Beschluss des BVerwG 9. Senat vom 19.11.2020, AZ 9 B 48/19

BVerwG 9. Senat, Beschluss vom 19.11.2020, AZ 9 B 48/19, ECLI:DE:BVerwG:2020:191120B9B48.19.0

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 21. März 2019, Az: 13 A 18.2256, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

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Die Klägerin ist Teilnehmerin eines Flurbereinigungsverfahrens, das u.a. ein Gebiet umfasst, in dem die Beigeladene einen Kiesabbau betreibt. Gegenstand der streitgegenständlichen Anfechtungsklage ist ein Bescheid, mit dem der Beklagte der Beigeladenen die Zustimmung nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG erteilt hat, ein Einlageflurstück der Klägerin ganz und ein weiteres teilweise auszukiesen. Die betroffenen (Teil-)Flächen dieser Flurstücke liegen nach der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets innerhalb der Grenzen der dem Unternehmen der Beigeladenen zugewiesenen Abfindungsflurstücke, in deren Besitz die Beigeladene vorläufig eingewiesen worden ist.

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Die Klägerin hatte in einem Vorprozess gegen den Flurbereinigungsplan geklagt mit dem Ziel, ihr statt ihres – ebenfalls im Kiesabbaugebiet liegenden – Abfindungsflurstücks die Einlageflurstücke erneut zuzuordnen, weil sie eine Wertgleichheit bezweifelte. Dieses Verfahren endete mit einem Prozessvergleich, dessen Inhalt und Rechtsfolgen in der Folgezeit zwischen den Beteiligten streitig waren. Auf den Antrag der Klägerin, das den Flurbereinigungsplan betreffende Klageverfahren fortzusetzen, stellte der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil fest, dass das Verfahren durch den Prozessvergleich beendet worden sei. Mit dem streitgegenständlichen Urteil vom gleichen Tag hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage gegen die Zustimmung nach § 34 FlurbG als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin die Klagebefugnis fehle. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II

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Die (allein) auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe die Klage verfahrensfehlerhaft als unzulässig abgewiesen, greift nicht durch.

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1. In der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil liegt ein Verfahrensmangel, wenn ihr eine fehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschriften zugrunde liegt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. September 2010 – 6 B 29.10 – Buchholz 310 § 127 VwGO Nr. 16 Rn. 6 m.w.N.). Dies ist etwa der Fall, wenn die prozessuale Bedeutung der anzuwendenden Verfahrensbestimmungen fehlerhaft beurteilt wird und Begriffsinhalte oder die zugrunde zu legenden Maßstäbe verkannt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2014 – 3 B 70.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68 Rn. 20 und vom 20. Dezember 2017 – 6 B 14.17 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 111 Rn. 11). Keinen Verfahrensfehler stellt es demgegenüber dar, wenn das Gericht bei Anwendung der prozessualen Vorschrift eine materiellrechtliche Vorfrage fehlerhaft beurteilt, weil es etwa der einschlägigen Norm keine Rechte des Klägers entnommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 S. 1 f.). Eine inhaltliche Nachprüfung der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz kann mit der Verfahrensrüge nicht erreicht werden (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1993 – 4 B 206.92 – NVwZ 1993, 884 <885>).

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2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angefochtene Entscheidung nicht verfahrensfehlerhaft.

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Der Verwaltungsgerichtshof hat die prozessuale Bedeutung des § 42 VwGO nicht verkannt, als er eine Klagebefugnis nach der sog. Adressatentheorie mit der Begründung abgelehnt hat, die Klägerin sei nicht Inhaltsadressat der der Beigeladenen erteilten Zustimmung, die sich für sie auch nicht als belastender Verwaltungsakt darstelle. Die Klägerin wendet sich der Sache nach nur gegen die Auslegung des Bescheidinhalts, ohne insoweit einen revisionsrechtlich relevanten Verfahrensfehler aufzuzeigen. Soweit sie dabei geltend macht, der Beklagte habe sie in das Verfahren einbezogen und als Adressatin der Zustimmungsentscheidung angesehen, trifft dies nicht zu. Der angefochtene Bescheid ist nur an die Beigeladene gerichtet und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich formlos zur Kenntnis übersandt worden. Dass der Widerspruchsbescheid an die Klägerin gerichtet war, ist die prozessuale Folge der Widerspruchseinlegung, ohne dass die Klägerin damit auch zur (unmittelbaren) Adressatin der materiell streitigen Ausgangsentscheidung geworden wäre.

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Die Beschwerde trägt im Übrigen selbst vor, dass die Klägerin als „Dritte“ von der Zustimmung betroffen sei. Als Fall der Drittbetroffenheit wird in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber gerade die Konstellation verstanden, in der ein Kläger nicht (unmittelbarer) Adressat eines Verwaltungsakts ist und eine Klagebefugnis nur mit der Behauptung geltend machen kann, dass die Verletzung einer Vorschrift vorliegt, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 4 B 12.17 – Buchholz 451.17 § 43f EnergG Nr. 1 Rn. 6 m.w.N.). Mit dieser Rechtsprechung stehen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zur Schutznormtheorie im Einklang.

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Der Verwaltungsgerichtshof hat der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG, auf die der angefochtene Bescheid gestützt ist, im Grundsatz keine drittschützende Wirkung beigemessen und auch das Vorliegen eines Ausnahmefalls verneint. Er hat damit eine Rechtsverletzung der Klägerin von vornherein für ausgeschlossen gehalten. Diese Begründung wird den prozessualen Anforderungen an eine mögliche Rechtsverletzung, die für die Begründung der Klagebefugnis ausreicht, gerecht. Danach genügt es, wenn die Verletzung eines eigenen Rechts nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls möglich erscheint, dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn die behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nicht bestehen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 – 11 C 17.93 – BVerwGE 95, 333 <334 f.>). Von diesem Fall ist der Verwaltungsgerichtshof hier ausgegangen.

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Die Beschwerde wendet sich gegen die Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG durch den Verwaltungsgerichtshof und damit gegen dessen materielle Rechtsauffassung, worauf sich eine Verfahrensrüge nicht stützen lässt.

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Im Übrigen stehen die Urteilsausführungen zur Drittbetroffenheit bei Entscheidungen nach § 34 FlurbG mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang. Danach enthält § 34 Abs. 1 FlurbG für die Zeitspanne zwischen Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses und Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans ein Veränderungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das dazu dient, die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets, deren Ergebnisse im Flurbereinigungsplan zusammengefasst werden, zu gewährleisten und die planerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen des Verfahrenszwecks zu sichern. Der Regelung kommt damit grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zu. Ebenso wie in der Fallgruppe des § 34 Abs. 1 Nr. 2 FlurbG (dazu BVerwG, Urteil vom 25. April 1989 – 5 C 24.86 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 3 S. 2) bezweckt das Zustimmungserfordernis der Flurbereinigungsbehörde auch im Fall der hier einschlägigen Änderung der Nutzungsart von Grundstücken (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG) den Erhalt von Gestaltungsmöglichkeiten für die Flurbereinigung (so insgesamt für § 34 Abs. 1 FlurbG Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 5). Gerade bei der hier beabsichtigten Auskiesung der Grundstücke wird deutlich, dass derart umgenutzte Grundstücke für eine landwirtschaftliche Nutzung ausfallen.

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Dieses Verständnis schließt allerdings die Möglichkeit einer Ausnahme ein, etwa wenn aus einem besonderen Rechtsgrund ein Anspruch auf Zuteilung des betroffenen Grundstücks geltend gemacht wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1979 – 5 C 3.77 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 2 S. 3 und Urteil vom 25. April 1989 – 5 C 24.86 – Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 3 S. 2 f.; Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 5). Der Verwaltungsgerichtshof hat dies geprüft, dem Vorbringen der Klägerin aber keine Grundlage für einen etwaigen Anspruch auf Wiederzuteilung ihrer Einlageflurstücke entnehmen können, weshalb er die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung ausgeschlossen hat. Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

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Soweit die Klägerin als potentiell zu beachtende subjektive Rechte auf ihr Eigentum und den Besitz an den Einlageflurstücken sowie ihre prozessuale Rechtsposition aufgrund der nach ihrer Rechtsauffassung noch anhängigen Klage gegen den Flurbereinigungsplan verweist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch damit befasst. Er hat eine mögliche Rechtsverletzung verneint und auf die bestandskräftige vorläufige Besitzeinweisung sowie das mit der Klage gegen den Flurbereinigungsplan nur erreichbare Ziel der wertgleichen Abfindung verwiesen. Auch dies wird den prozessualen Anforderungen an die Prüfung der Klagebefugnis gerecht. Das von der Klägerin geltend gemachte Eigentumsrecht an den Einlageflurstücken besteht zwar formal bis zum Rechtsübergang infolge der Ausführungsanordnung nach § 61 FlurbG fort, diese Eigentümerstellung als solche wird durch die erteilte Zustimmung zur Nutzungsänderung aber nicht berührt. Das Besitzrecht der Klägerin ist mit der bestandskräftigen vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG auf die Beigeladene übergegangen, weshalb nunmehr diese – und nicht mehr die Klägerin – der Zustimmung nach § 34 Abs. 1 FlurbG für die Vornahme einer Nutzungsänderung bedarf (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 66 Rn. 4). Nach der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens unter Einbeziehung ihrer Einlageflurstücke hat die Klägerin keinen Anspruch mehr auf eine uneingeschränkte eigentumsrechtliche Nutzung dieser Flurstücke. Eine erneute Zuteilung für eine künftige Nutzung kann sie grundsätzlich nicht mehr verlangen, sondern (nur noch) eine wertgleiche Abfindung. Dieser Abfindungsanspruch wird durch die Entscheidung nach § 34 Abs. 1 FlurbG nicht berührt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen eines Ausnahmefalls verneint. Seine Ausführungen, die im Wesentlichen das materielle Flurbereinigungsrecht betreffen, lassen keine verfahrensrechtlich relevanten Fehlvorstellungen erkennen.

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3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsverletzung der Klägerin auch deshalb ausgeschlossen hat, weil er mit Urteil vom selben Tag die wirksame Beendigung des gegen den Flurbereinigungsplan erhobenen Klageverfahrens festgestellt hatte. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kann sich die Klägerin nicht berufen, nachdem der Senat diese Beschwerde mit Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen hat.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 13.2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.