BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 06.10.2020, AZ 29 W (pat) 17/18, ECLI:DE:BPatG:2020:061020B29Wpat17.18.0
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG, § 263 ZPO
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2016 204 832
(hier: Nichtigkeitsverfahren S 141/16)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 6. Oktober 2020 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Akintche und Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die angegriffene Wortmarke 30 2016 204 832
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BUX BURGER
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ist am 13. Februar 2016 angemeldet und am 13. Juni 2016 für die Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 01: Alginate für die Lebensmittelindustrie; Aus Sojabohnen gewonnenes Protein [Rohstoff] für die Herstellung von Lebensmitteln; Bakterien für die Lebensmittelindustrie; Bromiertes Pflanzenöl zur Verwendung als Emulsionsmittel in der Lebensmittelerzeugung; Carrageenin für die Herstellung von Lebensmitteln; Chemische Erzeugnisse für die Lebensmittelkonservierung; Chemische Erzeugnisse zum Frisch-halten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Emulgatoren für die Herstellung von Lebensmitteln; Emulgatoren für die Lebens-mittelindustrie; Enzyme zur Verwendung in Lebensmitteln; Geschmacksverbesserer für Lebensmittel; Geschmacksverbesse-rungssubstanzen für Lebensmittel; In Sprühverfahren getrockneter Akaziengummi [Gummiarabikum] für die Herstellung von Lebensmitteln; Konservierungssalz, nicht für Lebensmittel; Lezithin für die Lebensmittelindustrie; Meersalz zur Konservierung, ausge-nommen von Lebensmitteln; Milchfermente für die Lebensmittel-industrie; Proteine für die Herstellung von Lebensmitteln; Proteine für die Lebensmittelindustrie;
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Klasse 29: Fleischerzeugnisse in Form von Burgern;
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Klasse 31: Lebende Insekten;
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Klasse 40: Lebensmittelverarbeitung,
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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden.
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Am 20. Juli 2016 hat die Antragstellerin beim DPMA die vollständige Löschung dieser Marke beantragt. Im amtlichen Formular ist als Löschungsgrund angekreuzt, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 – 3 MarkenG eingetragen worden sei.
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Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat diesem Löschungsantrag, der ihr am 13. August 2016 zugestellt worden war, mit am 5. Oktober 2016 beim DPMA per Fax eingegangenem Schriftsatz widersprochen.
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Mit Beschluss vom 28. Februar 2018 hat die Markenabteilung 3.4 den Antrag auf Löschung der Wortmarke 30 2016 204 832 zurückgewiesen.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass allein die Schutzfähigkeit der Marke „BUX BURGER“ zu beurteilen sei, nicht hingegen die der Bezeichnungen „Bug´s Burger“ oder „Bug Burger“. Weder die Recherche der Markenabteilung noch die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen hätten eine beschreibende Verwendung des Begriffs „BUX BURGER“ für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen zu belegen vermocht. Es sei nicht erkennbar, dass der angesprochene Verkehr zum Zeitpunkt der Anmeldung in der Bezeichnung „BUX BURGER“ einen beschreibenden Hinweis auf einen mit Käfern bzw. Insekten gefüllten „Hamburger“ gesehen haben könnte. Allenfalls sei der Begriff „Bugburger“ – entsprechend den eingeführten Bezeichnungen Hamburger oder Cheeseburger – als beschreibend zu erachten. Hierzu weise die angegriffene Marke „BUX BURGER“ aber zwei Abwandlungen auf, nämlich einerseits den hier sprachlich ungewöhnlichen sächsischen Genitiv und anderseits auf diesem fußend die Schreibweise mit dem Buchstaben „x“. Die Presseberichte, denen die Bezeichnung „Bux Burger“ entnommen werden könne, seien entweder einen Tag vor der Anmeldung oder Tage danach veröffentlicht worden. Weiterhin ließen diese zudem durch das Setzen von Anführungsstrichen eher auf eine namensmäßige als auf eine beschreibende Verwendung schließen. Die angegriffene Marke sei daher nicht zu löschen.
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Gegen die Zurückweisung ihres Löschungsantrags durch die Markenabteilung 3.4 wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
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Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass der Streitmarke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen zum Anmeldezeitpunkt als beschreibender Angabe jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gefehlt habe und auch jetzt noch fehle. Bei „BUX BURGER“ handle es sich lediglich um eine Abwandlung des Sachbegriffs „Bug’s Burger“. Der dem Verkehr ohne weiteres bekannte Begriff „Burger“ beschreibe ein warmes Schnell- oder Fertiggericht, das üblicherweise zumindest aus einem
Bun, das Brötchen, und einem
Patty, eine gegrillte Scheibe üblicherweise aus Rinderhackfleisch, bestehe. Dabei gebe es eine Vielzahl von Varianten, nämlich Cheeseburger, Chickenburger, Fischburger, Pulled-Pork- bzw. Pulled-Beef Burger oder vegetarische Varianten wie den Veggie-Burger, der meistens mit einem Gemüsebratling belegt sei. Hier reihe sich der Bug’s Burger ein, wobei für das Patty anstelle des Rinderhackfleischs nun Insekten (engl. Bug) oder deren Vorstufen im Sinne von Larven verwendet würden. Das Zeichen „BUX BURGER“ stelle somit eine beschreibende Angabe eines Insekten-Burgers in abgewandelter Schreibweise dar. Die Abwandlung von BUG’s zu BUX sei derart geringfügig, dass dies keine Unterscheidungskraft begründe; es handle sich um eine unwesentliche veränderte Schreibweise ohne individualisierende Eigenheit. Die angesprochenen Verkehrskreise bemerkten entweder die Abweichung zur richtigen Schreibweise nicht oder sie hielten diese lediglich für einen orthografischen Schreibfehler. Die für die streitgegenständliche Marke eingetragenen Waren und Dienstleistungen deckten mögliche Zutaten für die Herstellung eines solchen Burgers ab, so dass zumindest von einem engen beschreibenden Bezug hierzu auszugehen sei. Unerheblich sei zudem, dass eine beschreibende Verwendung des Begriffes BUX BURGER für diese Waren und Dienstleistungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen sei. Denn es genüge, dass vernünftigerweise in der Zukunft eine solche erwartet werden könne. Es sei nur schwer vorstellbar, dass Bux Burger künftig nicht die gängige Verkehrsbezeichnung für einen Insekten Burger werden solle. Niemand bezeichne in Deutschland einen „Cheeseburger“ als „Käse Burger“ oder einen „Bacon Burger“ als „Schinken Burger“. Insbesondere seien Fast Food-Systemanbieter darauf ausgerichtet, ihre Produkte unter englischsprachigen Begriffen anzubieten und diese würden auch von Verbraucherkreisen akzeptiert und konsumiert. Es bedürfe somit keines lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass „BUX BURGER“ bereits als Sachaussage im Verkehr geläufig sei oder verwendet werde.
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Im Löschungsverfahren vor dem DPMA hat die Antragstellerin zudem schriftsätzlich angemerkt, dass auch die Voraussetzungen des § 8 Nr. 10 MarkenG erfüllt scheinen. Denn in der Begründung zu ihrem Widerspruch gegen die Löschung habe die Markeninhaberin selbst darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin den Begriff „Bux Burger“ schon seit 2015 verwende, hierüber geschrieben habe, andere Presseartikel darauf zurückgingen und die Antragstellerin nicht zuletzt für den „Bux Burger“ verschiedene Auszeichnungen erhalten habe. Damit habe die Markeninhaberin zugegeben, die Marke ausschließlich zu dem Zweck angemeldet zu haben, die von der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke bereits öffentlich wirksam vermarktete Entwicklung unter der Bezeichnung „Bux Burger“ zu stören und zu behindern.
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Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 28. Februar 2018 aufzuheben und die Eintragung der Marke 30 2016 204 832 für nichtig zu erklären und zu löschen.
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Die Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Markenabteilung habe zu Recht den Löschungsantrag zurückgewiesen. Bei der Marke „BUX BURGER“ handle es sich nicht um eine beschreibende bzw. freihaltebedürftige Angabe. Der Begriff „BUX“ könne nicht mit dem Wort „Bug“ bzw. Bug’s gleichgesetzt werden. Ein Rückschluss auf Buxbäume oder auf den Begriff „Bucks“ als Bezeichnung für Dollarscheine liege näher. Im Übrigen könne das Wort „bug“ neben der Bedeutung „Insekt/ Käfer“ auch eine Krankheit oder ein Computerproblem bezeichnen. Aufgrund der zweifachen Abwandlung des Begriffes Bug hin zu Bux ergebe sich eine ausreichende Unterscheidungskraft. Dabei sei der sächsische Genitiv ungewöhnlich, insbesondere bei der Bezeichnung von Burgern. So werde der Chickenburger nicht Chicken’s Burger oder der Cheeseburger nicht Cheese’s Burger genannt. Auch werde der Buchstabe „X“ nicht übersehen und ebenso wenig als ein offensichtlicher Fehler erachtet. Schließlich werde „Bux Burger“ in den eingereichten Zeitungsartikeln in Anführungszeichen genannt und somit als neuer Begriff dargestellt, den keiner kenne.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
I.
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Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Denn der Eintragung der streitgegenständlichen Marke
BUX BURGER stehen und standen die geltend gemachten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG nicht entgegen. Die Markenabteilung 3.4 hat den Löschungsantrag daher zu Recht zurückgewiesen.
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A) Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
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Die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG ist seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 auf das vorliegende Verfahren anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung gilt (vgl. BGH MarkenR 2020, 350 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II). Danach wird die Eintragung einer Marke auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Ist der Antrag auf Löschung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG – wie vorliegend am 20. Juli 2016 – vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden, so ist § 50 Abs. 2 MarkenG nach der Übergangsvorschrift des § 158 Abs. 8 Satz 2 MarkenG in seiner bisher geltenden Fassung anzuwenden. Gleiches gilt für die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG, die vorliegend in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. Art 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).
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B) Dem konkret auf das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützten und auch ansonsten nach §§ 50, 54 MarkenG zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin hat die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin rechtzeitig innerhalb der Zwei-monatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen. Das Löschungs- bzw. Nichtigkeitsverfahren war daher gemäß § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG durchzuführen.
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C) Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2014, 565 Rn. 10 – smartbook; GRUR 2014, 483 Rn. 22 – test; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a. F.). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix; BGH GRUR 2010, S. 138 – ROCHER-Kugel; GRUR 2014, 565 – smartbook).
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1. In Beachtung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung und Löschung der Marke
BUX BURGER nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht vor.
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a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 – Kit Kat; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2014, 373 Rn. 20 – KORNSPITZ; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 – Matratzen Concord/ Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungs- kraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 Rn.46 – Deichmann; GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 Rn. 30 und 32 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 Rn. 12 – DüsseldorfCongress; GRUR 2014, 569 Rn. 14 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat).
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Hierfür reicht es aus, dass ein Zeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; 674 Rn. 97 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 – BIOMILD). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rn. 77 f. – CELLTECH; a. a. O. Rn. 98 – Postkantoor; BGH, a. a. O. – DüsseldorfCongress).
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b) Es kann nicht festgestellt werden, dass es der angegriffenen Marke
BUX BURGER im Zusammenhang mit den eingetragenen Waren und Dienstleistungen an der erforderlichen Unterscheidungskraft mangelt.
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aa) Angesprochener Verkehr sind in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 40 und die Waren der Klasse 1 und 31 in erster Linie Fachkreise aus dem Bereich der Lebensmittelproduktion. Die Waren der Klasse 29 richten sich auch an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher.
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bb) Die Streitmarke setzt sich aus den Bestandteilen „Bux“ und „Burger“ zusammen.
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Dass es sich bei dem Markenbestandteil „Burger“ (= nach Art des Hamburgers belegtes Brötchen, Herkunft: englisch burger, gekürzt aus hamburger = Hamburger; vgl. DUDEN Online) um ein – mittlerweile eingedeutschtes – Wort handelt, das für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen aus dem Lebensmittelbereich beschreibend sein oder jedenfalls hierzu einen engen beschreibenden Bezug aufweisen kann, wird auch von der Markeninhaberin nicht in Zweifel gezogen.
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Dem vorangestellten Wort „Bux“ kommen unterschiedliche Bedeutungen zu. So handelt es sich zum einen um die übliche umgangssprachliche Kurzbezeichnung des – nicht verzehrgeeigneten, weil giftigen – Buxbaums bzw. Buchsbaums, wie den den Beteiligten vorab übersandten Belegen zu entnehmen ist. „Bux“ ist zudem die Bezeichnung eines Ortsteils des Marktes Scheidegg (Landkreis Lindau) und in der Schreibweise „BUX“ die lexikalisch erfasste Abkürzung für den Aktienindex der Budapester Börse (ähnlich dem DAX in Deutschland). Ferner handelt es sich um einen auch in Deutschland vereinzelt vorkommenden Familiennamen. Im norddeutschen Raum wird mit „Bux“ umgangssprachlich eine „Hose“ bezeichnet. Das Wort „Bux“ wird schließlich marken- bzw. firmenmäßig verwendet, um auf einen örtlichen Bezug zu Firmen in
Buxtehude anzuspielen (z. B. Bux-Bau GmbH, buxtrade GmbH).
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cc) Für die Streitmarke kommt in den vorgenannten Bedeutungen – z. B. „Bux(baum)Burger“, „Burger aus dem Ortsteil „Bux“, „Bux Burger“ als Wortverbindung unter Verwendung des Nachnamens Bux oder „Bux(tehude)-Burger“ – ein im Vordergrund stehender Sachhinweis jeweils nicht bzw. nicht ernsthaft in Betracht.
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dd) Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Wortbildung „Bux Burger“ reihe sich ohne weiteres in ähnliche englische Sachbezeichnungen für Burgervariationen – wie „Cheeseburger“, „Veggieburger“ oder „Chickenburger“ – ein und bezeichne daher einen Insekten- bzw. Käferburger, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
40
Denn im Englischen existiert das Wort „Bux“ als solches nicht. Es lässt sich auch nicht nachweisen, dass „Bux“ eine im englischsprachigen Raum gebräuchliche Schreibweise des Begriffs „bugs“ darstellt, wobei „bugs“ mit „Ungeziefer, Wanzen, Käfer“ und aus dem Amerikanischen auch mit „Insekten“ übersetzt werden kann (vgl. Online Wörterbücher LEO, PONS und dict.cc). Die Wortbildung „Bux Burger“ ist insoweit daher weder sprachüblich gebildet noch aus sich heraus zwanglos mit „Bugsburger“ gleichzusetzen.
41
ee) Auch soweit die Streitmarke als
Abwandlung des englischen Begriffs „bugs burger“ und damit als Hinweis auf ein „Insektenburger“ und deren Zutaten aufgefasst werden sollte, führt dies nicht zur Schutzunfähigkeit des Zeichens. Denn Abwandlungen beschreibender Angaben können trotz möglicher inhaltlicher Bezugnahme auf den jeweiligen Fach- bzw. Sachbegriff (noch) unterscheidungskräftig sein (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 196). Ein solcher Fall liegt hier vor, der Abwandlung kommt ein individualisierender Charakter zu.
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(1) Dass das angesprochene Publikum „BUX BURGER“ dabei als Abwandlung von „BUG´S BURGER“ – also der Angabe unter Verwendung des „sächsischen Genitivs“ – wahrnehmen würde, liegt aus Sicht des Senats fern. Denn die Sachangaben für Burger, z. B. Chickenburger, werden nicht mittels des englischen possessive case bzw. des Genitivs gebildet; eine solche Bildung entspräche auch nicht mehr der Bedeutung eines Burgers aus Hühnchenfleisch, da es sich dann um einen Burger im Besitz des Hühnchens handeln würde.
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(2) In Betracht kommt allenfalls eine Abwandlung des Begriffs „Bugs Burger“ bzw. „Bugsburger“. Dabei handelt es sich bei „Bugsburger“ aus Sicht des Senats tatsächlich um eine sprachüblich gebildete, beschreibende Bezeichnung für einen „Insektenburger“ bzw. „Käferburger“; insofern mag die Angabe „Bugsburger“ einen beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistungen und die Art und Bestimmung der Waren der Klassen 1, 29 und 31 geben, mithin darauf, dass diese als Zutaten für die Zubereitung eines solchen Burger bestimmt und geeignet sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dabei auch der Endverbraucher die Bedeutung von „Bug(s)“ kennt, was durchaus naheliegt, denn weltweit stellen Bettwanzen wieder eine große Plage für Beherbergungsbetriebe dar und Reisende informieren sich in der Regel über „bedbugs“ (= Bettwanzen) oder sie leiten sich die Bedeutung von „Bug“ für „Wanze, Ungeziefer“ über den EDV- Fachbegriff für einen Programmfehler her. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass die Fachkreise und der sprachkundige Handel im Novel Food-Bereich um die Bedeutung von „Bug(s)burger“ wissen.
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(3) Die Änderung bzw. Abwandlung von „Bugs Burger“ zu „BUX BURGER“ ist, anders als die Beschwerdeführerin meint, weder geringfügig noch wird das angesprochene Publikum von einem Hör- oder Druckfehler ausgehen. Für die gegenteilige Annahme ist nichts feststellbar.
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Der angesprochene inländische Verkehr hat schon angesichts des Umstands, dass es im Deutschen den Begriff „Bux“ tatsächlich gibt und beide Markenbestandteile zum deutschen Sprachgebrauch gehören, keine Veranlassung, das Gesamtzeichen „Bux Burger“ als rein englische Wortbildung aufzufassen. Zudem ist es – wie oben bereits dargestellt -, in der englischen (Umgangs)Sprache nicht gängig oder werbeüblich, die Buchstabenfolge „gs“ mit „x“ zu verkürzen. Erst nach einem gedanklichen Zwischenschritt mag der Verkehr sich – am ehesten noch im Bereich der Waren der Klasse 29, 31 und der Dienstleistungen der Klasse 40 – an einen „Käferburger“ erinnert fühlen, eine Anspielung bzw. Abwandlung vermuten und in das Zeichen die Bedeutung „Bugsburger“ hineinlesen. Die Abweichung in der Schreibweise durch den prägnanten Buchstaben „x“ ist hierbei aber deutlich erkennbar und wird nicht als Schreibfehler gesehen werden.
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Gleiches gilt in klanglicher Hinsicht. Erst wenn der angesprochene Verkehr – nach entsprechenden Überlegungen – den Begriff „Bux“ nicht „deutsch“ im Sinne von „Buks/Bucks“, sondern „englisch“ im Sinne von „bʌks“ oder „bʌɡz“ ausspricht, wird der dahinterstehende Begriffsinhalt „Insektenburger/Käferburger“ erkennbar.
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All dies spricht gegen die Annahme der Beschwerdeführerin, dass es sich um eine geringfügige schutzunfähige Abwandlung eines beschreibenden Begriffs handelt; vielmehr wirkt die Abwandlung individualisierend, weil der Verkehr nur über gedankliche Zwischenschritte zu einem beschreibenden Verständnis gelangt.
48
ff) Eine beschreibende Verwendung der Wortbildung „BUX BURGER“ vor dem Anmeldezeitpunkt der Marke, die das Verkehrsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise hin zu einer Sachangabe entsprechend beeinflusst hätte, ist weder von der Beschwerdeführerin belegt worden noch konnte der Senat bei seiner Recherche entsprechende Nachweise ermitteln. Die einzigen Verwendungs-beispiele beziehen sich auf die Beschwerdeführerin selbst bzw. ihre Gesellschafter und zeigen – nicht zuletzt wegen der Verwendung der Anführungszeichen bei der Nennung – eine kennzeichenmäßige Nutzung der Bezeichnung „Bux Burger“ (vgl. Ausführungen wie „
Mit dem„Bux Burger“bringen die jungen Männer ein Nahrungsmittel auf den Markt, das Potenzial hat.“ oder „
Mit dem Ziel, eine nachhaltige, ressourcensparende Fleischalternative zu entwickeln, kreierten sie einen Burger aus Buffalo-Würmern, densogenannten „Bux-Burger“.); hierauf hat bereits die Markenabteilung zutreffend hingewiesen.
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gg) Es handelt sich bei der Streitmarke daher nach alledem nicht um eine im Vordergrund stehende Sachangabe, sondern um eine Wortbildung, die lediglich geschickt auf die Angabe „Bugsburger“ anspielt und daher individualisierend wirkt.
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Die Marke
BUX BURGER konnte und kann damit in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, erfüllen und ist somit unterscheidungskräftig.
51
2. Die angegriffene Marke unterlag und unterliegt ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Für das mit dem Löschungsantrag ebenfalls geltend gemachte Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bieten sich keine Anhaltspunkte. Hierzu hat die Antragstellerin auch nichts weiter vorgetragen.
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3. Soweit im Übrigen die Beschwerdeführerin im Nichtigkeits- bzw. Löschungsverfahren vor dem DPMA schriftsätzlich pauschal angemerkt hatte, dass auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG erfüllt scheinen, stellt dies einen neuen Löschungsgrund der bösgläubigen Anmeldung dar. Nach der Rechtsprechung des BGH können weitere Löschungsgründe aber nur unter den Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Regelung des § 263 ZPO Gegenstand eines laufenden Verfahrens werden, ohne ein neues Löschungsverfahren in Gang zu setzen (vgl. zuletzt BGH MarkenR 2020, 350 Rn. 17 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben; weder hat die Markeninhaberin in die Erweiterung der Löschungsgründe eingewilligt noch hat das DPMA sie offensichtlich für sachdienlich erachtet. Entsprechendes gilt für das Beschwerdeverfahren. Es mag sein, dass die Anmeldung der Marke durch die Beschwerdegegnerin tatsächlich Fragen aufwirft, es fehlt hingegen hierzu an Sachvortrag, der eine Grundlage für die Prüfung einer bösgläubigen Anmeldung bieten könnte, so dass eine Mitbehandlung dieses Löschungsgrundes nicht sachdienlich war. Die Frage einer bösgläubigen Anmeldung nach §§ 50, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (a. F.) war daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
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D) Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.