelt, die sich auf verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen bezieht. Nicht verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen wie der individuelle Schaden eines Anlegers, einzelfallabhängige Fragen der Kausalität oder das Mitverschulden eines Anlegers können nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 15; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – III ZB 92/07, ZIP 2009, 290 Rn. 11).

343

(2) Das Feststellungsziel ist seinem Wortlaut nach auf die Feststellung des Eintritts eines Mindestschadens für den jeweiligen Erwerber gerichtet, der nur einzelfallbezogen festgestellt werden kann.

344

Der Schadensbegriff ist im Ansatz subjektbezogen, weil der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 18). Ob ein Schaden vorliegt, beurteilt sich nach der Differenzmethode anhand eines rechnerischen Vergleichs der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Die Differenzmethode als wertneutrale Rechenoperation enthebt indes nicht davon, die in die Differenzbilanz einzusetzenden Rechnungsposten wertend zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 217 f.).

345

Der Kursdifferenzschaden wegen einer Informationspflichtverletzung gem. § 37b Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 37c Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF lässt sich ohne Ermittlung des individuell bezahlten Preises, der nicht zwingend dem jeweiligen Börsenpreis entsprochen haben muss, nicht ermitteln. Er berechnet sich aus der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Transaktionspreis und dem Preis, der sich bei pflichtgemäßem Publizitätsverhalten gebildet hätte (BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1274; Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 67 f.; Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 368).

346

bb) Das Feststellungsziel kann nach der recht verstandenen Interessenlage der Klägerseite (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – II ZR 191/13, juris Rn. 10; Urteil vom 21. Juni 2016 – II ZR 305/14, WM 2016, 1599 Rn. 12) aber abweichend von seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass es auf die Feststellung gerichtet ist, der hypothetische Börsenkurs der Aktie der Musterbeklagten zu 1 hätte ohne die für verschiedene Zeitpunkte behaupteten Informationspflichtverletzungen im Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis zum 15. Januar 2008 stets mindestens 11,91 € unter dem tatsächlichen Börsenkurs der Aktie gelegen. Dem Feststellungsziel liegt erkennbar die rechtlich nicht zutreffende Annahme zu Grunde, dass die Berechnung des Kursdifferenzschadens nicht ausgehend vom tatsächlichen Erwerbspreis, sondern ausgehend vom Börsenkurs zu erfolgen habe und damit abstrakt ermittelbar sei. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Börsenkurs und dem hypothetischen Börsenkurs ohne die behaupteten Informationspflichtverletzungen ist tatsächlich abstrakt ermittelbar und stellt für die Ermittlung des individuellen Schadens eine wichtige Berechnungsgröße dar (Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 376). Daher entspricht es den Parteiinteressen, das Feststellungsziel dahin auszulegen, dass es auf die Feststellung dieser Berechnungsgröße gerichtet ist.

347

cc) Das Feststellungsziel betrifft auch die Feststellung von anspruchsbegründenden Voraussetzungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG. Der Begriff der anspruchsbegründenden Voraussetzungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG umschließt Feststellungen zur Anspruchshöhe. Das Musterverfahren ist nicht auf die Klärung materiell-rechtlicher Anspruchsvoraussetzungen beschränkt, sondern erfasst alle Voraussetzungen des prozessualen Anspruchs (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – II ZB 19/19, ZIP 2020, 1879 Rn. 24).

348

c) Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kursdifferenzschaden für den Zeitraum vom 11. Juli 2007 bis zum 15. Januar 2008 nicht ausgehend von der Kursveränderung nach Veröffentlichung der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 bestimmt werden kann. Es hätte ausgehend von seinen weiteren Feststellungen aber in Betracht ziehen müssen, ob eine Feststellung entsprechend des Feststellungsziels in seiner vorstehend unter b) aufgezeigten Auslegung zumindest für den Zeitraum 8. Januar 2008 bis15. Januar 2008, 13.06 Uhr, getroffen werden kann.

349

aa) Ein hypothetischer Preis des Finanzinstruments kann – ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen – im Wege einer richterlichen Schadensschätzung gem. § 287 ZPO festgestellt werden. Dabei kann als geeignete Hilfsgröße zur Ermittlung des hypothetischen Preises auf die Kursveränderung unmittelbar nach Bekanntwerden der wahren Sachlage zurückgegriffen und sodann „vermittels rückwärtiger Induktion“ auf den wahren Wert des Papiers am Tage des Geschäftsabschlusses näherungsweise geschlossen werden (BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1274). Dies gilt auch bei der Schätzung eines Mindestschadens (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1963 – III ZR 47/63, NJW 1964, 589).

350

bb) Dem Feststellungsziel liegt die Behauptung zu Grunde, aus der auf das Bekanntwerden der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 erfolgten Kursreaktion könne für den Zeitraum zwischen dem 11. Juli 2007 und dem 15. Januar 2008 auf eine Mindestabweichung des hypothetischen Börsenkurses vom tatsächlichen Börsenkurs geschlossen werden. Die tatsächliche Würdigung, dass die Kursreaktion auf die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 diese Schlussfolgerung nicht zulässt, ist für die Zeit vor dem 8. Januar 2008 rechtlich nicht zu beanstanden.

351

(1) Im Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter bei der Tatsachenfeststellung besonders freigestellt. Seine Einschätzung ist mit der Rechtsbeschwerde nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 5. März 2013 – VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 49). Ein Rechtsfehler liegt allerdings auch dann vor, wenn der Tatrichter sich der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht bewusst war (BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 174/12, NJW 2013, 2584 Rn. 21).

352

(2) Hiervon ausgehend ist die Annahme des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, dass die auf die Veröffentlichung der Ad-Hoc-Meldung am15. Januar 2008 erfolgte Kursreaktion nur dann einen geeigneten Anknüpfungspunkt für einen Rückschluss auf den hypothetischen Börsenkurs der Aktie böte, wenn mit der Ad-Hoc-Meldung gerade diejenigen Informationen bekannt gemacht worden wären, die im Falle pflichtgemäßer Kapitalmarktinformation bereits früher veröffentlicht worden wären (vgl. Möllers/Leisch in KK-WpHG, 2. Aufl., §§ 37b, c Rn. 378; Barth, Schadensberechnung bei Haftung wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2009, S. 241 ff.). Das Oberlandesgericht hat lediglich verkannt, dass diese Voraussetzungen nach der zum Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1 getroffenen Feststellung ab dem 8. Januar 2008 erfüllt waren.

353

(a) Für den Zeitraum 11. Juli 2007 bis 2. August 2007 hat das Oberlandesgericht keine Informationspflichtverletzung festgestellt und die hiergegen von der Rechtsbeschwerde des Musterklägers erhobenen Rügen bleiben ohne Erfolg (vgl. oben II. und III.).

354

(b) Soweit für den Zeitraum vom 3. August 2007 bis zum 7. November 2007 Informationspflichtverletzungen festgestellt wurden, beziehen sich diese auf die Aussagen der Pressemitteilungen vom 3. August 2007 und 7. November 2007 (Feststellungsziele Komplexe V, XIII und XIV). Das Oberlandesgericht hat aber nicht festgestellt, dass bei pflichtgemäßer Information des Kapitalmarkts bereits diejenigen Informationen bekannt geworden wären, die mit der Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 bekannt wurden. Wie unter IV. und V. näher ausgeführt, sind die in diesen Komplexen zusammengefassten Feststellungsziele nicht einmal auf die Feststellung entsprechender Informationspflichtverletzungen gerichtet.

355

(c) Die zum Feststellungsziel Komplex XII getroffene Feststellung des Oberlandesgerichts bezieht sich auf die Bekanntgabe der Neubewertung der Wertpapiere mit Subprime-Bezug sowie auf die Information darüber, dass die bis zum 15. November 2007 kommunizierten Markterwartungen nicht mehr haltbar gewesen seien. Unabhängig davon, dass diese Feststellungen wegen der Unbestimmtheit des zu Grunde liegenden Feststellungsziels keinen Bestand haben können (oben VI.), beziehen sich die Informationspflichtverletzungen ebenfalls nicht auf die Informationen, die am 15. Januar 2008 von der Musterbeklagten zu 1 bekannt gegeben wurden.

356

(d) Anders verhält es sich bei der vom Oberlandesgericht zum Feststellungsziel Komplex VI 1. Halbsatz 1 festgestellten Informationspflichtverletzung, die Ad-Hoc-Mitteilung vom 15. Januar 2008 sei nicht unverzüglich erfolgt, die sich direkt auf die in dieser Ad-Hoc-Meldung bekannt gegebenen Informationen bezieht.

357

e) Der Musterentscheid ist insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das erneut durchzuführende Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Oberlandesgericht – ggf. mit sachverständiger Hilfe – nach den dargestellten Maßstäben zu würdigen haben wird, ob ein hypothetischer Börsenkurs der Aktie der Musterbeklagten zu 1 ohne die auf die Ad-Hoc-Meldung vom 15. Januar 2008 bezogene Informationspflichtverletzung im Zeitraum vom 8. Januar 2008 bis zum 15. Januar 2008, 13.06 Uhr, stets mindestens 11,91 € unter dem tatsächlichen Börsenkurs der Aktie gelegen hätte.

358

XI. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 ist begründet, soweit sie sich gegen die zu ihren Lasten getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Feststellungsziel Komplex XI betreffend die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit des am 10. September 2007 herausgegebenen Börsenzulassungsprospekts unter den im Schriftsatz des vom 17. September 2014 angesprochenen Gesichtspunkten wendet. Der Musterentscheid ist insoweit aufzuheben. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsziels betreffend einen Prospektfehler wegen einer fehlerhaften Darstellung zu erwartender Verluste aus dem Legacy-Portfolio der Depfa wendet. In diesem Umfang ist der Musterentscheid aufzuheben und das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

359

1. Das Oberlandesgericht hat, soweit für die Rechtsbeschwerden von Bedeutung, ausgeführt, die im Vorlagebeschluss aufgelisteten Beanstandungen gegen den Börsenzulassungsprospekt erhebe der Musterkläger zu Unrecht.

360

Der Prospekt offenbare an mehreren Stellen zu erwartende jährliche Verluste von rund 50 Mio. € für das Jahr 2007 und einige Folgejahre. Der Prospekt weise auf Seite 27 in Fettdruck darauf hin, dass Belastungen im mittleren zweistelligen Millionenbetrag noch über die nächsten Jahre zu erwarten seien. Es sei klar, dass nicht nur eine einmalige Ergebnisbelastung in dieser Größenordnung zu erwarten sei und auch nicht lediglich die summierte Ergebnisbelastung für mehrere Jahre diese Größenordnung erreichen werde.

361

Die im Schriftsatz vom 17. September 2014 behaupteten Prospektfehler, die über die im Vorlagebeschluss aufgeführten hinausgingen, lägen nur teilweise vor. Einer Erweiterung des Musterverfahrens bedürfe es zu deren Prüfung nicht, da das Feststellungsziel zu Komplex XI weit gefasst sei und die im Verlaufe des Musterverfahrens ergänzend vorgetragene tatsächliche Begründung für die behauptete Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit umfasse. Der Prospekt sei nicht wegen der Aussage unrichtig, die HRE-Gruppe habe im ersten Halbjahr 2007 ihre erfolgreiche Geschäftsentwicklung fortgesetzt, und ihr Ergebnis vor Steuern um 25 % auf 355 Mio. € gesteigert. Der mitgeteilte Wert entspreche dem Zwischenbericht vom 30. Juni 2007. Die Behauptung, dieser sei falsch ermittelt worden, treffe nicht zu.

362

Die Angabe im Prospekt, es seien keine wesentlichen nachteiligen Veränderungen in der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der HRE-Gruppe seit dem 30. Juni 2007 eingetreten sei dagegen ebenso falsch wie die Angaben über Beziehungen des US-CDO-Portfolios zu Subprime-Sicherheiten.

363

2. Die Rechtsbeschwerde der Musterbeklagten zu 1 hat Erfolg, soweit sie sich gegen die zu ihren Lasten getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Komplex XI wendet, der Börsenzulassungsprospekt vom 10. September 2007 sei aus im Schriftsatz vom 17. September 2014 vorgetragenen Gründen unrichtig. Die Feststellungen des Oberlandesgerichts überschreiten die Grenzen des Feststellungsziels (§ 308 ZPO, § 11 Abs. 1 KapMuG).

364

a) Das Oberlandesgericht hat – ggf. nach Auslegung des Feststellungsziels und Feststellung des ihm zu Grunde liegenden Sachverhalts – seine rechtliche Prüfung zum Vorliegen eines Prospektfehlers hieran zu orientieren. Dies folgt aus der auf das Feststellungsziel begrenzten Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts, § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 64; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 33; Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/17, ZIP 2019, 655 Rn. 14).

365

Ein auf die Feststellung eines Prospektfehlers gerichtetes Feststellungsziel ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn es die beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation selbst wiedergibt (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 65; Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 56; Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 Rn. 33). Das Feststellungsziel, die Fehlerhaftigkeit einer Kapitalmarktinformation „insbesondere“ aufgrund von im Folgenden wiedergegebenen Aussagen bzw. Auslassungen festzustellen, ist hinsichtlich der im Folgenden nicht wiedergegebenen Aussagen bzw. Auslassungen nicht hinreichend bestimmt (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 63; Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 2307 Rn. 56).

366

b) Hiervon ausgehend ist die Annahme des Oberlandesgerichts, das Feststellungsziel Komplex XI umfasse auch die im Schriftsatz vom 17. September 2014 ergänzend zum Inhalt des Vorlagebeschlusses behaupteten Prospektfehler, unzutreffend. Die weite Formulierung des Feststellungsziels, der am10. September 2007 herausgegebene Börsenzulassungsprospekt sei in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig, erlaubt keine umfassende Prüfung sämtlicher im Musterverfahren behaupteten Prospektfehler. Das Feststellungsziel ist in diesem Fall nur hinsichtlich derjenigen Prospektfehler hinreichend bestimmt, die durch Auslegung des Feststellungsziels entsprechend der unter vorstehend II. 2. a) aa) dargestellten Grundsätze konkretisiert werden können. Die mit Schriftsatz des Musterklägers vom 17. September 2014 gerügten Prospektfehler werden, wie das Oberlandesgericht selbst erkannt hat, im Vorlagebeschluss nicht angesprochen.

367

c) Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht im Ergebnis als zutreffend (§ 3 EGZPO, § 577 Abs. 3 ZPO). Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann das Musterverfahren nicht um neue Feststellungsziele erweitert werden. Die Rechtsbeschwerde gem. § 20 KapMuG dient allein der rechtlichen Kontrolle des Musterentscheids. Ein Antrag auf Erweiterung des Musterverfahrens gem. § 15 Abs. 1 KapMuG muss beim Oberlandesgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 KapMuG gestellt werden (BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 62 mwN). Eine Erweiterung des Musterverfahrens auf die zu Lasten der Musterbeklagten festgestellten Prospektfehler gem. § 15 KapMuG ist nicht erfolgt.

368

3. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist begründet, soweit sie geltend macht, zum Feststellungsziel Komplex XI hätte das Oberlandesgericht einen Fehler des Börsenzulassungsprospekts vom 10. September 2007 in Bezug auf die Darstellung der Risiken aus geschlossenen Positionen von bisher bei der Depfa-Gruppe betriebenen Handelsgeschäften (sog. Legacy-Portfolio) und der Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2007 im Börsenzulassungsprospekt der Musterbeklagten zu 1 nicht verneinen dürfen. Im Übrigen bleibt die Rechtsbeschwerde unbegründet, weil das Feststellungsziel hinsichtlich der angestrebten Feststellungen nicht hinreichend bestimmt ist.

369

a) Die erforderliche Beschwer des Musterklägers ergibt sich entgegen der Sicht der Musterbeklagten zu 2 und 3 ungeachtet der zum Feststellungsziel Komplex XI unter anderen Gesichtspunkten getroffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts daraus, dass es diese Prospektfehler, deren Feststellung angestrebt wird, verneint hat.

370

b) Die gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben teilweise Erfolg. Ein Prospektfehler wegen einer fehlerhaften Darstellung der Risiken aus geschlossenen Positionen von bisher bei der Depfa-Gruppe betriebenen Handelsgeschäften (sog. Legacy-Portfolio) kann mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden. Soweit das Oberlandesgericht einen Prospektfehler wegen der Darstellung der Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2007 verneint hat, hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Unrichtigkeit des Börsenzulassungsprospekts unter diesem Gesichtspunkt im Musterverfahren zu prüfen war.

371

aa) Das Feststellungsziel ist unter Berücksichtigung der unter II. 1. a) aa) dargestellten Anforderungen insoweit hinreichend bestimmt, als die Behauptung der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit des Börsenzulassungsprospekts im Vorlagebeschluss näher konkretisiert wurde. Dies ist bezogen auf die hier in Rede stehenden Prospektfehler nur der Fall, soweit ein Fehler des Prospekts darin liegen soll, dass die Kenntnis der Musterbeklagten zu 1 über jährlich erwartete Verluste in Höhe von ca. 50 Mio. € aus dem Legacy-Portfolio der Depfa für 2007 und weitere Jahre nicht offengelegt werde.

372

Die Prüfung des Oberlandesgerichts zur unrichtigen Darstellung der Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2007 im Prospekt findet im Vorlagebeschluss und den Erweiterungsbeschlüssen dagegen keine hinreichende Grundlage (vgl. bereits oben 2.), so dass die von der Rechtsbeschwerde angestrebte Feststellung vom Feststellungsziel nicht erfasst ist, § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

373

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Verfahrensrüge, das Oberlandesgericht habe keinen Hinweis erteilt, dass das Feststellungsziel Komplex XI (insoweit) nicht hinreichend bestimmt sei, kann nicht gewährt werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gem. § 233 Satz 1 ZPO die Versäumung einer Frist voraus. Die Fristen zur Rechtsbeschwerde- bzw. Beitrittsbegründung sind hier eingehalten worden, nur soll die bisherige Begründung nachträglich um eine weitere Rüge ergänzt werden. Für eine solche nachträgliche inhaltliche Ergänzung einer an sich fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründung ist keine Wiedereinsetzung zu gewähren (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, ZIP 2018, 578 Rn. 58 mwN).

374

bb) Die Begründung, mit der das Oberlandesgericht einen Prospektfehler wegen einer fehlerhaften Darstellung zu erwartender Verluste aus dem Legacy-Portfolio der Depfa verneint hat, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

375

(1) Die Auslegung des Emissionsprospekts vom 10. September 2007 durch das Oberlandesgericht unterliegt – auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – der uneingeschränkten Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 18. September 2012 – XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 31; Beschluss vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 75; Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/17, ZIP 2019, 655 Rn. 21 mwN). Der Prospekt ist objektiv „aus sich heraus“ auszulegen, wobei dem Wortlaut eine erhöhte Bedeutung zukommt. Dabei kommt es nicht allein auf die wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern wesentlich auf das dem Anleger durch den Prospekt vermittelte Gesamtbild an (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924; Beschluss vom 22. Januar 2019 – II ZB 18/17, ZIP 2019, 655 Rn. 20 mwN), wobei auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines verständigen Anlegers abzustellen ist, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und diesen mit Blick auf eine etwaige Anlageentscheidung sorgfältig und eingehend gelesen hat (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924).

376

(2) Hiervon ausgehend ist die Annahme des Oberlandesgerichts, der Prospekt lege offen, dass jährliche Belastungen aus geschlossenen Positionen bei der Depfa-Gruppe in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe drohen, rechtsfehlerhaft.

377

Mit der Aussage „Aus geschlossenen Positionen von bisher bei der Depfa Group in erheblichem Umfang betriebenen Handelsgeschäften mit Zinsrisiken werden sich noch über die nächsten Jahre Belastungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich (€) ergeben“ gibt der Prospekt bei objektiver Auslegung nicht die erwartete jährliche Belastung, sondern eine Gesamtbelastung wieder. In der Aussage werden der Formulierung „über die nächsten Jahre“ „Belastungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich“ gegenübergestellt. Grammatikalisch lässt die Formulierung mit der Verwendung des Plurals „Belastungen“ zwar auch die Deutung zu, dass in den Folgejahren jeweils eine Belastung im zweistelligen Millionenbereich eintreten könne. Diese grammatikalisch mögliche Auslegung berücksichtigt aber nicht hinreichend den Kontext des Risikohinweises und das vermittelte Gesamtbild. Der Anleger soll erkennbar über bestimmte aus dem Erwerb der Depfa herrührende Risiken aufgeklärt werden. Mit der Angabe einer Größenordnung wird dem verständigen Anleger bei sorgfältiger Lektüre des Prospekts vermittelt, das aus den Positionen folgende Gesamtrisiko sei abgeschätzt und werde im Prospekt offenbart. Diese Funktion kann die Angabe der Größenordnung jedoch nur erfüllen, wenn sich diese auf die erwartete Gesamtbelastung bezieht, weil der Zeitraum, für den Belastungen erwartet werden, nicht angegeben wird. Nichts anderes folgt aus der weiteren Prospektaussage „Aus deren mittlerweile geschlossenen Positionen können sich jedoch für die kommenden Jahre negative Einkünfte im mittleren zweistelligen Millionenbereich (sogenannte negative ‚Carry Positionen‘) ergeben, welche zwar bei der künftigen Planung berücksichtigt sind, aber über die Planzahlen hinausgehen können“. Diese Formulierung lässt ebenfalls nicht klar erkennen, ob sich die Angabe zu der möglichen Belastung in einzelnen Jahren oder im Gesamtzeitraum bezieht. Weitere Erwähnungen dieser Positionen, etwa unter den pro-forma Angabenoder der künftigen Entwicklung, finden sich nicht.

378

(3) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob durch die fehlerhafte Prospektangabe ein unrichtiges Gesamtbild von den Verhältnissen und der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage der Musterbeklagten zu 1 in Bezug auf die für die Beurteilung der Aktien wichtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vermittelt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924).

379

4. Die Sache ist, soweit Feststellungen zu Komplex XI rechtsfehlerhaft getroffen wurden, zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

380

Soweit es um die Darstellung zu erwartender Verluste aus dem Legacy-Portfolio der Depfa im Börsenzulassungsprospekt vom 10. September 2007 geht, wird das Oberlandesgericht zu prüfen haben, ob durch die fehlerhafte Prospektangabe ein unrichtiges Gesamtbild von den Verhältnissen und der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage der Musterbeklagten zu 1 in Bezug auf die für die Beurteilung der Aktien wichtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vermittelt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924).

D.

381

Die Hilfsanschlussrechtsbeschwerde des Musterklägers und der auf Seiten des Musterklägers beigetretenen Beigeladenen ist entsprechend den Ausführungen unter B. als nach § 3 EGZPO, § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO, § 21 Abs. 1 Satz 1 KapMuG analog statthafte Hilfsanschlussrechtsbeschwerde des Musterklägers anzusehen, der diejenigen Beigeladenen beigetreten sind, die ihrerseits Rechtsbeschwerde eingelegt hatten (vgl. Rimmelspacher in KK-KapMuG, 2. Aufl., § 21 Rn. 79). Über das Rechtsmittel ist nicht zu entscheiden, weil die Bedingung, unter der es steht, nicht eingetreten ist.

382

Die Anschlussrechtsbeschwerde steht unter der Bedingung, dass der Bundesgerichtshof den Tenor des Musterentscheids entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht als hinreichend bestimmt ansieht und eine amtswegige Ergänzung nicht in Betracht kommt. Die Bedingung erfasst unter Berücksichtigung des Rechtsmittelantrags lediglich die Feststellungsziele, für die eine Neufassung des Tenors beantragt wird (Feststellungsziele Komplex V 1., 1a., 2. und 3.; Komplex XI; Komplex VI 1. Halbsatz 1). Die Bedingung ist nicht eingetreten, weil die Entscheidung des Senats zu diesen Feststellungszielen nicht darauf beruht, dass der Tenor des Musterentscheids nicht hinreichend bestimmt ist und eine Ergänzung durch den Senat nicht in Betracht kommt.

E.

383

I. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 51a Abs. 2 GKG, § 39 Abs. 2 GKG, weil die Summe der in sämtlichen nach § 8 KapMuG ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind, 30 Mio. € übersteigt. Bei der Streitwertbemessung im Rechtsbeschwerdeverfahren sind auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zurückgenommen haben (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, WM 2018, 2225 Rn. 155 mwN).

384

II. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Musterklägerin, ihm in entsprechender Anwendung des § 41a RVG eine besondere Gebühr zu einem Gebührensatz in Höhe von 0,3 aus dem Gesamtstreitwert zu bewilligen, hat keinen Erfolg. Die Regelung des § 41a RVG ist auf das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 20 KapMuG nicht entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 122).

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