1. Im Frachthaftungsprozess kommt es nicht auf die Frage an, wem die Entschädigung letztlich zusteht (im Anschluss… (Urteil des BGH 1. Zivilsenat)

BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 23.07.2020, AZ I ZR 119/19, ECLI:DE:BGH:2020:230720UIZR119.19.0

§ 407 HGB, § 421 Abs 1 S 3 HGB, § 425 Abs 1 HGB, § 425 Abs 2 HGB, § 431 HGB

Leitsatz

1. Im Frachthaftungsprozess kommt es nicht auf die Frage an, wem die Entschädigung letztlich zusteht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 20. April 1989 – I ZR 154/87, TranspR 1989, 413, 414 [juris Rn. 16]).

2. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 435 HGB erfüllt sind, ist auch dann zu prüfen, wenn nur ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO ergeht.

3. Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Absenders, wonach beladene Fahrzeuge beim Parken zu überwachen oder dort abzustellen sind, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist, erlegt dem Frachtführer keine über das gesetzliche Maß hinausgehenden Sorgfaltspflichten auf.

4. Aus § 7a Abs. 2 Satz 1 GüKG ergibt sich für den Absender keine gegebenenfalls zur Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 BGB führende Warnobliegenheit.

5. Wenn der Frachtführer mangels eines ihm anzulastenden qualifizierten Verschuldens im Sinne des § 435 HGB nur beschränkt auf den Haftungshöchstbetrag gemäß § 431 HGB haftet, wirkt sich ein Mitverschulden des Absenders oder Empfängers nur dann auf seine Haftung aus, wenn sein auf den Gesamtschaden bezogener Haftungsanteil betragsmäßig hinter der Haftungssumme des § 431 HGB zurückbleibt.

6. Der Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass ein Mitverschulden nicht zum gänzlichen Haftungsausschluss führt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 – I ZR 212/08, NJW 2011, 2138 Rn. 35 – Mega-Kasten-Gewinnspiel, mwN).

7. Zu den Voraussetzungen, unter denen im Fall der gemäß § 435 HGB unbeschränkten Haftung des Frachtführers der Erlass eines Grundurteils in Betracht kommt.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Celle, 13. Juni 2019, Az: 11 U 6/19, Urteil
vorgehend LG Verden, 10. Dezember 2018, Az: 10 O 101/17

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Juni 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist nach ihrem Vortrag alleiniger Transportversicherer der B.  C.    Germany GmbH (im Folgenden: Absenderin). Diese beauftragte die Beklagte mit dem Transport einer Sendung von Bauteilen für Katalysatoren zu fixen Kosten vom Lager der G.   Spedition GmbH & Co. KG in N.    nach Ne.     und E.    . Zwischen der Absenderin und der Beklagten bestand eine ständige Geschäftsbeziehung. In deren Rahmen hatte sich die Beklagte verpflichtet, die Vorgaben des Anforderungsprofils der Absenderin für Transporte im Straßengüterverkehr und kombinierten Verkehr zu beachten. Im Teil 1 Abschnitt A des Anforderungsprofils hieß es unter 5.3 (im Folgenden: Klausel 5.3):

Werden beladene Fahrzeuge geparkt, so sind sie zu überwachen oder dort abzustellen, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist. Mit Gefahrgut beladene Fahrzeuge dürfen in reinen Wohngebieten nicht abgestellt werden.

2

Die Beklagte unterbeauftragte die Streithelferin zu 1 mit dem Transport. Die Streithelferin zu 2 ist der Transportversicherer der Streithelferin zu 1.

3

Am 22. November 2016 wurde ein Planen-Sattelauflieger der Streithelferin zu 1 bei der G.   Spedition GmbH & Co. KG beladen. Der Fahrer der Streithelferin zu 1 stellte den Auflieger ohne Königszapfen-Sicherung gegen 20 Uhr in einem Gewerbegebiet in N.    ab und begab sich, um die vorgeschriebenen Lenkzeiten einzuhalten, mit der Zugmaschine nach Hause. Als er am nächsten Morgen gegen 5.30 Uhr das Gewerbegebiet aufsuchte, war der Auflieger verschwunden.

4

Nach dem Vortrag der Klägerin handelte es sich bei der Ladung um mit Edelmetallen beschichtete Bauteile für Katalysatoren. Die Klägerin hat die Beklagte aus auf sie übergegangenem Recht der Absenderin auf Zahlung von 1.088.927,50 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

5

Das Landgericht hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die in dem Grundurteil getroffenen Feststellungen zur Identität der Ladung des entwendeten Aufliegers nicht in Rechtskraft erwachsen und daher keine Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO erzeugen (OLG Celle, TranspR 2019, 428).

6

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klageanspruch sei dem Grunde nach gerechtfertigt und auch weder der Höhe nach begrenzt noch wegen Mitverschuldens gemindert. Dazu hat es ausgeführt:

8

Die Beklagte hafte als Fixkostenspediteurin verschuldensunabhängig für das Abhandenkommen des ihr von der Absenderin anvertrauten Frachtguts. Ihre Haftung sei nicht auf den Höchstbetrag gemäß § 431 Abs. 1 HGB in Höhe von 113.878,08 € beschränkt, weil der eingetretene Schaden auf eine leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangene Unterlassung zurückzuführen sei. Der auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzanspruch sei nicht wegen eines der Absenderin anzulastenden Mitverschuldens wegen des Unterlassens eines Hinweises auf den hohen Wert der Ladung gemindert oder gar ausgeschlossen. Der Umstand, dass es sich bei den geladenen Gütern nicht oder zumindest nicht vollständig um Eigentum der Absenderin, sondern um Eigentum der Herstellerin der Katalysatoren gehandelt habe, lasse den Klageanspruch dem Grunde nach unberührt.

9

Das Landgericht habe durch Grundurteil entscheiden dürfen. Für die Feststellung des Haftungsanspruchs dem Grunde nach habe es aber nicht der Feststellung bedurft, dass sich auf dem gestohlenen Sattelanhänger die von der Klägerin behauptete Ware befunden habe. Damit habe Anlass bestanden, den Umfang der gemäß § 318 ZPO eintretenden Bindungswirkung klarzustellen.

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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der von diesem gegebenen Begründung kann nicht von einer gemäß § 435 HGB unbeschränkten Haftung der Beklagten ausgegangen werden.

11

I. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß § 425 Abs. 1 HGB zusteht.

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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte als von der Absenderin mit der Beförderung des Gutes zu den Empfängern beauftragte Fixkostenspediteurin nach § 459 HGB der für Frachtführer geltenden Haftung gemäß §§ 425 ff. HGB unterliegt.

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2. Der Diebstahl des Frachtguts hat sich während der Obhutszeit der von der Beklagten mit der Durchführung des Transports beauftragten Streithelferin zu 1 ereignet. Hierfür hat die Beklagte nach § 428 Satz 2 HGB einzustehen.

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3. Die Klägerin ist hinsichtlich eines insoweit bestehenden Anspruchs aktivlegitimiert.

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a) Nach den vom Berufungsgericht gebilligten und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch der Absenderin gegen die Beklagte gemäß § 86 VVG auf die Klägerin übergegangen, soweit diese Zahlungen an die Absenderin geleistet hat, und hat die Absenderin den Anspruch zudem gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.

16

b) Die Absenderin war ihrerseits als Vertragspartnerin der Beklagten gemäß § 421 Abs. 1 Satz 3 HGB unabhängig davon berechtigt, den Schadensersatzanspruch wegen des Verlusts des Frachtguts geltend zu machen, ob sie dabei im eigenen oder fremden Interesse handelte. Auf die Frage, wem die Entschädigung letztlich zusteht, kommt es im Frachthaftungsprozess nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1989 – I ZR 154/87, TranspR 1989, 413, 414 [juris Rn. 16]; Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 421 Rn. 24; Staub/P. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 421 Rn. 27; BeckOK.HGB/G. Kirchhof, 28. Edition [Stand: 15. April 2020], § 421 Rn. 10). Es bedurfte daher keiner Feststellungen zu der Frage, ob der Absenderin – etwa als Eigentümerin des Frachtguts – ein eigener Schaden entstanden war.

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II. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, im Streitfall sei auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 435 HGB auszugehen.

18

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Verstoß gegen vertraglich vereinbarte oder von einer Partei des Frachtvertrags einseitig wirksam vorgegebene Sicherheitsbestimmungen begründe grundsätzlich ein qualifiziertes Verschulden gemäß § 435 HGB, wenn der Verstoß als Schadensursache ernsthaft in Betracht komme. Wenn der Frachtführer sich über ihm vom Absender erteilte Sicherheitsanweisungen zur Vermeidung eines Diebstahls hinwegsetze, könne er sich später nicht darauf berufen, der Absender hätte ihn auch noch auf den Wert des Frachtgutes hinweisen müssen, damit er geeignete Maßnahmen zur Verhinderung des Schadens hätte ergreifen können.

19

Die Absenderin habe der Beklagten einseitig, aber rechtlich wirksam Sicherheitsvorkehrungen vorgegeben, welche die Beklagte im entscheidenden Punkt rundweg ignoriert habe. Die Beklagte habe das Anforderungsprofil, das die Absenderin ihr als Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgelegt habe, ausdrücklich akzeptiert. Die Regelung unter Klausel 5.3 sei weder überraschend noch zweideutig und daher weder gemäß § 305c Abs. 1 BGB gegenüber der Beklagten unwirksam noch gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Absenderin auszulegen.

20

Die Beklagte habe den in der Klausel 5.3 enthaltenen Sicherheitsvorgaben zuwidergehandelt. Entscheidend sei, ob die Sicherheitsanweisungen der Absenderin gegenüber der Beklagten von dieser und von der Streithelferin zu 1 beachtet worden seien. Aus dem Umstand, dass diese noch nicht einmal die ihr ausdrücklich bekannt gegebenen Sicherheitsanweisungen der Beklagten beachtet habe, folge notwendig, dass sie auch die Sicherheitsanweisungen der Absenderin nicht befolgt habe, die letztendlich noch etwas schärfer gewesen seien als die Sicherheitsanweisungen der Beklagten. Schon dieses Fehlverhalten müsse sich die Beklagte gemäß § 428 Satz 2 HGB zurechnen lassen. Überdies und vor allem aber treffe sie ein eigenes Organisationsverschulden, weil sie die Sicherheitsanweisungen der Absenderin nicht an die Streithelferin zu 1 weitergegeben habe. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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2. Der Umfang des vom Frachtführer gemäß § 425 Abs. 1 HGB zu leistenden Schadensersatzes bestimmt sich grundsätzlich nach § 429 Abs. 1 HGB. Danach hat der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust Schadensersatz zu leisten, der sich nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung bemisst. Der Schadensersatzanspruch ist jedoch grundsätzlich gemäß § 431 Abs. 1 HGB auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt. Nach § 435 HGB gilt die Haftungsbegrenzung allerdings nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

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3. Ob die Voraussetzungen des § 435 HGB erfüllt sind, ist auch dann zu prüfen, wenn nur ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO ergeht. Entgegen der vom Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Frage der Aktivlegitimation geäußerten Ansicht kann die Frage, ob der Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens zutrifft, in einem solchen Fall nicht deshalb offenbleiben, weil sie sich nicht auf das Bestehen des Schadensanspruchs dem Grunde nach, sondern nur auf dessen Höhe auswirkte.

23

a) Das Gericht darf eine Klage nicht schon dann einschränkungslos für dem Grunde nach gerechtfertigt erklären, wenn und weil dem Kläger ein Anspruch in irgendeiner Höhe zusteht. Das Gericht muss im Rahmen eines Grundurteils vielmehr die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage bejahen, die die Klageforderung der Höhe nach vollständig decken würde (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1953 – III ZR 321/51, LM Nr. 5 zu § 304 ZPO; Urteil vom 10. Mai 1960 – VI ZR 31/59, VersR 1960, 710, 711; Urteil vom 28. Januar 1970 – V ZR 7/67, NJW 1970, 608 [juris Rn. 13]; Urteil vom 28. Oktober 1975 – VI ZR 24/74, VersR 1976, 190, 191 [juris Rn. 10], insoweit nicht in BGHZ 65, 211 abgedruckt; Urteil vom 13. Juni 1978 – VI ZR 39/77, BGHZ 72, 34, 36 [juris Rn. 13]; Urteil vom 13. Juli 2000 – III ZR 131/99, WM 2000, 2016, 2017 [juris Rn. 9]; Urteil vom 2. Oktober 2000 – II ZR 54/99, NJW 2001, 224, 225 [juris Rn. 5]; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 304 Rn. 23; MünchKomm.ZPO/Musielak, 5. Aufl., § 304 Rn. 28; BeckOK.ZPO/Elzer, 36. Edition [Stand: 1. März 2020], § 304 Rn. 32; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 304 Rn. 14; Thole in Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl., § 304 Rn. 18; Hunke in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 78. Aufl., § 304 Rn. 9; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 304 Rn. 45).

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b) Danach kann beim Erlass eines Grundurteils nicht offenbleiben, ob die Haftungsbegrenzungen einer Anspruchsgrundlage eingreifen, sofern die Klageforderung – wie im Streitfall – über den Haftungshöchstbetrag hinausgeht. Dementsprechend darf die Frage, ob ein qualifiziertes Verschulden gemäß § 435 HGB vorliegt, im Rahmen eines Grundurteils nicht offengelassen werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 57/03, TranspR 2006, 250, 252 [juris Rn. 27]; zu Art. 29 CMR: BGH, Urteil vom 29. Januar 2004 – I ZR 162/01, TranspR 2004, 213, 215 [juris Rn. 17]; zu Art. 25 WA 1955: BGH, Urteil vom 21. September 2000 – I ZR 135/98, BGHZ 145, 170, 182 [juris Rn. 34 f.]).

25

4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen vertragliche Sicherheitsanweisungen der Absenderin gemäß § 435 HGB summenmäßig unbeschränkt.

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a) Der vorsätzliche Verstoß des Frachtführers oder einer in § 428 HGB genannten Person gegen eine der Sicherung des Transportguts dienende vertragliche Verpflichtung kann allerdings schon für sich allein eine Haftung gemäß § 435 HGB rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – I ZR 257/03, TranspR 2007, 161, 163 = NJW 2007, 1809 Rn. 31 f.; zu Art. 29 CMR: BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 313 f. [juris Rn. 31 f.] und Urteil vom 30. September 2010 – I ZR 39/09, BGHZ 187, 141 Rn. 30 f.; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 435 Rn. 4 f.; Koller, Transportrecht, 10. Aufl., § 435 HGB Rn. 4; zu Art. 29 CMR: MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 4. Aufl., Art. 29 CMR Rn. 22 aE).

27

b) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass die Beklagte oder die Streithelferin zu 1 oder auch deren Fahrer vorsätzlich gegen die Klausel 5.3 verstoßen haben. Es hat die gemäß § 435 HGB summenmäßig nicht beschränkte Haftung der Beklagten wegen bewusster Leichtfertigkeit bejaht. In objektiver Hinsicht hat das Berufungsgericht dies damit begründet, dass die Beklagte die Sicherheitsanweisungen der Absenderin nicht an die Streithelferin zu 1 weitergegeben und diese nicht einmal die ihr bekannt gegebenen Sicherheitsanweisungen beachtet habe. Dass die Beklagte oder die Streithelferin zu 1 dabei vorsätzlich gehandelt haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

28

c) Der Satz 1 der Klausel 5.3 ist zudem dahin auszulegen, dass der Beklagten durch ihn jedenfalls im Ergebnis keine über das gesetzliche Maß hinausgehenden Sorgfaltspflichten auferlegt werden.

29

aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Klausel 5.3 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB handelt, wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

30

bb) Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 104/17, NJW 2019, 757 Rn. 41 – Museumsfotos, mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie ein verständiger und redlicher Vertragspartner sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise versteht, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für eine solche Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie deren Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften der in Rede stehenden Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – I ZR 156/12, TranspR 2014, 146 Rn. 25 mwN). Verbleiben nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, geht die Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rn. 65 = WRP 2017, 434 –; World of Warcraft II). Der Grundsatz der kundenfreundlichsten Auslegung gilt auch dann, wenn eine Klausel, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, einer Prüfung nach § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB zu unterziehen ist (vgl. zu § 449 Abs. 2 HGB aF BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 123/03, BGHZ 167, 64 Rn. 25; Urteil vom 14. Juni 2006 – I ZR 75/03, TranspR 2006, 345, 347 [juris Rn. 24]).

31

cc) Der Satz 1 der Klausel 5.3 ist unklar und daher zugunsten der Beklagten dahin auszulegen, dass er dieser bezüglich des Parkens von Fahrzeugen keine über das gesetzliche Maß hinausgehenden Sorgfaltspflichten auferlegt.

32

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die erste Variante der Sicherheitsanweisung in Satz 1 der Klausel 5.3 („… so sind sie zu überwachen …“) habe einen eindeutigen Inhalt. Die zweite Variante („… oder dort abzustellen, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist“) eröffne, da sie die konkret erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nicht festlege, dem jeweiligen Vertragspartner jedenfalls einen Beurteilungsspielraum. Der Begriff „ausreichend“ bedeute aus der Sicht eines objektiven Branchenmitglieds, dass der Vertragspartner der Absenderin allein solche Parkplätze auswählen dürfe, auf denen unberechtigte Dritte nicht unbemerkt auf das beladene Fahrzeug oder dessen Ladung zugreifen könnten. Als Parkplätze kämen daher Gelände in Betracht, die etwa durch wirkungsvolle Einfriedungen und Zutrittskontrollen gegen den Zutritt von Dieben wirksam geschützt seien, sowie abschließbare Garagen und sonstige Gebäude. Die Klausel 5.3 könne mithin durch Auslegung ausreichend konkretisiert werden. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

33

(2) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass der Satz 1 Fall 1 der Klausel 5.3 eindeutig bestimmt, dass geparkte Fahrzeuge zu überwachen sind. Unklar ist jedoch, welchen Inhalt die Regelung in Satz 1 Fall 2 der Klausel 5.3 hat.

34

Nach dem Wortlaut dieser Regelung sind beladene Fahrzeuge an Orten abzustellen, an denen „ausreichende Sicherheit“ gewährleistet ist. Diese Anforderung ist so offen formuliert, dass sie auch in einer Weise verstanden werden kann, die nicht über das hinausgeht, was von einem Frachtführer schon von Gesetzes wegen verlangt wird. Danach sind an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen umso höhere Anforderungen zu stellen, je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlsgefährdet ist, welchen Wert es hat, ob dem Frachtführer oder den in § 428 HGB genannten Personen auf Grund einer besonderen Gefahrenlage hätte bewusst sein müssen, dass es zu einem Diebstahl des Transportgutes kommen könnte, wenn das beladene Transportfahrzeug unbewacht abgestellt wird, und welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung es gibt, um vorgeschriebene Pausen einzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 – I ZR 121/04, TranspR 2007, 423 Rn. 19; Urteil vom 1. Juli 2010 – I ZR 176/08, TranspR 2011, 78 Rn. 21).

35

Im Zusammenhang mit Satz 1 Fall 1 der Klausel 5.3 könnte der Fall 2 jedoch auch dahin auszulegen sein, dass geparkte Fahrzeuge nur an Orten abgestellt werden dürfen, an denen eine der persönlichen Überwachung vergleichbare Sicherheit gewährleistet ist. In diesem Sinne hat das Berufungsgericht die Regelung verstanden, indem es angenommen hat, dass als Parkplätze Gelände in Betracht kämen, die etwa durch wirkungsvolle Einfriedungen und Zutrittskontrollen gegen den Zutritt von Dieben wirksam geschützt seien, sowie alle abschließbaren Garagen und sonstigen Gebäude.

36

Diese Auslegung entfernt sich jedoch so weit von dem in erster Linie entscheidenden Wortlaut von Satz 1 Fall 2 der Klausel 5.3, dass es sich bei ihr jedenfalls nicht um die zweifelsfrei allein zutreffende Auslegungsmöglichkeit handelt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die dortige Formulierung auch nicht mit der Verwendung des Begriffs „gesichert“ in der Klausel

Pausen dürfen nur auf gesicherten, beleuchteten und bewachten Parkplätzen durchgeführt werden. Es ist nicht erlaubt, auf „einfachen“ Autobahnparkplätzen anzuhalten.

in dem Fall vergleichbar, der dem in BGHZ 187, 141 veröffentlichten Senatsurteil vom 30. September 2010 – I ZR 39/09 zugrunde gelegen hat. In jener Klausel wurde der Begriff „gesichert“ durch die weiteren Angaben in einer einheitlichen Regelung konkretisiert. Dagegen lässt im Streitfall der Satz 1 der Klausel 5.3 nicht hinreichend klar erkennen, welchen Einfluss die Regelung in Fall 1 möglicherweise auf die in Fall 2 enthaltene Regelung hat. Die insoweit bestehende Unklarheit der Regelung geht zu Lasten der Absenderin und damit auch der Klägerin. Diese muss die für die Beklagte günstigere Auslegungsmöglichkeit und damit diejenige gegen sich gelten lassen, nach der die Beklagte nur zu den gesetzlich erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen verpflichtet war.

37

dd) Da die Fälle 1 und 2 des Satzes 1 der Klausel 5.3 mit „oder“ verknüpft sind, führt diese Auslegung der Klausel dazu, dass die Beklagte nicht die unbedingte Pflicht traf, das geparkte Fahrzeug zu überwachen. Sie musste im Ergebnis vielmehr nur den ohnehin geltenden Sorgfaltspflichten genügen. Damit lag keine besondere vertragliche Verpflichtung vor, die der Sicherung des Transportguts diente und hinsichtlich deren ein vorsätzlicher Verstoß bereits für sich allein eine Haftung gemäß § 435 HGB rechtfertigte.

38

ee) Da die kundenfreundlichste Auslegung von Satz 1 der Klausel 5.3 bereits dazu führt, dass im Ergebnis die gesetzlichen Regelungen anzuwenden sind, kann offenbleiben, ob der Satz 1 der Klausel 5.3 bei der kundenfeindlichsten Auslegung unwirksam ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20. Oktober 2015 – XI ZR 166/14, BGHZ 207, 176 Rn. 19; Urteil vom 13. Februar 2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 45, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, jeweils mwN) und daher an seine Stelle gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften treten. Keiner Entscheidung bedarf danach auch die Frage, ob die Auferlegung der Pflicht, geparkte Fahrzeuge zu überwachen oder eine der Überwachung vergleichbare Sicherheit zu gewährleisten, als – gegebenenfalls nur mittelbar – von § 435 HGB abweichende Haftungsregelung nach § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB unwirksam ist oder ob die Auferlegung dieser Pflicht nicht § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB unterfällt, weil sie den Haftungsmaßstab nach § 435 HGB unberührt lässt. Ebenso kann dahinstehen, ob Satz 1 der Klausel 5.3 wegen Verstoßes gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

39

5. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gemäß § 435 HGB in der Sache erfüllt sind und ob sich die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Beurteilung daher gemäß § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig darstellt.

40

a) Nach § 435 HGB haftet der Frachtführer nicht nur wegen Vorsatzes, sondern auch wegen einer Handlung oder Unterlassung, die er oder eine der in § 428 HGB genannten Personen leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – I ZR 109/13, TranspR 2015, 33 Rn. 35; Versäumnisurteil vom 19. März 2015 – I ZR 190/13, TranspR 2015, 342 Rn. 30).

41

b) Die Beurteilung der Frage, ob eine bewusste Leichtfertigkeit vorliegt, obliegt dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden. Die Prüfung ist darauf beschränkt, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der bewussten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ihm Verstöße gegen § 286 ZPO, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 236/11, TranspR 2013, 286 Rn. 18 mwN).

42

c) Die Klägerin hat ausweislich des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils, auf den das Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen hat, behauptet, die Beklagte habe beispielsweise aufgrund von Gesprächen und vorhergehenden Schadensrechnungen gewusst, dass für die Absenderin regelmäßig sehr wertvolle Keramikkörper transportiert würden. Das Berufungsgericht hat bislang – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob dieser Vortrag der Klägerin zutrifft und ob deshalb sowie im Hinblick auf die weiteren im Streitfall gegebenen Umstände das Verhalten der Beklagten, der Streithelferin zu 1 oder ihres Fahrers, der den gesicherten Auflieger ohne Königszapfen-Sicherung über Nacht in einem Gewerbegebiet abgestellt hat, als qualifiziert schuldhaft im Sinne von § 435 HGB und gegebenenfalls § 428 Satz 2 HGB anzusehen ist.

43

III. Danach ist das Berufungsurteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache, da sie nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif ist, gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

44

C. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

45

I. In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird zunächst zu prüfen sein, ob die Beklagte auch ohne Verstoß gegen besondere vertragliche Sicherheitsanweisungen in der Klausel 5.3 gemäß § 435 HGB summenmäßig unbeschränkt haftet.

46

II. Sollte das Berufungsgericht diese Frage bejahen, wird es weiterhin zu prüfen haben, ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin im Hinblick auf ein der Absenderin anzulastendes Mitverschulden gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 BGB zu kürzen ist.

47

1. Ein solches Mitverschulden könnte darin bestehen, dass die Absenderin die Beklagte nicht über die Möglichkeit eines besonders hohen Schadens unterrichtet hat.

48

a) Keiner Entscheidung bedarf dabei die Frage, ob die Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, dieser Mitverschuldenseinwand scheide immer aus, wenn der Frachtführer gegen vertragliche Sicherheitsanweisungen verstoßen habe.

49

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzanspruch sei nicht wegen eines der Absenderin anzulastenden Mitverschuldens, das im Unterlassen eines Hinweises auf den hohen Wert der Ladung bestehen könnte, vermindert oder gar überhaupt nicht entstanden. Der Einwand des Mitverschuldens sei der Beklagten bei der vorliegenden Vertrags- und Fallgestaltung aus Rechtsgründen von vornherein abgeschnitten. Erteile der Absender dem Frachtführer Sicherheitsanweisungen zur Vermeidung eines Diebstahls und setze sich der Frachtführer über diese Anweisungen hinweg, könne er sich nachfolgend nicht darauf berufen, der Auftraggeber hätte ihn auch noch auf den Wert des Frachtguts hinweisen müssen, damit er geeignete Maßnahmen zur Verhinderung des Schadens hätte ergreifen können. Die Sicherheitsanweisungen hätten dann bereits eine ausreichende Information enthalten, die gerade dem Verlust des Transportguts habe entgegenwirken sollen.

50

bb) Da die Vereinbarung in Satz 1 der Klausel 5.3 aus den vorstehend in den Randnummern 28 bis 37 dargestellten Gründen dahin auszulegen ist, dass die Beklagte nur den Sorgfaltspflichten genügen musste, die bereits von Gesetzes wegen bestanden, stellt sich die vorstehend in Randnummer 48 angesprochene Frage nicht. Sofern in einer Vereinbarung lediglich der Inhalt der nach dem Gesetz bestehenden Sorgfaltspflicht wiederholt wird, dass für „ausreichende Sicherheit“ zu sorgen ist, führt dies nicht dazu, dass der Absender den Frachtführer nicht mehr über die Möglichkeit eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen hat, um dem Mitverschuldenseinwand zu entgehen (vgl. dazu nachstehend Rn. 51 bis 63).

51

b) In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird daher zu prüfen sein, ob die genannte Warnobliegenheit bestanden hat.

52

aa) Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht hilfsweise ausgeführt, die Absenderin habe im Streitfall keine Verpflichtung getroffen, die Beklagte auf den besonderen Wert der gestohlenen Sendung hinzuweisen, weil ein ungewöhnlich hoher Schaden, der – auch ohne weitere Anhaltspunkte – die Pflicht zum Hinweis auf diese Schadensgefahr auslöse, erst ab dem Übersteigen des zehnfachen Werts der Regelhaftung gemäß § 431 Abs. 1 HGB vorliege. Diese Grenze sei im Streitfall – wenn auch eher knapp – verfehlt worden, weil der von der Klägerin behauptete Warenwert 1.087.274,05 € betragen und damit 4,5% unter dem Schwellenwert gelegen habe. Zwar könne im Einzelfall auch einmal eine geringere Überschreitung der Haftungshöchstsumme dem Absender Anlass zu einer Wertdeklaration geben. Obwohl die Klägerin in beiden Rechtszügen mehrfach auf die Problematik hingewiesen habe, dass die Wertgrenze im Streitfall nicht überschritten werde, hätten die Beklagte und deren Streithelferinnen bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nichts dazu vorgetragen, weshalb hier eine niedrigere Wertgrenze gelten könnte. Ein solcher Anlass sei auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung erörterten Umstände nicht zu erkennen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

53

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB daraus ergeben, dass der Absender es unterlassen hat, den Schädiger im Hinblick auf den Wert des Gutes auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die dieser weder kannte noch kennen musste. Die Obliegenheit zur Warnung soll dem Schädiger Gelegenheit geben, geeignete Schadensabwendungsmaßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Absender Kenntnis davon hatte, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Absender trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf einen außergewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird. Da das Unterlassen geeigneter Schadensabwendungsmaßnahmen durch eine Obliegenheitsverletzung des Geschädigten zumindest mitverursacht worden sein kann, ist es gerechtfertigt, die Haftung des Schädigers nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB einzuschränken (vgl. BGH, TranspR 2005, 311, 314 f. [juris Rn. 39]; BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 – I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 22; Urteil vom 10. Dezember 2015 – I ZR 87/14, TranspR 2016, 464 Rn. 44).

54

Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation angeben. Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen und auch zu berücksichtigen, welche Höhe vergleichbare Schäden erfahrungsgemäß – also nicht nur selten – erreichen. Damit ist vor allem von Bedeutung, in welcher Höhe der Schädiger, soweit er die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition hat, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 215/07, TranspR 2010, 189 Rn. 21). Angesichts der Haftungsbegrenzung in § 431 Abs. 1 HGB erscheint es naheliegend, im Frachtrecht die Gefahr eines besonders hohen Schadens im Sinne von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung den zehnfachen Betrag der Regelhaftung gemäß § 431 Abs. 1 HGB übersteigt, sofern die Parteien des Beförderungsvertrags hinsichtlich der Höchstsumme der Frachtführerhaftung keine Vereinbarung getroffen haben (vgl. BGH, TranspR 2010, 189 Rn. 27).

55

cc) Das Berufungsgericht wird den Wert der Sendung mit dem Zehnfachen des Haftungshöchstbetrages gemäß § 431 Abs. 1 HGB zu vergleichen haben. Insoweit weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Haftungshöchstbetrag zum Zweck dieses Vergleichs nicht gemäß § 431 Abs. 4 Satz 2 HGB anhand des Werts eines Sonderziehungsrechts am Tag der Übernahme der Fracht durch die Beklagte zu berechnen ist, sondern anhand des Werts am Tag der Auftragserteilung (vgl. BGH, TranspR 2010, 189 Rn. 28). Dazu hat das Berufungsgericht bislang noch keine Feststellungen getroffen.

56

dd) Sollte der Wert der Fracht das Zehnfache des Haftungshöchstbetrags übersteigen, wäre ein Verstoß gegen die Warnobliegenheit zu bejahen. Die Klägerin müsste solchenfalls darlegen und im Bestreitensfall auch beweisen, dass dieser Verstoß für den Schadenseintritt nicht mitursächlich war. Die Ursächlichkeit eines solchen Mitverschuldens für den eingetretenen Schaden fehlte nur dann, wenn der Frachtführer trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte. Ohne besonderen Sachvortrag des Anspruchstellers ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 – I ZR 76/07, TranspR 2010, 145 Rn. 19 mwN).

57

ee) Sollte der Wert der Fracht – wenn auch nur knapp – das Zehnfache des Haftungshöchstbetrags gemäß § 431 Abs. 1 HGB nicht übersteigen, wäre im Streitfall nicht von einer Warnobliegenheit der Absenderin auszugehen.

58

(1) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, ein Warenwert von insgesamt mehr als einer Million Euro sei für sich genommen sicherlich hoch. Diesem Umstand komme jedoch keine selbständige Bedeutung zu. Die hohe Gesamtsumme beruhe in erster Linie auf dem bloßen Umstand, dass der Beklagten 49 Paletten mit einem Gesamtgewicht von 11.651 kg zum Transport übergeben worden seien. Dass eine solche große Warenmenge mit einem hohen Gewicht im Regelfall einen höheren Gesamtwert habe als eine Warenmenge von ein oder zwei Paletten und wenigen hundert Kilogramm Gewicht, liege für jeden Frachtführer auf der Hand und bedürfe daher keines besonderen Hinweises. Die in § 431 Abs. 1 HGB bestimmte Haftungshöchstgrenze knüpfe gerade an das Gewicht der Ladung an. Es verhalte sich daher immer so, dass die Haftungshöchstgrenze bei einem höheren Gewicht besonders hoch sei. Folglich dürfe eine besonders große und vor allem schwere Ladung immer auch einen auf den ersten Blick vergleichsweise hohen absoluten Wert haben und löse dennoch vielfach noch keine Pflicht des Absenders zur Wertdeklaration aus.

59

Im Streitfall liege auch im Hinblick auf die Besonderheiten des Inhalts der zum Transport übergebenen Paletten keine Fallgestaltung vor, bei der sich der Absenderin eine Wertdeklaration oder ein sonstiger Hinweis auf eine etwaige besondere Diebstahlsgefahr habe aufdrängen müssen. Der Wert eines mit Edelmetallen überzogene Keramikkörpers für Katalysatoren habe weniger als 200 € betragen, was kein besonders hoher Wert gewesen sei. Er habe insbesondere bei weitem nicht den Einzelwarenwert von höherwertiger Unterhaltungselektronik oder von Computern erreicht, bei denen im Allgemeinen eine besondere Diebstahlsgefahr angenommen werde. Gegen eine aus der Art der Ladung folgende besondere Diebstahlsgefahr spreche zudem der Umstand, dass die Bauteile nicht ohne Weiteres absetzbar gewesen seien. Es habe sich nicht um fertig montierte Katalysatoren gehandelt, welche die unbekannten Diebe gleichsam aus dem Karton heraus an Händler oder Endverbraucher hätten verkaufen können. Bei einem Verkauf der Bauteile in unverändertem Zustand hätten die Diebe ein Unternehmen finden müssen, das diese umhüllt und endmontiert hätte, also diejenigen Verarbeitungsschritte ausgeführt hätte, die eigentlich die von der Absenderin bestimmten Empfänger hätten vornehmen sollen. Dies dürfte schwierig gewesen sein, weil derartige Unternehmen kaum von einem bislang unbekannten Anbieter „mal eben so nebenbei“ mehrere Chargen Bauteile ohne Herkunftsnachweis und Prüfberichte abnähmen. Es sei also nur die Verwertung der bislang verbauten Einzelmaterialien wie insbesondere der von der Absenderin eingebrachten Edelmetalle verblieben. Dafür seien zunächst die Edelmetalle von den Keramikkörpern zu trennen gewesen. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

60

(2) Entgegen der Ansicht der Revision besteht eine Warnobliegenheit des Absenders nicht immer schon dann, wenn ein Schaden von mehr als einer Million Euro droht, und ergibt sich dies insbesondere nicht aus § 7a Abs. 2 Satz 1 GüKG. Nach dieser Bestimmung hat ein Unternehmer, der gewerblichen Güterkraftverkehr durchführt, eine Haftpflichtversicherung für Güter- und Verspätungsschäden mit einer Mindestversicherungssumme von 600.000 € je Schadensereignis abzuschließen. Es handelt sich dabei lediglich um die Untergrenze des vorzuhaltenden Versicherungsschutzes. Diese sagt jedoch nichts über den tatsächlich bestehenden oder auch nur zu erwartenden Versicherungsschutz des Frachtführers aus. Die Platzierung der Bestimmung im Güterkraftverkehrsgesetz zeigt zudem, dass es sich bei ihr um eine gewerberechtliche Norm handelt, die die Zuverlässigkeit des Unternehmens betrifft und aus der daher – jedenfalls für sich gesehen – für vertragliche Ansprüche nichts hergeleitet werden kann (MünchKomm.HGB/Thume aaO § 407 Rn. 75; Koller aaO § 7a GüKG Rn. 1).

61

(3) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, ein Schaden des Frachtführers sei einleuchtenderweise als bedrohlich hoch einzustufen, wenn er mit den üblichen Deckungssummen eines Verkehrshaftungsversicherers nicht aufgefangen werden könne. Zu den üblichen Deckungssummen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Revision rügt auch nicht, dass in dieser Hinsicht Sachvortrag der Beklagten übergangen worden ist.

62

(4) Der Umstand, dass die Beklagte gemäß der Klausel 13.6 des Anforderungsprofils verpflichtet sein sollte, eine Verkehrshaftpflichtversicherung abzuschließen, deren Deckungsumfang „der Haftung nach HGB, der CMR bzw. für Teilstreckentransporte per Schiff gem. Art. 23 CMR in Höhe der Maximalhaftung zu entsprechen“ hatte, führt ebenfalls nicht dazu, dass über die Regelung in § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB hinaus ein Hinweis auf den Haftungswert erwartet werden konnte.

63

(5) Die Revision macht schließlich ohne Erfolg geltend, eine Warn- und Hinweisobliegenheit habe wegen der Diebstahlsanfälligkeit der Ware bestanden, weil Edelmetalle bekanntermaßen im Visier spezialisierter Diebesbanden stünden, für die auch eine „Schwergängigkeit des Stehlgutes“ kein Verwertungshindernis darstelle. Sie versucht damit lediglich, die vom Berufungsgericht in dieser Hinsicht vorgenommene tatrichterliche Würdigung durch ihre gegenteilige eigene zu ersetzen.

64

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Absenderin gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration verneint hat.

65

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Absenderin habe keine Pflicht zur Wertdeklaration bestanden, weil die Beklagte nicht behauptet habe, dass die Absenderin hätte erkennen müssen, dass die Beklagte die Fracht bei einer Wertdeklaration sorgfältiger behandelt hätte. Die Beklagte habe lediglich behauptet, sie hätte die Ausführung der streitgegenständlichen Beförderung bei Kenntnis des Warenwerts abgelehnt, jedenfalls aber die streitgegenständliche Beförderung nur im Wege der Direktbeförderung innerhalb eines Tages, ohne Übernachtung und unter Einsatz eines Kastenaufliegers mit besonderem Sicherheits-Schlosssystem und Alarmanlage durchgeführt. Daraus folge nicht die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Klägerin bezüglich der internen Praxis der Beklagten. Diese Annahme hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

66

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Absender in einen nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten, wenn er Kenntnis davon hatte oder hätte haben müssen, dass der Frachtführer die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2001 – I ZR 158/99, BGHZ 149, 337, 353 [juris Rn. 67]; BGH, TranspR 2010, 145 Rn. 15; TranspR 2014, 146 Rn. 18, jeweils mwN). Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann etwa dann ausgegangen werden, wenn sich aus den Beförderungsbedingungen des Frachtführers ergibt, dass er für diesen Fall bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Denn zur Vermeidung der versprochenen höheren Haftung werden erfahrungsgemäß höhere Sicherheitsstandards gewählt (BGH, TranspR 2010, 145 Rn. 15 mwN).

67

c) Das Berufungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Revision rügt vergeblich, es liege zumal für einen gewerblichen Marktteilnehmer auf der Hand und verstehe sich von selbst, dass der Beklagten Reaktionsmöglichkeiten wie die Auftragsablehnung oder die Durchführung des Auftrags mittels Direktbeförderung an einem Tag zur Seite gestanden hätten.

68

aa) Die alternative Handlungsweise der Beklagten, den Vertragsschluss abzulehnen, stellte bereits keine Behandlung der Fracht mit „größerer Sorgfalt“ im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Senatsrechtsprechung dar (vgl. Koller aaO § 435 HGB Rn. 19c Fn. 326). Diese Reaktionsmöglichkeit des Frachtführers spielt nur dann eine Rolle, wenn es sich bei der Fracht um Verbotsgut handelt. Dass der Frachtvertrag im Streitfall eine entsprechende Verbotsgut-Klausel enthalten hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.

69

bb) Auf den Vortrag der Revision, es verstehe sich von selbst, dass der Beklagten die Durchführung des Auftrags mittels Direktbeförderung an einem Tag zur Seite gestanden hätte, kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob die Absenderin Kenntnis davon hatte oder hätte haben müssen, dass die Beklagte die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt hätte. Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, die Absenderin habe die interne Praxis der Beklagten nicht gekannt und habe sie auch nicht kennen müssen. Sofern die Revision dies in Zweifel zieht, zeigt sie keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze auf, sondern ersetzt lediglich die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung des Sachverhalts durch ihre davon abweichende eigene Sichtweise.

70

III. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte mangels eines ihr anzulastenden qualifizierten Verschuldens im Sinne des § 435 HGB nur beschränkt auf den Haftungshöchstbetrag gemäß § 431 Abs. 1 und 4 HGB haftet, wird es zu berücksichtigen haben, dass ein Mitverschulden des Absenders oder Empfängers nicht zur anteiligen Herabsetzung dieses Haftungshöchstbetrags führt. Vielmehr wirkt sich ein solches Mitverschulden nur dann auf die Haftung des Frachtführers aus, wenn sein auf den Gesamtschaden bezogener Haftungsanteil betragsmäßig hinter der Haftungssumme des § 431 HGB zurückbleibt (zu § 660 Abs. 1 HGB aF; vgl. OLG Hamburg, TranspR 2019, 84, 91 [juris Rn. 149 bis 154]; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 425 Rn. 49 aE in Verbindung mit § 431 Rn. 1; Koller aaO § 425 HGB Rn. 120 aE in Verbindung mit § 431 Rn. 5 Fn. 26; MünchKomm.HGB/Herber/Harm aaO § 431 Rn. 29, jeweils mwN). Unabhängig davon kommt ein Mitverschulden der Absenderin gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration auch hier aus den vorstehend in den Randnummern 64 bis 69 dargestellten Gründen nicht in Betracht.

71

IV. Der Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 ZPO kommt vor diesem Hintergrund jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn darin auch über den Mitverschuldenseinwand entschieden wird.

72

1. Die Vorschrift des § 304 ZPO beruht auf der Erwägung, dass für die Entscheidung über den Anspruchsgrund regelmäßig andere Tat- und Rechtsfragen in Betracht kommen als für die Entscheidung über den Betrag des Anspruchs. In solchen Fällen kann die Erledigung des Rechtsstreits gefördert werden, wenn über den Grund vorab entschieden wird. Die Regelung entspringt daher prozesswirtschaftlichen Gründen. Bei ihrer Anwendung und Auslegung ist vor allem den Erfordernissen der Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Der Erlass eines Grundurteils ist daher immer dann unzulässig, wenn dies nicht zu einer echten Vorabentscheidung des Prozesses, sondern zu seiner ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung führt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 26 mwN). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Tatsachen für Grund und Höhe annähernd dieselben sind oder in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Herausnahme einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, NJW 2020, 1430 Rn. 54 – Schienenkartell II, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, mwN).

73

Die Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB gehört in der Regel zum Grund des geltend gemachten Anspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1980 – VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, 400 [juris Rn. 10]; Urteil vom 5. Dezember 2000 – VI ZR 275/99, NJW 2001, 760 [juris Rn. 7]). Nur wenn feststeht, dass ein Mitverschulden nicht zum gänzlichen Haftungsausschluss führt und somit jedenfalls ein Anspruch des Geschädigten besteht, kann die Entscheidung darüber dem Betragsverfahren vorbehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 – I ZR 212/08, NJW 2011, 2138 Rn. 35 – Mega-Kasten-Gewinnspiel, mwN).

74

2. Sofern die Beklagte gemäß § 435 HGB unbeschränkt haftet, wird das Berufungsgericht im Rahmen eines Grundurteils nicht über den Mitverschuldenseinwand entscheiden können. Für die Frage, ob der Mitverschuldenseinwand gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB eingreift, wird es auf den Wert der Fracht ankommen. Dieser ist jedoch auch für die Höhe des Schadens maßgeblich. Die Tatsachen für Grund und Höhe des Anspruchs wären daher insofern dieselben. Am Erlass eines Grundurteils könnte das Berufungsgericht in diesem Fall deshalb nur dann festhalten, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, die Entscheidung über das Mitverschulden dem Betragsverfahren vorbehalten zu können.

75

3. Falls die Beklagte nur beschränkt auf den Haftungshöchstbetrag gemäß § 431 Abs. 1 HGB haftet, dürfte die Sache ohne Weiteres auch bezüglich des Betrags zur Endentscheidung reif sein, so dass eine Entscheidung nur über den Grund nicht prozessökonomisch wäre.

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