BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 01.12.2020, AZ 2 B 46/20, ECLI:DE:BVerwG:2020:011220B2B46.20.0
Verfahrensgang
vorgehend OVG Lüneburg, 10. März 2020, Az: 5 LB 60/18, Urteil
vorgehend VG Oldenburg (Oldenburg), 15. Juni 2016, Az: 6 A 3945/14, Urteil
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. März 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 63 422,22 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde der Beklagten ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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1. Der Kläger steht im feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten. Er begehrt einen zeitlichen oder finanziellen Ausgleich für den seit dem 1. Januar 2014 über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleisteten Dienst als „Organisatorischer Leiter Rettungsdienst“ (im Folgenden: OrgL-Dienst). Während dieser Zeit ist er mit Wirkung vom 1. Januar 2015 vom Oberbrandmeister (Besoldungsgruppe A 8) zum Hauptbrandmeister (Besoldungsgruppe A 9) befördert worden.
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Der OrgL-Dienst bei der Feuerwehr der beklagten Stadt wird in 24-Stunden-Schichten von jeweils 8:00 Uhr bis 8:00 Uhr des Folgetages abgeleistet und umfasst die Koordinierung der Versorgung der Verletzten bei Großschadenslagen mit einer Vielzahl von Verletzten. Während des OrgL-Dienstes sind die Beamten mit einem Funkgerät, einem Diensthandy und einem Dienstfahrzeug, das über eine akustische und optische Sondersignalanlage (Blaulicht und Martinshorn) verfügt, ausgestattet. Im Falle der Alarmierung haben sie sich mit diesem Dienstfahrzeug zur Rettungswache am Klinikum zu begeben, dort den Leitenden Notarzt abzuholen, mit diesem zum Einsatzort zu fahren und die örtliche Einsatzleitung zu übernehmen. Seit dem 1. Januar 2012 werden die OrgL-Dienste mit einem pauschalen Satz in Höhe von 12,5 Prozent als Freizeit oder entsprechend finanziell vergütet, wobei die tatsächlichen Einsatzzeiten als Dienstzeit angerechnet werden.
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Im Dezember 2013 beantragte der Kläger, die über die reguläre Wochenarbeitszeit hinaus wahrgenommenen OrgL-Dienste als Arbeitszeit anzuerkennen und die Zeiten durch Gewährung von Freizeit oder hilfsweise einer finanziellen Entschädigung auszugleichen. Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren für den Zeitraum ab dem 6. Oktober 2010 weiterverfolgte, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die nur bezogen auf den Zeitraum ab Januar 2014 zugelassene Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2019 über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten OrgL-Dienste im Umfang von 2 092,12 Stunden eine Entschädigung in Höhe von 58 422,22 € und für die Zeit ab 1. Januar 2020 eine Entschädigung nach den jeweils geltenden Sätzen der niedersächsischen Mehrarbeitsvergütungsbestimmungen zu gewähren. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Der Kläger könne für die im vorbezeichneten Zeitraum geleisteten OrgL-Dienste auf der Grundlage des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleiteten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs eine finanzielle Entschädigung verlangen. Der Beklagten sei es aus dienstlichen Gründen nicht möglich, Freizeitausgleich zu gewähren. Zwar stelle der vom Kläger geleistete OrgL-Dienst nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben keinen Bereitschaftsdienst und damit keine Arbeitszeit dar. Der Kläger habe sich während des OrgL-Dienstes nicht – wie vom Bundesverwaltungsgericht gefordert – an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs, sondern gerade in seinem Privatbereich für eine etwaige Dienstaufnahme bereitgehalten. Auch die weitere, vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Voraussetzung, dass erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sein müsse, liege nicht vor. Während des OrgL-Dienstes sei es nicht typischerweise oder regelmäßig zu Einsätzen gekommen. Allerdings sei diese Rechtsprechung nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – NJW 2018, 1073) nicht mehr heranzuziehen. Es komme vielmehr für die Einstufung von Dienst als Arbeitszeit maßgeblich darauf an, ob sich der Beamte während des Dienstes an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Daran gemessen seien die vom Kläger über die reguläre Arbeitszeit hinaus geleisteten OrgL-Dienste als Arbeitszeit in Form von Bereitschaftsdienst zu qualifizieren. Die den Dienst ausgestaltenden technischen und (dienst-)rechtlichen Vorgaben für die Nutzung des Einsatzfahrzeugs hätten bei typisierender Betrachtung eine faktische Aufenthaltsbeschränkung des OrgL-Dienst leistenden Beamten auf seinen privaten häuslichen Bereich bewirkt. Der Beamte sei während dieses Dienstes mit einem Dienstfahrzeug ausgestattet gewesen, das dauerhaft an eine vom Dienstherrn „freigegebene“ häusliche Steckdose anzuschließen gewesen sei, um die Ladung der im Fahrzeug befindlichen Geräte zu erhalten. Das Dienstfahrzeug habe nach den dienstrechtlichen Vorgaben nicht zu privaten Zwecken genutzt werden dürfen. Im Falle der Alarmierung habe der Beamte innerhalb von 20 Minuten am Klinikum eintreffen und den Leitenden Notarzt aufnehmen müssen. Aus diesen Vorgaben habe sich eine Aufenthaltsbeschränkung für die mit dem Dienstfahrzeug eine „Einheit“ bildenden Beamten auf ihren häuslichen Bereich ergeben.
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2. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 – 2 B 2.11 – NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 – 2 B 107.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 16. April 2020 – 2 B 5.19 – NVwZ-RR 2020, 933 Rn. 6).
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a) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
„ist die bundesverwaltungsgerichtliche Bereitschaftsdienst-Definition zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst (= Arbeitszeit) und Rufbereitschaft (= Ruhezeit) zur Abgrenzung von ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht mehr anwendbar, soweit danach für das Vorliegen von Bereitschaftsdienst und damit ‚Arbeitszeit‘ vorausgesetzt wird, dass sich der Verpflichtete an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat“,
„ist die Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ im Rahmen einer angeordneten Rufbereitschaft Arbeitszeit, wenn der Dienstverpflichtete sich während dieser Zeit zwar nicht an seinem Arbeitsplatz, aber in seinem privaten Bereich aufzuhalten hat“,
„können im System der Rufbereitschaft die technischen sowie dienstrechtlichen Vorgaben für die Ausübung des Dienstes bei typisierender Betrachtung eine faktische Aufenthaltsbeschränkung des Arbeitnehmers im Sinne des ‚vom Arbeitgeber bestimmten Ortes‘ gemäß der Entscheidung des EuGH vom 21.02.2018, C-518/15 – Matzak -, als Voraussetzung für die Einordnung des Zeitraums des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ als ‚Arbeitszeit‘ im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG bewirken, wenn keine ausdrückliche Bestimmung des Aufenthaltsorts durch den Arbeitgeber erfolgt“,
führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Fragen lassen sich auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – (NJW 2018, 1073) und der bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils eindeutig beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für die Einordnung als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Diese Verpflichtungen, aufgrund deren der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Bereitschaftszeiten nicht frei bestimmen kann, sind als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2003 – C-151/02, Jaeger – Slg. 2003, I-8415 Rn. 63 sowie Beschluss vom 4. März 2011 – C-258/10, Grigore – n.v., Rn. 53 m.w.N.). Anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Dienst nach dem System der Rufbereitschaft erbringt, die seine ständige Erreichbarkeit, nicht jedoch zugleich seine Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. Selbst wenn er seinem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung steht, dass er erreichbar sein muss, kann er in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Unter diesen Umständen ist nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2003 – C-151/02, Jaeger – NJW 2003, 2971 Rn. 63).
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Weiter hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – (NJW 2018, 1073 Rn. 61 ff.) entschieden, dass der in Art. 2 RL 2003/88/EG verwendete Begriff der Arbeitszeit dahin auszulegen ist, dass er nicht die persönliche Anwesenheit und die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz voraussetzt (so in den früheren Rechtssachen: EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 – C-303/98, Simap – Slg. 2000 I-7963 und vom 9. September 2003 – C-151/02, Jaeger – Slg. 2003, I-8415; Beschluss vom 4. März 2011 – C-258/10, Grigore – n.v.), sondern dass der als Arbeitszeit anzusehende Bereitschaftsdienst auch an einem anderen, vom Arbeitgeber bestimmten Ort erbracht werden kann. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Einschränkung, die sich aus geographischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergibt, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden, können objektiv die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers einschränken, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. Unter diesen Umständen ist der Begriff Arbeitszeit in Art. 2 RL 2003/88/EG dahin auszulegen, dass eine Situation darunterfällt, in der ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Zeit des Bereitschaftsdienstes zu Hause zu verbringen, für seinen Arbeitgeber verfügbar zu sein und sich innerhalb von acht Minuten an seinem Arbeitsplatz einfinden zu können.
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Diese Interpretation steht mit dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in örtlicher Hinsicht definierten Begriff des Bereitschaftsdienstes im Einklang. Es bedarf für eine darauf abzielende Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig beantwortet werden.
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Danach liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1979 – 2 C 7.78 – BVerwGE 59, 45 <47>, vom 12. Dezember 1979 – 6 C 96.78 – BVerwGE 59, 176 <181>, vom 9. Mai 1985 – 2 C 20.82 – Buchholz 235 § 48 BBesG Nr. 6 S. 5, vom 29. Januar 1987 – 2 C 14.85 – Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28 S. 3, vom 21. März 1996 – 2 C 24.95 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17 S. 20, vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 – Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3, vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 – Buchholz 240.01 BBesO Nr. 31 Rn. 14 und 17, vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – BVerwGE 140, 351 Rn. 12 und vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 – BVerwGE 156, 262 Rn. 15). Dabei ist unter dem vom Bundesverwaltungsgericht verwendeten Begriff des Privatbereichs – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – nicht zwingend der Wohnsitz oder der häusliche Bereich des betroffenen Beamten zu verstehen. Wie sich aus dem Kontext der in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen lässt, ist mit der Wendung „außerhalb des Privatbereichs“ zum Ausdruck gebracht, dass der Beamte während des Bereitschaftsdienstes seinen privaten Aufenthaltsort – sei es sein Zuhause oder einen anderen Ort – nicht frei wählen und wechseln kann (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1979 – 2 C 7.78 – BVerwGE 59, 45 <47> und vom 12. Dezember 1979 – 6 C 96.78 – BVerwGE 59, 176 <181>). Er hat sich an einem vom Dienstherrn bestimmten und damit an einem nicht „privat“ frei wählbaren und wechselbaren Ort für einen jederzeitigen Einsatz bereitzuhalten (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 1985 – 2 C 20.82 – Buchholz 235 § 48 BBesG Nr. 6 S. 5 und vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 – Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3).
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Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Bindung des Beamten an einen Aufenthaltsort aus einer ausdrücklichen dienstlichen Anordnung des Dienstherrn folgen muss oder sich – wie im vorliegenden Fall – aus den Dienst ausgestaltenden Vorgaben des Dienstherrn ergeben kann, kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Berufungsurteils eindeutig beantwortet werden. Die Forderung nach einer ausdrücklichen Anordnung des Dienstherrn an den Beamten, sich zu Hause oder im häuslichen Bereich aufzuhalten, liefe auf eine formalisierte Betrachtungsweise hinaus. Ein solch formales Kriterium widerspräche offenkundig dem Ziel der Richtlinie 2003/88/EG, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, indem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 – C-303/98, Simap – Slg. 2000, I-7963 Rn. 49). Vor diesem Hintergrund bedarf die aufgeworfene Frage auch keiner Beantwortung durch eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
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Ebenso wenig besteht Anlass, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C-344/19 und C-580/19 abzuwarten. Denn beide Vorlageverfahren betreffen andere Fallkonstellationen. In dem Vorlageverfahren C-344/19 geht es um die Frage, wie Arbeitszeit und Ruhezeit abzugrenzen sind, wenn allein die besondere geographische Lage des Arbeitsplatzes im Hochgebirge einem spezialisierten Sendetechniker die tägliche Rückkehr nach Hause („ins Tal“) unmöglich macht oder erschwert. Das Vorlageverfahren C-580/19 betrifft die Frage, ob die Zeiten eines Feuerwehrbeamten als Arbeitszeit oder Ruhezeit anzusehen sind, in denen er, ohne sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten zu müssen, verpflichtet ist, ständig erreichbar zu sein und gegebenenfalls im Fall eines Rufs innerhalb von 20 Minuten tätig zu werden (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella vom 6. Oktober 2020, juris).
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b) Auch die von der Beschwerde bezeichnete Frage,
„ist die bundesverwaltungsgerichtliche Bereitschaftsdienst-Definition zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst (= Arbeitszeit) und Rufbereitschaft (= Ruhezeit) aufgrund der unionsrechtlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung von ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht mehr anwendbar, soweit danach für das Vorliegen von Bereitschaftsdienst und damit ‚Arbeitszeit‘ vorausgesetzt wird, dass mit der dienstlichen Inanspruchnahme des Verpflichteten erfahrungsgemäß gerechnet werden muss“,
führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Frage kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört es – neben dem unter a) erörterten Kriterium der vom Dienstherrn angeordneten Beschränkung des Aufenthaltsorts – zur Begriffsbestimmung des Bereitschaftsdienstes, dass „mit einer dienstlichen Inanspruchnahme erfahrungsgemäß zu rechnen ist“ (BVerwG, Urteile vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 – Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 S. 3, vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 – Buchholz 240.01 BBesO Nr. 31 Rn. 14 und 17, vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – BVerwGE 140, 351 Rn. 12 sowie vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 – BVerwGE 156, 262 Rn. 15). Dieses Merkmal ist – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – indes nicht im Sinne einer zwingenden Voraussetzung dahin zu verstehen, dass nach den üblichen Umständen während des Dienstes in nennenswertem Umfang Einsätze zu erwarten sein müssen. Die Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme kann allerdings nach der in den o.a. Entscheidungen angestellten typisierenden Betrachtung ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Annahme von Arbeitszeit in Form von Bereitschaftsdienst sein.
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Nach der Rechtsprechung des Senats wird mit dem Kriterium der erfahrungsgemäßen Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme das Wesen des Bereitschaftsdienstes umschrieben, nämlich des „Sich-Bereit-Haltens“ des Beamten für einen jederzeit möglichen Einsatz; dieses „Sich-Bereit-Halten“ ist für den Bereitschaftsdienst prägend. Wie sich aus dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Urteil des Senats vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 – (Buchholz 240.01 BBesO Nr. 31 Rn. 14, 17 und 20 <zu Freiwachen bei Streifenfahrten auf der Ostsee>) ergibt, hat diese Rechtsprechung ihren Ausgangspunkt in der Aussage, dass Bereitschaftsdienst vorliegt, wenn während der fraglichen Zeit dienstliche Einsätze der Beamten zur Wahrnehmung regelmäßig anfallender Aufgaben unabdingbar oder doch vom Dienstherrn eingeplant sind. Dies beurteilt sich nach der Art der Aufgaben und der organisatorischen Gestaltung des Dienstbetriebs. In diesem Zusammenhang hat der Senat zwar ausgeführt, dass es deshalb maßgeblich auf die im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während der Dienste ankommt. Denn danach entscheidet sich, ob während dieser Zeiten typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen ist, die den Diensten das Gepräge eines „Sich-Bereit-Haltens“ für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, oder ob sich diese Zeiten bei wertender Betrachtung als Freizeit oder als eine Form der Rufbereitschaft darstellen, die allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen wird. Es liegt aber auf der Hand, dass es auf eine solche typisierende Gesamtbetrachtung der Häufigkeit tatsächlicher Einsätze nicht ankommt, wenn sich das Gepräge des „Sich-Bereit-Haltens“ für einen jederzeit möglichen Einsatz schon kraft Natur der Sache aus der spezifischen Art der im Dienst zu erfüllenden Aufgabe ergibt. In diesem Fall ist der Umfang der tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahme ohne Relevanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – BVerwGE 140, 351 Rn. 12).
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Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, von denen der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen auszugehen hat (vgl. dazu unter 4.), trifft dies für die Aufgabe des jeweiligen „Organisatorischen Leiters Rettungsdienst“ ohne Weiteres zu. Er muss bei Großschadenslagen mit einer Vielzahl von Verletzten zur sofortigen Einsatzübernahme und -leitung am Einsatzort zur Verfügung stehen. Großschadenslagen sind nicht vorhersehbare, jederzeit mögliche Ereignisse, bei denen es um die Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben der verletzten Personen geht. Auch wenn es tatsächlich nur selten zu solchen Ereignissen kommt, ist die technisch-organisatorische Koordinierung der Versorgung der Verletzten durch eine örtliche Einsatzleitung dafür unabdingbar. Für diese Aufgabe und in dieser Konstellation ist die Häufigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme ohne Bedeutung.
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c) Schließlich sieht die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich die Frage an,
„erfolgt die Abgrenzung von ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG für die Unterscheidung für das Vorliegen von ‚Bereitschaftsdienst‘ und ‚Rufbereitschaft‘, ohne dass der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort während der Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ aufzuhalten hat, danach, wie stark die Möglichkeiten des Betroffenen (sind), sich während der Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ seinen persönlichen und sozialen Interessen widmen zu können, aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls objektiv eingeschränkt werden“,
bejahendenfalls die weitere Frage,
„kann für die Abgrenzung von ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG aufgrund der aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalls folgenden objektiven Einschränkung der Möglichkeiten des Betroffenen, sich während der Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ seinen persönlichen und sozialen Interessen widmen zu können, ohne dass der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort während der Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ aufzuhalten hat, dahingehend unterschieden werden, dass während der Zeit des ‚Sich-Bereit-Haltens‘ Zeiten objektiv erheblicher Einschränkungen als ‚Arbeitszeit‘ und Zeiten objektiv nicht erheblicher Einschränkungen als ‚Ruhezeit‘ zu werten sind“,
und bejahendenfalls die weitere Frage,
„können während des Zeitraums des ‚Sich-Bereit-Haltens‘, der – ohne dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat – alleine aufgrund der objektiven Möglichkeit der Einschränkung, dass der Arbeitnehmer seinen persönlichen Interessen nicht nachgehen kann, als ‚Arbeitszeit‘ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG zu bewerten ist, diejenigen Zeiträume, in denen objektiv eine unterschiedliche Intensität der Möglichkeit der Einschränkung der Freizeitgestaltung besteht, abhängig von der jeweiligen Schwere der Einschränkung unterschiedlich entlohnt werden“.
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Diese Fragen haben keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würden. Denn die Beschwerde geht bei ihren Fragen von der Prämisse aus, dass es für die Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit und Rufbereitschaft als Ruhezeit nicht darauf ankommt, ob sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat. Davon ist aber nicht auszugehen. Vielmehr setzt Arbeitszeit in Form des Bereitschaftsdienstes im Gegensatz zur Rufbereitschaft als Ruhezeit voraus, dass sich der Beamte während des Dienstes an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufzuhalten hat.
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3. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes divergenzfähiges Gericht – im Bereich des Beamtenrechts auch ein anderes Oberverwaltungsgericht (§ 127 Nr. 1 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG) – in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 – 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 5 f., vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom 7. November 2017 – 2 B 19.17 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 84 Rn. 6 und vom 27. Juni 2019 – 2 B 7.18 – Buchholz 245 LandesBesR Nr. 21 Rn. 44).
23
a) In Bezug auf die geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1979 – 2 C 7.78 – (BVerwGE 59, 45 <47>), vom 12. Dezember 1979 – 6 C 96.78 – (BVerwGE 59, 176 <181>), vom 9. Mai 1985 – 2 C 20.82 – (Buchholz 235 § 48 BBesG Nr. 6 S. 4 f.), vom 29. Januar 1987 – 2 C 14.85 u.a. – (Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28 S. 3) und vom 21. März 1996 – 2 C 24.95 – (Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17 S. 20) ist die Beschwerde unzulässig. Sie legt nicht dar, dass das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem durch das Bundesverwaltungsgericht in diesen Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist. Anders als die Entscheidung des Berufungsgerichts haben die von der Beschwerde herangezogenen Entscheidungen nicht den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch für Zuvielarbeit zum Gegenstand. Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmals in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 – (Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f.) angenommen, dass ein solcher Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleiten ist.
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Auch die von der Beschwerde zitierten, nach diesem Urteil ergangenen Entscheidungen vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 – (Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8) und vom 22. Januar 2009 – 2 C 90.07 – (Buchholz 240.01 BBesO Nr. 31) befassen sich nicht mit dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch für Zuvielarbeit. Sie betreffen einen Anspruch nach der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte des Bundes (BMVergV) und einen Anspruch nach der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen (EZulV).
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b) Im Hinblick auf die geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – (BVerwGE 140, 351) und vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 – (BVerwGE 156, 262) ist die Divergenzrüge unbegründet. Denn das Oberverwaltungsgericht ist nicht rechtssatzmäßig von diesem Urteil abgewichen.
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Das Berufungsgericht hat den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die Frage, ob ein Dienst als Bereitschaftsdienst und damit Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen ist, maßgeblich davon abhängt, ob sich der Beamte während des Dienstes an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort/unverzüglich die geeigneten Leistungen erbringen zu können (UA S. 42). Den „vom Arbeitgeber bestimmten Ort“ hat es dahin definiert, dass dies auch der Wohnsitz des Beamten sein kann (UA S. 40 f.). Diese Rechtssätze des Berufungsgerichts widersprechen nicht der Definition des Bereitschaftsdienstes, die das Bundesverwaltungsgericht in den von der Beschwerde bezeichneten Entscheidungen angenommen hat. Wie dargestellt, kann nach der Rechtsprechung des Senats Bereitschaftsdienst auch dann vorliegen, wenn sich der Beamte an seinem Wohnsitz zu einem jederzeit unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat (vgl. Rn. 12), ohne dass es auf die Häufigkeit der tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahme zwingend ankommt (vgl. Rn. 16). Eine etwaige fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, durch das Oberverwaltungsgericht vermag eine Divergenzrüge nicht zu begründen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2018 – 2 B 29.18 – Buchholz 236.0 § 11 BPolBG Nr. 1 Rn. 19 m.w.N.).
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c) Die Divergenzrüge ist auch in Bezug auf die von der Beschwerde geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Senats vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 – (BVerwGE 156, 262) und vom 30. Oktober 2018 – 2 A 4.17 – (Buchholz 232.2 § 2 AZV Nr. 2) zum Vorliegen einer Rufbereitschaft unbegründet. Hinsichtlich der letztgenannten Entscheidung liegt schon deshalb keine Divergenz vor, weil die Ausführungen des Senats zur Rufbereitschaft nicht entscheidungserheblich waren (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2018, a.a.O., Rn. 13). Im Übrigen ist kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats festzustellen. Während der Rufbereitschaft besteht für den Beamten – anders als beim Bereitschaftsdienst – keine Pflicht, sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufzuhalten (BVerwG, Urteile vom 17. November 2016, a.a.O., Rn. 23 und 28 f. und vom 30. Oktober 2018, a.a.O., Rn. 13 und 15).
28
d) Weiter liegt keine Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – (BVerwGE 140, 351), vom 17. November 2016 – 2 C 23.15 – (BVerwGE 156, 262) und vom 30. Oktober 2018 – 2 A 4.17 – (Buchholz 232.2 § 2 AZV Nr. 2) vor, soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe ein zusätzliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft aufgestellt, nämlich dass die Abgrenzung beider Dienste davon abhänge, in welchem Umfang sich Einschränkungen für den Beamten ergäben, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen widmen zu können. Das Berufungsgericht hat dieses Kriterium bei der Definition des Begriffs des Bereitschaftsdienstes nicht benannt. Der in der Beschwerde zitierte Rechtssatz (Beschwerdebegründung S. 7, dritter Absatz) lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen (vgl. UA S. 42 f). Das Berufungsgericht hat auch bei der Prüfung der Bindung des Beamten an einen vom Dienstherrn bestimmten Ort nicht auf dieses Kriterium abgestellt (UA S. 48 f.). Es hat angenommen, dass sich die Bindung des Beamten an einen bestimmten Ort aus technischen und (dienst-)rechtlichen Vorgaben zur Gestaltung des Dienstes in örtlicher und zeitlicher Hinsicht ergeben könne, und eine solche Bindung unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls angenommen. Lediglich im Rahmen der Einzelfallwürdigung ist das Oberverwaltungsgericht auf das Vorbringen der Beklagten eingegangen und hat sich mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, dass den Beamten trotz der technischen und (dienst-)rechtlichen Vorgaben eine so große Anzahl denkbarer Freizeitaktivitäten verbleibe, dass von einer faktischen Aufenthaltsbeschränkung auf den häuslichen Bereich nicht ausgegangen werden könne.
29
e) Soweit die Beschwerde eine Abweichung von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – (NJW 2018, 1073 Rn. 61 ff.) geltend macht, übersieht sie schon, dass dieser nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO angeführten Gerichten gehört. Angesichts der eindeutigen Aufzählung ist für eine analoge Anwendung der Vorschrift kein Raum (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 9 B 40.09 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 2 und vom 29. März 2011 – 7 B 76.10 – juris Rn. 10).
30
Die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene europarechtliche Fragestellung vermittelt der Rechtssache im Übrigen auch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. Rn. 13).
31
f) Die Rüge hinsichtlich der behaupteten Divergenz zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 28. Januar 2019 – 2 A 10719/18 – (DÖD 2019, 151) ist ebenfalls unzulässig. Die Beschwerde zeigt eine Rechtssatzdivergenz nicht auf. Abgesehen davon, dass sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz allein auf den europarechtlichen Ausgleichs- oder Haftungsanspruch stützt, ist der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz zur Höhe des Anspruchs (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28. Januar 2019, juris, Rn. 65 <insoweit nicht abgedruckt in DÖD 2019, 151>) nicht entscheidungstragend.
32
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – NJW 2018, 1073 Rn. 59 ff.) folgend und damit in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht angenommen, dass es für die Zuordnung der Rufbereitschaft zur Ruhezeit in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit vor allem darauf ankomme, dass sich der Beamte während der Rufbereitschaft frei bewegen könne und nicht – wie im Bereitschaftsdienst – an einem vom Dienstherrn zuvor festgelegten Ort aufzuhalten habe. Dabei ist es im Rahmen der Einzelfallwürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die dort streitgegenständliche sog. Führungsdienstbereitschaft der Feuerwehr Rufbereitschaftsdienstzeit und nur in dem Umfang zeitlich oder finanziell auszugleichen sei, in dem der Beamte tatsächlich in Anspruch genommen worden sei (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28. Januar 2019, a.a.O., Rn. 56 ff., 64). Lediglich im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sich aus dem europarechtlichen Haftungs- oder Ausgleichsanspruch keine höhere Vergütung ergäbe, wenn die sog. Führungsdienstbereitschaft als Arbeitszeit im Sinne des Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG anzusehen wäre. Nur in diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass die Bestimmung der Höhe der Zahlungsverpflichtung dem nationalen Gesetzgeber oder dem Dienstherrn obliege (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28. Januar 2019, juris, Rn. 65 <insoweit nicht abgedruckt in DÖD 2019, 151>).
33
Unabhängig davon entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die als Arbeitszeit zu qualifizierenden Zeiten des Bereitschaftsdienstes in vollem Umfang durch Freizeit oder eine finanzielle Entschädigung auszugleichen sind. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Bestimmung von Art und Höhe einer Entschädigung für Zuvielarbeit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile vom 5. Mai 1996 – C-46/93 und 48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame – Slg. 1996, I-1029 Rn. 82 f., vom 25. November 2010 – C-429/09, Fuß – NZA 2001, 53 Rn. 91 ff. und vom 21. Februar 2018 – C-518/15, Matzak – NJW 2018, 1073 Rn. 51 f.) dem nationalen Recht vorbehalten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 – BVerwGE 140, 351 Rn. 17, vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11 – BVerwGE 143, 381 Rn. 30 f., 36 f., 40, vom 17. September 2015 – 2 C 26.14 – Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67 und vom 19. April 2018 – 2 C 40.17 – BVerwGE 161, 377 Rn. 43).
34
4. Schließlich ist die Revision nicht wegen des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Das Gehörsrecht der Beklagten ist nicht verletzt.
35
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen zu befassen. Dagegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 <216 f.> m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 2 B 33.20 – juris Rn. 5 m.w.N.).
36
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, für den Kläger hätten sich aus den Vorgaben für den Dienst keine gravierenden Einschränkungen ergeben, sich anderweitigen persönlichen oder sozialen Tätigkeiten widmen zu können, weil er nicht 20 Fahrminuten, sondern nur 19 Fahrminuten vom Klinikum entfernt wohne. Das Berufungsgericht hat diesen Sachvortrag aus Gründen des materiellen Rechts unberücksichtigt lassen können. Wie ausgeführt, kommt es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes von der Rufbereitschaft nicht auf die Intensität der Einschränkung von Freizeitmöglichkeiten als zusätzliches Abgrenzungskriterium entscheidungserheblich an. Bei der nach Auffassung der Vorinstanz dafür maßgebenden Frage, ob sich eine Bindung der diensthabenden Beamten an einen bestimmten Ort aus den Vorgaben des Dienstherrn zur Gestaltung des Dienstes ergab, hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf eine typisierende Betrachtung gestützt. Es hat darauf abgestellt, dass die Beklagte für die Bewerbungen um die Aufgabe des „Organisatorischen Leiters Rettungsdienst“ ein Anforderungsprofil vorgesehen hat, das eine maximal 20-Minuten-Fahrzeitzone zwischen dem Wohnort des Bewerbers und der Rettungswache zwingend vorschreibt. Die individuellen Wohnverhältnisse waren für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich.
37
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG.