Urteil des BGH 2. Zivilsenat vom 13.10.2020, AZ II ZR 133/19

BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 13.10.2020, AZ II ZR 133/19, ECLI:DE:BGH:2020:131020UIIZR133.19.0

§ 171 Abs 1 HGB, § 171 Abs 2 HGB

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 14. Mai 2019, Az: 5 U 174/18
vorgehend LG Gießen, 10. August 2018, Az: 4 O 192/17

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin), über deren Vermögen mit Beschluss vom 21. Februar 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte, der mit einer Einlage von 40.000 € als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt ist, erhielt in den Jahren 2004 bis 2008 gewinnunabhängige Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 19.600 €. Im Rahmen eines Sanierungsprogramms zahlte der Beklagte 10.000 € im Jahr 2010 an die Schuldnerin zurück. Der Kläger verlangt von dem Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlange die noch offene Differenz in Höhe von 9.600 €.

2

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 9.600 € nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Die Klage sei zulässig. Die vom Kläger erstellte Tabelle im Sinne von § 175 InsO genüge zur Individualisierung der Klageforderung. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genüge es, wenn der Anspruch identifizierbar sei, wobei die Individualisierung durch eine konkrete Bezugnahme auf anderweitige Schriftstücke erfolgen könne. Die Vorlage eines beglaubigten Tabellenauszugs im Sinne von § 178 InsO sei nicht erforderlich.

6

Die Haftsumme werde zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt. Die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden könnten, überstiegen die Summe aller Ausschüttungen. Es stünden einer Insolvenzmasse von rund 4.500.000 € Forderungen in Höhe von rund 11.500.000 € gegenüber. Für die substantiierte Darlegung einer Forderung aus § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB genüge es, eine Insolvenztabelle mit festgestellten Insolvenzforderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden könnten, vorzulegen und hierauf zu verweisen. Widersprüche gegen einzelne Forderungen habe der Beklagte nicht vorgetragen. Die widerspruchslose Feststellung sei daher unstreitig. Sie entfalte gemäß § 201 InsO Rechtskraftwirkung gegenüber der Schuldnerin, weshalb der Kommanditist mit materiell-rechtlichen Einwendungen nach § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB ausgeschlossen sei. Dem stehe die fehlende Spezifizierung des Schuldgrundes in der Tabelle nicht entgegen, da diese mit der Forderungsanmeldung erfolgt sei.

7

Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Erforderlichkeit der Inanspruchnahme treffe den Kommanditisten, während dem klagenden Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich des Bestandes der Masse zukomme. Der in Anspruch genommene Kommanditist müsse belegen, dass der vorhandene Bestand der Masse genüge, um nach Abzug der Masseverbindlichkeiten sämtliche angemeldeten Insolvenzforderungen zu befriedigen. Für den Ausfall festgestellte Forderungen seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Der Ausfallvermerk verweise nur auf die Folge des § 52 Satz 2 InsO, nach dem Absonderungsberechtigte zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur berechtigt seien, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichteten oder bei ihr ausgefallen seien. Eine Substantiierung der Höhe des Ausfalls obliege dem Insolvenzverwalter ebenso wenig wie dem Gläubiger. Unabhängig davon habe der Kläger den Verkauf der Schiffe hinreichend berücksichtigt.

8

Ob der Kommanditist für Massekosten und Masseverbindlichkeiten hafte, bedürfe keiner Entscheidung. Ob der Insolvenzverwalter gegen seine Pflichten zur Bildung von Sondermassen verstoßen habe, könne erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens in einem Verfahren über Ansprüche gemäß § 60 InsO geprüft werden. Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, der Insolvenzverwalter habe Masseverbindlichkeiten fälschlicherweise mit Mitteln aus eingezogenen Haftbeiträgen anderer Kommanditisten beglichen, stünden diese Mittel jedenfalls derzeit für die Befriedigung von Gesellschaftsgläubigern nicht (mehr) zur Verfügung. Den Interessen der Insolvenzgläubiger an einer möglichst weitgehenden Befriedigung gebühre Vorrang vor den Interessen der Kommanditisten. Bei der zu bildenden Sondermasse handle es sich nicht um ein Sondervermögen. Die rechnerische Berücksichtigung sei ausreichend.

9

Ob Massekosten und Masseverbindlichkeiten in einer Größenordnung von 2.000.000 € aus der Insolvenzmasse bedient worden seien, sei unerheblich, da diese ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge aus der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhandenen Masse hätten befriedigt werden können. Es bestehe keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, aus der vorhandenen Masse vorrangig diejenigen Forderungen zu bedienen, für die eine Haftung des Kommanditisten bestehe.

10

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

11

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger den Klagegrund den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend bezeichnet und hinreichend substantiiert dargelegt hat, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen.

12

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Klageanspruch durch Bezugnahme auf die vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle hinreichend individualisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15, 17). Dass die angemeldeten Forderungen dort nur schlagwortartig (z.B. „Warenlieferung“, „Dienstleistung“ o.ä.) ohne Bezugnahme auf eine konkrete Berechnung oder einen Leistungszeitraum bezeichnet wurden, steht einer hinreichenden Individualisierung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11 mwN). Für eine Individualisierung des Klageanspruchs im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (BGH, Urteil vom 16. November 2016 – VIII ZR 297/15, MDR 2017, 295 Rn. 12 mwN; Urteil vom 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19, ZIP 2020, 1561 Rn. 22; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11). Dabei genügt eine konkrete Bezugnahme auf der Klageschrift beigefügte Anlagen (BGH, Urteil vom 17. März 2016 – III ZR 200/15, WM 2016, 2136 Rn. 19 mwN; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11).

13

Diesen Voraussetzungen entspricht die Darlegung des Klägers zu dem der Klage zugrundeliegenden tatsächlichen Geschehen. Der Kläger hat eine später aktualisierte Forderungsaufstellung vorgelegt, die durch Kennzeichnung der Forderungen mit laufender Nummer, Gläubiger und Betrag auf die Forderungsanmeldungen nach § 174 Abs. 1 und Abs. 2 InsO im Insolvenzverfahren Bezug nimmt. Damit ist eine Zuordnung der einzelnen Forderungsbeträge erfolgt, die den Klagegegenstand auch im Hinblick auf die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) eines späteren Urteils in dieser Sache ausreichend individualisiert (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 12 mwN). Die Klageforderung ist deshalb entgegen der Auffassung der Revision auch nicht verjährt.

14

2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Berufungsgerichts, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung bestanden haben. Das Berufungsgericht hat weder die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers verkannt noch hat es das Bestreiten der Gläubigerforderungen durch den Beklagten zu Unrecht als unbeachtlich angesehen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Einwand des Beklagten nicht berücksichtigt, die für den Ausfall festgestellten Forderungen seien nach Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des zweiten Schiffs in Höhe von rund 6.000.000 € erfüllt, vermag die Feststellung nicht zu erschüttern, da die verbleibenden Gläubigerforderungen in Höhe von ca. 5.500.000 € die Klageforderung übersteigen.

15

a) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 – II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 mwN; Beschluss vom 9. Februar 2009 – II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rn. 4). Zur Darlegung der Gläubigerforderungen, für die der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB haftet, ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter, der während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht ausübt, die Insolvenztabelle vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – II ZR 37/10, juris Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15; jeweils mwN; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 14).

16

Das Bestreiten der Gläubigerforderungen ist unbeachtlich, wenn dem Kommanditisten Einwendungen aufgrund der Wirkungen der widerspruchslosen Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle nach § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB abgeschnitten sind. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten des Kommanditisten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 21 ff.). Beruft sich der Insolvenzverwalter auf die Feststellung der Gläubigerforderungen zur Insolvenztabelle, genügt er entgegen der Sicht der Revision seiner Darlegungslast, wenn er deren Feststellung nach § 178 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 InsO behauptet, gegebenenfalls unter Bezugnahme auf eine von ihm erstellte tabellarische Übersicht (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 15 mwN). Für die Darlegung kommt es allein auf die Behauptung einer widerspruchslosen Feststellung an. Erst wenn die Behauptung des Insolvenzverwalters mit einer hinreichenden Erklärung nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO bestritten wurde, muss die Feststellung der Gläubigerforderungen vom Insolvenzverwalter bewiesen werden. Die erklärungsbelastete Partei hat – soll ihr Vortrag beachtlich sein – auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich „substantiiert“, d.h. mit näheren Angaben, zu erwidern. Ein substantiiertes Vorbringen kann grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden. Eine nähere Stellungnahme zu den Forderungen, die in der Insolvenztabelle festgestellt wurden, ist dem Beklagten auch möglich. Die erforderlichen Informationen kann er von der Schuldnerin einfordern. Im Insolvenzverfahren richtet sich der Informationsanspruch des Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB, der während der laufenden Insolvenz gegen den Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft geltend zu machen ist. Zusätzlich kann er um Akteneinsicht nach § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 2 ZPO ersuchen (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 20 mwN; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 15).

17

Diese Grundsätze gelten auch für die persönliche Forderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers, die „für den Ausfall“ oder „in Höhe des nachzuweisenden Ausfalls“ festgestellt wurde (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 16). Diese Beschränkung deutet nur auf das nach § 52 Satz 2, § 190 InsO eingeschränkte Recht des absonderungsberechtigten Gläubigers bei der Verteilung hin und berührt nicht die Wirkung der Feststellung nach § 178 Abs. 3 InsO (RGZ 22, 153, 154; 139, 83, 86; BGH, Urteil vom 25. Juni 1957 – VIII ZR 251/56, WM 1957, 1225, 1226; Urteil vom 30. Januar 1961 – II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429; Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 16). Erlangt ein Gläubiger aber nach Feststellung seiner Forderung zur Tabelle aus seinem Absonderungsrecht eine teilweise Befriedigung seiner Forderung, so erlischt diese insoweit gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Der Berücksichtigung der Erfüllung steht die Rechtskraftwirkung der widerspruchslosen Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht entgegen. Sie schließt die Berücksichtigung nach Rechtskraft eintretender Umstände nicht aus (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO). Auf diese Wirkung kann sich auch der Kommanditist berufen (§ 129 HGB).

18

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe zur Tabelle festgestellte Forderungen in Höhe von 11.500.000 € dargetan, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht festgestellt, der Erlös aus den Verkäufen der beiden Fondsschiffe in Höhe von 6.000.000 USD und 6.570.000 USD sei durch die Rücknahme der Forderung der Gläubigerin in Höhe von 5.541.910,92 € „hinreichend“ berücksichtigt, und der Kläger habe zur Verwendung der Erlöse nicht weiter vorzutragen. Die Gläubigerforderungen übersteigen gleichwohl die Klageforderung.

19

aa) Die vom Kläger vorgelegte Insolvenztabelle weist festgestellte Gläubigerforderungen in Höhe von 11.548.906,17 € aus. Der Einwand der Revision, der vorgelegten Tabelle sei nicht zu entnehmen, ob die Gläubigerforderungen Gegenstand eines Prüftermins gewesen seien, ist unbeachtlich. Es genügt, dass der Kläger die widerspruchslose Feststellung der Forderung behauptet hat (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 18).

20

bb) Zu Recht rügt die Revision, die Einwendung des Beklagten, die für den Ausfall festgestellten Forderungen seien infolge der Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung der beiden Fondsschiffe an die Gläubigerbanken teilweise erfüllt, sei entgegen der Ausführungen des Berufungsgerichts substantiiert und erheblich. Rechtsfehlerhaft ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kaufpreis in Höhe von 12.570.000 USD, der je nach Wechselkurs rund 11.500.000 € entspricht, sei durch Rücknahme der Forderung in Höhe von 5.541.910,92 € „hinreichend“ berücksichtigt, ohne Feststellungen dazu zu treffen, was mit den verbleibenden rund 6.000.000 € geschehen ist.

21

(1) Der Beklagte hat vorgetragen, die H.        bank habe bei einem Kaufpreis der Schiffe in Höhe von zusammen ca. 11.500.000 € durch Rücknahme der Forderung in Höhe von 5.541.910,92 € nur den Erlös eines Schiffes berücksichtigt, sodass der Verkaufspreis des zweiten Schiffes in Höhe von 6.570.000 USD noch von den für den Ausfall festgestellten Forderungen abzuziehen sei. Nach Abzug des (umgerechneten) Betrages ergäben sich noch Ausfallforderungen in Höhe von 5.452.986,27 €. Das Berufungsgericht stellt nicht fest, dass der Kläger dieser substantiierten Einwendung seinerseits substantiiert entgegengetreten wäre, etwa durch Vortrag von Verwertungskosten.

22

(2) Angesichts der erheblichen Lücke in den festgestellten Beträgen ist die Erwägung des Berufungsgerichts, die Zahlung sei hinreichend berücksichtigt, nicht nachvollziehbar. Auch bei revisionsrechtlicher Unterstellung dieses Vortrags übersteigen die Gläubigerforderungen in Höhe von 5.452.986,27 € jedoch die Klageforderung.

23

3. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, für die Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter sei es unerheblich, ob die Forderungen, für die die Kommanditisten haften, bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter der Höhe nach gedeckt sind.

24

a) Dem Kommanditisten steht gegenüber dem Insolvenzverwalter der Einwand zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden, für die er haftet, nicht erforderlich ist (RGZ 51, 33, 38; BGH, Urteil vom 16. Mai 1958 – II ZR 83/57, NJW 1958, 1139; Urteil vom 11. Dezember 1989 – II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344; Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 18; Beschluss vom 18. Oktober 2011 – II ZR 37/10, juris Rn. 9; Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 39). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 – II ZR 54/77, WM 1978, 898, 899; Urteil vom 9. Februar 1981 – II ZR 38/80, WM 1981, 761; Urteil vom 11. Dezember 1989 – II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344; Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 39).

25

Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten ist ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich ist. Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung dieser Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits ganz oder teilweise aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht alleine davon abhängig, ob diese Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können (BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25 ff. mwN).

26

b) Das Berufungsgericht hat danach den Einwand des Beklagten, die Insolvenzmasse decke nur deswegen nicht die Gläubigerforderungen, hinsichtlich derer eine Haftung der Kommanditisten bestehe, weil der Kläger Verbindlichkeiten beglichen habe, für die eine Haftung der Kommanditisten nicht bestehe, zu Unrecht für unerheblich angesehen. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Inanspruchnahme des Kommanditisten erforderlich ist, wenn die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können, die Summe aller Ausschüttungen übersteigen, hierzu aber keine Feststellungen getroffen.

27

4. Die Entscheidung erweist sich in diesem Punkt auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Es bedarf weiterer Feststellungen dazu, ob die Forderungen, für die die Kommanditisten haften, durch die Zahlungen anderer Kommanditisten der Höhe nach gedeckt sind.

28

a) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Kläger von den Gesellschaftern der Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Hinblick auf deren Außenhaftung Zahlungen erhalten hat und in welcher Höhe Verbindlichkeiten von der Außenhaftung erfasst sind.

29

Soweit das Berufungsgericht der Sache nach festgestellt hat, der ursprüngliche Massebestand habe zur Tilgung von Massekosten und Masseverbindlichkeiten ausgereicht, trägt dies – unabhängig davon, dass diese Feststellung angesichts des ausdrücklichen Bestreitens des Beklagten und der festgestellten Zahlenlage nicht nachvollziehbar ist – die Verurteilung des Beklagten nicht. Das Berufungsgericht stellt nicht fest, dass die (noch) vorhandene Masse die von den Kommanditisten eingezahlte Summe überschreitet oder nur in Höhe beglichener Gläubigerforderungen unterschreitet, für die die Kommanditisten haften. Dass Massekosten und Masseverbindlichkeiten aus der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfügbaren Masse beglichen werden konnten, bedeutet nicht, dass alle zwischenzeitlichen Zahlungseingänge noch der Höhe nach in der Masse vorhanden sind.

30

b) Das neue Vorbringen des Beklagten im Revisionsverfahren, der Kläger habe bis zum 6. Mai 2019 Zahlungen anderer Kommanditisten in Höhe von 6.829.314,22 € eingezogen, ist bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen.

31

aa) § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, dass lediglich dasjenige Vorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Urteilsgrundlage wird durch das Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Neue Tatsachen dürfen im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214, 221 f.; Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21; Urteil vom 2. März 2017 – I ZR 273/14, NJW-RR 2017, 676 Rn. 44; alle mwN).

32

bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Berücksichtigung des neuen Vorbringens verletzt schützenswerte Belange des Klägers. Die Feststellungen des Berufungsgerichts sind aufgrund des neuen Vortrags unzureichend und der Kläger hat hierdurch Anlass zu weiterem Vortrag.

33

Unter Berücksichtigung des revisionsrechtlich als wahr zu unterstellenden Vortrags des Beklagten (dazu 2. b) bb)) sind Gläubigerforderungen in Höhe von 5.452.986,27 € zu berücksichtigen. Die Zahlungen der Kommanditisten überschreiten diese. Die Berücksichtigung der neuen Tatsache erfordert Feststellungen dazu, ob und in welcher Höhe vom Erlös der Schiffe Kosten der Feststellung oder Verwertung (§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO) abzuziehen sind. Der Kläger hat darüber hinaus Anlass vorzutragen, ob zwischenzeitlich weitere, auch nachrangige Forderungen angemeldet wurden, für die die Gesellschafter haften.

34

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Beklagten zum einen davon abhängig ist, in welchem Umfang die Forderungen, für die der Beklagte haftet, bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld gedeckt sind und zum anderen, ob die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich genügt, einen danach verbleibenden Restbetrag zu decken.

35

Soweit sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, dass die Forderungen, für die die Gesellschafter haften, durch Zahlungen anderer Kommanditisten bereits gedeckt sind, wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der unter II. 2. a) dargestellten Darlegungs- und Beweislastgrundsätze zu prüfen haben, ob die Inanspruchnahme des Beklagten unter Berücksichtigung der sonst zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse erforderlich ist. Diese Prüfung ist von einer Prognose abhängig, die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Der Kläger ist angesichts dessen berechtigt, den nach den Verhältnissen der Insolvenzmasse für die Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag unter Berücksichtigung solcher Unsicherheiten zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 34).

  • Drescher
  • Wöstmann
  • Born
  • Bernau
  • V. Sander