BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 15.07.2020, AZ XII ZB 78/20, ECLI:DE:BGH:2020:150720BXIIZB78.20.0
§ 17 FamFG, § 64 FamFG, § 275 FamFG
Leitsatz
1. Für die Beschwerde des Betroffenen in einem Betreuungsverfahren gelten keine von § 64 FamFG abweichenden, weniger strengen Formerfordernisse.
2. Bei Übermittlung einer Beschwerdeschrift durch einen Telefaxdienst ist die Wiedergabe der Unterschrift in der Telekopie notwendig. Sie muss daher auf dem Original der per Telefax versandten Beschwerdeschrift so ausgeführt sein, dass sie auf der Kopie wiedergegeben werden kann (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 31. Januar 2019 – III ZB 88/18, FamRZ 2019, 722).
3. Ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 17 FamFG kann sich wegen § 275 FamFG nicht aus der die Betreuungsbedürftigkeit begründenden psychischen Krankheit des Betroffenen als solcher ergeben.
Verfahrensgang
vorgehend LG Bamberg, 24. Januar 2020, Az: 42 T 176/19
vorgehend AG Haßfurt, 8. November 2019, Az: 9 XVII 186/19
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird mangels hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 24. Januar 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Haßfurt vom 8. November 2019 verworfen wird.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 5.000 €
Gründe
1
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er sich gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde gegen die Einrichtung einer umfassenden Betreuung wendet, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Denn die Erstbeschwerde war – worauf der Senat den Betroffenen hingewiesen hat – bereits unzulässig, weil das Schreiben vom 10. Dezember 2019, mit dem der Betroffene das Rechtsmittel eingelegt hat, entgegen § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG und der vom Amtsgericht zutreffend erteilten Rechtsbehelfsbelehrung auf keiner der zu den Akten gelangten Faxkopien eine eigenhändige Unterschrift des Betroffenen erkennen lässt.
2
1. Ohne Erfolg macht der Betroffene geltend, er habe die Beschwerdeschrift im Original mittels Bleistift unterschrieben, was aber durch das Faxgerät gegebenenfalls schlecht übertragen worden sei. Unabhängig davon, ob diese in Reaktion auf den Hinweis des Senats aufgestellte Behauptung zutrifft, fehlt es ihr an der rechtlichen Relevanz. Gemäß dem im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO ist bei Übermittlung eines Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie notwendig. Nur auf diese Weise kann die Unterschrift dem Gericht als dem Adressaten des Schriftsatzes die erforderliche Gewähr für die Urheberschaft und den Willen des Erstellers des Schriftsatzes bieten, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020 – XII ZB 291/19 – FamRZ 2020, 770 Rn. 6 ff. mwN). Mithin muss die Unterschrift auf dem Original des per Telefax versandten Schreibens so ausgeführt sein, dass sie auf der Kopie wiedergegeben werden kann (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2019 – III ZB 88/18 – FamRZ 2019, 722 Rn. 8 mwN). Jedenfalls daran fehlt es vorliegend.
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2. Dieser Verstoß gegen das zwingende Unterschriftserfordernis ist nicht durch ein weiteres binnen der Beschwerdefrist bei Gericht eingegangenes und vom Betroffenen unterzeichnetes Schreiben behoben worden. Es ist auch keiner der sonstigen Ausnahmefälle gegeben, in denen sich aus – sich während der Beschwerdefrist ergebenden – anderen Umständen als der eigenhändigen Unterschrift unter dem Original der Rechtsmittelschrift eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020 – XII ZB 291/19 – FamRZ 2020, 770 Rn. 12 f. mwN). Eine solche folgt insbesondere nicht aus der den Nachnamen des Betroffenen enthaltenden Faxkennung auf dem Schreiben.
4
3. Für die Beschwerde eines Betroffenen im Betreuungsverfahren gelten keine von § 64 FamFG abweichenden, weniger strengen Formerfordernisse. Vielmehr ist der Betroffene in Betreuungsverfahren gemäß § 275 FamFG ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Um seine verfahrensrechtliche Position zu stärken, stehen ihm bezogen auf das Verfahren alle Befugnisse eines Geschäftsfähigen zur Verfügung (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2013 – XII ZB 317/13 – FamRZ 2014, 110 Rn. 6 ff. mwN). Mit dieser Regelung ist demnach eine verfahrensrechtliche Gleichstellung des Betroffenen mit geschäftsfähigen Verfahrensbeteiligten, nicht jedoch eine Besserstellung bezweckt, die aber vorläge, würden gesetzliche Formerfordernisse abgeschwächt.
5
4. Versäumt der Betroffene im Betreuungsverfahren die formgerechte Wahrung von Rechtsmittelfristen, kann er gegebenenfalls gemäß §§ 17 ff. FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen. Diese ist vorliegend weder beantragt noch ist die versäumte Verfahrenshandlung – Einlegung der Beschwerde mittels einer unterzeichneten Beschwerdeschrift – binnen der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden (vgl. § 18 FamFG). Daher bedarf zum einen keiner näheren Erörterung, dass dem Betroffenen bei – hier auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 14. Juli 2020 fehlender – Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Sachverhalts nach § 18 Abs. 3 Satz 1 FamFG gegebenenfalls Wiedereinsetzung gewährt werden könnte, wenn er auf die Abbildung der Unterschrift auf der Faxkopie hätte vertrauen dürfen. Zum anderen kann dahinstehen, dass ein sonstiger Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 17 FamFG nicht erkennbar ist und sich wegen § 275 FamFG insbesondere nicht aus der die Betreuungsbedürftigkeit begründenden psychischen Krankheit des Betroffenen als solcher ergeben kann.
- Dose
- Schilling
- Günter
- Nedden-Boeger
- Guhling