BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 21.07.2020, AZ 25 W (pat) 508/19, ECLI:DE:BPatG:2020:210720B25Wpat508.19.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 103 038.6
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. Juli 2020 unter Mitwirkung der Richterin Kriener, des Richters Schödel sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Bezeichnung
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Motivationsinkasso
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ist am 16. März 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für die nachfolgenden Dienstleistungen angemeldet worden:
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Klasse 35: Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen für Dritte; Durchführung von Ausstellungen für Werbezwecke; Unternehmensberatung hinsichtlich Franchising; Betriebswirtschaftliche Hilfe beim Betrieb von Franchise-Unternehmen; Dienstleistungen eines Franchisegebers, nämlich Hilfe bei der Führung oder Verwaltung gewerblicher oder kommerzieller Unternehmen; Verwaltung, Abrechnungen und Kontenabstimmung im Namen Dritter; Erstellung von Abrechnungen; Dienstleistungen in Bezug auf die Erstellung von Abrechnungen;
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Klasse 36: Dienstleistungen von Inkassobüros; Finanzielle Bonitätsprüfung und Kreditauskünfte; Factoring; Forderungseinzug bei Kreditkartengeschäften;
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Klasse 42: Programmierung von Software zur elektronischen Datenverarbeitung [EDV]; Fachliche EDV-Beratung im Zusammenhang mit Computergeräten.
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Die Markenstelle für Klasse 36 hat die unter der Nummer 30 2018 103 038.6 geführte Anmeldung mit Beschluss vom 26. September 2018 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der angemeldeten Bezeichnung die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Sie erschöpfe sich in einem werbe- und sprachüblichen Hinweis auf (irgendeinen) Inkassodienst, der seine Dienstleistungen mit dem Merkmal der Motivation erbringe. Das Wort „Motivation“ beschreibe dabei in verständlicher Weise den Umstand, dass die so gekennzeichneten Inkassodienste sich dadurch auszeichneten, dass sie mit einer Motivation verknüpft seien. Bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen werde häufig die Motivation erkundet, die zur Zahlungsverweigerung des Schuldners führe. Die Motivation könne auch darin bestehen, die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit zu ermitteln und aufgrund dieser Erkenntnisse ein für Schuldner wie Gläubiger akzeptables Vorgehen zu erarbeiten. Die beanspruchten Dienstleistungen seien entweder Inkassodienste oder stünden mit diesen zumindest in einem engen Zusammenhang damit. Auch Programmiertätigkeiten oder die Beratung im Zusammenhang mit EDV-Geräten könnten auf Inkassodienste abgestimmt sein. Soweit die Anmelderin vorbringe, dass die angemeldete Bezeichnung ungewöhnlich und deswegen schutzfähig sei, gebe dies zu keiner anderen Entscheidung Anlass, da der Begriff „Motivationsinkasso“ die Art der Dienstleistungen bzw. die Art ihrer Erbringung sprachüblich und inhaltlich stimmig beschreibe. Soweit sich die Anmelderin auf Voreintragungen berufe, sei auf die dazu ergangene Rechtsprechung zu verweisen, wonach Voreintragungen weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung entfalteten.
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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Der angemeldeten Bezeichnung könne das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Die Markenstelle habe bei der Prüfung der Unterscheidungskraft die angemeldete Bezeichnung in unzulässiger Weise in die einzelnen Bestandteile „Motivations“ und „Inkasso“ aufgespalten, um einen beschreibenden Sinngehalt für die beanspruchten Dienstleistungen festzustellen. Dies lasse den Umstand unberücksichtigt, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnehme, wie es ihm entgegentrete, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Weiterhin sei der Begriff „Motivation“ emotional positiv besetzt. Der Begriff „Inkasso“ verweise dagegen auf eine fortgeschrittene Eskalationsstufe im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner und sei daher emotional negativ besetzt. Weil die angemeldete Bezeichnung eine Kombination eines emotional positiv besetzten Begriffs mit einem emotional negativ besetzten Begriff sei, komme ihr schon aus diesem Grund ein gewisses Maß an Kreativität zu. Jedenfalls werde der Begriff „Motivationsinkasso“ vom angesprochenen Verkehr als widersprüchlich empfunden. Es sei zudem unklar, ob man für das Inkasso motiviert sein könne und wer für das Inkasso motiviert sein solle. Insofern sei der beschreibende Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung zumindest nicht ohne Nachdenken erkennbar. Weiterhin seien im deutschen Markenregister zahlreiche Marken mit den Bestandteilen „Motivation“ oder „Inkasso“ eingetragen.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. September 2018 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 6. Mai 2020 und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
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Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Motivationsinkasso“ als Marke steht im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 42 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/ Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse). Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).
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Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung „Motivationsinkasso“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Denn insoweit ist ein hinreichend naheliegender und ohne weiteres verständlicher sachbeschreibender Zusammenhang zwischen dem Begriff „Motivationsinkasso“ und den betreffenden Dienstleistungen gegeben, der einem Verständnis der angemeldeten Bezeichnung als betrieblichem Herkunftshinweis entgegensteht.
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Die angemeldete Bezeichnung „Motivationsinkasso“ ist ein sprachregelgerecht gebildetes Kompositum aus den beiden ohne weiteres verständlichen Substantiven „Motivation“ und „Inkasso“. Die Kombination der beiden Begriffe ist entgegen der Auffassung der Anmelderin in keiner Weise ungewöhnlich. Vielmehr spielt der Begriff der „Motivation“ auch im Bereich der Inkassodienstleistungen eine wichtige Rolle dahingehend, dass der Schuldner durch die Inkassotätigkeit zur Zahlung „motiviert“ werden soll. Dieser Gesichtspunkt spielt bei Inkassodienstleistungen eine relevante Rolle, weil der Begriff „Motivation“ bzw. das Verbum „motivieren“ mit einer auffälligen Häufigkeit in entsprechenden Sachzusammenhängen benutzt wird (auf die Rechercheergebnisse des Senats, die der Anmelderin mit dem Hinweis vom 6. Mai 2020 als Anlagenkonvolut 1 übersandt worden sind, wird Bezug genommen). So heben verschiedene Inkassodienstleister in ihrer Werbung hervor, dass sie bei ihrer Inanspruchnahme „Motivation schaffen“ wollen oder „säumige Kunden zur Zahlung motivieren“ können. Dabei wird in den Vordergrund gestellt, dass es zielführender sei, den Schuldner zur Zahlung zu motivieren, als ihn mit Drohungen einzuschüchtern. Ausgehend von den zahlreichen Rechercheergebnissen, in denen Inkassodienstleister ihre Fähigkeit hervorheben, Schuldner motivieren zu können, ist die angemeldete Bezeichnung weder sprachlich ungewöhnlich gebildet, noch ihrem gedanklichen Inhalt nach unklar oder diffus. Vielmehr werden die angesprochenen Verkehrskreise den angemeldeten Begriff im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres dahingehend verstehen, dass der betreffende Anbieter seine Dienstleistung in einer ganz bestimmten Art und Weise erbringt, bei der nicht das Einschüchtern des Schuldners, sondern das Motivieren im Vordergrund steht und bei der auf eine entsprechende Zahlungsmotivation hingearbeitet wird.
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Dieser naheliegende beschreibende Sachzusammenhang besteht zunächst zwischen der angemeldeten Bezeichnung und den Dienstleistungen der Klasse 36, die die wesentliche Tätigkeit von Inkassodienstleistern beinhalten. Entgegen der Auffassung der Anmelderin besteht der naheliegende beschreibende Sachzusammenhang aber auch im Hinblick auf die weiteren Dienstleistungen, die in den Klassen 35 und 42 beansprucht werden. Wie der Bericht über Berliner Start-Ups im „Tagesspiegel“ zeigt (siehe dazu die am 6. Mai 2020 als Anlage 2 übersandten Unterlagen), verändert die Datenverarbeitung auch die Inkassobranche nachhaltig. So lebt der Faktorer „Billpay“ davon, dass er mittels Big Data verlässliche Voraussagen über die Zahlungsmoral der Kunden trifft. Weiterhin können auch Werbeveranstaltungen speziell für die Branche der Inkassodienstleister erbracht werden. Entsprechendes gilt für den Bereich des Franchise, weil auch Inkassounternehmen im Wege eines Franchisesystems betrieben werden können (siehe dazu die am 6. Mai 2020 als Anlagen 3 und 4 versandten Unterlagen). Ausgehend davon besteht auch ein ausreichend enger beschreibender Zusammenhang in Bezug auf sämtliche in den Klassen 35 und 42 beanspruchten Dienstleistungen.
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Soweit der Anmelder auf verschiedene, nach seiner Auffassung vergleichbare Voreintragungen im Markenregister verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass Voreintragungen grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten. Insoweit ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47–51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 78 und Rn. 79 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische inländische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtsbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen des DPMA und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Gericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
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2. Nachdem der angemeldeten Bezeichnung bereits die notwendige Unterscheidungskraft fehlt, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.