BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 20.10.2020, AZ 25 W (pat) 581/19, ECLI:DE:BPatG:2020:201020B25Wpat581.19.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 025 512.0
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Oktober 2020 unter Mitwirkung der Richterin Kriener, des Richters Schödel und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Bezeichnung
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Schoko-Freunde
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ist am 24. Oktober 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren der Klasse 30 angemeldet worden:
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Backwaren; Konditorwaren; Speiseeis; Schokolade; Schokoladen-erzeugnisse; Puffreis in Schokolade; gepufferter Weizen mit Honig in Schokolade; Kakao; Kakaoerzeugnisse; Süßwaren; Zuckerwaren; Pralinen; Nougaterzeugnisse; Marzipanerzeugnisse.
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Mit Beschluss vom 30. Juli 2019 hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die unter dem Aktenzeichen 30 2018 025 512.0 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Bezeichnung „Schoko-Freunde“ vom angesprochenen Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 30 ohne Weiteres als Hinweis auf den Gegenstand und die Bestimmung der so bezeichneten Waren verstanden werde. Die Wortkombination sei aus zwei allgemein verständlichen Wörtern der deutschen Sprache gebildet. Das Wort „Schoko“ sei eine umgangssprachliche Kurzform des Wortes „Schokolade“. Ein „Freund“ sei eine männliche Person, die einer anderen in Freundschaft verbunden sei. Weiterhin werde eine Person, die eine bestimmte Sache besonders schätze, als „Freund“ bezeichnet (wie z.B. „Er ist ein Freund des Weines“). Der Zeichenbestandteil „Freunde“ könne daher ein Hinweis auf die Zielgruppe der bestreffenden Waren sein. Der angesprochene Verkehr werde die Bezeichnung „Schoko-Freunde“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren dahingehend verstehen, dass die Waren von Personen herrührten oder für Personen angeboten würden, die Schokolade besonders schätzen. Bei den beanspruchten Waren der Klasse 30 handle es sich um Schokolade oder Waren, die Schokolade enthalten oder unter Verwendung von Schokolade hergestellt werden könnten. Soweit die angemeldete Wortkombination nach Auffassung der Anmelderin nicht nur als Sachhinweis, sondern auch als werbliche Anpreisung verstanden werden könne, führe dies nicht zur Bejahung der Unterscheidungskraft. Die angemeldete Wortkombination weise einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt auf und sei weder diffus noch mehrdeutig. Sie rege auch nicht zum Nachdenken an. Soweit die Anmelderin auf verschiedene, nach ihrer Auffassung vergleichbare Voreintragungen verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung die Eintragung ähnlicher oder identischer Marken keinen Anspruch auf die Eintragung eines schutzunfähigen Zeichens begründe.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche ein Minimum an Unterscheidungskraft aus, um das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden. Hiervon sei vorliegend auszugehen, da der angesprochene Verkehr die angemeldeten Wortkombinationen weder als Sachhinweis noch als Werbeschlagwort verstehen werde. Denn bei der Prüfung der Unterscheidungskraft verbiete sich jede analysierende Betrachtung der angemeldeten Bezeichnung, wobei die vorliegende Wortkombination erst bei einer analysierenden Betrachtung einen Sinn ergebe. Der angesprochene Verkehr müsse zunächst erkennen, dass der Zeichenbestandteil „Freund“ vorliegend im Sinne einer Person zu verstehen sei, die eine bestimmte Sache besonders schätze, um dann beide Zeichenbestandteile als sinnvolle Gesamtheit im Sinne eines Hinweises auf diese Zielgruppe zu verstehen. Dieses Verständnis der angemeldeten Bezeichnungen erfordere mehrere Gedankenschritte. Weiterhin sei die Bezeichnung „Schoko-Freunde“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren keine sprachübliche Bezeichnung für die beanspruchten Waren, so dass schon aus diesem Grund die Unterscheidungskraft zu bejahen sei. Darüber hinaus sei bei der Prüfung der Unterscheidungskraft die wahrscheinlichste Form der Verwendung der angemeldeten Bezeichnung ausschlaggebend. Im Lebensmittelbereich sei es üblich, Marken dort abzubilden, wo die Verbraucher sie erwarteten, also stets prominent hervorgehoben. Dagegen sei es unüblich, auf den Warenverpackungen an hervorgehobener Stelle beschreibende Angaben im Hinblick auf die angesprochenen Zielgruppen oder die Person des Herstellers anzubringen.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2019 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 30, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 17. August 2020 und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Schoko-Freunde“ als Marke steht für die beanspruchten Waren der Klasse 30 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).
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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
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Zumindest unter dem letztgenannten Gesichtspunkt fehlt der angemeldeten Wortkombination „Schoko-Freunde“ die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Bezeichnung wird vom angesprochenen Verkehr ohne Nachdenken im Sinne eines werblich-anpreisenden Hinweises dahingehend verstanden, dass die so gekennzeichneten Produkte für Menschen bestimmt sind, die ganz besonders gerne Schokolade essen oder dass die betreffenden Waren aus Schokolade sind oder Schokolade enthalten. Nach Auffassung des Senats bedarf dieses Verständnis keiner analysierenden Betrachtung, sondern erschließt sich unmittelbar. Zum einen ist das angemeldete Zeichen ein sprachregelgerecht gebildetes Kompositum, das sich aus allgemein verständlichen und weithin gebräuchlichen Begriffen der deutschen Sprache zusammensetzt. Auch die Schreibweise mit einem Bindestrich stellt keine auffällige Besonderheit dar, sondern ist bei zusammengesetzten Hauptwörtern neben der Zusammenschreibung gebräuchlich. Weiterhin sind die Zeichenbestandteile „Schoko“ und „Freunde“ sinnvoll aufeinander bezogen, wobei es allgemein üblich ist, eine Person, die eine bestimmte Sache besonders schätzt, als deren Freund zu bezeichnen (wie z.B. in „Er ist ein Freund der Musik“ oder „Freunde der Elbphilharmonie“). Zudem ist die Benutzung der beschwerdegegenständlichen Wortkombination „Schokofreunde“ selbst im allgemeinen Sprachgebrauch nachweisbar, wobei die entsprechenden Rechercheergebnisse des Senats teilweise auch vor den Zeitpunkt der Anmeldung der beschwerdegegenständlichen Zeichen datieren (auf die Rechercheergebnisse des Senats, die der Anmelderin mit dem schriftlichen Hinweis vom 17. August 2020 übersandt worden sind, wird insoweit Bezug genommen). Dieser Umstand belegt nach Auffassung des Senats sehr deutlich, dass ein sachbeschreibendes bzw. werblich-anpreisendes Verständnis der angemeldeten Bezeichnung seitens des angesprochenen Verkehrs keiner analysierenden Betrachtung bedarf. Hiervon ausgehend ist die Wortkombination „Schoko-Freunde“ im Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren als Hinweis in Bezug auf die Zielgruppe und/oder die Art der Ware unmittelbar verständlich (BPatG 26 W (pat) 41/17 – Sportsfreund). Alle beanspruchten Waren können aus Schokolade sein bzw. Schokolade enthalten oder einen Schokoladengeschmack aufweisen. Die Ware „Kakao“ ist ein wesentlicher Rohstoff für die Herstellung von Schokolade.
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Zur Auffassung der Anmelderin, dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung des Schutzhindernisses ausreiche, ist ergänzend unter Bezugnahme auf die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs anzumerken, dass auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen ist, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren. Die Prüfung der Markenanmeldung muss daher streng und vollständig sein, um ungerechtfertigte Eintragungen zu vermeiden (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 57, 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 178, 179).
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Auch der Hinweis der Anmelderin auf die EuGH-Vorlage des BGH im Beschluss I ZB 61/17 vom 21. Juni 2018 (= GRUR 2018, 932 – #darferdas?), die Entscheidung des EuGH C-541/18 vom 12. September 2019 (EuGH GRUR 2019, 1194 – AS/DPMA [#darferdas?]) und die auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung BGH I ZB 61/17 vom 30. Januar 2020 (GRUR 2020, 411 – #darferdas? II) rechtfertigen zur Frage der Unterscheidungskraft im vorliegenden Verfahren keine andere Beurteilung. Denn das Bundespatentgericht hatte in der Ausgangsentscheidung festgestellt, dass dem angemeldeten Zeichen weder ein beschreibender Gehalt noch ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren entnommen werden könne. Es ging auch nicht um Werbeaussagen allgemeiner Art, die ausschließlich als werbewirksame Anpreisung bzw. nur als allgemein verständliche positiv besetzte Aussage verstanden werden und denen deshalb stets die Unterscheidungskraft fehlt. Die fehlende Unterscheidungskraft hat das Bundespatentgericht in der Ausgangsentscheidung vom 3. Mai 2017 vielmehr damit begründet, dass das Zeichen eine zusammenhängende Zeichen- und Wortfolge darstelle, die lediglich die stilisierte Darstellung eines Diskussionsthemas sei. Der Verkehr werde das Zeichen (auch ohne Produktbezug) grundsätzlich nur als solches bzw. als Aufforderung verstehen, über die Frage „Darf er das?“ zu diskutieren. Dabei hat der Senat angenommen, dass die wahrscheinlichste, zugleich praktisch bedeutsamste und damit auch für die Beurteilung der Unterscheidungskraft (allein) maßgebliche Verwendungsform des Zeichens die Wiedergabe als sichtbarer Schriftzug auf der Ware selbst sei (z.B. auf der Vorderseite eines T-Shirts). Bei dieser Art der Verwendung werde der Verkehr das Zeichen nur als Mottospruch und nicht als einen betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Hiervon ausgehend konnte es bei der Vorlagefrage im Beschluss vom 21. Juni 2018 nur darum gehen, ob neben der wahrscheinlichsten auch andere praktisch bedeutsame und naheliegende Verwendungsformen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen sind. Nachdem das vorliegende Zeichen „Nuss-Freunde“ zumindest einen engen beschreibenden Zusammenhang zu den beanspruchten Waren herstellt, kommt es vorliegend auf die Frage der Verwendungsform offenkundig nicht an (vgl. hierzu auch die Senatsentscheidung 25 W (pat) 29/19 – Mädelsabend; die Entscheidung ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich).