Markenbeschwerdeverfahren – „SLIMDIP“ – fehlende Unterscheidungskraft (Beschluss des BPatG München 30. Senat)

BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 01.10.2020, AZ 30 W (pat) 5/19, ECLI:DE:BPatG:2020:011020B30Wpat5.19.0

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 051 871.6

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 1. Oktober 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Das Zeichen

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SLIMDIP

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ist am 4. Juli 2014 als Wortmarke für die Waren der

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„Klasse 9: Leistungshalbleiter (-module); integrierte Schaltkreismodule; Stromleitungskonditionierer“

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zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 27. Oktober 2015 und vom 17. Oktober 2018, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, „SLIM“ sei ein Wort des englischen Grundwortschatzes mit der Bedeutung „schlank, schmal“. Die Abkürzung „DIP“ stehe im vorliegenden Warenzusammenhang nachweislich für „Dual In-Line Package“ (= zweireihiges Gehäuse) als Bezeichnung für eine bestimmte Bauform von Elektronikchips. Das Anmeldezeichen
SLIMDIP in seiner Gesamtheit beinhalte damit für alle beanspruchten Waren den beschreibenden Sachhinweis, dass diese in einer länglichen Gehäuseform untergebracht seien, die sich außerdem als schlank bzw. schmal zeige.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie macht geltend, dass die angemeldete Bezeichnung über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge. Das durchgängig in Großbuchstaben geschriebene Anmeldezeichen werde vom angesprochenen Verkehr als einheitliches Zeichen wahrgenommen.
SLIMDIP als Gesamtbegriff habe aber weder in der deutschen noch in der englischen Sprache eine Bedeutung. Es handele sich um einen Phantasiebegriff, der sich dem Verkehr nicht ohne mehrere Gedankenschritte im Rahmen einer analysierenden Betrachtungsweise erschließe.

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Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass der angesprochene Verkehr in „SLIMDIP“ eine Kombination der Einzelelemente wahrnehme, erschließe sich ihm allenfalls die Bedeutung des englischen Begriffs „SLIM“. Er sei jedoch nicht in der Lage, das englische Wort „DIP“ mit „Dual In-Line Package“ (zweireihiges Gehäuse) gleichzusetzen. Denn „DIP“ werde im deutschsprachigen Raum in erster Linie im Lebensmittelbereich verwendet und hier als Bezeichnung für eine Soße bzw. Tunke verstanden. Bei einer Kombination der Worte „SLIM“ und „DIP“ werde der Endverbraucher daher an eine diätetische Soße denken.

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„DIP“ als Kürzel von „Dual In-line Package“ habe dagegen nachweislich keinen Einzug in den deutschen Sprachgebrauch gefunden, zumal die Abkürzung richtigerweise „DILP“ lauten müsse.

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Selbst wenn man aber unterstelle, dass der angesprochene Verkehr das Zeichen
SLIMDIP als einen Hinweis auf „schlanke, zweireihig aufgebaute Gehäuse für elektronische Bauelemente“ verstehe, ergebe sich für die konkret beanspruchten Waren kein im Vordergrund stehender Begriffsinhalt. Denn dann könne
SLIMDIP allenfalls die Gehäuseform eines Gerätes beschreiben, nicht aber die beanspruchten Waren der Klasse 9 selbst.

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Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass bereits zahlreiche deutsche (Wort-)Marken für Waren der Klasse 9 eingetragen worden seien, die die Begriffe „SLIM“ oder „DIP“ enthielten. Auch das Gesamtzeichen
SLIMDIP sei in Japan, Korea und den USA jeweils für Waren der Klasse 9 eingetragen worden.

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Die Anmelderin beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. Oktober 2015 und vom 17. Oktober 2018 aufzuheben.

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Der Senat hat der Anmelderin Rechercheergebnisse übersandt. Die Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 29. September 2020 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2020, welcher auf den von ihr hilfsweise gestellten Antrag anberaumt worden war, aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Markenstelle hat zu Recht festgestellt, dass dem Anmeldezeichen in Bezug auf die relevanten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) – Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) – EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) – Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) – Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) – KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) – EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) – OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) – Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) – Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) – Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519, Nr. 46 – Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) – Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186, Nr. 30, 32 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204, Nr. 12 – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270, Nr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 – TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006).

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2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen
SLIMDIP in Bezug auf die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

21

Das Anmeldezeichen ist unmittelbar erkennbar aus dem einfachen Wort des englischen Grundwortschatzes „SLIM“ sowie der Buchstabenfolge „DIP“ zusammengesetzt.

22

Das englische Adjektiv „slim“ wird mit „schlank“ oder „dünn“ übersetzt und ist mit der Bedeutung „schlank, schmal“ auch in die deutsche Sprache eingegangen (vgl. „www.duden.de“). Dem Durchschnittsverbraucher ist es u.a. aufgrund vielfältiger Schlankheitsprodukte und Bücher hierüber (vgl. BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 525/15 – Slim Pad), aber auch aus dem Bereich Mode („Slim Fit“, „Slimpullover“, „Slimhemd“) bekannt. Dass ausgehend hiervon auch die inländischen Endverbraucher „SLIM“ im dargelegten Sinne verstehen werden, stellt die Anmelderin nicht in Abrede. Dabei wird SLIM auch im hier relevanten Elektronik- und IT-Bereich seit langem verwendet, dies gerade auch zur Bezeichnung von „schlanken“ (Computer- oder Playstation-)Gehäusen (vgl. die der Anmelderin übersandte Google-Recherche zum Stichwort „SLIM Gehäuse“, u.a. mit: „Xbox 360 Slim Gehäuse öffnen zerlegen“; „Playstation 3 Slim (…), Schrumpfversion der Playstation 3“).

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Das zweite Zeichenelement
DIP stellt nach den Rechercheergebnissen des Senats, die der Anmelderin zur Verfügung gestellt worden sind, seit langer Zeit eine etablierte Fachabkürzung für „Dual in-line package“ als Bezeichnung für eine „längliche Gehäuseform für elektronische Bauelemente“ dar, vgl. etwa den der Anmelderin zur Verfügung gestellten Wikipedia-Eintrag (Hervorh. d. d. Senat):

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„Der englische Begriff Dual in-line package (
Akronym DIP, auch Dual In-Line, kurz DIL, dt. »zweireihiges Gehäuse«) ist eine längliche Gehäuseform (engl. Package) für elektronische Bauelemente, bei der sich zwei Reihen von Anschlussstiften (Pins) zur Durchsteckmontage an gegenüberliegenden Seiten des Gehäuses befinden.“

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Die von der Anmelderin beanspruchten Waren der Klasse 9 („Leistungshalbleiter(-module); integrierte Schaltkreismodule; Stromleitungskonditionierer“) bedürfen eines Trägermaterials bzw. können in solche DIP-Gehäuse eingebracht werden, vgl. die Anlage „Halbleitertechnologie Packaging“ (27. August 2006):

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„Unter Packaging versteht man die Prozessschritte, bei denen der Chip mit einem Trägermaterial (Substrat) verbunden wird, also zum Beispiel die Einbringung in ein Gehäuse (Package) und elektrische Kontaktierung. Das Packaging hat folgende Aufgaben:

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o Schutz der Schaltung vor äußeren Einflüssen

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o Die Kontakte auf dem Chip in handhabbare Anschlüsse nach außen führen

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o Versorgung der Schaltung mit Energie

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o Abfuhr von Verlustleistung

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o Verteilung der Signale und Daten“

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Ein Qualitätsmerkmal dieser Gehäuse ist dabei ihre geringe Dicke / Schmalheit, vgl. erneut die Anlage „Halbleitertechnologie Packaging“ (Hervorh. d. d. Senat):

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„Der Trend geht dabei zu immer kleineren und dünneren Packages (Chip Size Package, CSP), wobei das Gehäuse nur unwesentlich größer ist als der Chip (Länge und Breite typisch um Faktor 1,2). Bekannte Gehäuseformen sind zum Beispiel:

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o PGA – Pin Grid Array (bekannt vor allem bei Prozessoren)

35

o BGA – Ball Grid Array

36

o
DIP – Dual Inline Package“

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Ausgehend hiervon weist das Anmeldezeichen
SLIMDIP in Bezug auf die Waren

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„Klasse 9: Leistungshalbleiter (-module); integrierte Schaltkreismodule; Stromleitungskonditionierer“

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glatt beschreibend darauf hin, dass diese Produkte Bestandteile eines besonders dünnen bzw. schmalen DIP-Gehäuses sind bzw. für die Einbringung in ein solches Gehäuse geeignet und bestimmt sind.

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Das Anmeldezeichen erschöpft sich somit in einem glatt beschreibenden Sachhinweis auf die Art und die Bestimmung der relevanten Waren.

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3. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beschwerde („DIP“ als Hinweis auf „Soße, Tunke“) greifen nicht durch. Jedenfalls der angesprochene Fachverkehr wird das Anmeldezeichen im Zusammenhang mit den relevanten Waren ohne weiteres im dargelegten Sinne verstehen, was aber für die Verneinung der Unterscheidungskraft ausreicht. Im Übrigen ist davon ausgehen, dass auch interessierte Verbraucherkreise das Fachkürzel „DIP“ kennen und ausgehend hiervon
SLIMDIP im vorliegenden Warenzusammenhang beschreibend verstehen werden (vgl. hierzu etwa auch die Anlage “
www.linuxforen.de aus 2003, „DIL/DIP Unterschied“).

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4. Die Marke kann damit in Bezug auf die relevanten Waren ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten relevanten Waren zu garantieren, nicht erfüllen. Ihr steht daher das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen.

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5. Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen Bezug nimmt, entfalten in rechtlicher Hinsicht selbst identische oder vergleichbare Voreintragungen keine Bindungswirkung (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 – Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.

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6. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.