BVerwG 6. Senat, Urteil vom 28.10.2020, AZ 6 C 9/19, ECLI:DE:BVerwG:2020:281020U6C9.19.0
Verfahrensgang
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 3. März 2016, Az: 2 S 439/15, Urteil
vorgehend VG Stuttgart, 23. Januar 2015, Az: 3 K 1941/14, Urteil
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für die Zweitwohnung des Klägers in Höhe von jeweils 53,94 € in den Bescheiden vom 5. Juli 2013 und 1. September 2013, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2014, sowie in den Bescheiden vom 4. Oktober 2013 und 1. Februar 2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2014, für erledigt erklärt haben. Insoweit sind die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. März 2016 und des Verwaltungsgerichts Stuttgarts vom 23. Januar 2015 wirkungslos.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Tatbestand
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Der Kläger ist Inhaber einer Wohnung in S. und einer Zweitwohnung in B. Er zahlte bis Ende 2012 jeweils die Rundfunkgebühr für ein Hörfunkgerät. Mit dem Übergang von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag stellte er ab dem Jahr 2013 die Zahlungen ein. Er ist nicht von der Beitragspflicht befreit. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen Beitragsbescheide, mit denen die beklagte Rundfunkanstalt gegen ihn als Inhaber von zwei Wohnungen rückständige Rundfunkbeiträge für die Monate Januar 2013 bis Dezember 2013 festgesetzt hat.
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Die Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien von den Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gedeckt. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei formell und materiell verfassungsgemäß. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, für deren Regelung die Länder die Gesetzgebungskompetenz besäßen. Der Rundfunkbeitrag diene der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und fließe nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt. Er werde nicht „voraussetzungslos“, sondern als Gegenleistung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Er sei durch die mit ihm verfolgten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs legitimiert. Zudem stehe das Beitragsaufkommen den Rundfunkanstalten zu, um deren verfassungsunmittelbaren Finanzierungsanspruch in Ansehung ihres Programmauftrags zu erfüllen. Aus diesen Gründen sei die Anknüpfung der Zahlungspflicht an das Innehaben einer Wohnung unabhängig von den individuellen Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsabsichten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Typischerweise bestehe für jede Person in ihrer Wohnung die regelmäßig auch genutzte Möglichkeit zum Rundfunkempfang. Der allgemeine Gleichheitssatz werde nicht dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber dem Inhaber für jede Wohnung ohne weitere Unterscheidung einen einheitlichen Rundfunkbeitrag auferlege.
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Die hiergegen gerichtete Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Januar 2017 – BVerwG 6 C 23.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:250117U6C23.16.0] – zurückgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil mit Kammerbeschluss vom 10. April 2019 – 1 BvR 1507/17 [ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190410.1bvr150717] – (NVwZ 2019, 1035) aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen, da die Erhebung des Rundfunkbeitrags für die Zweitwohnung des Klägers gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit verstoße; im Übrigen hat es die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung angenommen. Daraufhin hat der Beklagte die angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide insoweit aufgehoben, als mit ihnen Rundfunkbeiträge für die Zweitwohnung des Klägers festgesetzt worden sind. In diesem Umfang haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Hinsichtlich der Erhebung des Rundfunkbeitrags für seine Erstwohnung trägt der Kläger mit seiner Revision zuletzt vor, das Bundesverfassungsgericht habe zwar die Bestimmungen über die Erhebung des Rundfunkbeitrags für die Wohnung in seinem Grundsatzurteil als verfassungsgemäß erachtet, jedoch die von ihm geltend gemachten Gründe der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen nicht geprüft. So müsse berücksichtigt werden, dass einige Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet aus rechtlichen Gründen nicht ausgestrahlt werden dürften, weshalb die Nutzungsmöglichkeit mittels herkömmlicher und neuartiger Empfangsgeräte die Auferlegung einer Vorzugslast nicht rechtfertigen könne. Die Nutzungsmöglichkeit als Rechtfertigung für die Heranziehung zum Beitrag sei zudem nur dann verfassungsgemäß, wenn sich die Beitragspflicht auch auf die im Ausland wohnenden Empfänger des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms erstrecke. Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht nicht die große Zahl an Haushalten ohne Fernsehgeräte, die überwiegende Zahl an Mehrpersonenhaushalten sowie die beachtliche und nicht durch Praktikabilitätserwägungen zu rechtfertigende Mehrbelastung von Einpersonen- gegenüber Mehrpersonenhaushalten berücksichtigt. Der Gesetzgeber habe die Grenzen zulässiger Typisierung und Pauschalierung überschritten. Da der Besitz geeigneter Empfangsgeräte nicht widerlegt werden könne, erwiesen sich die Bestimmungen über die Erhebung des Rundfunkbeitrags strenger als steuerrechtliche Vorschriften. Das Bundesverwaltungsgericht müsse die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen erneut prüfen. Dem stehe die Bindung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen, da das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt aufgehoben und damit eine erneute Prüfung ermöglicht habe. Im Übrigen habe das Berufungsgericht seinen Vortrag und seine Beweisangebote zur Unmöglichkeit der Rundfunknutzung im Internet übergangen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, den Überzeugungsgrundsatz und die Aufklärungspflicht verletzt.
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Die beklagte Rundfunkanstalt verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es die Rundfunkbeitragspflicht für die Erstwohnung betrifft.
Entscheidungsgründe
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Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend hinsichtlich der in den Bescheiden enthaltenen Festsetzungen von Rundfunkbeiträgen für die Zweitwohnung des Klägers für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in diesem Umfang in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die vorinstanzlichen Urteile des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts sind insoweit nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO entsprechend für wirkungslos zu erklären.
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Im Übrigen ist die zulässige Revision zurückzuweisen. Sie ist unbegründet, da das Berufungsurteil nicht auf der Verletzung von Bundesrecht oder Bestimmungen eines revisiblen Rundfunkstaatsvertrags beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 13 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – RBStV -, § 48 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien <Rundfunkstaatsvertrag – RStV>, jeweils in der Fassung des durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 <GBl. BW S. 477> veröffentlichten Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge <Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag – 15. RÄStV>). Die Festsetzungen der Rundfunkbeiträge für die Wohnung des Klägers in den angefochtenen Bescheiden sind durch die Bestimmungen über die Erhebung des Rundfunkbeitrags gedeckt (1.). Der Kläger kann keine erneute Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen verlangen, weil das Bundesverfassungsgericht deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bereits mit bindender Wirkung auch für dieses Verfahren festgestellt hat (2.). Das Berufungsurteil ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben (3.).
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1. Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach Satz 2 wird als Inhaber jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV haften mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung. Jeder schuldet den Rundfunkbeitrag in voller Höhe. Dieser ist insgesamt aber nur einmal zu bezahlen, weil jede Zahlung auch für die übrigen Beitragsschuldner wirkt (§ 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung).
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Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV). Rückständige Beiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt; die Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV). Im hier maßgebenden Zeitraum betrug der Rundfunkbeitrag monatlich 17,98 € (§ 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags – RFinStV – in der Fassung der Bekanntmachung des 15. RÄStV).
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Die Voraussetzungen für die Beitragspflicht des Klägers im Zeitraum von Januar 2013 bis Dezember 2013 für seine Wohnung in S. lagen vor. Der Kläger war im maßgebenden Zeitraum als Inhaber dieser Wohnung Beitragsschuldner (§ 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV). Die für diese Wohnung festgesetzten Beiträge waren rückständig (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Der Kläger war nicht von der Beitragspflicht befreit.
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2. Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473) binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG soll eine verbindliche einheitliche Auslegung des Grundgesetzes sicherstellen (BVerwG, Urteil vom 21. September 2016 – 6 C 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210916U6C2.15.0] – Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 90 Rn. 8). Sie erfasst nicht nur die Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsnorm für mit dem Grundgesetz unvereinbar oder vereinbar erklärt, sondern auch die Fallkonstellation, in der das Bundesverfassungsgericht nur oder auch eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts für verfassungskonform erklärt. Die Bindungswirkung setzt voraus, dass der Fall, welcher der Bindungswirkung auslösenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, und der Fall, welcher vom Fachgericht als Adressat der Bindungswirkung zu entscheiden ist, ein hohes Maß an Deckungsgleichheit aufweisen. Es muss sich um einen in jeder wesentlichen Beziehung gleichgelagerten Fall bzw. einen echten Parallel- oder Wiederholungsfall handeln, den die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts präjudiziert. Bei unveränderter Sach- und Rechtslage sind danach die Gerichte gehindert, die auf die jeweilige Rechtsnorm bezogene verfassungsrechtliche Frage dem Bundesverfassungsgericht erneut vorzulegen; vielmehr ist die bereits erfolgte verfassungsrechtliche Bewertung bei der anstehenden fachgerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Auf diese Weise dient § 31 Abs. 1 BVerfGG der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts von der Befassung mit zahllosen Wiederholungsfällen und sichert zugleich dessen Autorität als des maßgeblichen Interpreten des Grundgesetzes (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 – 6 C 9.98 – BVerwGE 108, 355 <359 f.>; Beschluss vom 15. März 2005 – 6 B 5.05 [ECLI:DE:BVerwG:2005:150305B6B5.05.0] – juris Rn. 7 jeweils m.w.N.).
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Zur Bestimmung der Reichweite der Bindungswirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, d.h. zur Bestimmung dessen, was ein in jeder Beziehung gleichgelagerter Fall ist, ist auf die Entscheidungsformel und die sie tragenden Gründe zurückzugreifen. Tragend ist dabei derjenige Teil der Entscheidungsbegründung, der aus der Deduktion des Gerichts nicht mehr hinwegzudenken ist, ohne dass sich das im Tenor formulierte Ergebnis änderte (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 – 6 C 9.98 – BVerwGE 108, 355 <361> mit zahlreichen Nachweisen aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung).
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Danach hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 [ECLI:DE:BVerfG:2018:rs20180718.1bvr167516] – (BVerfGE 149, 222) auch mit Wirkung für das vorliegende Verfahren entschieden, dass die Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung des Rundfunkbeitrags von dem Inhaber einer Wohnung – mit Ausnahme der hier nicht mehr in Rede stehenden Beitragspflicht für Zweitwohnungen – mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Aus den tragenden Gründen des Urteils ergibt sich, dass die Rundfunkbeitragspflicht formell verfassungsgemäß ist. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich finanzverfassungsrechtlich nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast in Gestalt eines Beitrags, für dessen Erhebung die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz besitzen. Der Rundfunkbeitrag wird nicht voraussetzungslos erhoben und das Beitragsaufkommen wird nicht in die Landeshaushalte eingestellt. Er wird für die konkrete Gegenleistung der Rundfunkempfangsmöglichkeit erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen (ebenda, Rn. 50 ff. und 58 ff.). Die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG werden durch die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich – abgesehen von der Beitragspflicht für Zweitwohnungen – eingehalten. Die Rundfunkempfangsmöglichkeit ist ein individueller Vorteil, der durch den Beitrag abgegolten wird, ohne dass es auf die tatsächliche Nutzung und die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger oder darauf ankommt, ob die Abgabenschuldner von der Nutzungsmöglichkeit nahezu geschlossen Gebrauch machen. Die Möglichkeit der Rundfunknutzung ist für alle Beitragspflichtigen realistisch, weil das flächendeckende Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Vorhandensein geeigneter Empfangsgeräte jederzeit abgerufen werden kann (ebenda, Rn. 63 ff. und 74 ff.). Mit der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft (§ 2 Abs. 1 RBStV) haben die Landesgesetzgeber den Kreis der Vorteilsempfänger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst. Sie mussten keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern konnten auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen. Auch dürften sie unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts die Erhebung des Beitrags vorsehen, da die Nutzungsmöglichkeit bereits dann gegeben ist, wenn dem Beitragsschuldner ein Empfang durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten möglich ist (ebenda, Rn. 86 ff.). Die einheitliche Erhebung des Rundfunkbeitrags pro Wohnung verletzt, auch soweit sie zu einer Entlastung von Mehrpersonenhaushalten führt, unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums nicht den Grundsatz der Belastungsgleichheit (ebenda, Rn. 97 ff.). Auch im Übrigen ist die Beitragspflicht verfassungsgemäß (ebenda, Rn. 134 ff.).
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Auf der Grundlage dieser tragenden Erwägungen handelt es sich bei dem hier zu entscheidenden Fall des Klägers betreffend die Erhebung des Rundfunkbeitrags für seine Wohnung in S. um einen Parallelfall, der von der Bindungswirkung des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils erfasst ist. Eine Abweichung des vorliegenden Falles von der Sach- und Rechtslage, die dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, ist weder ersichtlich noch zeigt der Kläger mit seinem Vorbringen eine solche Abweichung auf. Die nach seiner Auffassung von dem Bundesverfassungsgericht nicht oder nicht hinreichend geprüften Argumente, die sich gegen die Qualifizierung des Beitrags als Vorzugslast und gegen dessen Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG richten, rechtfertigen nicht den Ausschluss der Bindungswirkung und eröffnen keine erneute Prüfung.
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Lediglich der Vollständigkeit halber weist das Gericht darauf hin, dass die in § 31 Abs. 1 BVerfGG normierte Bindungswirkung nicht für das Bundesverfassungsgericht selbst besteht; es kann seine in einer früheren Entscheidung vertretenen Rechtsauffassungen aufgeben, auch soweit sie für die damalige Entscheidung tragend waren (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 11. August 1954 – 2 BvK 2/54 – BVerfGE 4, 31 <38> und vom 22. November 2001 – 2 BvE 6/99 [ECLI:DE:BVerfG:2001:es20011122.2bve000699] – BVerfGE 104, 151 <197>; Beschluss vom 15. Juni 1988 – 1 BvR 1301/86 – BVerfGE 78, 320 <328>; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 6 B 159.18 [ECLI:DE:BVerwG:2018:181218B6B159.18.0] – juris Rn. 7). Soweit der Kläger meint, das Bundesverfassungsgericht habe mit der Auswahl von Verfahren, über die es in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 – (BVerfGE 149, 222) entschieden hat, eine Prüfung seiner gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Erhebung des Rundfunkbeitrags vorgebrachten Argumente abgeschnitten, steht ihm hiernach der Weg frei, diese Argumente nochmals gegenüber dem Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.
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3. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler, soweit er an seinen Verfahrensrügen festhält, liegen nicht vor.
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a) Der Kläger rügt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das Berufungsgericht nicht auf seinen unstreitig gebliebenen Vortrag eingegangen sei, dass Teile des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms aus rechtlichen Gründen nicht über neuartige Empfangsgeräte empfangen werden könnten. Wenn das Berufungsgericht davon ausgehe, dass das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks flächendeckend und von jedermann auch mittels neuartiger Empfangsgeräte empfangen werden könne, habe es aktenwidrige Feststellungen getroffen.
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Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht ausweislich der Ausführungen im Tatbestand (UA S. 5) das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen hat. Dennoch ist es zu dem Schluss gekommen, dass typischerweise in ganz Deutschland mittels herkömmlicher oder neuartiger Empfangsgeräte sowohl innerhalb als auch außerhalb von Wohnungen Rundfunk flächendeckend und von jedermann empfangen werden könne und damit auch für jede Person in ihrer Wohnung die regelmäßig genutzte Möglichkeit zum Rundfunkempfang bestehe; auf die Nutzungsgewohnheiten komme es nicht an. Das Berufungsgericht hat damit zu erkennen gegeben, dass es dem Argument des Klägers inhaltlich kein entscheidendes Gewicht zukommen lässt, dass einzelne Sendungen des Fernsehprogramms nicht über neuartige Empfangsgeräte ausgestrahlt würden. In der Sache wendet sich der Kläger gegen die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die der Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung zugrunde liegende Vermutung der Gesetzgeber, in Wohnungen werde typischerweise Rundfunk empfangen, nicht zu beanstanden ist. Dies begründet keinen Gehörsverstoß (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – 6 B 24.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:171215B6B24.15.0] – Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 48 Rn. 6).
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Auch der Überzeugungsgrundsatz ist nicht verletzt. Das Berufungsgericht hat den Umfang der nicht über neuartige Empfangsgeräte zu empfangenden Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots nicht festgestellt, sondern lediglich ausgeführt, dass der Kläger einen entsprechenden Vortrag zum Gegenstand seiner Berufungsbegründung gemacht hat. Damit wird aber nicht der Inhalt des Vortrags zugleich als Tatsache festgestellt (vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 137), sodass das Berufungsgericht keine aktenwidrigen Feststellungen getroffen und den Überzeugungsgrundsatz nicht verletzt hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:090615B6B59.14.0] – Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 53 und vom 23. Mai 2016 – 7 B 47.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:230516B7B47.15.0] – juris Rn. 16 m.w.N.).
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b) Die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe es unterlassen, seine in der Berufungsbegründungsschrift angekündigten Beweisanträge zum Umfang der nicht über neuartige Empfangsgeräte zu empfangenden Sendungen im angefochtenen Urteil zu bescheiden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Verfahrensfehlers. Denn wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat das Berufungsgericht nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt auf diesen Umfang nicht entscheidungserheblich abgestellt. Damit steht fest, dass das Urteil nicht auf der unterlassenen ausdrücklichen Bescheidung der Anträge im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO beruhen kann.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt wurde, entspricht es der Billigkeit, der beklagten Rundfunkanstalt die Kosten des Verfahrens entsprechend ihrer Kostenübernahmeerklärung aufzuerlegen; im Übrigen hat der Kläger wegen Erfolglosigkeit des Rechtsmittels die Kosten zu tragen.