Beschluss des BVerwG 4. Senat vom 12.11.2020, AZ 4 BN 15/20

BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 12.11.2020, AZ 4 BN 15/20, ECLI:DE:BVerwG:2020:121120B4BN15.20.0

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 4. Februar 2020, Az: 2 C 341/18, Urteil

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2020 erlassenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Antragsgegnerin ihr beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 – 4 BN 27.19 – ZfBR 2020, 173 Rn. 4). Die Antragsgegnerin legt nicht dar, dass diese Voraussetzungen von der aufgeworfenen Rechtsfrage erfüllt werden.

3

Die von der Antragsgegnerin als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,

Ist eine Konzentrationszone, für die allein ein Risiko besteht, dass aufgrund von artenschutzrechtlichen Bedenken diese nicht (der) den Darstellungen im Flächennutzungsplan entsprechende(n) Nutzung zugeführt werden kann, ungeeignet zu belegen, dass der Windenergie „substantiell“ Raum verschafft wird?

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist mit der gewählten Formulierung nicht klärungsfähig, weil nicht entscheidungserheblich. Sie legt nämlich tatsächliche Annahmen zugrunde, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Das Oberverwaltungsgericht geht nicht lediglich von einem Risiko im Sinne einer nicht weiter qualifizierend umschriebenen Möglichkeit des Vorliegens artenschutzrechtlicher Hinderungsgründe (§ 44 BNatSchG) für die Genehmigung von Windenergieanlagen aus. Es führt vielmehr aus, dass bei der Beschlussfassung über den angegriffenen Flächennutzungsplan zumindest ernsthaft damit zu rechnen war, dass die nach Abschluss der Planung als „raumgebend“ für den Bau von Windkraftanlagen vor allem verbliebene Fläche „Holscheider Wald/Wintersteinchen“ aus artenschutzrechtlichen Gründen nicht den planerischen Darstellungen entsprechend genutzt werden könne; diese Einschätzung werde durch die nachfolgende Ablehnung eines Genehmigungsantrags bestätigt, dem nach Ansicht der zuständigen Behörde wegen des Vorkommens des Schwarzstorchs unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse entgegenstünden. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Beschwerde nicht mit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu berücksichtigenden Rügen, sondern lediglich in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels.

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Die Frage führt auch dann nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, dass sie an den zutreffend erfassten Prämissen des Oberverwaltungsgerichts anknüpfen soll. Denn so verstanden ist sie nicht weiter klärungsbedürftig. Sie ist vielmehr auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres mit dem Oberverwaltungsgericht im bejahenden Sinne zu beantworten.

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Die Bewertung, ob eine Konzentrationsflächenplanung mit der erstrebten Rechtsfolge des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als Ergebnis eines schlüssigen, auf das gesamte Gemeindegebiet bezogenen Plankonzepts für die betreffende Nutzung in substantieller Weise Raum schafft und sich nicht als verkappte Verhinderungsplanung erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287 <295 f.>), obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten. Was die Einschätzung angeht, ob der räumliche Umfang als ausreichend anzusehen ist, sind die tatrichterlichen Kriterien revisionsgerichtlich hinzunehmen, wenn sie nicht von einem Rechtsirrtum infiziert sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder ansonsten für die Beurteilung des Sachverhalts schlechthin ungeeignet sind (BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 2007 – 4 C 7.07 – BVerwGE 129, 307 Rn. 22, vom 20. Mai 2010 – 4 C 7.09 – NVwZ 2010, 1561 Rn. 28 und vom 13. Dezember 2012 – 4 CN 1.11 – BVerwGE 145, 231 Rn. 18; Beschluss vom 12. Mai 2016 – 4 BN 49.15 – ZfBR 2016, 587 Rn. 4). Die dem vorausliegende Frage, ob und wie die als Konzentrationszone dargestellten Flächen bei dieser Bewertung überhaupt zu berücksichtigen sind, weil davon auszugehen ist, dass sich die Windenergienutzung dort gegenüber konkurrierenden Nutzungen auch durchsetzen kann, entscheidet sich nach den Grundsätzen über die Vollzugsfähigkeit einer bauplanerischen Festsetzung als Voraussetzung der Erforderlichkeit der Planung im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

6

Nicht erforderlich im Sinne der genannten Bestimmung ist ein Bauleitplan, der sich als vollzugsunfähig erweist, weil seiner Verwirklichung dauerhaft oder auf absehbare Zeit unüberwindbare rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2015 – 4 CN 4.14 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 10, vom 10. September 2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 Rn. 13 und vom 8. März 2017 – 4 CN 1.16 – BVerwGE 158, 182 Rn. 22). Im Aufstellungsverfahren für den Flächennutzungsplan muss der Plangeber demnach vorausschauend ermitteln und beurteilen, ob eine solche Situation gegeben wäre, die vorgesehenen Darstellungen ins Leere gehen würden und die Planung im Vollzug scheitern würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1997 – 4 NB 12.97 – Buchholz 406.11 § 6 BauGB Nr. 7 <juris Rn. 14>). Davon ist nicht erst dann auszugehen, wenn der Plangeber sich die letzte Gewissheit verschafft, dass der Vollzug der Regelung unter allen Umständen ausgeschlossen ist. Bei der Prognose ist demgegenüber unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände zu prüfen, ob auf der Grundlage der Darlegungen des Planungsträgers in der Planbegründung die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Bauleitplan bzw. einzelne seiner Festsetzungen bzw. Darstellungen realistischerweise umgesetzt werden können. Kann davon nicht ausgegangen werden, verstößt der Plan gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 – 4 CN 4.13 – BVerwGE 150, 101 Rn. 14; Beschluss vom 16. September 2015 – 4 VR 2.15 – BRS 83 Nr. 58 Rn. 13).

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Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Feststellung, dass „ernsthaft damit zu rechnen wäre“, dass die für die Windenergienutzung maßgebliche Fläche „Holscheider Wald/Wintersteinchen“ aus artenschutzrechtlichen Gründen hierfür nicht genutzt werden könne, steht der Annahme entgegen, die auf eine Konzentrationsflächenplanung abzielende Darstellung im Flächennutzungsplan könne realistischerweise umgesetzt werden. Der als solcher zutreffende Hinweis der Beschwerde, dass es dem Plangeber unbenommen ist, in eine objektiv gegebene naturschutzrechtliche Ausnahme- oder Befreiungslage hineinzuplanen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1997 – 4 NB 12.97 – Buchholz 406.11 § 6 BauGB Nr. 7 <juris Rn. 13 f.>; Urteile vom 17. Dezember 2002 – 4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287 <juris Rn. 20> und vom 30. Januar 2003 – 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351 <juris Rn. 12>), führt hier schon deswegen nicht weiter, weil die Antragsgegnerin nicht dargelegt, inwieweit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 oder des § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vorliegen könnten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.