BPatG München 4. Senat:

BPatG München 4. Senat, Urteil vom 18.06.2020, AZ 4 Ni 6/19 (EP), ECLI:DE:BPatG:2020:180620U4Ni6.19EP.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache1

betreffend das europäische Patent EP 2 229 744

(DE 60 2008 024 911)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 durch die Richterin Kopacek als Vorsitzende sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Friedrich, Dipl.-Phys. Univ. Dr. Zebisch, die Richterin Dorn und den Richter Dr.-Ing. Kapels

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und am 7. Oktober 2008 in der Verfahrenssprache Englisch international angemeldeten europäischen Patents 2 229 744, das die Bezeichnung „METHOD AND ARRANGEMENT IN A WIRELESS COMMUNICATION NETWORK“ trägt und die Priorität der US-Anmeldung 61/019,746 vom 8. Januar 2008 in Anspruch nimmt. Es wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 60 2008 024 911.5 geführt. Der Veröffentlichungstag der mit der EP 2 229 744 B1 (Streitpatentschrift) publizierten Patenterteilung ist der 22. Mai 2013, wobei die dem Streitpatent zugrundeliegende internationale Anmeldung am 16. Juli 2009 mit der WO 2009/088337 A1 offengelegt wurde.

2

Das Streitpatent wurde bereits am 31. Juli 2014 mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen (5 Ni 28/14 (EP), Klägerin: H…GmbH).Mit Urteil vom 20. September 2016 hatte der 5. Senat des Bundespatentgerichts das Streitpatent insgesamt wegen mangelnder Patentfähigkeit sowohl der erteilten Fassung als auch der Fassung nach dem Hilfsantrag für nichtig erklärt.

3

Auf die Berufung der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit dem am 4. September 2018 verkündeten Urteil in der Sache X ZR 14/17 das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 20. September 2016 abgeändert und das europäische Patent 2 229 744 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die zuletzt nur noch mit dem erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag als Hauptantrag verteidigten Patentansprüche hinausgeht. Der X. Senat hat entschieden, dass das Streitpatent die Priorität rechtswirksam in Anspruch nehme und somit die damaligen NK4b (3GPP TS 36.322 V8.1.0), NK4c (3GPP TS 36.322 V8.2.0) und NK4d (3GPP TS 36.322 V8.3.0) gegenüber dem Streitpatent nicht zum Stand der Technik gehörten (Rn. 47-84). Auch gehöre die damalige NK6 (Tdoc R2-080236) nicht zum Stand der Technik, da diese erst am Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht worden sei (Rn. 85). Zudem sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der damaligen NK1 (Tdoc R2-073937) neu und lege ihn dem Fachmann auch nicht nahe (Rn. 25-38). Auch habe sich für den Fachmann keine Anregung ergeben, das aus der damaligen NK1 bekannte Verfahren im Sinne des erfindungsgemäßen Verfahrens zu ergänzen, wenn er die damalige NK2 (R2-074176) oder die damalige NK3 (R2-073538) in seine Überlegungen mit einbezogen hätte (Rn. 39-45). Hinsichtlich der weiteren Entgegenhaltungen, auf die die dortige Klägerin ihren Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 und 12 in der erteilten Fassung im Berufungsverfahren noch gestützt habe, nämlich die internationale Anmeldung WO 2008/097544 (NK5), den UMTS-Standard (NK7) sowie das Dokument zum UMTS-Standard „3GPP TS 125 322 v3.18.0“ (D2), die europäische Patentanmeldung 1 638 237 (D3
LG) und die internationale Anmeldung WO 2008/137594 (D3
HTC), habe die Klägerin weder geltend gemacht noch sei etwas dafür erkennbar, dass sie der Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 und 12 in der zuletzt verteidigten Fassung entgegenstehen könnten.

4

Das Patent umfasst in der Fassung gemäß dem o.g. BGH-Urteil X ZR 14/17 (= Streitpatent) insgesamt 15 Patentansprüche mit dem Verfahrensanspruch 1, die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11, den auf einen ersten Knoten gerichteten Vorrichtungsanspruch 12 und die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 13 bis 15. Von der Klägerin werden mit der vorliegenden Klage die Ansprüche 12 und 13 in der o.g. Fassung angegriffen.

5

Der Anspruch 12 in der Fassung gemäß BGH-Urteil X ZR 14/17, der dem mit der Widerspruchsbegründung vom 20. Februar 2015 im Verfahren 5 Ni 39/14 (EP) eingereichten Anspruch 12 gemäß Hilfsantrag (Anlage DNK1) entspricht, lautet in der Verfahrenssprache Englisch:

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6

Hinsichtlich des Wortlauts des auf Patentanspruch 12 rückbezogenen Patentanspruchs 13 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

7

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend, dass die Gegenstände der Ansprüche 12 und 13 des Streitpatents in der Fassung gemäß BGH-Urteil X ZR 14/17 mangels Patentfähigkeit (fehlende Neuheit) für nichtig zu erklären seien (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a), Art 52, Art. 54 EPÜ). In diesem Zusammenhang macht sie auch geltend, das Streitpatent nehme die Priorität vom 8. Januar 2008 zu Unrecht in Anspruch. Zudem macht sie geltend, dass die mit diesen Ansprüchen beanspruchten Gegenstände ursprünglich nicht offenbart seien (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ).

8

Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie folgende Dokumente vorgelegt:

9

MN0 Klageschrift zum parallelen Verletzungsverfahren beim Landgericht Düsseldorf Az. …

10

MN1 Streitpatent EP 2 229 744 B1

11

MN1a deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift, im Auftrag der Nichtigkeitsbeklagten angefertigt und im parallelen Verletzungsverfahren zur Akte gereicht

12

MN2 WO 2009/088337 A1

13

MN3 US 61/019,746 (Prioritätsschrift)

14

MN4 Auszug aus dem Patentregister des DPMA zum Streitpatent

15

MN5 3GPP TS 36.322 V8.0.0 (2007-12) Technical Specification. 3rd Generation Partnership Project; Technical Specification Group Radio Access Network; Evolved Universal Terrestrial Radio Access (E-UTRA) Radio Link Control (RLC) protocol specification (Release 8)

16

MN6 US 2006/0291395 A1

17

MN7 Merkmalsanalyse der Ansprüche 12 und 13 des Streitpatents

18

MN8 ETSI TS 136 322 V8.8.0 (2010-07) Technical Specification. LTE; Evolved Universal Terrestrial Radio Access (E-UTRA); Radio Link Control (RLC) protocol specification (3GPP TS 36.322 version 8.8.0 Release 8).

19

Bezüglich des Prioritätsanspruchs verweist die Klägerin auf folgende Dokumente aus dem Verfahren 5 Ni 28/14 (EP):

20

MN9 Nichtigkeitsklage vom 31. Juli 2014 (insbesondere S. 31 Rn. 50 bis S. 36 Rn. 57)

21

MN10 Replik vom 18. Juni 2015 (insbesondere S. 5 unter I. Rn. 4; S. 22 unter I.3. Rn. 37 bis S. 37 Rn. 65; S. 62 Rn. 127-129)

22

MN11 Eingabe vom 24. Juli 2015

23

MN12 Eingabe vom 20. Juni 2016 (insbesondere S. 3-6 unter 2.ii.)

24

MN13 Gutachten von B… vom 29. April 2016 (dort Anlage N8) MN14 Eingabe vom 16. September 2016 (insbesondere S. 2-11)

25

sowie

26

MN15 Beitritt T… als Nebenintervenientin im Verfahren 4b O 56/14 vor dem Landgericht Düsseldorf.

27

Als Stand der Technik hat die Klägerin folgende Dokumente vorgelegt:

28

D1 Tdoc R2-080236: „RLC Polling for continuous transmission“. TSG-RAN WG2 Meeting #60bis, Sevilla, Spain, 14th-18th January 2008

29

D1a Übersetzung des Tdoc R2-080236 in die deutsche Sprache

30

D1.1 Ausdruck von http://www.3gpp.org/ftp/tsg_ran/WG2_RL2/TSGR2_60bis/Docs/

31

D1.2 E-Mail von K… vom 13. August 2014 D1.3 Tätigkeitsbeschreibung des K…, abgerufen vom Server www.3gpp.org am 18. August 2014

32

D2 ETSI TS 125 322 V3.18.0 (2004-06) Technical Specification; Universal Mobile Telecommunications System (UMTS); Radio Link Control (RLC) protocol specification (3GPP TS 25.322 version 3.18.0 Release 1999)

33

D2a Übersetzte Auszüge aus der ETSI TS 125 322 V3.18.0 (2004-06)

34

D3 WO 2008/137594 A1

35

D3.1 Abschrift der Anmeldung US 12/111,811 mit dem 29. April 2008 als Anmeldetag

36

D4 R2-084768: “Clarification of polling”. Change Request 36.322 CR 0019 rev 1 Current version: 8.2.0; 3GPP TSG-RAN2 Meeting #63 Jeju Island, Korea, 18
th – 23
rd August, 2008

37

D4.1 3GPP TS 36.322 V8.2.0 (2008-05) Technical Specification; 3rd Generation Partnership Project; Technical Specification Group Radio Access Network; Evolved Universal Terrestrial Radio Access (E-UTRA) Radio Link Control (RLC) protocol specification (Release 8)

38

D4.2 RP-080691: „REL-8 CRs for LTE to TS 36.322 RLC“. TSG-RAN Meeting #41 Kobe, Japan, September 9-12, 2008.

39

Zum Zeitrang des Streitpatents:

40

Die Nichtigkeitsklägerin macht geltend, das Streitpatent könne die Priorität der US-Patentanmeldung 61/019,746 vom 8. Januar 2008 (Anlage MN 3) nicht zu Recht in Anspruch nehmen, da der Anmelderin des Streitpatents, der T… , als Rechtsvorgängerin der Nichtigkeitsbeklagten die Priorität dieser US-Voranmeldung nicht rechtzeitig und wirksam noch während des Prioritätsintervalls übertragen worden sei.

41

Das BGH-Urteil X ZR 14/17 entfalte bezüglich der Übertragung des Prioritätsrechts der Anmelder T1… und P… auf T… keine Bindungs- oder auch nur Indizwirkung. Der BGH habe insoweit, wie sich aus Rn. 59 Satz 2 seines Urteils ergebe, keine eigenständige rechtliche Prüfung vorgenommen. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Anmelder T1… und P… ihren jeweiligen Anteil zur Beanspruchung der Priorität der US-Anmeldung 61/019,746 mit Übertragungsvertrag vom 5. August 2008 bzw. 9. August 2008 an T… übertragen hätten und dass die als Anlagen DNKH3a und DNKH3b vorgelegten Abschriften der Übertragungsverträge mit den Originalurkunden übereinstimmten. Insbesondere werde mit Nichtwissen bestritten, dass die angebliche Unterschrift von T1… am 5. August 2008 vorgenommen worden sei. Die dortige handschriftliche Datumsangabe lasse eher vermuten, dass es sich um den 5. August 2009 handle. Entsprechendes gelte für die ebenfalls mit Nichtwissen bestrittene Unterschrift von P… am 9. August 2008, da die dortige handschriftliche Datumsangabe eher ver-muten lasse, dass es sich um den 7. August 2009 handle. Außerdem bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass (1) T… die Annahme jeweils erklärt habe, und für diesen Fall, dass (2) die vermeintlich im Namen von T… erklärende Person (welche?) rechtswirksam hierzu bevollmächtigt gewesen und dass (3) eine solche Annahmeerklärung dann rechtswirksam während des relevanten Prioritätsintervalls den „Assignors“ zugegangen sei. Im Übrigen wären die fraglichen „Assignments“ gemäß Anlagen DNKH3a und DNKH3b formunwirksam. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA vom 14. November 2006, T 0062/05.

42

Darüber hinaus entfalte die Entscheidung des BGH X ZR 14/17 aber auch keine Indizwirkung, soweit diese die Übertragung des Prioritätsrechts des dritten Anmelders M… zunächst durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung auf dessen angebliche Arbeitgeberin, die E… GmbH, und von dieser auf T… betreffe. Die Klägerin bestreitet insbesondere mit Nichtwissen, dass die zum Nachweis der Übertragung in Kopie vorgelegten Anlagen DNKH3c, DNKH3d und DNKH3e mit den Originalen übereinstimmten, die dortigen Unterschriften von den jeweils genannten Personen stammten, diese Personen zeichnungsbefugt gewesen seien und die „Assignment Declaration“ gemäß Anlage DNKH3e von T… gegenüber der E… GmbH angenommen worden sei.

43

Die Klägerin beantragt, die Vorlage der Dokumente, die das Prioritätsrecht zum Zeitpunkt der Anmeldung belegen sollen (Anlagen DNKH3a bis DNKH3e), gegenüber der Nichtigkeitsbeklagten bzw. der T… als Dritte im Original gemäß § 99 Abs. 1 PatG, § 134 bzw. §142 ZPO anzuordnen.

44

Des Weiteren könne die Priorität auch nicht in inhaltlicher Hinsicht in Anspruch genommen werden, da es an einer Identität von Anmeldegegenstand und Gegenstand des Streitpatents fehle. Die Merkmale 12.2.1 („a transmitter (406), adapted to transmit …“) und 12.2.3 („a requesting unit (410), adapted to request a status report from the second node (120)“) des Patentanspruchs 12 seien in dieser Allgemeinheit in der Voranmeldung nicht ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart.

45

Der Zeitrang des Streitpatents sei daher nicht der dort angegebene Prioritätstag, der 8. Januar 2008, sondern der Anmeldetag des Streitpatents, der 7. Oktober 2008. Mithin sei die Patentanmeldung gemäß Dokument D3, die die Prioritäten vom 1. Mai 2007 und vom 29. April 2008 in Anspruch nehme, als ältere Anmeldung zu berücksichtigen. Zudem sei bei dieser Sachlage auch das am 20. August 2008 veröffentlichte Dokument D4 als Stand der Technik zu berücksichtigen.

46

Zur mangelnden Patentfähigkeit:

47

Hinsichtlich des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit hat sich die Klägerin in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen darauf berufen, dass die Lehre der Ansprüche 12 und 13 in der Fassung gemäß dem BGH Urteil X ZR 14/17 durch die Dokumente D1 bzw. D1a, D2 sowie die – aus o.g. Gründen als Stand der Technik zu berücksichtigenden – Dokumente D3 und D4 jeweils neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Das Dokument D1 sei am Morgen des 8. Januar 2008 ab 8.36 Uhr GMT im Internet unter dem Link ftp://ftp.3gpp.org/tsg_ran/WG2_RL2/TSGR2_60bis/Docs/ öffentlich zugänglich gewesen. Dementsprechend sei das Dokument D1 zumindest in den westlichen Staaten der USA am Vortag des Prioritätstages des Streitpatents öffentlich zugänglich gewesen.

48

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf den Hinweis des Senats, dass das Streitpatent die Priorität der US-Anmeldung 61/019,746 wirksam in Anspruch nehmen dürfte, ihren Einwand der mangelnden Patentfähigkeit in erster Linie auf das unstreitig vorveröffentlichte Dokument D2 gestützt, das dem Gegenstand der Ansprüche 12 und 13 neuheitsschädlich entgegenstehe.

49

Patentanspruch 12 beanspruche nicht explizit zwei Zähler, sondern ein allgemeineres Mittel, eben den Zählmechanismus 407. Der Fachmann könne diesem Anspruch die Erkenntnis entnehmen, dass es zwei vordefinierte Werte
(first predefined value, second predefined value) geben müsse. Welche Beziehungen diese Werte aber zueinander hätten, lasse der Anspruch 12 offen, insbesondere schließe er den Fall nicht aus, dass der zweite vorgegebene Wert für die gezählten Bytes immer ein ganzzahliges Vielfaches des ersten vorgegebenen Wertes für die Dateneinheiten sei. Da der Anspruch 12 unstreitig so formuliert sei, dass er insbesondere auch Dateneinheiten mit festen Längen umfasse, werde beim Zählen einer solchen Dateneinheit zwangsläufig auch die festliegende Anzahl der Bytes gezählt.

50

Vor diesem Hintergrund sei die D2 neuheitsschädlich: Die D2, in der PDUs mit fester Länge offenbart seien, spezifiziere einen Zählmechanismus
(counting mechanism), der objektiv dazu geeignet sei, die Anzahl gesendeter Dateneinheiten (PDUs) und die Anzahl gesendeter Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten zu zählen. Der Unterschied der Anzahl von Bytes und der Anzahl PDUs sei gemäß der Lehre der D2 ein fester Faktor. Damit liege ein Zählmechanismus vor, der sowohl die Anzahl der Dateneinheiten als auch die Anzahl der Bytes erfasse. Das sei genau der Bedeutungsinhalt der Merkmalsgruppe 12.2.2.

51

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

52

das europäische Patent 2 229 744 im Umfang der Ansprüche 12 und 13 in der sich aus dem Urteil des BGH vom 4. September 2018 – X ZR 14/17 – ergebenden Fassung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

53

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

54

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit dem Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019, verteidigt wird.

55

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 12 und 13 nach Hilfsantrag 2 wird auf die Anlage dfmp1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 2. Dezember 2019 Bezug genommen.

56

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 und nochmals in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie mit ihrem Hauptantrag auf Klageabweisung die Aufrechterhaltung der angegriffenen Ansprüche 12 und 13 des Streitpatents in dem Umfang verfolgt, in dem der BGH diese Ansprüche im Verfahren X ZR 14/17 mit Urteil vom 4. September 2018 aufrechterhalten hat.

57

Die Beklagte stützt sich zur Begründung ihres Vorbringens auf die nachfolgenden Dokumente:

58

DNKH1 TANENBAUM, A.S.: Computer Networks. Third Edition. New Jersey, 1996, (in Auszügen). ISBN 0-13-394248-1

59

DNKH2 ETSI TS 136 300 V8.0.0 (2007-03) Technical Specification. Universal Mobile Telecommunications System (UMTS); Evolved Universal Terrestrial Radio Access (E-UTRA) and Evolved Universal Terrestrial Radio Access (E-UTRAN); Overall description; Stage 2 (3GPP TS 36.300 version 8.0.0 Release 8)

60

DNKH3a Abschrift des Übertragungsvertrags zwischen T1… und der T…vom 5. August 2008

61

DNKH3b Abschrift des Übertragungsvertrags zwischen P… und der T… vom 9. August 2008

62

DNKH3c Abschrift der von der E… GmbH am 18. Dezember 2014 ausge stellten Arbeitgeberbescheinigung betreffend das Angestelltenverhältnis von M…

63

DNKH3d Abschrift der Inanspruchnahme der Diensterfindung von Herrn M… durch die E… GmbH vom 28. Januar 2008

64

DNKH3e Abschrift des Übertragungsvertrags zwischen der E… GmbH und der T…vom 14. Februar 2008

65

DNKH4 Englische Übersetzung der Entscheidung „2009 Gaoxingzhongzi Nr. 232“ des Obersten Volksgerichtshof von Peking vom 7. März 2011

66

D3.2 Abschrift der Anmeldung US 60/915,428 mit dem 1. Mai 2007 als Anmeldetag dfmp2 technische Spezifikation TS 25.331 V3.18.0 dfmp3 Berufungserwiderung aus dem Verfahren X ZR 14/17 vom 19. Oktober 2017 dfmp4 Abschrift von Assignments, abgerufen am 27. Dezember 2019 unter der Internetadresse http:l/Iegacy-assignments.uspto.govlassignments/assignment-pat-23656-990.pdf dfmp5 BGH Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 14/17

67

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und ist der Auffassung, dass die Priorität der Voranmeldung US 61/019,746 rechtswirksam beansprucht werde und die Gegenstände der Ansprüche 12 und 13 in der Fassung gemäß BGH-Urteil X ZR 14/17 patentfähig seien. Dies gelte jedenfalls für die Fassung nach Hilfsantrag 2.

68

Zum Zeitrang des Streitpatents:

69

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die jeweiligen Anteile am Prioritätsrecht von den drei Anmeldern der Voranmeldung, T1…, P… und M…, wirksam auf die T… (Anmelderin der Nachanmeldung) übergegangen. Die BGH-Entscheidung X ZR 14/17 entfalte insoweit volle Indizwirkung. Insbesondere sei es nicht richtig, dass die dortige Klägerin (H… GmbH) im damaligen Verfahren ihre tatsächlichen und rechtlichen Einwände bezüglich der Übertragung des Prioritätsrechts von T1… und P… auf die T… fallen gelassen habe, vielmehr habe sie in ihrer Berufungserwiderung vom 19. Oktober 2017 (Anlage dfmp3) auf ihren erstinstanzlichen Vortrag hierzu Bezug genommen. Aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes sei auch davon auszugehen, dass der BGH im dortigen Verfahren entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen habe.

70

Soweit die hiesige Klägerin die in Rede stehenden Übertragungsvorgänge, die durch die Vorlage von Abschriften der maßgeblichen Urkunden bereits hinreichend nachgewiesen seien, bestreite, sei dieses Bestreiten unsubstantiiert. Entgegen der Auffassung der Klägerin könnten auch Abschriften, Kopien und E-Mails im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 286 ZPO und unter Berücksichtigung begleitender Umstände und anerkannter Erfahrungssätze den vollen Beweis (hier: für die den dinglichen Einigungen zugrundliegenden Umstände) erbringen. Vorsorglich bietet die Beklagte für die von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittenen Umstände Zeugenbeweis an und regt an, die Vorlage der bezeichneten Urkunden im Original gegenüber der T… anzuordnen (wegen der Einzelheiten zu den Beweisangeboten vgl. Schriftsatz vom 9. Januar 2020, S. 5 bis 18). Als Beleg dafür, dass es sich bei den in den Anlagen DNKH3a und DNKH3b wiedergegebenen Zeichen um die Unterschriften von T1… bzw. P… handle, hat die Beklagte zudem Abschriften von im Jahr 2007 unterschriebenen „Assignments“, die über das Web-Portal des USPTO abrufbar seien, eingereicht (vgl. Anlage dfmp4). Auch die von der Klägerin angeführten vermeintlichen Unstimmigkeiten hinsichtlich der Datumsangabe auf den Anlagen DNKH3a und DNKH3b überzeugten nicht. Die Variationen im Schriftbild bewegten sich vielmehr im Rahmen der üblichen handschriftlichen Unregelmäßigkeiten. Aus den Gesamtumständen, die durch die vorgelegten Dokumente belegt würden, ergebe sich auch zweifelsfrei, dass die T… die fraglichen Übertragungsangebote erhalten und ihren Annahmewillen zum Ausdruck gebracht habe. Eine konkludente Annahmeerklärung sei jedenfalls in der Vorbereitung und Einreichung der Nachanmeldung PCT/SE2008/C51139 zu sehen.

71

Soweit die Klägerin auch die Tatsachen bestritten habe, die der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Prioritätsrechts von dem dritten Anmelder M… auf die E… GmbH und von dieser auf die T… zu Grunde lägen, verweist die Beklagte in erster Linie auf die dezidierten Gründe hierzu im BGH-Urteil X ZR 14/17, das insoweit ebenfalls volle Indizwirkung entfalte.

72

Bezüglich der Erfindungsidentität hat die Beklagte dargelegt, dass die Voranmeldung denselben Gegenstand unter Verwendung derselben Zeitform („transmitted“) wie der Anspruch 12 des Streitpatents offenbare.

73

Zur Patentfähigkeit:

74

Zur Patentfähigkeit hat die Beklagte ausgeführt, dass bei dem in der D2 offenbarten Mobilfunksystem UMTS ein vermeintlich fester Zusammenhang zwischen der Anzahl von gesendeten Dateneinheiten und der Anzahl der gesendeten Bytes nicht bestehe. Nach der Merkmalsgruppe 12.2.2 müssten anspruchsgemäß auch Bytes tatsächlich gezählt werden. Fordere man also demnach zutreffend und im Einklang mit dem Wortlaut der Merkmalsgruppe 12.2.2, dass der anspruchsgemäße Zählmechanismus so ausgelegt sei, dass er neben der Anzahl von gesendeten Dateneinheiten auch „die Anzahl von gesendeten Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten zählt“, dann ergebe sich ohne weiteres, dass es für diese Merkmalsgruppe in der D2 keine Offenbarung gebe. Darüber hinaus fehle es in der D2 auch an der Offenbarung eines zweiten Schwellenwerts für die gezählten übertragenen Bytes nach Merkmal 12.2.4 und an einem gemeinsamen Zurücksetzen sowohl der gezählten Dateneinheiten als auch der gezählten Bytes nach Merkmal 12.2.4.2. Denn die D2 offenbare schon kein Zählen von gesendeten Datenbytes und erst recht keinen zweiten vordefinierten Wert, mit dem die Anzahl von gesendeten Datenbytes verglichen werden könnte.

75

Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 23. Oktober 2019 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

76

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

77

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da der Senat nicht feststellen konnte, dass der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche 12 und 13 des Streitpatents in der Fassung gemäß BGH-Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 14/17 – wegen des von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52 bis 57 EPÜ sich als nicht bestandsfähig erweist, insbesondere, dass die beanspruchte Lehre gegenüber dem genannten und zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht neu ist oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Auf die Zulässigkeit und Patentfähigkeit der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 kam es bei dieser Sachlage nicht an.

78

Aufgrund der – gegenüber jedermann wirkenden – Gestaltungswirkung eines rechtskräftigen Nichtigkeitsurteils in einem früheren Nichtigkeitsverfahren ist für das vorliegende Verfahren der angegriffene nebengeordnete Patentanspruch 12, auf den der ebenfalls angegriffene Patentanspruch 13 rückbezogen ist, in der sich aus dem rechtskräftigen BGH-Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 14/17 – ergebenden Fassung zugrunde zu legen (vgl. auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl., Rn. 393; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 84 Rn. 12; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 81 Rn. 136 m.w.N.).

 I. 

79

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Anordnung zur Anforderung von Statusberichten in einem drahtlosen Kommunikationsnetz.

80

Nach der Beschreibung des Streitpatents unterliegt die Qualität der Kommunikation in einem solchen Netzwerk aus einer Vielzahl von Gründen Schwankungen. Insbesondere können bei der Kommunikation zwischen zwei im Streitpatent als Knoten bezeichneten Teilnehmergeräten, wie etwa einer Basisstation und einer Nutzereinrichtung, gesendete Dateneinheiten wie Protokolldateneinheiten (
protocol data units, PDU) beim Empfänger verzerrt oder gar nicht ankommen. Es kann daher notwendig werden, solche Dateneinheiten nochmals zu senden. Zu diesem Zweck müssen sie beim Sender in einem Pufferspeicher (
retransmission buffer) zwischengespeichert werden. Da der hierfür zur Verfügung stehende Speicherplatz begrenzt ist, muss der sendende Knoten zu irgendeinem Zeitpunkt erfahren, welche gespeicherten Dateneinheiten er erneut senden muss und welche nicht mehr benötigt werden. Hierzu dient ein Statusbericht, den der empfangende Knoten an den sendenden Knoten zurücksendet. Er kann den Empfang einer Dateneinheit entweder bestätigen (
acknowledgment = ACK) oder verneinen (
NACK).

81

Ein solcher Statusbericht kann entweder vom sendenden oder vom empfangenden Knoten angestoßen (
„getriggert“) werden. Das Streitpatent schildert, dass das Radio-Link-Control-Protokoll (RLC-Protokoll), das zum LTE-Standard (
= 3GPP TS 36.322 Evolved Universal Terrestrial Radio Access [E-ULTRA], Radio Link Control [RLC] protocol specification [Release 8], MN5) gehört, ein Verfahren vorsieht, bei dem der Sender bei Vorliegen bestimmter Kriterien die Anforderung (
poll) eines Statusberichts sendet. Kriterien hierfür seien das Senden der letzten PDU in einem Puffer oder Ablauf eines Zeitgebers für ein erneutes Versenden einer Anforderung, wenn der Empfang der Dateneinheit bis dahin nicht bestätigt werde. Die Kriterien eigneten sich für stoßweisen Datenverkehr (
bursty traffic). Bei kontinuierlicher Übertragung (
continuous transmission) müssten hingegen zusätzliche Auslöser in Betracht gezogen werden.

82

Wie die Streitpatentschrift weiter erläutert, kann sich ein Stau oder eine Blockade (
stalling) sowohl daraus ergeben, dass eine zu große Anzahl Bytes zwischengespeichert wird, als auch aus einer zu großen Anzahl von Dateneinheiten. Im LTE-Standard ist die Größe der Dateneinheiten variabel; sie entspricht daher keiner bestimmten Anzahl von Bytes. Da der Sender die Sequenznummer benötigt, um zu erkennen, ob er alle Dateneinheiten empfangen hat, die Anzahl der zu vergebenden Sequenznummern jedoch ihrerseits beschränkt ist, kann eine Blockade nicht nur deshalb eintreten, weil die zwischengespeicherten Daten die Speicherkapazität erschöpfen, sondern auch deshalb, weil sie die Neuvergabe der Nummernfolge verhindern. Die Begrenzung der Zahl der bis zu einer Berichtsanforderung gespeicherten Dateneinheiten oder Bytes kann entweder zähler- oder fensterbasiert (
counter or window based) erfolgen. Bei einem zählerbasierten Verfahren wird die Anzahl gesendeter Dateneinheiten oder Bytes gezählt und ein Poll-Bit nach Erreichen einer eingestellten Anzahl derselben gesetzt. Bei einem fensterbasierten Verfahren wird hingegen ein Statusbericht nur dann angefordert, wenn die Anzahl der gesendeten, aber noch nicht bestätigten Dateneinheiten oder Bytes eine bestimmte Anzahl überschreitet.

83

Die Streitpatentschrift bemängelt, dass kein bekanntes Verfahren berücksichtige, dass eine Blockade zuweilen sowohl wegen der Speicherplatz- als auch wegen der Sequenznummernbeschränkung auftreten könne. Qualität und Kapazität eines Netzwerkes würden allerdings sowohl durch Datenverlust und Blockaden als auch durch das unnötige Anfordern von Statusberichten und unnötiges erneutes Senden von Daten beeinträchtigt (
vgl. die Abs. [0001] bis [0013] der Streitpatentschrift EP 2 229 744 B1, sowie die Rn. 6 bis 10 des BGH Urteils vom 4. September 2018 – X ZR 14/17(dfmp5)).

84

2. Ausgehend davon liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes drahtloses Kommunikationssystem bereitzustellen (
vgl. Abs. [0014] der Streitpatentschrift, sowie die Rn. 11 des BGH Urteils X ZR 14/17).

85

3. Diese Aufgabe wird durch die Vorrichtung nach Patentanspruch 12 in der Fassung gemäß BGH-Urteil X ZR 14/17 gelöst, die sich in funktionaler Hinsicht folgendermaßen gliedern lässt:

86

12.1 A first node (110) comprising

87

12.1.1 an arrangement (400) for requesting a status report from a second node (120),

88

12.1.2 the first node (110) and the second node (120) both used for a wireless communication network (100),

89

12.1.3 the status report comprising positive and/or negative acknowledgement of data sent from the first node (110) to be received by the second node (120),

90

12.2 wherein the arrangement (400) comprises:

91

12.2.1 a transmitter (406), adapted to transmit a sequence of data units or data unit segments to be received by the second node (120), the arrangement (400) further comprises:

92

12.2.2 a counting mechanism (407), adapted to count

93

12.2.2.1 the number of transmitted data units and

94

12.2.2.2 the number of transmitted data bytes of the transmitted data units,

95

12.2.3 a requesting unit (410), adapted to request a status report from the second node (120) if

96

12.2.3.1 the counted number of transmitted data units exceeds or equals a first predefined value, or

97

12.2.3.2 the counted number of transmitted data bytes of the transmitted data units exceeds or equals a second predefined value, and

98

12.2.4 a resetting unit (411, 412), adapted to reset the counting mechanism thereby to reset both the counted number of transmitted data units and the counted number of transmitted data bytes, if

99

12.2.4.1 the counted number of transmitted data units exceeds or equals the first predefined value, or if

100

12.2.4.2 the counted number of transmitted data bytes exceeds or equals the second predefined value.

101

Der BGH hat in seinem Urteil X ZR 14/17 zum Patentanspruch 1 folgende Erläuterungen gegeben, die für den Patentanspruch 12 entsprechend gelten:

102

Der in den Merkmalen 2.2.2, 2.3.2 und 2.4.2 (
Verfahrensschritte des Zählens, Anforderns eines Statusberichts und Zurücksetzens beider Zähler) verwendete Begriff der „
Datenbytes“ ist identisch mit dem in der Beschreibung ebenfalls verwendeten Begriff der „
Bytes“. Das ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschreibung zum Stand der Technik, den Vorteilen der erfindungsgemäßen Lehre und den erfindungsgemäßen Ausführungsbeispielen, bei denen die Begriffe „
Bytes“ oder „
Datenbytes“ in Zusammenhang mit den genannten Merkmalen verwendet werden, ohne dass damit ein unterschiedlicher Bedeutungsinhalt zum Ausdruck kommt (
vgl. Abs. [0008], [0016], [0035], [0063] der Streitpatentschrift, sowie die Rn. 14 des BGH Urteils X ZR 14/17).

103

Merkmal 2.3.2 sieht vor, dass ein Statusbericht vom zweiten Knoten angefordert wird, wenn die gezählte Anzahl gesendeter Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten einen zweiten vordefinierten Wert überschreitet oder diesem entspricht. Das schließt eine Veränderung der gezählten Anzahl gesendeter Datenbytes durch Abziehen der Datenbytes positiv oder negativ (
ACK oder NACK) bestätigter Dateneinheiten von der gezählten Anzahl gesendeter Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten aus, da diese Anzahl dann nicht mehr allein für die Anforderung des Statusberichts bei Erreichen oder Überschreiten eines vordefinierten Schwellenwerts maßgeblich wäre. Ein solches Verständnis steht in Einklang mit Merkmal 2.4.2, das das Zurücksetzen beider Zähler neben dem Erreichen oder Überschreiten eines vordefinierten Zahlenwerts von gesendeten Dateneinheiten alternativ auch an das Erreichen oder Überschreiten eines vordefinierten Zahlenwerts von gesendeten Datenbytes knüpft. Es entspricht zudem der in der Patentschrift beschriebenen zählerbasierten Technik, nach der die Anzahl von gesendeten PDUs bzw. Bytes gezählt und die Abfrage ausgelöst wird, wenn eine voreingestellte Anzahl von PDUs bzw. Bytes gesendet worden ist, und grenzt sich damit von der fensterbasierten Technik ab, bei der die Abfrage nur dann ausgelöst wird, wenn die Menge der gesendeten, aber noch nicht bestätigten Daten eine bestimmte Anzahl von PDUs bzw. Bytes überschreitet (
vgl. Abs. [0009] der Streitpatentschrift, sowie die Rn. 15 des BGH Urteils X ZR 14/17).

104

Indem gleichzeitig mit der Anforderung des Statusberichts beide Zähler zurückgesetzt werden (
Merkmalsgruppe 2.4), werden, wie in der Patentschrift ausgeführt, erfindungsgemäß überflüssige Berichtsanforderungen sowohl wegen der Sequenznummernbeschränkung als auch wegen des beschränkten Speicherplatzes durch einen einzigen Mechanismus vermieden. Durch die Kombination der beiden Anforderungskriterien Anzahl der gesendeten Dateneinheiten und Anzahl der gesendeten Bytes wird erreicht, dass keine Anforderung unnötigerweise aufgrund des ersten Kriteriums erfolgt, obwohl eine solche Anforderung erst kurz zuvor durch das andere zweite Kriterium ausgelöst worden ist. Zudem werden Blockaden aufgrund von Sequenznummernbeschränkungen als auch aufgrund von fehlendem Speicherplatz verhindert (
vgl. Abs. [0017], [0018] der Streitpatentschrift, sowie die Rn. 16 des BGH Urteils X ZR 14/17).

105

Der Ansicht der Klägerin, dass Merkmal 12.2.2 schon dann erfüllt sei, wenn – vom Anspruch 12 umfasste – Dateneinheiten mit festen Längen, die immer aus einer festen Anzahl Bytes bestünden, gezählt würden, weil dann aufgrund des festen Verhältnisses von Dateneinheiten zu Bytes gleichzeitig auch die in den Dateneinheiten enthaltenen Bytes gezählt würden, ist nicht zu folgen.

106

Zwar ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass das Merkmal 12.2.2 isoliert betrachtet zunächst nur einen Zählmechanismus fordert, jedoch schränken die beiden folgenden Merkmale diesen Zählmechanismus derartig ein, dass dieser so ausgelegt ist, dass er die Anzahl von gesendeten Dateneinheiten (
12.2.2.1)
und die Anzahl von gesendeten Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten
zählt (
12.2.2.2). Somit muss explizit die Anzahl der Dateneinheiten und explizit die Anzahl deren Bytes jeweils gezählt werden. Darüber hinaus versteht der Fachmann unter dem Begriff „
zählen“ ein hochzählen und kein zählen mit anschließender Umrechnung. Diesbezüglich ist auch der Patentschrift zu entnehmen, dass das Zählen der Anzahl gesendeter Dateneinheiten und das Zählen der Anzahl gesendeter Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten durch zwei Zähler (421, 422) erfolgt (
vgl. Streitpatentschrift, Absätze [0095]-[0097]).

107

Überdies ist dem Merkmal 12.2.4 entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur zu entnehmen, dass die Rücksetzeinheit (411, 412) den Zählmechanismus zurücksetzt, sondern zusätzlich, dass das Zurücksetzen derartig erfolgen soll, dass dadurch
sowohl die gezählte Anzahl der gesendeten Dateneinheiten,
als auch die gezählte Anzahl der gesendeten Datenbytes zurückgesetzt wird. Somit fordert das Merkmal 12.2.4 ein Zurücksetzen beider Zähler.

108

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ferner ausgeführt hat, dass die Merkmale 12.2.3.2 und 12.2.4.2 jeweils mit dem Wort „oder“ verknüpft und diese somit für den beanspruchten Gegenstand nicht notwendig seien, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Denn die „oder“-Verknüpfungen sowohl der Merkmale 12.2.3.1 und 12.2.3.2 als auch der Merkmale 12.2.4.1 und 12.2.4.2 sind jeweils als logische Verknüpfung und nicht als alternative Ausgestaltungen zu verstehen, da gemäß den Absätzen [0045] und [0046] des Streitpatents beide Kriterien in einer Abfrage kombiniert werden (
„IF

109

(PDU_Counter≥PDU_Threshold) OR (ByteCounter≥ByteThreshold) THEN“).

110

4. Die Erfindung wendet sich an einen Diplom-Ingenieur der elektrischen Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption von drahtlosen Mobilfunksystemen. Dieser Fachmann bringt sich im Rahmen der Projekte der ITU-T / ETSI / 3GPP in Standardisierungsprozesse ein – z.B. in Arbeitsgruppentreffen, Email-Diskussionen – und ist über die aktuellen Entwicklungen und Vorschläge seiner Kollegen in den entsprechenden Gremien informiert.

II.  

111

Das Streitpatent nimmt – entgegen der Ansicht der Klägerin – die Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung 61/019,746 vom 8. Januar 2008 (MN3) wirksam in Anspruch.

112

1. Die Anmelderin des Streitpatents, die T…, ist zwar nicht Anmelderin der Voranmeldung, ihr ist aber zur Überzeugung des Senats das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung 61/019,746 vom 8. Januar 2008 rechtzeitig – d.h. vor Einreichung der Nachanmeldung – und wirksam übertragen worden.

113

1.1 Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass das in dem parallelen Nichtigkeitsverfahren ergangene BGH-Urteil X ZR 14/17 keine bzw. allenfalls eine sehr geringfügige Indizwirkung für die im vorliegenden Verfahren streitige Frage entfaltet, ob die beiden Anmelder T1… und P… ihr Prioritätsrecht wirksam und rechtzeitig innerhalb des Prioritätsintervalls auf die T… übertragen haben. Denn der BGH hat in seinem Urteil hierzu unter Rn. 59 lediglich folgendes festgestellt:

AbbildungAbbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

114

Der BGH hat sich demnach in seinem Urteil X ZR 14/17 nicht dezidiert mit den den Übertragungsvorgängen durch T1… und P… zugrundeliegenden und von der hiesigen Klägerin explizit bestrittenen Tatsachen auseinandergesetzt, so dass eine relevante Indizwirkung der diesbezüglichen Ausführungen des BGH für das vorliegende Verfahren zu verneinen ist.

115

Der erkennende Senat ist jedoch im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die beiden Anmelder T1… und P… ihren jeweiligen Anteil zur Beanspruchung der Priorität der US-Anmeldung 61/019,746 jeweils durch im August 2008 geschlossene rechtsgeschäftliche Vereinbarungen auf T… übertragen haben.

116

Dies ergibt sich insbesondere aus den von der Beklagten vorgelegten Abschriften der Übertragungsverträge gemäß Anlagen DNKH3a und DNKH3b in Verbindung mit Anlage dfmp4 und unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten sowie anerkannter Erfahrungssätze.

117

a) Zwar kommt vorliegend die – im Nichtigkeitsverfahren entsprechend heranzuziehende – gesetzliche Beweisregel des § 416 ZPO, wonach Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben sind, vollen Beweis dafür begründen, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind, nicht zum Tragen, da die Beweisregel des § 416 nur bei Vorlage des Originals der Privaturkunde gilt (§ 420 ZPO), die Beklagte aber lediglich Abschriften der Übertragungsverträge (Anlagen DNKH3a und DNKH3b) vorgelegt hat. Eine Kopie reicht nur dann, wenn der Gegner des Beweisführers die Echtheit der Urkunde und die Übereinstimmung von Abschrift und Original nicht bestreitet (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 416 Rn. 1). Die Klägerin hat vorliegend jedoch mit Nichtwissen bestritten, dass die als Anlagen DNKH3a und DNKH3b vorgelegten Abschriften mit den Originalurkunden übereinstimmen, insbesondere, dass die Unterschrift von T1… am 5. August 2008 und von P… am 9. August 2008 vorgenommen worden sei.

118

Nach dem vor dem Bundespatentgericht geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 286 ZPO) besteht jedoch keine Bindung an feste Beweisregeln, so dass entsprechend der gewonnenen Überzeugung entschieden werden kann, wobei die einzelnen Beweismittel frei beurteilt werden können. Dafür genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, welcher Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; BGH NJW-RR 1994, 94, 567; BGH GRUR 2001, 730 (III Abs. 5 und 9) – Trigonellin; Schulte, PatG, 10. Aufl., Einl. Rn. 153).

119

Der Senat ist vorliegend bereits aufgrund der vorgelegten Kopien der „Assignments“ gemäß den Anlagen DNKH3a und DNKH3b, die in Übereinstimmung mit dem schlüssigen Vortrag der Beklagten stehen, sowie mangels entgegenstehender konkreter Anhaltspunkte mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass diese Kopien mit den Originalurkunden übereinstimmen und die dort enthaltenen Übertragungserklärungen tatsächlich am 5. August 2008 von T1…und am 7. oder 9. August 2008 von P… abgegeben und unterzeichnet wurden.

120

Die von der Klägerin angeführten vermeintlichen Unstimmigkeiten vermögen die Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern:

121

Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestritten hat, dass es sich bei den in den Anlagen DNKH3a und DNKH3b wiedergegebenen Zeichen um die Unterschriften von T1… bzw. P… handle, ergibt ein Abgleich mit den Unterschriften auf den von der Beklagten zum Nachweis dieser bestrittenen Tatsachen in Abschrift vorgelegten Übertragungserklärungen aus dem Jahr 2007 (Anlage dfmp4), die über das Web-Portal des USPTO abrufbar sind, zweifelsfrei, dass die dort hinterlegten Unterschriften von T1… und P… mit den hier in Rede stehenden, auf den Anlagen DNKH3a und DNKH3b wiedergegebenen Unterschriften übereinstimmen. Soweit die Klägerin die Übereinstimmung der als Anlage dfmp4 vorgelegten Kopien mit den Originalen in der mündlichen Verhandlung mit Nichtwissen bestritten hat (vgl. Seite 2 des Protokolls von 28. Januar 2020), ist dieses Bestreiten unsubstantiiert, da sich die Klägerin über das Web-Portal des USPTO selbst davon überzeugen konnte, dass die „Assignments“ gemäß Anlage dfmp4 dort hinterlegt sind und mit den vorgelegten Abschriften übereinstimmen. Dies hat sie offensichtlich auch getan, da sie in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, dass bei der Anlage dfmp4 in der Kopfzeile – anders als bei den beim USPTO abrufbaren hinterlegten Übertragungserklärungen – die Seitenzahlen auf Deutsch durchnummeriert seien. Die Beklagtenvertreter haben hierzu glaubhaft erklärt, dass diese Seitenzahlen von ihnen stammten, woran der Senat, der die Anlage dfmp4 selbst auf der Internetseite des USPTO eingesehen hat, keine Zweifel hat. Die Einfügung der Seitenzahlen steht zudem in keinem Zusammenhang mit der Frage der Authentizität der Unterschriften.

122

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass T1… das Assignment gemäß Anlage DNKH3a am 5. August 2008 unterzeichnet hat. Das Vorbringen der Klägerin, dass die dortige Datumsangabe aufgrund des Schriftzugs eher vermuten lasse, dass es sich um den „5.8.2009“ handle, vermag diese Überzeugung nicht zu erschüttern. Zwar unterscheidet sich die Ziffer „8“ in der Mitte des Schriftzuges von der Ziffer „8“ in der Jahreszahl am Ende hinsichtlich der Größe des unteren Kreises. Dies bewegt sich aber im Rahmen der üblichen handschriftlichen Unregelmäßigkeiten, was auch die beiden „0“en in der Jahresangabe belegen, die sich in Größe und Form ebenfalls voneinander unterscheiden. Gegen die Annahme der Klägerin, dass es sich bei der letzten Ziffer in der Jahreszahl um eine „9“ handle, spricht auch, dass der untere Kreis – anders als bei einer „9“ – ganz nach oben geführt wurde und sogar in den oberen Kreis hineinragt. Der Senat erkennt darin ohne weiteres die Ziffer „8“, zumal es fernliegend erscheint, dass bei einer handschriftlichen Wiedergabe der Zahl „9“ der untere Bogen bis in den oberen Kreis weitergeführt wird.

123

Soweit die Klägerin einen Unterschied zwischen der Farbe der Unterschrift einerseits und der Datumsangabe andererseits anführt, rechtfertigt dies keine Zweifel daran, dass die Unterschrift von T1… am angegebenen Datum geleistet wurde. Auf dem farbigen Ausdruck des „Assignments“ gemäß Anlage DNKH3a (vgl. Anlage DNKHu3a als Anlage zum Protokoll vom 28. Januar 2020) ist zwar ein Farbunterschied erkennbar. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es aber durchaus üblich und nicht zu beanstanden, dass für Datum und Unterschrift verschiedene Stifte verwendet werden, nämlich z.B. dann, wenn eine Person ein Dokument vorbereitet, das Datum einsetzt und eine andere Person unterschreibt. Hierfür spricht im vorliegenden Fall, dass das „Assignment“ gemäß Anlage DNKH3a/DNKHu3a noch die Unterschrift einer weiteren Person als Zeugen, W…, zeigt. Insbesondere spricht vorliegend aufgrund des ähnlichen Schriftbildes einiges dafür, dass der dortige Zeuge W… mit einem farblich abweichenden Stift auch die Datumsangabe eingesetzt hat. Allein aus dem Umstand, dass das Datum möglicherweise von einer anderen Person eingesetzt wurde, ergibt sich noch kein nachzugehender Hinweis darauf, dass die Jahreszahl nachträglich verändert wurde.

124

Abgesehen davon sind weitere mögliche Anhaltspunkte für eine nachträgliche Veränderung der Jahreszahl auf dem „Assignment“ gemäß Anlage DNKH3a von der Klägerin weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

125

Entsprechendes gilt für die von der Klägerin bestrittene Datumsangabe auf dem von P… unterzeichneten „Assignment“ gemäß Anlage DNKH3b (vgl. auch den entsprechenden farbigen Ausdruck, Anlage DNKHu3b zum Protokoll vom 28. Januar 2020). Zwar ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass es sich bei der letzten Ziffer, welche dem Tag entspricht, aufgrund des Schriftbildes möglicherweise nicht um eine „9“, sondern um eine „7“ handeln könnte. Dies dürfte auch ein Vergleich mit der Datumsangabe über der Unterschrift von P… auf dem von der Beklagten zum Abgleich des Schriftzugs vorgelegten „Assignment“ vom 19. Dezember 2007 (Anlage dfmp4) ergeben, bei der die „9“ am Ende ein anderes Schriftbild aufweist als auf der Anlage DNKH3b/DNKHu3b. Allerdings ist es auch möglich, dass die letzte Ziffer in der Datumsangabe auf der DNKH3b eine „9“ darstellt, die nach oben hin aufgrund üblicher handschriftlicher Unregelmäßigkeiten nicht komplett ausgeführt wurde. Diese Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da es für die vorliegende Entscheidung nicht darauf ankommt, ob P… die Übertragungserklärung gemäß Anlage DNKH3b am 7. August 2008 oder am 9. August 2008 unterzeichnet hat, da beide Daten im Prioritätsintervall liegen.

126

Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass – wie von der Klägerin ebenfalls mit Nichtwissen bestritten – die jeweilige weitere Unterschrift auf den „Assignments“ gemäß Anlage DNKH3a und DNKH3b von W… bzw. S… als Zeugen stammten. Abgesehen davon kommt den Unterschriften dieser Personen keine entscheidende Bedeutung zu.

127

Auch sonst sind keine begründeten Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die in Abschrift vorgelegten Übertragungserklärungen gemäß den Anlagen DNKH3a und DNKH3b vorsätzlich verändert worden wären bzw. nicht mit dem jeweiligen Original übereinstimmen.

128

Für den Senat bestand im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes keine Veranlassung, die von der Klägerin beantragte Vorlage der Originalurkunden zu den Anlagen DNKH3a und DNKH3b gegenüber T… als Dritte, die sich nach den Angaben der Beklagten im Besitz der Originale befinden soll, nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 142 ZPO anzuordnen und/oder die von der Beklagten hilfsweise zu diesen Vorgängen benannten Zeugen zu vernehmen. Denn im Rahmen des vor dem Bundespatentgericht geltenden Untersuchungsgrundsatzes nach § 87 PatG wird der Sachverhalt von Amts wegen und ohne Bindung an das Vorbingen und die Beweisanträge der Parteien erforscht, wobei das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden kann (§ 93 Abs. 1 S. 1 PatG; vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 87 Rn. 2 und 5 m.w.N.). Dies gilt auch für das kontradiktorische Nichtigkeitsverfahren, bei dem das Bundespatentgericht nicht gehindert ist, Beteiligtenverhalten frei zu würdigen und auf der Grundlage glaubhaften Vorbringens eines Beteiligten zu entscheiden (vgl. Busse/Keukenschrijver, a.a.O., Rn. 7). Beweisantritte haben nur die Bedeutung von Anregungen. Sie dürfen zwar nicht ohne triftige Gründe übergangen werden, eine beantragte Beweiserhebung kann jedoch u.a. dann abgelehnt werden, wenn die zu beweisende Tatsache – wie im vorliegenden Fall die Abgabe der Übertragungserklärungen durch die Anmelder T1… und P… zu den genannten Daten – bereits zur Überzeugung des Gerichts erwiesen ist (Busse/Keukenschrijver, a.a.O., Rn. 10; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 87 Rn. 7 m.w.N.).

129

Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des BGH rechtfertigen keine andere Beurteilung.

130

Nach BGH, Urteil vom 28. September 1990 – VII ZR 298/88 –, NJW 1990, 1170, wird der Beweis durch Urkunden im zivilprozessualen Verfahren gemäß § 420 ZPO zwar durch Vorlage der Urkunde in Urschrift angetreten; die Vorlage einer Fotokopie reicht nicht aus. Von der Existenz der Urkunde und der Übereinstimmung der Ablichtung mit dem Original kann jedoch dann ausgegangen werden, wenn der Gegner die Vorlage der Fotokopie nicht rügt. Auch kann das Gericht die Fotokopie in tatrichterlicher Beweiswürdigung als ausreichenden Beweis einer Behauptung ansehen (vgl. BGH a.a.O., juris Rn. 14). In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des BGH vom 16. November 1979 – V ZR 93/77 –, NJW 1980, 1047, 1048 verwiesen, wonach die beglaubigte Abschrift einer Privaturkunde zur Beweisführung im Zivilprozess nicht ungeeignet ist, anstelle der formellen Beweiskraft jedoch die freie tatrichterliche Beweiswürdigung tritt.

131

Daraus ergibt sich, dass im zivilprozessualen Regelverfahren, bei dem der Beibringungsgrundsatz gilt, die Vorlage einer (beglaubigten) Fotokopie einer Privaturkunde zur Beweisführung ausreichen kann, und zwar auch bei entsprechendem Bestreiten des Gegners. Dies muss nach Ansicht des Senats erst recht im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes beim patentgerichtlichen Verfahren gelten, wobei auch eine einfache (nicht beglaubigte) Fotokopie einer Urkunde zur Beweisführung geeignet sein kann, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Gericht in freier Beweiswürdigung von der Existenz der Urkunde und der Übereinstimmung der Ablichtung im Original überzeugt ist (vgl. auch Zöller, ZPO, 32. Aufl. § 416 Rn. 14).

132

Die von der Klägerin weiter angeführte Entscheidung des BGH vom 8. März 2006 – IV ZR 145/05 –, NJW-RR 2006, 847, steht hierzu nicht in Widerspruch.

133

b) Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und insbesondere der Interessenlage der Beteiligten, dass T… die jeweiligen Übertragungsangebote von T1… und P… rechtzeitig im Prioritätsintervall angenommen hat und die Annahmeerklärung jedenfalls konkludent erfolgt ist.

134

In den „Assignments“ vom 5. August 2008 (DNKH3a) und 7. oder 9. August 2008 (DNKH3b) ist jeweils ein Angebot der Miterfinder T1… und P… zur Übertragung des Rechts auf die Inanspruchnahme der Priorität der US-amerikanischen Voranmeldung zu sehen. Es ist davon auszugehen, dass diese Angebote der T… zugegangen sind. Die Beklagte hat hierzu in ihrem Schriftsatz vom 9. Januar 2020 nachvollziehbar und substantiiert dargelegt, dass die „Assignments“ unter Verwendung eines von T… bereitgestellten Formulars und unter Bezeichnung des inter nen E…-Aktenzeichens „P25436“ erstellt wurden. Hieraus ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung und der Interessenlage der Beteiligten zu schließen, dass entsprechend dem schlüssigen Vorbringen der Beklagten die vorgenannten Übertragungserklärungen im Beisein oder jedenfalls im Zusammenwirken mit der bei T… zuständigen Person abgegeben wurden und entweder bereits an dem auf den „Assignments“ angegebenen Datum oder kurze Zeit danach von der bei der T… dafür zuständigen Person im dortigen Archiv und somit im Machtbereich der T… abgelegt wurden, wodurch erkennbar der Annahmewille der T… zum Ausdruck gebracht wurde. Die Klägerin hat dieses Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 9. Januar 2020 auch nicht substantiiert bestritten. Abgesehen davon ist eine konkludente Annahmeerklärung jedenfalls im späteren Verhalten von T… zu sehen, insbesondere in der Inanspruchnahme der Priorität aus der US-amerikanischen Voranmeldung bei der Vorbereitung und Einreichung der Anmeldung des Streitpatents, ausweislich derer die Erfinder T1… und P… – neben dem Miterfinder M…– als Anmelder für den Vertragsstaat USA mitgewirkt haben (vgl. WO 2009/088337 A1; MN2), so dass T1… und P… die konkludente Annahmeerklärung der T… auch noch vor Einreichung der Nachanmeldung zur Kenntnis genommen haben müssen.

135

c) Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die rechtsgeschäftliche Übertragung des Prioritätsrechts von T1… bzw. P… auf die T… sei jedenfalls form- unwirksam, weil auf den „Assignments“ gemäß Anlagen DNKH3a und DNKH3b die Unterschrift eines Vertreters der T… fehle, so dass die Anforderungen des auf diese Konstellation analog anwendbaren Art. 72 EPÜ 1973 nicht beachtet worden seien, greift auch diese Argumentation nicht durch. Denn Art. 72 EPÜ ist nach der Rechtsprechung des BGH auf die Übertragung des Prioritätsrechts nicht analog anwendbar (vgl. BGH Urt. v. 16. April 2013 – X ZR 49/12, juris Rn. 13 – Fahrzeugscheibe I).

136

1.2 Auch das Prioritätsrecht des dritten Anmelders M… ist zur Überzeugung des Senats zunächst auf dessen Arbeitgeberin, die E… GmbH, und von dieser auf die T… übergegangen.

137

Der BGH hat hierzu in dem im Parallelverfahren ergangenen Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 14/17 – auf den Seiten 21 bis 30 (= juris Rn. 61 bis 84) insbesondere folgendes festgestellt:

138

„(1) Der Übergang des Prioritätsrechts von dem Anmelder M… auf die E… GmbH erfolgte durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung der beiden Parteien.…(c) Im Streitfall sind die Rechte des Miterfinders M… an der Erfindung je doch nicht aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung, sondern durch Inanspruchnahme als Arbeitnehmererfindung seitens der E… GmbH mit von Herrn M… am 6. Februar 2008 empfangener Erklärung übergegangen. Ob mit diesem Übergang auch das Recht des Miterfinders M… auf Inanspruchnahme der Priorität aus der US-amerikanischen Voranmeldung übergegangen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.…(d) Denn das Recht auf die Inanspruchnahme der Priorität ist jedenfalls durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen der E… GmbH und dem Miterfinder M… übertragen worden.…(bb) Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten, dass der Miterfinder M… mit seiner damaligen Arbeitgeberin, der E… GmbH, vereinbart hat, die ser sein Recht als Mitanmelder der US-amerikanischen Voranmeldung zur Inanspruchnahme der Priorität aus dieser Voranmeldung zu übertragen.α) Herr M… hat der E… GmbH mit an eine Sachbearbeiterin aus der Patentabteilung seiner Arbeitgeberin gerichteter E-Mail vom 8. Januar 2008 die Nummer der US-amerikanischen Voranmeldung mitgeteilt. Diese Mitteilung war unter Berücksichtigung der Gesamtumstände für die E… GmbH nicht nur als Wissensmitteilung zu verstehen, sondern auch als Erklärung ihres Arbeitnehmers, die Übertragung des Prioritätsrechts der Voranmeldung auf die E… GmbH für den Fall anzubieten, dass diese – wie zu erwarten stand – die Erfindung als Diensterfindung nach §§ 5, 6 ArbErfG aF in Anspruch nehmen sollte.Diese Auslegung der abgegebenen Erklärung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass es der E… GmbH oder der T… nach dem seinerzeit geltenden US-amerikanischen Recht nicht möglich gewesen wäre, die Voranmeldung selbst einzureichen, da Patentanmeldungen nur von dem oder den Erfindern selbst eingereicht werden konnten, so dass sich auch das Recht auf die Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldung nicht originär zugunsten der E… GmbH oder der T… begründen ließ, sondern es einer Übertragung dieses Rechts von den Erfindern und Anmeldern der Voranmeldung bedurfte. Teilte der Diensterfinder danach seiner Arbeitgeberin am 8. Januar 2008 die Nummer der US-amerikanischen Voranmeldung mit, war dies als Bekundung seiner Bereitschaft zu verstehen, bei Inanspruchnahme der Erfindung alles Nötige und rechtlich Geschuldete zu tun, um der Arbeitgeberin wirksame Nachanmeldungen der Erfindung zu ermöglichen. Da dies insbesondere die Übertragung des Prioritätsrechts umfasste, lag hierin das Angebot, insbesondere auch das aus der Voranmeldung hervorgegangene Prioritätsrecht zu übertragen. Dies entsprach auch dem Interesse des Miterfinders, da das Prioritätsrecht nach einer wirksamen Inanspruchnahme der Erfindung durch seine Arbeitgeberin aufgrund des damit bewirkten Übergangs des Rechts an der Erfindung nicht mehr von dem Diensterfinder selbst, sondern nur noch von seiner Arbeitgeberin (oder deren Konzernmutter) als nunmehriger Inhaberin der Rechte an der Erfindung für Nachanmeldungen in Anspruch genommen werden konnte. Im Gegenzug eröffnete sich der Diensterfinder mit der Übertragung des Prioritätsrechts auf seine Arbeitgeberin die Aussicht, dass von dieser eingereichte Nachanmeldungen einen für die Patentfähigkeit gegebenenfalls ausschlaggebenden besseren Zeitrang erhielten und ihm dies im Rahmen des Vergütungsanspruchs nach § 9 ArbErfG zu Gute kommen würde. Zugleich kam er damit seiner Verpflichtung nach § 15 Abs. 2 ArbErfG nach, die E… GmbH als seine Arbeitgeberin auf Verlangen beim Erwerb von Schutzrechten zu unterstützen und die erforderlichen Erklärungen abzugeben, wozu nach zutreffender Ansicht bei Voranmeldungen durch den Arbeitnehmer auch die Zustimmung zur Übertragung von Prioritätsrechten gehört (Bartenbach/Volz, ArbErfG, 5. Aufl., § 15 Rn. 32; Rother in Reimer/Schade/Schippel, ArbErfG, 8. Aufl., § 15 Rn. 12).β) Das Angebot zur Übertragung des Rechts auf die Inanspruchnahme der Priorität der US-amerikanischen Voranmeldung hat die E… GmbH mit Inanspruchnahme der Erfindung als Diensterfindung mit Erklärung vom 28. Januar 2008 angenommen, deren Zugang der Miterfinder M… am 6. Februar 2008 bestätigt hat (Anl. DN3d). Zwar ist in der Erklärung der E… GmbH ausdrücklich nur von einer unbeschränkten Inanspruchnahme der Erfindung „RLC polling for continuous transmission, P-number P25436 US1“ die Rede. Mit Erwähnung der US-amerikanischen Voranmeldung 61/019,746 kommt in der Erklärung jedoch darüber hinaus zum Ausdruck, dass die E… GmbH mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Erfindung auch – ihrem wirtschaftlichen Interesse entsprechend – das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung auf sich übergehen lassen und entsprechend das hierauf gerichtete Angebot ihres Arbeitnehmers annehmen wollte.…(2) Das Prioritätsrecht ist durch Übertragungserklärung („Assignment Declaration“) vom 14. Februar 2008 (Anl. DN3e) von der E… GmbH auf T… weiterübertragen worden.(a) Nach dem als Vertragsstatut nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen deutschen Recht ist eine Vereinbarung über die Übertragung des Prioritätsrechts von der E… GmbH auf T… zustande gekommen.(aa) Da die Beteiligten bei der Übertragungserklärung („Assignment Declaration“) vom 14. Februar 2008 keine Rechtswahl getroffen haben, ist nach der Vermutungsregel des – im Jahr 2008 noch anwendbaren – Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB das am Geschäftssitz des Veräußerers geltende Recht anwendbar (Pahlow, GRUR Int. 2017, 393, 396 f. im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO). Da die E… GmbH ihren Sitz in Herzogenrath hat, gilt mithin deutsches Recht.(bb) In der Übertragungserklärung ist ein Angebot der E… GmbH zur Übertragung des Prioritätsrechts zu sehen, das mit Hinterlegung im elektronischen Archiv der E…-Unternehmensgruppe am 14. Februar 2008 ab gegeben wurde und T… nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen war, da diese darauf Zugriff nehmen konnte und sollte und dies im Rahmen der E…-Unternehmensgruppe auch zu erwarten war. Die Annahmeerklärung durch T… war für das Zustandekommen der Vereinbarung entbehrlich, da eine solche Erklärung nach der gewählten Übermittlungsform nicht zu erwarten war (§ 151 Satz 1, Alt. 1 BGB). Auch insoweit entspricht die Auslegung der erkennbaren Interessenlage der Beteiligten, da es sich bei der Übertragung um ein für T… vorteilhaftes Rechtsgeschäft handelte und al lein T… das Prioritätsrecht für die Anmeldung des Streitpatents in Anspruch nehmen konnte und sollte, nachdem ihr bereits die beiden anderen Anmelder der Voranmeldung P… und T1… ihr Prioritätsrecht übertragen hatten.(b) Zudem ist mit der zwischen der E… GmbH und T… getroffenen Vereinbarung über das Prioritätsrecht verfügt worden, unabhängig davon, ob insoweit nach Art. 33 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches oder US-amerikanisches Recht anwendbar ist.(aa) Das ergibt sich bei Anwendung deutschen Rechts entsprechend den vorstehenden Ausführungen zum Zustandekommen einer Vereinbarung über die Übertragung.(bb) Auch bei Anwendung US-amerikanischen Rechts ist die Übertragungserklärung („Assignment Declaration“) der E… GmbH als Angebot zur Übertragung des Prioritätsrechts anzusehen und ergibt sich dessen Annahme aus dem späteren Verhalten von T…, insbesondere der Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung bei Anmeldung des Streitpatents (vgl. auch Gutachten T., Abs. 25, Anl. DN3h).“

139

Diesen eingehenden und überzeugenden Ausführungen des BGH zu der Übertragung des Prioritätsrechts des dritten Anmelders M… zunächst auf die E… GmbH und von dieser auf T… schließt sich der erkennende Senat in vollem Umfang an. Lediglich zu Rn. 81 a.E. der Urteilsgründe (= s.o. Ziff. (2) (a) (bb)), wo der BGH ausführt

140

„…allein T… das Prioritätsrecht für die Anmeldung des Streitpatents in Anspruch nehmen konnte und sollte, nachdem ihr bereits die beiden anderen Anmelder der Voranmeldung P… und T1… ihr Prioritätsrecht übertragen hatten.“,

141

ist klarzustellen, dass die Übertragungen von P… und T1… nicht bereits vor derjenigen von M…, die im Februar 2008 abgeschlossen war, stattgefunden haben, sondern erst im August 2008. Dies ändert jedoch nichts an der vom BGH angenommenen Entbehrlichkeit der Annahmeerklärung gemäß § 151 Satz 1 Alt. 1 BGB, da es sich bei der Übertragung durch M… jedenfalls um ein für T… vorteilhaftes Rechtsgeschäft handelte. Abgesehen davon ergibt sich die Annahmeerklärung – wie vom BGH a.a.O. unter Rn. 84 (= s.o. Ziff. (2) (b) (bb)) überzeugend ausgeführt – jedenfalls konkludent aus dem späteren Verhalten von T…, insbesondere der Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldung bei Anmeldung des Streitpatents.Soweit die Klägerin den Vorgang um den Anmelder M… im Übrigen pauschal mit Nichtwissen bestreitet, ist dieses Bestreiten im Hinblick auf die überzeugenden Gründe hierzu in der o.g. Entscheidung X ZR 14/17, in denen der BGH sich dezidiert und umfassend mit der tatsächlichen und rechtlichen Problematik der Übertragungen von M… auf die E… GmbH und von dieser auf T… auseinandersetzt, und die insoweit anzunehmende hohe Indizwirkung für das vorliegende Verfahren unsubstantiiert und unbehelflich. Soweit die Klägerin wiederum beanstandet hat, dass die Anlagen DNKH3c, DNKH3d und DNKH3e (= DN3c, DN3d, DN3e im Parallelverfahren BPatG 5 Ni 28/14 (EP) und BGH X ZR 14/17) lediglich in Kopie und nicht im Original vorgelegt wurden, ist der Senat wiederum in freier Beweiswürdigung aufgrund der Gesamtumstände und der Interessenlage der Beteiligten mit hinreichender Gewissheit zu der Überzeugung gelangt, dass die fraglichen Dokumente mit den jeweiligen Originalen übereinstimmen, von den dort jeweils bezeichneten Personen zu den jeweils angegebenen Daten unterzeichnet wurden und diese Personen auch zeichnungsbefugt waren. Anhaltspunkte dafür, dass die in Rede stehenden Dokumente manipuliert worden wären, wurden von der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene E-Mail des Miterfinders M… vom 8. Januar 2008, mit welcher er seiner Arbeitgeberin die Nummer der US-amerikanischen Voranmeldung mitgeteilt hat und auf welche sich der BGH in seiner Entscheidung X ZR 14/17 unter Rn. 70 (s.o. Ziff. (1) (d) (bb) α)) stützt. Diese E-Mail wurde im Parallelverfahren von der Klägerin H… auf Seite 5 ihres Schriftsatzes vom 16. September 2016 (hier Anlage MN14) sowie auch von der Beklagten im hiesigen Verfahren auf Seite 13 ihres Schriftsatzes vom 9. Januar 2020 wiedergegeben und ist der hiesigen Klägerin damit bekannt. Anhaltspunkte für Manipulationen sind auch insoweit nicht ersichtlich oder geltend gemacht. Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin ist vor diesem Hintergrund unsubstantiiert.Für den Senat bestand daher auch insoweit keine Veranlassung, die von der Klägerin beantragte Vorlage der Originalurkunden zu den Anlagen DNKH3c, DNKH3d und DNKH3e gegenüber T… nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 142 ZPO anzuordnen und/oder die von der Beklagten vorsorglich zu diesen Vorgängen benannten Zeugen zu vernehmen.2. Soweit die Klägerin zur fehlenden Identität von Anmeldegegenstand und Gegenstand des Streitpatents vorgetragen hat, dass die Merkmale 12.2.1 („a transmitter (406), adapted to transmit …“) und 12.2.3 („a requesting unit (410), adapted to request a status report from the second node (120)“) des Patentanspruchs 12 in dieser Allgemeinheit in der Voranmeldung nicht ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart seien, ist dem nicht zuzustimmen.

142

Denn dem Prioritätsdokument (MN3) ist ein erster Knoten (
vgl. MN3, Seite 4, Zeilen 6-7: „user equipment“, Zeilen 10-18: „UE“) zu entnehmen, der Daten sendet (
vgl. Seite 4, Zeile 10: „UE transmitting“). Dabei ist für den Fachmann selbstverständlich, dass eine sendende Benutzereinrichtung („
UE“) auch einen Sender aufweist (Merkmal 12.2.1). Ferner ist dem Prioritätsdokument (MN3) zu entnehmen, dass ein Statusbericht angefordert wird (
vgl. MN3, Seite 4, Zeilen 27-29: „… is equal to or exceeds the threshold value is fullfilled the polling procedure is started (i.e. a poll is triggered)“; Seite 1, Zeilen 16-18: “When a poll is triggered the RLC transmitter will set a poll bit in the RLC header, said poll bit serving as a request for a peer entity to send an RLC status report”). Dabei ist für den Fachmann ebenfalls selbstverständlich, dass der erste Knoten zur Anforderung auch eine Anforderungseinheit enthält (Merkmal 12.2.3).

143

Im Übrigen hat auch der BGH in seinem Urteil X ZR 14/17 in den Randnummern 47 bis 57 ausgeführt, dass das Streitpatent die Priorität in inhaltlicher Hinsicht zu Recht in Anspruch nimmt. Insbesondere weist der BGH darauf hin, dass sich dem Fachmann bereits aus der Eingangsbemerkung der Voranmeldung erschließe, dass das erfindungsgemäße Verfahren zum Anfordern eines Statusberichts allgemein die Kommunikation zwischen einem ersten und einem zweiten Knoten in einem drahtlosen Kommunikationsnetz betreffe und die Anwendung zwischen „User Equipments“ (S. 4, Z. 10 ff.: „UE“) des LTE-Kommunikationssystems als ein besonderer Anwendungsfall zu verstehen ist (vgl. dfmp5, Rn. 56).

144

Somit liegt eine Erfindungsidentität zwischen den Prioritätsunterlagen und dem Streitpatent vor.

145

3. Der ausführbare (Art. 83 EPÜ), gewerblich anwendbare (Art. 57 EPÜ) Gegenstand des Anspruchs 12 nach Hauptantrag ist ursprünglich offenbart (Art. 123 Abs. 2 EPÜ) und auch patentfähig (Art. 52 EPÜ), da er gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sowohl neu ist (Art. 54 EPÜ), als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (Art. 56 EPÜ).

146

3.1 Die Klägerin hat erst in ihrem Schriftsatz vom 10. Januar 2020 den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung genannt (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ). Hierbei handelt es sich jedoch um keine Klageerweiterung, denn jeder geänderte Patentanspruch, und um einen solchen handelt es sich gegenüber der Klageerhebung, ist auf alle notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Patents zu überprüfen, wozu auch die ursprüngliche Offenbarung des beanspruchten Gegenstands gehört.

147

Anspruch 12 nach Hauptantrag geht aus dem erteilten Anspruch 12 hervor, indem in ihn eine Anzahl weiterer Merkmale (12.2.4 bis 12.2.4.2) aufgenommen wurde, so dass er einen gegenüber dem erteilten Patent eingeschränkten Gegenstand beansprucht.

148

Die Merkmale des erteilten Anspruchs 12 sind in dem ursprünglichen Anspruch 12, sowie der Seite 16 i.V.m. der Figur 4 der ursprünglichen Anmeldung offenbart (
vgl. MN2, S. 16, Z. 9-10: „The first node 110, wherein the present arrangement 400 is comprised“).

149

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass die „
Rücksetzeinheit“ im Merkmal 12.2.4 nicht der von der Nichtigkeitsbeklagten angegebenen Seite 8 der ursprünglichen Anmeldung (MN2) entnommen werden könne, so dass eine unzulässige Erweiterung vorliege, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Denn den Zeilen 20 bis 25 der Seite 8 der Offenlegungsschrift
(MN2) entnimmt der Fachmann zunächst, dass der PDU-Zähler und der Byte-Zähler und damit sowohl die gezählte Anzahl von gesendeten Dateneinheiten als auch die gezählte Anzahl von gesendeten Datenbytes zurückgesetzt wird, wenn die gezählte Anzahl von gesendeten Dateneinheiten den ersten vordefinierten Wert überschreitet oder diesem entspricht, oder wenn die gezählte Anzahl von gesendeten Datenbytes den zweiten vordefinierten Wert überschreitet oder diesem entspricht (
Merkmal 12.2.4teilweise, sowie die Merkmale 12.2.4.1 und 12.2.4.2). Der PDU-Zähler (
421) und der Byte-Zähler (
422) bilden dabei den Zählmechanismus (
407) (
vgl. MN2, Seite 16, Z. 21-27, Anspruch 12 und Fig. 4). Durch eine Rücksetzeinheit (
411, 412), die eine erste (
411) und eine zweite Rücksetzeinheit (
412) umfasst, werden der PDU-Zähler (
421) und der Byte-Zähler (
422) und damit der Zählmechanismus (
407) zurückgesetzt (
Merkmal 12.2.4rest) (
vgl. MN2, S. 18, Z. 9-17 und Fig. 4). Somit sind auch die gegenüber dem erteilten Anspruch hinzugefügten Merkmale 12.2.4 bis 12.2.4.2 ursprünglich offenbart, so dass insgesamt der Gegenstand des Anspruchs 12 nach Hauptantrag ursprünglich offenbart ist (Art. 123 Abs. 2 EPÜ).

150

Da es sich bei der Änderung des Patentanspruchs 12, wie bereits dargestellt, um eine Beschränkung des Schutzbereichs des Patents handelt (Art. 123 Abs. 3 EPÜ), ist Anspruch 12 nach Hauptantrag zulässig.

151

3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 12 des Hauptantrags ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

152

3.2.1 Der Tagungsbeitrag Tdoc R2-080236 (D1) gehört nicht zum Stand der Technik, da er erst am 8. Januar 2008 und damit am Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht worden ist (vgl. BGH X ZR 14/17, Rn. 85).

153

3.2.2 Die Dokumente D4, D4.1 und D4.2 gehören ebenfalls nicht zum Stand der Technik, da diese erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht wurden.

154

3.2.3 Bei der Druckschrift WO 2008/137594 A1 (D3) handelt es sich um eine am 1. Mai 2008 angemeldete PCT-Anmeldung, die die Priorität der US-Anmeldungen 60/915,426 (D3.2) vom 1. Mai 2007 und 12/111,811 (D3.1) vom 29. April 2008 in Anspruch nimmt.

155

Da das Streitpatent die Priorität vom 8. Januar 2008 rechtswirksam in Anspruch nimmt, ist eine in der Druckschrift WO 2008/137594 A1 (D3) offenbarte Ausführungsform nur Stand der Technik nach Art. 54 (3) EPÜ, wenn sie die Priorität der Anmeldung D3.2 (=US 60/915,426) genießt.

156

Die Anmeldung D3.2 offenbart jedoch weder einen Byte-Zähler, noch eine gleichzeitige Verwendung eines PDU- und eines Byte-Zählers.

157

Der in der Druckschrift D3 im Abs. [0039] und der Figur 2 offenbarte Byte-Zähler genießt daher kein Prioritätsrecht und ist kein Stand der Technik nach Art. 54 (3) EPÜ.

158

Somit nimmt die Druckschrift D3 den Gegenstand des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag weder vorweg, noch legt sie dem Fachmann diesen nahe (
vgl. dfmp5, Rn. 96).

159

3.2.4 In der Druckschrift D2 ist die Protokoll-Spezifikation für Mobilfunk-Telekommunikationssysteme (
Radio Link Control (RLC) protocol specification (3GPP TS 25.322 Version 3.18.0 Release 1999, veröffentlicht im Jahr 2004)) wiedergegeben, die den seinerzeitigen Standard für UMTS-Mobilfunknetze darstellt. Dieser Standard gibt insbesondere die Datenübertragungsprotokolle für die Mobilfunkkommunikation vor.

160

Von den in der D2 angegebenen Datenübertragungs-Betriebsarten ist im vorliegenden Zusammenhang der sogenannte „
Acknowledged mode (AM)“ von Interesse, bei dem die eine Nachricht übermittelnde Einheit (
Sender) von der die Nachricht empfangenden Einheit (
Empfänger) eine Rückmeldung in Form eines Statusberichts darüber anfordert (
Poll), dass dieser die Nachricht vollständig oder teilweise empfangen hat. Je nach Inhalt der Rückmeldung fährt der Sender mit der Übermittlung von Datenpaketen fort oder übermittelt zuvor übertragene, aber nicht empfangene Datenpakete erneut (
retransmission). Um das Funknetz und die beteiligten Geräte dabei nicht unnötig zu belasten, wird die Anforderung von Statusberichten so gesteuert, dass ihre Anzahl so gering wie möglich gehalten wird.

161

Die zu übermittelnden Nachrichten werden in der Sende- und in der Empfangseinheit jeweils in mehreren Schichten verarbeitet. In der Sendeeinheit erzeugen die oberen Schichten aus den Daten der zu übermittelnden Nachricht durch Segmentierung (
Segmentation) oder Verkettung (
Concatenation) Datenpakete (
Service Data Units, SDUs), aus denen in einer darunter angeordneten Schicht Datenpakete vorgegebener fester Länge (
protocoll data units, PDUs) gebildet werden. Diese Datenpakete werden von der untersten Schicht der Sendeeinheit aufeinanderfolgend über die Funkstrecke an die Empfangseinheit übermittelt, die aus den empfangenen Daten durch entsprechende umgekehrte schichtweise Bearbeitung wieder die zu übermittelnde Nachricht erzeugt (
vgl. D2, S. 14, 1. Abs. bis S. 16, 1. Abs.).

162

Das Anfordern eines Statusberichts durch den Empfänger erfolgt durch Setzen eines Poll-Bits im jeweiligen PDU-Datenpaket. Dabei kann die Anforderung eines Statusberichts durch unterschiedliche alternative Triggerfunktionen ausgelöst werden. So kann eine Statusabfrage bspw. jedes Mal dann ausgelöst werden, wenn eine vorgegebene Anzahl von PDUs von der Empfängereinheit zur Übertragung oder erneuten Übertragung bereitgestellt worden ist; hierzu wird ein
„Every Poll_PDU“ – PDU übermittelt. Alternativ hierzu kann die Triggerung so erfolgen, dass eine Statusabfrage erfolgt, wenn eine bestimmte Anzahl SDUs zur Übertragung bereitgestellt worden ist (
„Every Poll_SDU“ – SDU“). Die Art der Triggerung wird durch die oberen Schichten der Sendeeinheit vorgegeben (
vgl. D2, S. 46 bis S. 47, Kap. 9.7.1.).

163

Bei der „
every Poll_PDU PDU“ – Triggerung der Statusabfrage wird eine Zustandsvariable VT(
PDU) überprüft, die den Anfangswert Null einnimmt und für jedes übertragene bzw. erneut übertragene PDU-Datenpaket um den Wert „1“ erhöht wird. Wird der vorgegebene Wert für die Zahl von PDU-Datenpaketen erreicht, so wird eine Statusabfrage übermittelt und die Zustandsvariable VT(
PDU) wieder auf den Wert Null gesetzt (
vgl. S. 42, Kap. 9.4. f)).

164

Bei der „
every Poll_SDU SDU“ – Triggerung wird eine Statusvariable VT(
SDU) überprüft, die ebenfalls den Anfangswert Null einnimmt. Dieser Wert wird jedes Mal dann um den Wert „1“ erhöht, wenn in der Folge von Datenpaketen jeweils das erste Mal ein PDU-Datenpaket ermittelt wird, das das Ende des SDU-Segments angibt. Wird der vorgegebene Wert für die Zahl von SDU-Datenpaketen erreicht, so wird eine Statusabfrage übermittelt und die Zustandsvariable wieder auf den Wert Null gesetzt (
vgl. S. 42, Kap. 9.4. g)).

165

Somit weist die Druckschrift D2 keinen Zählmechanismus gemäß Merkmal 12.2.2.2 auf, der so ausgelegt ist, dass er die Anzahl von gesendeten Datenbytes der gesendeten Dateneinheiten zählt, da die Druckschrift D2 nur eine Zählung der Anzahl von Dateneinheiten (SDU bzw. PDU) und keine Zählung der Datenbytes dieser Dateneinheiten offenbart.

166

Die Klägerin argumentiert, dass der Patentanspruch 12 so formuliert sei, dass er insbesondere auch Dateneinheiten mit festen Längen umfasse, so dass beim Zählen einer solchen Dateneinheit zwangsläufig auch die festliegende Anzahl der Bytes gezählt werde. Vor diesem Hintergrund sei die D2 neuheitsschädlich, denn in der D2 seien PDUs mit fester Länge offenbart, so dass ein Zählen der PDUs durch einen Zählmechanismus gemäß Anspruch 12 die Anzahl der PDUs und die Anzahl der gesendeten Datenbytes ergebe. Der Zählmechanismus gemäß der D2 sei somit für den Fachmann objektiv dazu geeignet, auch das Merkmal 12.2.2.2 zu verwirklichen.

167

Auch diese Argumentation konnte den Senat nicht überzeugen, denn die Merkmale 12.2.2.1 und 12.2.2.2 fordern nicht nur ein Zählen der PDUs, sondern explizit und zusätzlich ein Zählen der Bytes dieser PDUs. Die Druckschrift D2 offenbart demgegenüber jedoch nur eine Zählung der Anzahl von Dateneinheiten (SDU bzw. PDU) und keine Zählung der Datenbytes dieser Dateneinheiten.

168

Darüber hinaus erfüllt der in der D2 offenbarte PDU-Zähler (vgl. D2, S. 42, Kap. 9.4: „VT(PDU)“) unter Berücksichtigung der Definition, dass zumindest die Länge des Datenbereichs der PDUs eine vorgegebene Datenlänge, nämlich ein Vielfaches von 8 Bits (d.h. von 1 Byte) aufweist (vgl. S. 15, Kap. 4.2.1.3.1, 2. Abs.: “RLC SDUs are segmented and/or concatenated into AMD PDUs of a fixed length”, S. 24, Kap. 9.2.1.4: “The length of the data part shall be a multiple of 8 bits.”) und möglicherweise aus der Anzahl der gesendeten Dateneinheiten und dem Vielfachen die Anzahl gesendeter Datenbytes des Datenbereichs der gesendeten Dateneinheiten berechenbar wäre, nicht die Merkmale 12.2.3.2 und 12.2.4 bis 12.2.4.2, da gemäß Merkmal 12.2.3.2 die Anzahl gesendeter Datenbytes mit einem zweiten vordefinierten Wert zu vergleichen ist und beide Anzahlen nach Maßgabe der Merkmale 12.2.4 bis 12.2.4.2 gleichzeitig zurückzusetzen sind.

169

Die Klägerin führt weiter aus, dass dem Fachmann aus der D2 der Zählmechanismus bekannt sei, insbesondere durch ein Zählen der Dateneinheiten. Wenn nun die Dateneinheiten eine variable Länge, d.h., eine unterschiedliche Anzahl von Bytes, aufweisen würden, werde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun einen weiteren Zähler implementieren, der genau die Bytes zählt.

170

Diesbezüglich ist festzustellen, dass der Druckschrift D2 weder eine variable Länge der Dateneinheiten, noch ein Byte-Zähler zu entnehmen ist, so dass der Fachmann der D2 keine entsprechende Anregung entnehmen kann. Doch selbst unter der Annahme, dass, wie von der Klägerin vorgebracht, der Fachmann einen Byte-Zähler implementieren würde, ist dem Stand der Technik keine Anregung zu entnehmen, diese Zähler zu kombinieren und bei Erreichen oder Überschreiten bereits eines der beiden Schwellwerte beide Zähler zurückzusetzen.

171

Der Gegenstand des Anspruchs 12 nach Hauptantrag ist somit gegenüber dem Stand der Technik neu (Art. 54 EPÜ) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (Art. 56 EPÜ).

172

Der ebenfalls angegriffene direkt auf Patentanspruch 12 rückbezogene Anspruch 13 beinhaltet eine Ausgestaltung der Vorrichtung des Anspruchs 12 nach Hauptantrag und wird von dem bestandsfähigen Anspruch 12 getragen.

III.

173

Soweit die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Beklagten vom 7. Februar 2020 und der Klägerin vom 28. Februar 2020 neues tatsächliches Vorbringen enthalten, durfte der Senat dieses nicht mehr berücksichtigen, weil es nicht mehr Gegenstand der Verhandlung geworden ist (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 296a Satz 1 ZPO). Ein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 91 Abs. 3 Satz 2 PatG, § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 296a Satz 2, § 156 ZPO) ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

IV.

174

Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.