Beschluss des BPatG München 25. Senat vom 09.07.2020, AZ 25 W (pat) 523/19

BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 09.07.2020, AZ 25 W (pat) 523/19, ECLI:DE:BPatG:2020:090720B25Wpat523.19.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 112 795.9

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Juli 2020 unter Mitwirkung der Richterin Kriener, des Richters Dr. Nielsen sowie des Richters Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

2

Leben am Bodensee

3

ist am 15. November 2018 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 16:

5

Druckereierzeugnisse im Zusammenhang mit dem Immobilien- und Finanzierungswesen;

6

Klasse 35:

7

Werbung für Immobilien; Marketing in Bezug auf Immobilien; Vertriebsanalysen in Bezug auf Immobilien; Durchführung von Immobilienauktionen; betriebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf Immobilien und Immobiliengeschäfte; strategische Beratung in Bezug auf Geschäftsangelegenheiten mit Immobilien;

8

Klasse 36:

9

Immobilienwesen; Haus- und Immobilienverwaltung; Wohnvermittlung [Immobilien]; Immobilienbewertung; Immobilienberatung; Vermietung von Immobilien; Dienstleistungen einer Immobilienagentur in Bezug auf den Handel; Geldanlagegeschäfte mit Immobilien; Verwaltung von Immobilienportfolios; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Immobilien; Finanzierungen zur Immobilienerschließung und Baufinanzierung; Finanzierungsberatung in Bezug auf Immobilien; Kapitalfinanzierungen zur Beteiligung an Immobilien; finanzielle Verwaltung von Immobilien; Gewährung von Krediten für Immobilien; Finanzmaklerdienstleistungen in Bezug auf Immobilien; Leistungen von Immobilienagenturen zum Kauf und Verkauf von Grundstücken, Gebäuden und Immobilien; Zurverfügungstellung von Online-Informationen und Online-Portalen zum Immobilienwesen, zur Immobilienberatung und Finanzierungsberatung im Immobilienbereich; Versicherungswesen, Versicherungsberatung und Versicherungsvermittlung im Bereich des Immobilienwesens und im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften.

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Mit Beschluss vom 8. Januar 2019 hat die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts die unter der Nummer 30 2018 112 795.9 geführte Anmeldung für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sowie einem bestehenden Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Denn es handle sich im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um eine rein beschreibende geographische Herkunftsangabe.

11

Die angemeldete Marke bestehe aus der sprachregelgerecht gebildeten Wortfolge „Leben am Bodensee“. Zu den geographischen Herkunftsangaben zählten auch die Namen von Flüssen oder Seen, sofern sie zugleich angrenzende Gebiete, Regionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichneten. Das sei bei der Bezeichnung „Bodensee“ der Fall. Das Zeichen beinhalte im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 lediglich den beschreibenden Hinweis, wonach die darauf bezogenen Immobilien am Bodensee lägen und somit ein Leben am Bodensee ermöglichten, für ein Leben am Bodensee geeignet oder bestimmt seien, dort angeboten oder erbracht würden oder Immobilien für ein Leben am Bodensee zum Gegenstand, Thema oder Inhalt hätten. Die beanspruchten Waren der Klasse 16 „Druckereierzeugnisse“ könnten sich inhaltlich oder thematisch ebenfalls mit dem Thema „Leben am Bodensee“ oder mit Immobilien für ein Leben am Bodensee beschäftigen. Die angemeldete Wortfolge würde ausweislich der beigefügten Unterlagen insbesondere im Immobilienbereich bereits Verwendung finden. Der insoweit angesprochene Verkehrskreis würde die Bezeichnung daher nicht als betriebskennzeichnendes individualisierendes Merkmal eines bestimmten Anbieters auffassen. Auch bestehe ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber an der die Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Angabe.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Anmelderin hat, wie bereits auch im Verfahren vor dem DPMA, keine Stellungnahme in der Sache abgegeben und auch keinen Sachantrag gestellt und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

14

Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Leben am Bodensee“ als Marke steht im Zusammenhang mit sämtlichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

15

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).

16

Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).

17

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.

18

Die angemeldete Bezeichnung besteht aus der ohne weiteres verständlichen sprachregelgerecht gebildeten Wortfolge „Leben am Bodensee“. Bei der Bezeichnung „Bodensee“ handelt es sich sowohl um die geographische Angabe für den 63 km langen See im Alpenvorland, der sich in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz befindet, als auch um den Namen für die gesamte Region. Die Bodenseeregion ist bekanntermaßen mit zahlreichen Städten in drei Nationen ein bedeutender Wirtschaftsraum wie auch angesichts des Sees eine begehrte Tourismusregion und ein beliebter Standort für Zweit- und Ferienwohnsitze. Die angemeldete Wortkombination ist – und war auch bereits zum Anmeldezeitpunkt – für unterschiedliche Unternehmen vor allem im Zusammenhang mit Immobilienangelegenheiten gebräuchlich, um auf die konkrete Lage der Immobilie und das spezielle Lebensgefühl und Ambiente in der Region mit „Leben am Bodensee“ werblich beschreibend hinzuweisen (vgl. dazu die von der Markenstelle der Anmelderin mit der Beanstandung vom 13. Dezember 2018 als Anlagen 1 bis 6 übersandten Rechercheunterlagen). Vor diesem Hintergrund eignet sich die angemeldete Wortkombination „Leben am Bodensee“ dazu, im Zusammenhang mit den klassischen Immobiliendienstleistungen deren Gegenstand, nämlich die Immobilie selbst, als solche zu beschreiben, dass diese durch ihre konkrete Lage in der Bodenseeregion ein Leben am Bodensee ermöglicht. Damit weisen die Dienstleistungen der Klasse 36, die sich alle auf solche Immobilien beziehen und diese zum Gegenstand haben können (auch als Gegenstand der Finanzierung), einen engen sachlichen Zusammenhang zu der werblich beschreibenden Bezeichnung „Leben am Bodensee“ auf (vgl. insoweit insbesondere BGH GRUR 2006, 850 Rn. 32 FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 949 DeutschlandCard). Die beanspruchten Dienstleistungen können sämtliche im Zusammenhang mit einer Immobilie stehen, sei es als Anlageobjekt, Finanzierungsgegenstand, Gegenstand der Verwaltung, Beratung oder Versicherung, die am Bodensee liegt und deren Lage entsprechend werblich üblich mit „Leben am Bodensee“ beschrieben werden kann.

19

Entsprechendes gilt im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 35, bei denen sich die (Werbe-, Analyse, Beratungs- oder Auktions-)Dienstleistungen in gleicher Weise auf eine Immobilie beziehen können, die sich in der Bodenseeregion befindet und dementsprechend mit „Leben am Bodensee“ beschrieben wird. Auch insoweit ist ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Dienstleistungen und deren Gegenstand, der mit der angemeldeten Bezeichnung beschrieben wird, zu bejahen, so dass ein Verständnis des Zeichens als Hinweis auf den Ursprung der Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb für die angesprochenen Verkehrskreise ausgesprochen fernliegt.

20

Bei den beanspruchten Waren der Klasse 16 handelt es sich um „Druckereierzeugnisse im Zusammenhang mit dem Immobilien- und Finanzierungswesen“. Dabei kann es sich auch um (Werbe)Broschüren, Werbeflyer, Zeitungen und Hefte handeln, die sachbezogene Informationen rund um das Thema „Leben am Bodensee“ beinhalten. Damit werden die angesprochenen Abnehmer- und Verbraucherkreise der Bezeichnung im Zusammenhang mit den Waren aber gerade nicht einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren entnehmen, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Druckerzeugnisses als Informationsheft zum oder über das Leben am Bodensee. Insoweit handelt es sich in Bezug auf die beanspruchten Waren um eine unmittelbar beschreibende Inhaltsangabe.

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2. Inwieweit der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann letztlich dahingestellt bleiben, dürfte aber jedenfalls im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als unmittelbar beschreibende Sachaussage zu bejahen sein.