BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 06.07.2020, AZ 6 B 7/20, ECLI:DE:BVerwG:2020:060720B6B7.20.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 7. November 2019, Az: 20 A 838/16, Urteil
vorgehend VG Düsseldorf, 1. März 2016, Az: 22 K 8186/15, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. November 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 500 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt die Verlängerung eines Waffenscheins für eine halbautomatische Pistole. Er beruft sich auf eine unter anderem wegen seines humanitären Engagements erhöhte Gefährdung durch islamistischen Terrorismus. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Berufungsurteil nicht zugelassen.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
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Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen in der Beschwerdebegründung des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die für klärungsbedürftig gehaltene Frage der „generellen Geeignetheit einer Schusswaffe im Verteidigungsfall“ lässt schon keinen Bezug zu einer revisiblen Rechtsvorschrift erkennen und ist daher in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
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Wird die vom Kläger aufgeworfene Frage auf die Auslegung von § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bezogen, ist sie jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Nach § 19 Abs. 1 WaffG wird ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe und der dafür bestimmten Munition bei einer Person anerkannt, die glaubhaft macht, 1. wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet zu sein und 2. dass der Erwerb der Schusswaffe und der Munition geeignet und erforderlich ist, diese Gefährdung zu mindern. Die der Prüfung der Geeignetheit des Waffenbesitzes zur Minderung der Gefährdung zugrunde zu legenden Maßstäbe sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach genügt es nicht, dass die Waffe in der Hand des Antragstellers in einem gedachten – theoretischen – Fall geeignet ist, die Sicherheit zu verbessern; die Waffe muss aber auch nicht in jedem denkbaren Fall Schaden verhüten können. Sie ist nur geeignet, wenn in einer für den Antragsteller typischen Verteidigungssituation eine erfolgreiche Abwehr zu erwarten ist. Sollte der Betroffene nach den Erfahrungen – insbesondere dann, wenn der Angreifer eine Schusswaffe bei ihm vermutet – in aller Regel durch Angriffe überrascht werden, so dass er zu einer wirksamen Verteidigung außerstande ist, läge ein Bedürfnis für den Besitz einer Schusswaffe zu Verteidigungszwecken nicht vor (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1975 – 1 C 25.73 – BVerwGE 49, 1 <12> zu § 32 Abs. 1 Nr. 3 WaffG a.F.). Gesichtspunkte, die diese Rechtsprechung überprüfungsbedürftig erscheinen lassen könnten, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
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Von den dargelegten Maßstäben ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht nicht feststellen können, dass das Führen einer Schusswaffe im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geeignet ist, die vom Kläger geltend gemachte Gefährdung seiner Person zu mindern (UA S. 18 ff.). Nach den von ihm dargetanen Umständen stünden vordringlich solche Angriffs- oder Überfallszenarien im Raum, in denen dem Kläger kaum Zeit verbliebe, eine Waffe zur Verteidigung einzusetzen. Dies gelte insbesondere für etwaige Angriffe auf seine Person außerhalb seiner privaten bzw. geschäftlichen Räumlichkeiten. Potentielle Angreifer würden gehalten sein, eine Gegenwehr des Klägers möglichst auszuschließen oder zu vermeiden. Das lege es für potentielle Angreifer mehr als nahe, bei einem Angriff auf die Person des Klägers für diesen plötzlich und überraschend aus dem Hinterhalt vorzugehen. Bislang seien die Personen, die den Kläger in der Vergangenheit bedroht oder ihm nachgestellt hätten und deshalb als potentielle Attentäter oder Angreifer in Betracht zu ziehen seien, stets darauf bedacht gewesen, sich nicht zu erkennen zu geben und nicht selbst zu gefährden. Der entsprechenden Einschätzung im angefochtenen Bescheid, dass – sofern eine beabsichtigte Straftat zu Lasten der körperlichen Unversehrtheit des Klägers durch Dritte tatsächlich geplant sei – ein möglicher Angriff durch die vom Kläger vermutete Tätergruppierung der Taliban oder des IS wahrscheinlich plötzlich und unerwartet erfolgen werde, so dass ein effektiver Eigenschutz nicht mehr erreicht werden könne, sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
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Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung geltend macht, er sei ausgesprochen aufmerksam und auch im Umgang mit Schusswaffen geübt, so dass nicht immer ausgeschlossen werden könne, dass selbst bei einem überraschenden Angriff nicht noch eine Abwehrchance bestehe, zumal Statistiken darüber fehlten, in wie vielen Fällen möglicherweise die Abwehr eines Angriffs erfolgreich durch einen Waffenscheininhaber erfolgt sei, beanstandet er in der Sache die Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch das Berufungsgericht. Hierauf kann die Grundsatzrüge nicht gestützt werden.
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Die vom Kläger weiter geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Anders als die Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kann die Revision nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils der Vorinstanz zugelassen werden. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang der Annahme des Oberverwaltungsgerichts entgegentritt, es lasse sich für ihn keine Gefährdung im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 WaffG feststellen, beanstandet er zudem in der Sache erneut lediglich die Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch das Berufungsgericht. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf ist insoweit nicht erkennbar. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Zurückweisung der Berufung selbstständig tragend – wie ausgeführt – auch darauf gestützt, dass das Führen einer Schusswaffe nicht im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geeignet ist, die vom Kläger geltend gemachte Gefährdung seiner Person zu mindern. Ist eine angegriffene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision jedoch nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Diese Voraussetzung ist hier – wie ausgeführt – nicht erfüllt.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.