1. Zur Rechtsnatur eines Vertrags über die Aufstellung eines Geldautomaten (Fortführung von Senatsurteil vom 17…. (Urteil des BGH 12. Zivilsenat)

BGH 12. Zivilsenat, Urteil vom 04.11.2020, AZ XII ZR 104/19, ECLI:DE:BGH:2020:041120UXIIZR104.19.0

§ 126 Abs 1 BGB, § 126 Abs 2 BGB, § 550 S 1 BGB, § 578 Abs 2 BGB, § 559 Abs 1 ZPO

Leitsatz

1. Zur Rechtsnatur eines Vertrags über die Aufstellung eines Geldautomaten (Fortführung von Senatsurteil vom 17. Juli 2002 – XII ZR 86/01, NJW 2002, 3322).

2. Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (im Anschluss an Senatsurteil vom 29. April 2009 – XII ZR 142/07, NJW 2009, 2195).

3. Dabei kann es im Einzelfall auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, sofern hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht.

4. Im Räumungsprozess kann der während des Revisionsverfahrens eingetretene Ablauf der vereinbarten Mindestlaufzeit eines Mietvertrags vom Revisionsgericht berücksichtigt werden, wenn schützenswerte Belange des Mieters nicht entgegenstehen.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 30. August 2019, Az: 2 U 31/19
vorgehend LG Wiesbaden, 31. Januar 2019, Az: 2 O 268/18

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. August 2019 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 31. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Räumung und Herausgabe einer zum Betrieb eines Geldautomaten vermieteten Gewerbefläche in Anspruch.

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Die Parteien betreiben als Konkurrenzunternehmen in Deutschland an zahlreichen Standorten Geldautomaten. Am 3. Juni 2015 schlossen die Beklagte als Mieterin und Herr T. M. als Vermieter einen Vertrag über eine Teilfläche der vom Vermieter seinerseits gemieteten Pizzeria zum Zweck der Installation eines Geldautomaten gegen eine monatliche Miete von 350 € zuzüglich Umsatzsteuer. Das Vertragsformular enthält auf der Vorderseite unter anderem Angaben zum Standort der Pizzeria, zu den Vertragsparteien und zur Höhe der Miete und ist abschließend von beiden Vertragsparteien unterschrieben. Auf der von den Mietvertragsparteien nicht unterzeichneten Rückseite des Vertragsformulars befinden sich die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten, bei denen es unter § 1 Ziffer 1 heißt, dass die Mietfläche „in dem beigefügten Lageplan (Anlage 1) / Fotomontage eindeutig markiert“ ist und diese Mietfläche von dem Mieter für das Aufstellen von Geldautomaten genutzt wird. Nach § 2 Ziffer 1 Satz 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen beginnt das Mietverhältnis mit der Inbetriebnahme des Geldautomaten und endet grundsätzlich mit Ablauf des Monats, in dem das Mietverhältnis fünf Jahre bestand. Nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen verlängert sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Festlaufzeit oder der Verlängerungsperiode jedes Mal um zwölf Monate, wenn es nicht spätestens sechs Monate zuvor gekündigt wird.

3

Einige Wochen später unterzeichneten die Vertragsparteien eine Anlage, die mit „Anlage 1 zum Mietvertrag zwischen der Pizzeria […], W. N. D. GmbH. Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags“ überschrieben ist und eine Fotomontage zeigt, bei der der geplante von außen bedienbare Geldautomat in einer Ansicht der Hausfassade eingefügt ist. Der Geldautomat wurde im September 2015 in Betrieb genommen.

4

Mit einem der Beklagten am 29. August 2017 zugegangenen Schreiben erklärte der Vermieter die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Die Beklagte wies die vorzeitige Kündigung zurück, bestätigte jedoch eine fristgerechte Kündigung zum 31. März 2020. Mit Vertrag vom 27. September 2017 trat der Vermieter, der die Mietfläche an die Klägerin weitervermietet hatte, seinen Anspruch auf Rückgabe der näher bezeichneten Mietfläche an die Klägerin ab und ermächtigte diese, in seinem Namen auch weitere Erklärungen gegenüber der Beklagten abzugeben, um den Räumungsanspruch durchzusetzen. Weiter heißt es in dem Abtretungsvertrag, dass die Beklagte berechtigt und verpflichtet ist, die Mietfläche direkt an die Klägerin zu übergeben.

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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I.

7

Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht des Vermieters kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts zu, da der Mietvertrag noch nicht beendet sei. Aufgrund der in § 2 Nr. 1 der Vertragsbedingungen vereinbarten Laufzeit von fünf Jahren ende der Mietvertrag erst zum 30. September 2020. Durch die im August 2017 vom Vermieter ausgesprochene ordentliche Kündigung sei der Vertrag nicht vorzeitig beendet worden. Die Mietvertragsparteien hätten einen Mietvertrag über die Teilfläche eines Raumes geschlossen, so dass – anders als bei einem Automatenaufstellvertrag – die mietrechtlichen Elemente den Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses bildeten. Deshalb finde das Schriftformerfordernis für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr nach §§ 578 Abs. 2, 550 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall Anwendung. Der Vertrag wahre die gesetzliche Schriftform, auch wenn die Unterschriften der Vertragsparteien auf der Vorderseite der Vertragsurkunde die weiteren Vertragsbedingungen, die mitvereinbart wurden und auf der Rückseite der Vertragsurkunde abgedruckt sind, nicht deckten. Denn die gesetzliche Schriftform sei mit der späteren Unterzeichnung der Anlage 1 durch die Vertragsparteien nachträglich hergestellt worden, weil diese Anlage in ausreichender Weise deutlich auf den zuvor abgeschlossenen Mietvertrag Bezug nehme. Dass die gesetzlich geforderte Schriftform hierdurch erst zeitlich nach Abschluss des mündlichen Vertrags hergestellt worden sei, sei unerheblich, da sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gewahrt gewesen sei.

II.

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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Sie tragen die angefochtene Entscheidung indes nicht mehr.

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Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Mietvertrag die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form wahrt (§ 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB) und deshalb vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit nicht ordentlich kündbar gewesen ist. Da jedoch nach Erlass der angegriffenen Entscheidung die vereinbarte Festlaufzeit des Mietvertrags abgelaufen ist und sich das Mietverhältnis aufgrund der vom Vermieter im August 2017 erklärten und von der Beklagten bestätigten Kündigung auch nicht nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen verlängert hat, steht dem Vermieter nunmehr ein Anspruch auf Herausgabe und Räumung der Mietfläche gegen die Beklagte zu, den er wirksam an die Klägerin abgetreten hat.

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1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin zur Geltendmachung des Herausgabe- und Räumungsanspruchs aktivlegitimiert. Denn die Abtretungsvereinbarung vom 27. September 2017 ist wirksam.

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a) Die Abtretungsvereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 3 RDG iVm § 134 BGB nichtig.

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Rechtsdienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Die Klägerin macht im vorliegenden Fall jedoch den abgetretenen Räumungs- und Herausgabeanspruch geltend, um den von ihr mit dem Vermieter abgeschlossenen Nachfolgemietvertrag realisieren zu können. Wegen dieses unmittelbaren Eigeninteresses an der Durchsetzung der an sie abgetretenen Ansprüche nimmt die Klägerin damit keine fremde Angelegenheit iSv § 2 Abs. 1 RDG vor (vgl. BGH Urteile vom 31. März 2016 – I ZR 88/15 – NJW 2016, 3441 Rn. 26 und BGHZ 229, 89 = NJW 2020, 208 Rn. 38 ff.).

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b) Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren erstmals geltend macht, der Vermieter habe im Januar 2020 die Abtretungserklärung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten, kann dieses Vorbringen im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden. Denn nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Zwar ist die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen (Senatsurteile vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 47 mwN und vom 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – FamRZ 2009, 1990 Rn. 26 f. mwN; BGHZ 202, 242 = NJW 2015, 489 Rn. 20 f. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch schon deswegen nicht erfüllt, weil sich aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht entscheiden lässt, ob die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung des Vermieters bei Abschluss der Abtretungsvereinbarung vorgelegen haben.

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2. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, dass auf den vorliegenden Vertrag Mietrecht und damit auch die Formvorschrift des § 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB Anwendung findet.

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Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Vertrag über die Aufstellung eines Spielautomaten in einer Gaststätte auch dann nicht der Schriftform nach § 550 BGB (vormals § 566 BGB) bedarf, wenn er auf längere Zeit als ein Jahr geschlossen ist. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf sogenannte Automatenaufstellverträge. Bei diesem – im Gesetz nicht gesondert geregelten – Vertragstyp handelt es sich um einen Gestattungsvertrag eigener Art, der durch mietrechtliche Elemente charakterisiert wird, aber auch eine besondere personenbezogene Prägung aufweist (BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414, 1415 f. und BGH Urteil vom 15. März 1978 – VIII ZR 254/76 – NJW 1978, 1155, 1156 mwN). Wesentliches und charakterisierendes Merkmal des Automatenaufstellvertrags ist die Eingliederung des Automaten in den gewerblichen Betrieb eines anderen zum gemeinsamen Nutzen beider Vertragspartner und nicht die einen Mietvertrag kennzeichnende entgeltliche Gewährung des Gebrauchs der Aufstellfläche für den Automaten (BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414, 1415 f.; BGH Urteil vom 15. März 1978 – VIII ZR 254/76 – NJW 1978, 1155, 1156; vgl. auch Senatsurteil vom 17. Juli 2002 – XII ZR 86/01 – NJW 2002, 3322, 3323). Hiervon unterscheidet sich jedoch der vorliegende Vertrag, bei dem sich die Verpflichtung des Vermieters darauf beschränkt, dem Automatenaufsteller gegen ein monatliches Entgelt eine Teilfläche der von ihm gemieteten Räumlichkeiten zur Aufstellung des Geldautomaten zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird der Vertrag durch die typischen mietvertraglichen Hauptleistungspflichten der Überlassung des Mietobjekts zur vertragsgemäßen Nutzung gegen Zahlung eines Entgelts (§ 535 Abs. 1 und 2 BGB) geprägt. Auf den mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr abgeschlossenen Vertrag findet daher gemäß § 578 Abs. 2 BGB das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB Anwendung (vgl. Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 14. Aufl. § 578 BGB Rn. 3; Guhling/Günter/Stroyer Gewerberaummiete 2. Aufl. § 578 BGB Rn. 2; MünchKommBGB/Artz 8. Aufl. § 578 Rn. 3).

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3. Entgegen der Auffassung der Revision wahrt der Mietvertrag unter Berücksichtigung der von den Mietvertragsparteien unterzeichneten Anlage 1 die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche Form (§ 550 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB). Gemäß § 2 Ziffer 1 des Mietvertrags ist das Mietverhältnis daher mit einer Laufzeit von zunächst fünf Jahren ab Inbetriebnahme des Geldautomaten am 16. September 2015 abgeschlossen, so dass die vom Vermieter im August 2017 erklärte ordentliche Kündigung nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrags geführt hat.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 – XII ZR 98/13 – NJW 2015, 2648 Rn. 42 mwN). Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (Senatsurteile BGHZ 224, 370 = NJW 2020, 1507 Rn. 19 mwN und BGHZ 176, 301 = NJW 2008, 2178 Rn. 20 f. mwN).

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Zur Schriftform gehört auch, dass die Urkunde gemäß § 126 Abs. 1 und 2 BGB von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird (BGH Urteil vom 21. Januar 1999 – VII ZR 93/97 – NJW 1999, 1104 f.) und die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die urkundliche Erklärung vollenden (BGH Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 16. Februar 2000 – XII ZR 162/98 – NJW-RR 2000, 1108 mwN).

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Allerdings ist es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 9. April 2008 – XII ZR 89/06 – NJW 2008, 2181, 2183). Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2009 – XII ZR 142/07 – NJW 2009, 2195 Rn. 24 mwN). Dabei kann es nach den Umständen des jeweiligen Falles auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, wenn hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht (OLG Koblenz NJW-RR 2014, 132; KG ZMR 1999, 705, 706; Staudinger/Emmerich BGB [2018] § 550 Rn. 22 f.; Guhling/Günter/Schweitzer Gewerberaummiete 2. Aufl. § 550 BGB Rn. 26; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Lindner-Figura Geschäftsraummiete 4. Aufl. § 550 BGB Rn. 58 f.; a. A. BeckOK Mietrecht/Leo [Stand: 1. August 2020] § 550 BGB Rn. 186 f.). Eine körperliche Verbindung der Anlage mit dem in Bezug genommenen Vertrag ist dabei nicht erforderlich. Wie bei einer Nachtragsvereinbarung (vgl. Senatsurteile BGHZ 216, 68 = NJW 2017, 3772 Rn. 17 mwN) genügt es zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2009 – XII ZR 142/07 – NJW 2009, 2195 Rn. 24). Ausreichend ist daher, dass die Anlage hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ersichtlich ist, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll.

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b) Auf dieser rechtlichen Grundlage wahrt der Vertrag im vorliegenden Fall die Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB.

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aa) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass die eigentliche Vertragsurkunde dem Schriftformerfordernis nicht genügt. Diese ist von den Mietvertragsparteien lediglich auf der Vorderseite unterzeichnet worden. Diese Unterschriften schließen damit nicht den vollständigen Vertragsinhalt ab, der auch die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten umfasst. Die unterschriebene Vorderseite des Vertrags enthält auch keinen ausreichenden Verweis auf die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Vertragsbedingungen, aus dem sich schließen lassen könnte, die geleisteten Unterschriften deckten auch diese Vertragsbestandteile. Zwar wird auf der Vorderseite des Vertrags unter der Überschrift „Mietzins (§ 3)“ die entsprechende Bestimmung der auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen erwähnt. Dies genügt jedoch nicht, um annehmen zu können, die Unterschriften der Mietvertragsparteien deckten auch die auf der Rückseite des Formulars abgedruckten weiteren Vertragsbedingungen.

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Rechtsfehlerfrei ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die nach § 550 Satz 1 BGB iVm § 578 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit der vereinbarten Festlaufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags werde durch die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage 1 gewahrt. Diese Anlage nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage 1 der streitgegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt werden. Zudem ist der Nachtrag als Anlage 1 zum Mietvertrag bezeichnet, wie es § 1 Ziffer 1 Satz 1 der auf der Rückseite des Vertrags abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten zur Bestimmung des Mietobjekts erfordert. Aus dieser Bezugnahme werden die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage 1 zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergibt. Deshalb ist es für die Erfüllung der Schriftform unschädlich, dass in der Anlage 1 die weiteren Vertragsbedingungen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt sind und dort auch kein klarstellender Hinweis auf die Fortgeltung der in der Vertragsurkunde abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten ist. Bilden somit die Anlage 1 und die gesamte ursprüngliche Vertragsurkunde den Mietvertrag, decken die Unterschriften der beiden Mietvertragsparteien auf der Anlage 1 den gesamten Vertragsinhalt und schließen den Vertragstext räumlich ab, so dass die Schriftform nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB gewahrt ist.

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bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die vermietete Grundstücksfläche in § 1 des Mietvertrags iVm der in Bezug genommenen und dem Mietvertrag beigefügten Anlage 1 hinreichend bestimmbar bezeichnet. Einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, wäre es möglich gewesen, anhand des Mietvertrags – auch bereits vor der Aufstellung des Geldautomaten – festzustellen, welche Teilfläche der vom Vermieter betriebenen Gaststätte an die Beklagte vermietet worden ist.

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Zur Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB muss der Mietgegenstand im Mietvertrag individuell bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Anlage 1 als Fotomontage nur eine Ansicht der Hausfassade enthält, in die der Geldautomat eingefügt ist, und sich der Anlage daher zur Größenausdehnung des Geldautomaten innerhalb des Gebäudes und damit zu den räumlichen Grenzen des vermieteten Raumteils nichts entnehmen lässt. Für die Bestimmbarkeit des Mietgegenstands bedurfte es jedoch – entgegen der Auffassung der Revision – im vorliegenden Fall keiner weiteren Angabe zur Größe der Fläche im Innenraum der vom Vermieter betriebenen Gaststätte. Aus der Fotomontage in Anlage 1 ergibt sich eindeutig, an welcher Stelle und mit welchen Abmessungen der Geldautomat in der Gaststätte des Vermieters platziert werden sollte. Zwar ist aus der Fotomontage nicht ersichtlich, welche Stellfläche im Inneren des Gastraums von dem Automaten in Anspruch genommen wird. Da diese Fläche jedoch eindeutig durch die Größe eines handelsüblichen Geldautomaten begrenzt wird, bedurfte es zur Einhaltung der Schriftform keiner weiteren grafischen Darstellung der Stellfläche. Ein potentieller Erwerber des Mietobjekts kann vielmehr bereits allein aufgrund der Anlage 1 hinreichend genau erkennen, welche Teilfläche des Gastraums Gegenstand des Mietvertrags ist.

III.

26

Da die vereinbarte Mindestvertragslaufzeit jedoch mit Ablauf des 30. September 2020 während des Revisionsverfahrens beendet und das Mietverhältnis aufgrund der vom Vermieter im August 2017 erklärten und von der Beklagten bestätigten Kündigung auch nicht nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen verlängert worden ist, kann die Klägerin nunmehr vom Beklagten Räumung und Herausgabe der Mietfläche verlangen. Dieser Sachverhalt kann im Revisionsverfahren auch Berücksichtigung finden.

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1. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsauffassung liegt insoweit keine Änderung des Streitgegenstands und damit auch keine Klageänderung iSv § 263 ZPO vor, die im Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig wäre (vgl. hierzu BGH Urteil vom 1. Juli 2018 – IV ZR 243/17 – NJW 2018, 3389 Rn. 14 mwN).

28

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 204, 134 = NJW 2015, 1296 Rn. 14 mwN und BGH Urteile vom 9. Juni 2011 – I ZR 41/10 – GRUR 2012, 180 Rn. 19 mwN). Dabei umfasst der Klagegrund alle Tatsachen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Klagevortrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Eine Klageänderung iSv § 263 ZPO liegt vor, wenn entweder der Klageantrag oder der Klagegrund ausgewechselt wird (vgl. BGH Beschluss vom 16. September 2008 – IX ZR 172/07 – NJW 2008, 3570 Rn. 9). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Indem die Klägerin ihr Räumungsverlangen nunmehr nicht mehr allein auf die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses durch die im August 2017 erklärte Kündigung, sondern auch auf die mittlerweile eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses durch Zeitablauf stützt, ändert sie weder ihren ursprünglichen auf Räumung und Herausgabe der Mietfläche gerichteten Klageantrag noch den ihrem Klagebegehren zugrundeliegenden Lebenssachverhalt.

29

Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, wonach es eine Klageänderung darstellt, wenn der Vermieter in einem Räumungsprozess sein Räumungsbegehren zusätzlich auf eine weitere Kündigung stützt (vgl. BGHZ 204, 134 = NJW 2015, 1296 Rn. 14 mwN und BGH Beschluss vom 27. Oktober 2015 – VIII ZR 288/14 – WuM 2016, 98 Rn. 9). In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof eine Klageänderung iSv § 263 ZPO bejaht, weil die Kläger ihr Räumungsbegehren zusätzlich mit Kündigungen unterlegt haben, die erst während des laufenden Verfahrens erklärt wurden. Damit wurde jeweils ein neuer Streitgegenstand in den Prozess eingeführt, nämlich ein Räumungsbegehren, das auf diese erneute Kündigung und den darin geltend gemachten Kündigungsgrund gestützt war (BGHZ 204, 134 = NJW 2015, 1296 Rn. 14). Davon unterscheidet sich jedoch der vorliegende Fall. Streitgegenstand ist hier die Räumung und Herausgabe der vermieteten Fläche, ohne dass dieses Räumungsbegehren auf einen konkreten Zeitpunkt bezogen war. Der Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit und die Kündigung, die einer Verlängerung des Vertrags nach § 2 Ziffer 1 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen entgegensteht, ergeben sich aus dem von der Klägerin vorgetragenen Lebenssachverhalt, ohne dass dieser während des Verfahrens von ihr geändert oder ergänzt wurde. Dass die Kündigung nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses geführt hat, sondern nur einer Verlängerung des befristeten Mietvertrags entgegensteht, ist lediglich eine geänderte rechtliche Bewertung des dem Verfahren zugrundeliegenden Lebenssachverhalts.

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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der während des Revisionsverfahrens eingetretene Ablauf der vereinbarten Mindestlaufzeit des Mietvertrags auch vom Revisionsgericht berücksichtigt werden. Wie bereits ausgeführt, können nach der Regelung in § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unstreitige Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen, soweit schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen (vgl. Senatsurteile vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 47 mwN und vom 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – FamRZ 2009, 1990 Rn. 26 f. mwN; BGHZ 202, 242 = NJW 2015, 489 Rn. 20 f. mwN). Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof bei der Entscheidung über eine Klage auf Räumung und Herausgabe von Mieträumen, die auf eine Kündigung des Mietverhältnisses gestützt wurde, den während des Revisionsverfahrens eingetretenen Ablauf der Kündigungsfrist grundsätzlich für berücksichtigungsfähig gehalten (vgl. BGH Urteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 71/07 – NJW 2008, 1661 Rn. 25).

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Danach kann auch im vorliegenden Fall der zwischenzeitlich eingetretene Zeitablauf berücksichtigt werden. Die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, aus denen sich ergibt, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis mit Ablauf des 30. September 2020 geendet hat und es aufgrund der vom Vermieter erklärten Kündigung nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wurde, sind ebenso unstreitig wie der zwischenzeitlich hinzugetretene Zeitablauf. Auf ein schützenswertes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses kann sich die Beklagte nicht berufen. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses mit Ablauf der vereinbarten Mindestlaufzeit des Vertrags selbst bestätigt. Schon deshalb musste sie unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens damit rechnen, dass sie das Mietobjekt spätestens mit Ablauf des 30. September 2020 räumen und herausgeben muss. Die Beklagte kann ein schützenswertes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses auch nicht damit begründen, dass sie während des Revisionsverfahrens einen neuen Mietvertrag mit dem Vermieter geschlossen habe, der ab dem 1. Januar 2020 für fünf Jahre gelte, und sie damit wieder ein Recht zum Besitz erlangt habe, welches sie dem Räumungsverlangen der Klägerin entgegenhalten könne. Denn hierbei handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen der Beklagten, das nach § 559 Abs. 1 ZPO im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Ein in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannter Ausnahmefall zu § 559 Abs. 1 ZPO liegt schon deshalb nicht vor, weil dieses Vorbringen der Beklagten im Revisionsverfahren streitig geblieben ist.

IV.

32

Da die Abweisung der Räumungsklage wegen des zwischenzeitlich eingetretenen, vom Revisionsgericht zu berücksichtigenden Ablaufs der Vertragslaufzeit in den vom Berufungsgericht dazu festgestellten Tatsachen keine ausreichend tragfähige Grundlage mehr findet, ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat kann selbst abschließend in der Sache entscheiden, da es dazu keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen bedarf.

  • Dose
  • Schilling
  • Günter
  • Guhling
  • Krüger