Markenbeschwerdeverfahren – „Bascetta“ – Unterscheidungskraft (Beschluss des BPatG München 29. Senat)

BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 14.10.2020, AZ 29 W (pat) 31/19, ECLI:DE:BPatG:2020:141020B29Wpat31.19.0

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 007 595.2

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Akintche und Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2017 und vom 8. August 2019 werden aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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Bascetta

3

ist am 24. März 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 16: Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe; Dekorations- und Künstlerbedarfsmaterialien und -mittel; Papier- und
Schreibwaren sowie Lehr- und Unterrichtsmittel;
Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Papier und Pappe; Bastelmaterial aus Papier; Bastelsets aus Papier; Druckereierzeugnisse, insbesondere Bastelanleitungen; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;

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Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Papier und Pappe, Bastelmaterial, Bastelsets, Druckereierzeugnisse, Dekorations- und Künstlerbedarfsmaterialien; kaufmännische Vermittlungsdienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Organisieren von Geschäftskontakten; Beratung und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten.

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Mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2017 und vom 8. August 2019, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung teilweise, nämlich mit Ausnahme der oben
kursiv gedruckten Waren, gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Aus den Recherchebelegen gehe hervor, dass sich das Anmeldezeichen bereits vor dem hier maßgeblichen Anmeldezeitpunkt zu einer Sachangabe für eine bestimmte Form eines Weihnachtssterns entwickelt habe, welcher als modulares Origami aufgebaut sei. Diese Art von Stern sei weit verbreitet und erfreue sich großer Beliebtheit. Die angesprochenen Verkehrskreise nähmen „Bascetta“ daher lediglich als beschreibende Angabe bzw. Merkmalsbeschreibung bezüglich der zurückgewiesenen Waren und als Hinweis auf den Inhalt und den Gegenstand der Dienstleistungen wahr.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

8

Der Senat hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Juli 2020 einen gerichtlichen Hinweis erteilt und mit Ladung vom 21. September 2020 auf den entsprechenden Hilfsantrag Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.

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Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung mit bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 13. Oktober 2020 zurückgenommen und zugleich ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt. Sie beansprucht hinsichtlich des noch beschwerdegegenständlichen Umfangs ausschließlich folgende weitere Dienstleistungen:

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Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Beratung und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten.

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Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Dezember 2017 und vom 8. August 2019 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auch begründet.

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Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, weil der Eintragung des Wortzeichens “
Bascetta“ für die allein noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.

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8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.

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1. Insbesondere fehlt es dem Anmeldezeichen für die Dienstleistungen „Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Beratung und Information in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten“ nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn.24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

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Wortzeichen besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn.86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey! GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn.16 – DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops; a. a. O. Rn. 23 – TOOOR!).

21

Personennamen sind wegen ihrer Eignung, den Namensträger individuell zu bezeichnen und damit von anderen Personen zu unterscheiden, ein klassisches Kennzeichenmittel (vgl. BGH GRUR 2018, 301 Rn. 12 – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ob ein Personenname eine auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen hinweisende Funktion hat, ist allerdings nach den für sämtliche Marken geltenden – oben aufgeführten – Grundsätzen zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2004, 946 Rn. 25 – Nichols plc/Registrar of Trade Marks [Nichols]; BGH a. a. O. – Pippi- Langstrumpf-Marke; BPatG, Beschluss vom 22.04.2020, 29 W (pat) 508/20 – Helmut Rahn; Beschluss vom 13.06.2018, 26 W (pat) 539/17 – Harald Juhnke; BPatG GRUR 2014, 79, 80 – Mark Twain; GRUR 2008, 512, 513 – Ringelnatz). Versteht der Verkehr demnach eine Personenbezeichnung lediglich als eine Waren oder Dienstleistungen beschreibende Aussage oder nur als reines Werbemittel, so fehlt es an der für die Unterscheidungskraft erforderlichen Funktion, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; BPatG a. a. O. – Harald Juhnke). Die Auffassung der Verkehrskreise bei der Einordnung eines Personennamens als Sachangabe, als rein werbemäßige Verwendung oder als betrieblicher Herkunftshinweis wird durch die jeweilige Warenbranche und das Marktgeschehen innerhalb der in Frage stehenden Branche geprägt (BPatG, Beschluss vom 17.05.2017, 29 W (pat) 77/13 – Georg Meistermann; BPatG a. a. O. – Mark Twain; a. a. O. Rn. 23 – Ringelnatz).

22

b) Gemessen an diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen für die zuletzt noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Die hier allein noch angesprochenen unternehmerischen Verkehrskreise werden der Bezeichnung keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt beimessen.

23

aa) „Bascetta“ ist ein vor allem in Italien vorkommender Familienname, seltener auch ein Vorname. Im Kunstbereich des Papierfaltens bezeichnet „Bascetta“ eine bestimmte Form eines Weihnachtssterns, welcher als modulares Origami aufgebaut ist. Benannt ist dieser Stern nach dem italienischen Mathematik-Professor Paolo Bascetta, der als Erfinder des Sterns gilt (vgl. hierzu Wikipedia Online-Enzyklopädie, Stichwort: Bascetta-Stern).

24

bb) Als (italienischer) Name ist Bascetta originär schutzfähig. Wird ein Name aber als Synonym für eine bestimmte Ware oder Dienstleistung benutzt, so entfaltet er eine beschreibende Funktion. Um eine Verwendung einer Bezeichnung als beschreibende Angabe handelt es sich dann, wenn der angesprochene Verkehr in der in Frage stehenden Bezeichnung nicht (auch) einen Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen sieht, sondern nur eine Angabe über Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2003, 436, 439 – Feldenkrais).

25

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bezeichnung „Bascetta“ im beschwerdegegenständlichen Umfang vom unternehmerisch tätigen Publikum in erster Linie als Sachhinweis und nicht als Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft verstanden wird. Eine übliche beschreibende Verwendungsweise von „Bascetta“ in Bezug auf die hier in Rede stehenden Dienstleistungen lässt sich nämlich nicht feststellen.

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So beschreibt „Bascetta“ kein Merkmal der Dienstleistungen der Klasse 35, nämlich von “
Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten„. Zwar können „Bascetta“-Sterne und damit in Zusammenhang stehende Bastelsets bzw. Bastelprodukte im weitesten Sinne beispielsweise Gegenstand von Werbedienstleistungen sein, es entspricht aber nicht den Branchengewohnheiten, diese Dienstleistungen durch das beworbene Produkt zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet. Üblich ist etwa eine Bezeichnung nach Art des Mediums oder der Branche, auf die die Werbeleistungen bezogen sind, während eine Festlegung auf ein bestimmtes Themengebiet nicht erfolgt (BGH GRUR 2009, 949 – My World). „Bascetta“ lässt insoweit aber weder eine gewisse thematische Breite zu noch bezeichnet es die Zielgruppe oder die Werbeplattform. Dienstleistungsanbieter dürften sich hier nicht auf ein derartig enges Themen- bzw. Produktgebiet einschränken wollen. Auch ein Branchenhinweis ist dem Anmeldezeichen nicht zu entnehmen; denn Anhaltspunkte dafür, dass sich Bascetta als Hinweis auf die Branche des Papierfaltens entwickelt hätte, sind nicht erkennbar und auch von der Markenstelle nicht ermittelt worden. Entsprechendes gilt in Bezug auf die übrigen noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Marketing und Verkaufsförderung“ und die in Rede stehenden Beratungs- und Informationsdienstleistungen.

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Dem Anmeldezeichen kann daher die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden.

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2. Aus den genannten Gründen besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.