BPatG München 30. Senat:

BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 07.05.2020, AZ 30 W (pat) 38/18, ECLI:DE:BPatG:2020:070520B30Wpat38.18.0

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 985 283 – SB 100/17 Lösch

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. Mai 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2018 aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der international registrierten Marke IR 985 283

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WIPEOUT

3

wurde am 13. Juli 2009 für Waren der Klasse 9 und Dienstleistungen der Klasse 41 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland bewilligt.

4

Mit Eingabe beim Deutschen Patent- und Markenamt vom 23. März 2017 hat die Antragstellerin gegen diese IR-Marke einen Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach §§ 119, 124, 115, 49, 53 MarkenG gestellt, da die Marke nicht gemäß § 26 MarkenG benutzt worden sei.

5

Eine Mitteilung über den Eingang dieses Antrages auf Schutzentziehung wurde an die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige IR-Markeninhaberin zunächst mit einfachem Schreiben vom 27. März 2017 per Post versandt, verbunden mit dem Hinweis, dass sie am Verfahren nur teilnehmen könne, wenn sie einen inländischen Patent- oder Rechtsanwalt oder einen sonstigen Inlandsvertreter im Sinne des § 96 Abs. 2 MarkenG beauftrage.

6

Am 27. Juni 2017 hat das Patentamt durch Aufgabe zur Post mit Übergabeeinschreiben die „Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG“ vom 22. Juni 2017 über den Antrag auf Schutzentziehung versandt, nunmehr verbunden mit dem Hinweis, dass der IR-Marke der Schutz in Deutschland entzogen werde, wenn die Markeninhaberin nicht innerhalb von zwei Monaten nach Empfang dieser Mitteilung widerspreche (§ 53 Abs. 3 MarkenG, Art. 5 Abs. 6 PMMA). Außerdem wurde erneut auf die Notwendigkeit der Benennung eines Inlandsvertreters hingewiesen. Dieses Schreiben ist am 8. August 2017 mit dem Vermerk „Return to Sender – Unclaimed – Unable to Forward“ an das Patentamt zurückgelangt.

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Mit Verfügung vom 5. September 2017 hat die Markenabteilung hierauf die öffentliche Zustellung der „Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG“ über den Antrag auf Schutzentziehung veranlasst.

8

Mit Beschluss vom 9. Februar 2018 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes der international registrierten Marke IR 985 283 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland entzogen.

9

Zur Begründung ist ausgeführt, die IR-Markeninhaberin habe keinen Inlandsvertreter bestellt. Eine Zustellung der Mitteilung über den Schutzentziehungsantrag an die Markeninhaberin mit eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG sei erfolglos geblieben. Die Zustellung sei daher im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 VwZG nicht möglich gewesen, so dass sie durch öffentliche Bekanntmachung habe erfolgen können. Da die IR-Markeninhaberin dem ihr im Wege öffentlicher Zustellung ordnungsgemäß bekannt gegebenen Antrag auf Schutzentziehung nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten widersprochen habe, sei der international registrierten Marke IR 985 283 auf den zulässigen Antrag ohne weitere Sacherörterung nach §§ 119, 124, 115 Abs. 1, 53 Abs. 3 MarkenG i. V. m. Art. 5 C Abs. 1 PVÜ, Art. 5 Abs. 1, 6 PMMA der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu entziehen.

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Dieser mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss wurde zunächst am 16. Februar 2018 per „Aufgabe zur Post mit Übergabeeinschreiben“ an die IR-Markeninhaberin versandt, gelangte jedoch erneut mit dem Vermerk „Return to Sender – Attempted – Not Known – Unable to Forward“ an das Deutsche Patent- und Markenamt zurück. Die Markenabteilung hat daraufhin auch insoweit die öffentliche Zustellung verfügt.

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Ebenso öffentlich zugestellt wurden sodann die „Feststellung“ des Deutschen Patent- und Markenamtes über die Schutzentziehung vom 18. Juli 2018 sowie ein weiteres, an die IR-Markeninhaberin gerichtetes Schreiben vom 18. Juli 2018 über den Abschluss des Schutzentziehungsverfahrens, dem auch eine Durchschrift der dem Internationalen Büro der WIPO in Genf übersandten Mitteilung vom selben Tag beigefügt war.

12

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2018 hat der Verfahrensbevollmächtigte und Inlandsvertreter der IR-Markeninhaberin unter Bezugnahme „auf den Bescheid des Internationalen Büros vom 20. August 2018“ sowie die „dazugehörige Mitteilung vom 18. Juli 2018“ des Patentamts, wonach der Schutz der IR-Marke für Deutschland am 9. Februar 2018 wegen Verfalls unanfechtbar entzogen worden sei, Akteneinsicht beantragt.

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Außerdem hat er „Beschwerde gegen den Beschluss des Internationalen Büros über die Schutzentziehung in Deutschland vom 9.2.2018“ eingelegt und zugleich vorsorglich Widerspruch gegen den Verfallsantrag erhoben, da die angegriffene Marke insbesondere in Deutschland ernsthaft benutzt worden sei, sowie schließlich hilfsweise Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Verfallsantrag beantragt.

14

Nach erfolgter Akteneinsicht hat die IR-Markeninhaberin sodann mit Eingabe vom 10. Dezember 2018 Beschwerde gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. Februar 2018 erhoben.

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Zur Begründung trägt sie vor, die IR-Markeninhaberin habe keinerlei Kenntnis von dem Löschungsantrag gehabt, nachdem sämtliche Zustellungen gescheitert seien. Mangels ordnungsgemäßer Zustellung der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG sei die Widerspruchsfrist nach § 53 Abs. 3 MarkenG nicht in Lauf gesetzt worden und hätten die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung der IR-Marke wegen Verfalls für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorgelegen.

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Bei ausländischen Markeninhabern dürfe die Zustellung nur dann durch Aufgabe zur Post i. S. d. § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG erfolgen, wenn der Markeninhaber keinen Inlandsvertreter bestellt habe, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei. Eine solche Verpflichtung habe vorliegend für die IR-Markeninhaberin nicht bestanden. Denn zum einen sei die Schutzerteilung bis zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Löschungsantrags unbeanstandet geblieben. Zum anderen folge eine Verpflichtung zur Bestellung eines Inlandsvertreters auch nicht aus den Mitteilungen des Patentamtes vom 27. März 2017 und vom 22. Juni 2017.

17

Die formlose, mit einfacher Post versandte Mitteilung vom 27. März 2017 sei der Markeninhaberin nicht zugegangen, so dass sie hierauf nicht habe reagieren können. Der Sache nach sei sie nicht geeignet, eine Obliegenheit der IR-Markeninhaberin zur Bestellung eines Inlandsvertreters im Sinne von § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zu begründen, da sie nicht förmlich zugestellt worden sei. Die Mitteilung über die (neu entstandene) Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters müsse aber denselben strengen Anforderungen des VwZG unterliegen wie die Zustellung des Löschungsantrags selbst. Andernfalls würde der Schutzzweck der einschlägigen Vorschriften über die Auslandszustellung unterlaufen und ein Markeninhaber, der von der Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters keine Kenntnis erhalten und daher auch keine Pflichtverletzung begangen habe, würde mit der weitreichenden Folge einer Löschung bzw. Schutzentziehung seiner Marke sanktioniert.

18

Ausgehend hiervon erfülle auch die zweite, per Übergabe-Einschreiben am 27. Juni 2017 versandte Mitteilung des Patentamts vom 22. Juni 2017 nicht die gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Zustellung. Denn auch zu diesem Zeitpunkt habe die Markeninhaberin keine Kenntnis von der Notwendigkeit der Bestellung eines Inlandsvertreters gehabt, so dass die Voraussetzungen für eine vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1, 4 ZPO nicht vorgelegen hätten.

19

Schließlich seien auch die öffentlichen Zustellungen nicht von § 10 VwZG gedeckt gewesen. Das Scheitern der ersten Zustellungsversuche durch Aufgabe als Einschreiben zur Post rechtfertige noch nicht die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1, 3 VwZG erforderliche Feststellung, dass der Aufenthalt des Empfängers allgemein unbekannt gewesen sei, zumal es die Markenabteilung entgegen den Vorgaben der Rechtsprechung versäumt habe, weitere Nachforschungen zu unternehmen.

20

Daher seien weder die Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG, noch der Schutzentziehungsantrag, noch der angefochtene Beschluss über die Schutzentziehung der IR-Markeninhaberin ordnungsgemäß zugestellt worden, so dass weder die Widerspruchsfrist nach § 53 Abs. 3 MarkenG noch die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt worden sei. Da die Voraussetzungen für eine Löschung gemäß § 53 MarkenG nach alledem nicht vorgelegen hätten, sei der angefochtene Beschluss zu Unrecht ergangen und auf die zulässige Beschwerde hin aufzuheben.

21

Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

22

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. Februar 2018 aufzuheben.

23

Die Antragstellerin beantragt,

24

die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Zur Begründung trägt sie vor, das Vorbringen der Markeninhaberin verkenne, dass das Patentamt die Markeninhaberin mit am 27. März 2017 per Post versandtem Schreiben auf die nunmehr bestehende Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters hingewiesen und eine Zustellung der Mitteilung über den Antrag auf Löschung durch Aufgabe zur Post erst knapp drei Monate später vorgenommen habe. Dabei unterliege die Mitteilung über die Notwendigkeit der Inlandsvertreterbestellung selbst gerade keinem Zustellerfordernis, sondern könne formlos erfolgen (unter Hinweis auf Kopacek in: Kur/von Bomhard/Albrecht, BeckOK Markenrecht, 18. Auflage, § 53 Rn. 19). Somit sei durch das Schreiben vom 27. März 2017 die Obliegenheit zur Bestellung eines Inlandsvertreters begründet worden und die Voraussetzungen für die Zustellung der Mitteilung über den Löschungsantrag durch Aufgabe zur Post am 27. Juni 2017 nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG hätten vorgelegen. Gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG sei dabei die unwiderlegliche Zustellungsfiktion des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechend anzuwenden, wonach das Schriftstück zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt gelte.

26

Folglich sei die Beschwerde bereits unzulässig, da der angefochtene Beschluss am 16. Februar 2018 zur Post gegeben und gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog als der Markeninhaberin am 2. März 2018 zugestellt gelte. Bei Erhebung der Beschwerde am 22. Oktober 2018 sei die Monatsfrist des § 66 Abs. 2 MarkenG daher seit Langem abgelaufen gewesen. Ferner sei die Beschwerde unbegründet, da die Mitteilung über den Antrag auf Schutzentziehung am 22. Juni 2017 zur Post gegeben worden sei und somit als der Markeninhaberin am 6. Juli 2017 zugestellt gelte. Ausgehend hiervon habe es die Markeninhaberin versäumt, dem Löschungsantrag gemäß § 53 Abs. 3 MarkenG binnen einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung zu widersprechen; der erst am 22. Oktober 2018 erklärte Widerspruch sei offensichtlich verfristet.

27

Mit Beschluss vom 7. März 2019 (BPatG GRUR 2020, 65 – Inlandsvertreter IV) hat der Senat der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.

28

Der Senat hielt den Beitritt zur Klärung der Frage erforderlich, ob eine formlose, mit einfachem Brief ins Ausland versandte Unterrichtung ausreicht, um die Verpflichtung des auswärtigen Markeninhabers nach § 96 Abs. 1 MarkenG zur Bestellung eines Inlandsvertreters zu begründen, dies mit der Folge, dass im Falle des Unterbleibens der Vertreterbestellung von einer Obliegenheitsverletzung auszugehen und die vereinfachte Auslandszustellung (hier insbesondere: der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG) nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG eröffnet wäre.

29

Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Schreiben vom 14. Februar 2020 den Beitritt erklärt und mit Schreiben vom 13. März 2020, auf das Bezug genommen wird, inhaltlich Stellung genommen.

30

Die IR-Markeninhaberin hat hierauf mit Schriftsatz vom 23. April 2020 erwidert.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

32

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

33

A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig erhoben. Zwar ist die Beschwerde erst am 22. Oktober 2018 unter Entrichtung der Beschwerdegebühr am selben Tag eingelegt worden. Gleichwohl waren diese Handlungen nicht verfristet, da der angefochtene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 9. Februar 2018 der IR-Markeninhaberin nicht wirksam zugestellt worden ist (vgl. hierzu ausführlich im Folgenden, B.) und deshalb die Beschwerde- und Gebührenzahlungsfrist von einem Monat (§ 66 Abs. 2 MarkenG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG) nicht in Lauf gesetzt wurde (vgl. BPatG 24 W (pat) 43/06 – BIO SUN, Unwirksame Zustellung; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 66 Rn. 38). Auch eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 8 VwZG ist vor Beschwerdeeinlegung am 22. Oktober 2018 nicht erfolgt, da der Akte nicht entnommen werden kann, wann und in welcher Form der angefochtene Beschluss der IR-Markeninhaberin tatsächlich zugegangen ist.

34

B. Die Beschwerde ist auch begründet.

35

1. Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsmodernisierungsgesetz [MaMoG] vom 11. Dezember 2018, BGBl. I 2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 bzw. vom 1. Mai 2020 (vgl. Art. 5 Abs. 1, 3 MaMoG) novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.

36

a) Da der Antrag auf Schutzentziehung der angegriffenen Marke wegen Verfalls vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, sind gemäß § 158 Abs. 6 MarkenG auf das vorliegende Verfahren die §§ 49 Abs. 1, 26 MarkenG in ihrer bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.

37

b) Ebenso in seiner alten Fassung anwendbar bleibt § 53 Abs. 2, 3 MarkenG. Für Vorschriften in Bezug auf Verfahrenshandlungen, vor allem in Bezug auf frist- und formgebundene Erklärungen, gilt der Grundsatz, dass – in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über die Rückwirkung – weiterhin das im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung bzw. allenfalls das zur Zeit des Fristablaufs geltende Recht maßgeblich bleiben muss (vgl. ausführlich BPatG GRUR 1996, 133, 134 – quickslide; Albert GRUR 1996, 174; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage 2018, § 152 Rn. 3; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 152 Rn. 6). Daher beanspruchen für das vorliegende, schon vor dem 14. Januar 2019 anhängige Altverfahren die Verfahrensvorschriften über das Verfallsverfahren in ihrer alten Fassung Fortgeltung (vgl. Hacker, GRUR 2019, 235, 242).

38

Im Übrigen verbleibt es auch nach dem Markenrechtsmodernisierungsgesetz bei dem Erfordernis der Zustellung einer Unterrichtung über den Verfallsantrag, verbunden mit einer zweimonatigen Widerspruchsfrist (vgl. § 53 Abs. 4 MarkenG nF). Ferner verbleibt es dabei, dass die Markeneintragung ohne weitere Sachprüfung gelöscht wird, wenn der Markeninhaber der Löschung aufgrund Verfalls nicht innerhalb dieser Frist widerspricht (vgl. § 53 Abs. 5 Satz 1 MarkenG nF). Eine maßgebliche Änderung der Rechtslage ist somit insoweit nicht erfolgt.

39

c) Soweit es im vorliegenden Verfahren schließlich maßgeblich auf die Vorschriften über die vereinfachte Auslandszustellung sowie die Bestimmungen zum Inlandsvertreter ankommt, haben die §§ 94 und 96 MarkenG durch das Markenrechtsmodernisierungsgesetz lediglich redaktionelle Änderungen erfahren (Ersetzung der Begriffe „Patentamt“ durch „Deutsches Patent- und Markenamt“ bzw. „Patentgericht“ durch „Bundespatentgericht“, vgl. Art. 1 Nrn. 69, 72 MaMoG).

40

2. Die Markenabteilung hat der international registrierten Marke IR 985 283 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu Unrecht wegen Verfalls nach §§ 119, 124, 115 Abs. 1, 53 Abs. 3 MarkenG aF i. V. m. Art. 5 C Abs. 1 PVÜ, Art. 5 Abs. 1, 6 PMMA ohne weitere Sachprüfung und mit der Begründung entzogen, dass die IR-Markeninhaberin dem ihr ordnungsgemäß bekannt gegebenen Antrag auf Schutzentziehung nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten widersprochen habe.

41

Die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung der angegriffenen Marke liegen nicht vor. Nach § 53 Abs. 3 MarkenG aF wird eine Eintragung aufgrund eines Antrages auf Löschung wegen Verfalls (§ 49 MarkenG aF) gelöscht, wenn der Inhaber der Marke nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung des Patentamtes gemäß § 53 Abs. 2 MarkenG aF der Löschung widerspricht. Voraussetzung der Löschung ist daher zunächst eine ordnungsgemäße Zustellung der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF.

42

Liegt infolge von Zustellungsmängeln keine ordnungsgemäße förmliche Zustellung vor, wird die zweimonatige Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 36/11 – Dermatop; BPatG 25 W (pat) 52/08, BeckRS 2009, 11552 – LUXOR) und es darf keine Löschung (bzw. hier: Schutzentziehung) wegen Verfalls erfolgen.

43

So liegt der Fall aber hier, da sämtliche von der Markenabteilung vorgenommenen Zustellungen unwirksam sind.

44

3. Für Zustellungen im Verfahren vor dem Patentamt gelten die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit den Maßgaben gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 MarkenG. Für Auslandszustellungen (hier: an die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige IR-Markeninhaberin) stehen nach den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich folgende Zustellungsarten zur Verfügung:

45

3. 1. Zunächst kommen nach § 9 Abs. 1 VwZG grundsätzlich als Zustellungsformen in Betracht: das Einschreiben mit Rückschein (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG), das Ersuchen einer Behörde des fremden Staates (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG), das Ersuchen des Auswärtigen Amtes (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG) und ferner die Übermittlung elektronischer Dokumente unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 VwZG (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG; vgl. im Einzelnen auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage 2018, § 94 Rn. 25 f.).

46

3. 2. Lediglich wenn alle anderen Möglichkeiten, dem Empfänger das Schriftstück zu übermitteln, erschöpft sind, kann als letztes Mittel der Bekanntgabe (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, VwZG, 11. Aufl. 2017, § 10 Rn. 2 m. w. N.) die öffentliche Zustellung nach § 10 VwZG erfolgen; andernfalls verstößt die öffentliche Zustellung gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG NJW 1988, 2361; BGHZ 118, 45). Zu den anderen Formen der Zustellung, die auszuschöpfen sind, zählt auch die Auslandszustellung gemäß § 9 VwZG, sofern sie Erfolg versprechend ist (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, a. a. O., § 10 Rn. 2). Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass das öffentlich zugestellte Dokument dem Empfänger regelmäßig inhaltlich nicht bekannt wird, die Zustellung ist hier reine Fiktion (Engelhardt/App/ Schlatmann, a. a. O. § 10 Rn. 2). An die Anordnung der öffentlichen Zustellung sind daher strenge Anforderungen zu stellen (BayVGHE 23, 143, 144). Fehler führen unabhängig davon, ob sie der Behörde bekannt und von ihren Bediensteten verschuldet waren, zur Unwirksamkeit (OLG Schleswig NJW-RR 2002, 714).

47

3. 3. Neben diesen Zustellformen des VwZG eröffnet § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG für das markenrechtliche Verfahren die Möglichkeit einer vereinfachten Auslandszustellung mit eingeschriebenem Brief per Aufgabe zur Post, was allerdings voraussetzt, dass der auswärtige Empfänger entgegen dem Erfordernis des § 96 keinen Inlandsvertreter bestellt hat. Liegt diese Voraussetzung vor, führt § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG zur entsprechenden Anwendung der Zustellungsfiktion nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach die jeweiligen Schriftstücke zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt gelten. Anders als etwa bei der Auslandszustellung per Einschreiben mit Rückschein nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG ist daher kein tatsächlicher Nachweis der Zustellung erforderlich, vielmehr begründet § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine unwiderlegliche Vermutung des Zugangs (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 184 Rn. 3), die selbst dann gilt, wenn der Empfänger die Sendung tatsächlich nicht erhalten hat oder wenn – wie hier – die aufgegebene Sendung als „unzustellbar“ zurückkommt (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 184 Rn. 10 m. w. N.).

48

4. Nach Maßgabe des dargelegten rechtlichen Hintergrundes erscheint die Begründung des angefochtenen Beschlusses der Markenabteilung vom 9. Februar 2018 teilweise in sich widersprüchlich, zumal die gesetzlich vorgesehenen Formen der Auslandszustellung zum Teil vermengt werden. So wird eingangs darauf abgestellt, dass die IR-Markeninhaberin keinen Inlandsvertreter bestellt habe, und sodann auf die Zustellung der Mitteilung über den Schutzentziehungsantrag per eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post „gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 MarkenG“ (allerdings „i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG“) eingegangen. Sodann wird jedoch nicht auf die Zustellungsfiktion nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgehoben, sondern darauf, dass dieser Zustellungsversuch „erfolglos“ geblieben und daher die öffentliche Zustellung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 VwZG eröffnet gewesen sei.

49

5. Soweit die Markenabteilung somit im Ergebnis davon ausgeht, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF im Wege der öffentlichen Zustellung erfolgt sei, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 VwZG nicht vorlagen und daher sämtliche im vorliegenden Verfahren vorgenommenen öffentlichen Zustellungen unwirksam sind.

50

Zwar kommt die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 VwZG auch in Fällen in Betracht, in denen der Zustellungsempfänger im Ausland lebt oder ansässig ist, sein Aufenthaltsort dort aber unbekannt ist (Engelhardt/App/ Schlatmann, a. a. O., § 7 m. w. N.). Allerdings trifft die Behörden hier – wie auch im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 VwZG – immer die Pflicht, Nachforschungen durchzuführen (vgl. FG Hamburg, EFG 2011, 2047; FG Köln EFG 2012, 1708) und zu dokumentieren. Vorliegend fehlt es indes schon an der erforderlichen Feststellung, dass der Aufenthalt der IR-Markeninhaberin allgemein unbekannt ist. Das bloße Scheitern der jeweiligen Zustellungsversuche per Einschreiben, wobei die Briefe jeweils mit entsprechenden postalischen Vermerken („UNCLAIMED – UNABLE TO FORWARD“) des ausländischen Zustellers an die Markenabteilung zurückgelangt sind, rechtfertigt diese nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwZG erforderliche Feststellung nicht. Vielmehr wären zumindest Nachforschungen erforderlich und in den Akten zu dokumentieren gewesen (BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 227/03 – MONTANA; Engelhardt/App/Schlatmann, a. a. O., § 10 Rn. 2, 7). Wenngleich, anders als bei einem reinen Inlandssachverhalt, sich Anfragen bei Einwohnermeldeämtern oder sonstigen Registerbehörden insoweit grundsätzlich nicht auf das Ausland erstrecken müssen, ist nach der Rechtsprechung etwa die Nachfrage bei dem Antragsteller der Schutzentziehung, der sich möglicherweise wegen anderer Rechtsstreitigkeiten im Kontakt mit der Antragsgegnerin befindet, geboten (BPatG 28 W (pat) 227/03 – MONTANA). Vorliegend hätte ferner zumindest eine Anfrage bei dem von der WIPO in „ROMARIN“ bzw. im „WIPO Madrid Monitor“ erfassten niederländischen Vertreter der IR-Markeninhaberin nahegelegen. Schließlich verfügt die IR-Markeninhaberin – jedenfalls im Zeitpunkt dieser Entscheidung – über eine Homepage mit Telefonkontaktdaten sowie zudem mit einem Verweis auf eine deutsche E-Mail-Kontaktadresse (der EndomolShine Germany). Auch hier hätte dann aber zumindest der Versuch einer Nachfrage im Hinblick auf die postalische Erreichbarkeit der IR-Markeninhaberin erfolgen können.

51

Alle diese möglichen Ermittlungsversuche sind, ebenso wie weitere Zustellversuche nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwZG, offensichtlich unterblieben, obwohl sie – angesichts der erheblichen Rechtsfolgen zu Lasten der IR-Markeninhaberin – vor einer rein formalen öffentlichen Zustellung angezeigt gewesen wären. Jedenfalls hat die Markenabteilung keine Nachforschungen in der Akte dokumentiert, die die Schlussfolgerung, der Aufenthalt der IR-Markeninhaberin sei allgemein unbekannt im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwZG, rechtfertigen könnten.

52

Bereits aus diesem Grunde waren die öffentlichen Zustellungen – sowohl der Mitteilung gemäß § 53 Abs. 2 MarkenG, als auch des angefochtenen Beschlusses über die Schutzentziehung – unwirksam, so dass sie die Widerspruchsfrist nach § 53 Abs. 3 MarkenG nicht in Lauf setzten.

53

6. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wurde die Widerspruchsfrist nach § 53 Abs. 3 MarkenG aF auch nicht durch das am 27. Juni 2017 per Aufgabe zur Post mit Übergabeeinschreiben versandte Schreiben vom 22. Juni 2017 in Lauf gesetzt.

54

Denn auch insoweit fehlt es an einer wirksamen Zustellung, da die Voraussetzungen für die vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG nicht vorlagen.

55

6. 1. Eröffnet ist eine Zustellung mit eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG (mit der Konsequenz der unwiderlegbaren Zustellungsfiktion nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO) wie dargelegt nur dann, wenn der auswärtige Markeninhaber entgegen § 96 Abs. 1 MarkenG keinen Inlandsvertreter bestellt hat, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen wäre (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 54 Rn. 14 m. w. N.).

56

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sowie der Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. März 2020 kann die von § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG vorausgesetzte Verpflichtung des auswärtigen Markeninhabers zur Bestellung eines Inlandsvertreters nach § 96 Abs. 1 MarkenG nicht durch Übersendung einer formlosen, mit einfacher Post versandten Mitteilung – hier: des formlosen Schreibens vom 27. März 2017 – herbeigeführt werden.

57

Die unterbliebene Reaktion des auswärtigen Markeninhabers auf ein solches Schreiben (ohne Zugangsnachweis) darf daher nicht als Obliegenheitsverletzung gewertet werden, die die vereinfachte Auslandszustellung durch Aufgabe zur Post nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG mit der Zustellungsfiktion nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog eröffnen würde. Im Einzelnen stehen der Praxis des Patentamts folgende Erwägungen entgegen:

58

a) Ein formloser, per einfachem Brief ins Ausland versandter Hinweis auf die Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters beinhaltet keinen Nachweis für dessen Zugang. Reagiert der auswärtige Schutzrechtsinhaber nicht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er von dem Hinweis Kenntnis erlangt hat. Auch im vorliegenden Fall bestreitet die IR-Markeninhaberin, das formlose Schreiben vom 27. März 2017 erhalten zu haben, wofür im Übrigen auch spricht, dass die nachfolgenden, an dieselbe Adresse gerichteten Zustellungen per eingeschriebenem Brief als unzustellbar („Unable to Forward“) an das Patentamt zurückgelangt sind.

59

b) Die vereinfachte Möglichkeit der Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 MarkenG knüpft aber, wie dargelegt, an die Verletzung der Obliegenheit eines auswärtigen Verfahrensbeteiligten an, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 96 einen Inlandsvertreter zu bestellen. Die Annahme einer Pflichtverletzung setzt dabei zumindest die Erkennbarkeit dieser Pflicht für den betroffenen Markeninhaber voraus. Die letzte Fassung der Vorschrift des § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 MarkenG (durch Artikel 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31. Juli 2009, BGBl I S. 2521, 2524) stellt zwar nach ihrem Wortlaut nicht mehr ausdrücklich darauf ab, ob für den Empfänger die Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters im Zeitpunkt der zu bewirkenden Zustellung erkennbar sein musste. Mit der Streichung dieser Formulierung ist jedoch eine Änderung der bis dahin gültigen Rechtslage nicht beabsichtigt gewesen (Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 94 Rn. 28). Vielmehr ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs davon auszugehen, dass bei einem Zustellungsadressaten, der selbst ein Verfahren vor dem DPMA eingeleitet hat, angesichts der klaren gesetzlichen Regelung ohne weiteres unterstellt werden kann, dass für ihn die Notwendigkeit eines Inlandsvertreters erkennbar war (BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 29 i. V. m. 26 f.; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 94 Rn. 28). Eine Zustellung mit eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post soll jedoch weiterhin dann nicht möglich sein, wenn der Zustellungsadressat durch die beabsichtigte Zustellung erstmals in Bezug auf das konkrete Schutzrecht in ein Verfahren vor dem Patentamt einbezogen werden soll und das Patentamt ihn nicht vorher von dem Erfordernis eines Inlandsvertreters in Kenntnis gesetzt hat (Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 94 Rn. 28). In diesem Fall kann nicht von einer Obliegenheitsverletzung des Zustellungsadressaten ausgegangen werden, da dieser zuvor keinen Anlass hatte, einen Inlandsvertreter zu bestellen. Damit bleiben die von der Rechtsprechung schon früher aufgestellten Grundsätze zur Obliegenheit zur Inlandsvertreterbestellung (vgl. insbesondere BGH GRUR 1993, 467, 477 f. – Zustellungswesen; BPatG Mitt. 1991, 218, 219) weiterhin maßgeblich (vgl. ausführlich Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 94 Rn. 28).

60

c) Entgegen der Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2020 wird dieses Ergebnis durch die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31. Juli 2009 (BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 29 i. V. m. 26 f.) nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr ausdrücklich gestützt.

61

Die Gesetzesbegründung zu Artikel 3 Nummer 5 (§ 94 MarkenG, vgl. BT-Drs. 16/11339, a. a. O., S. 29) verweist im Hinblick auf die Parallelität der Vorschriften auf die Begründung zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 127 PatG). Hier (BT-Drs. 16/11339, a. a. O., S. 26) führt der Gesetzgeber – u. a. mit Blick auf die Abschaffung des damaligen Erfordernisses eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten (zusätzlich zu einem Inlandsvertreter) – einleitend aus, dass die erforderlichen Zustellungsvorschriften effektiv sein sowie die schnelle und möglichst sichere amtliche Zustellung gewährleisten sollten. In Verfahren vor dem DPMA seien die allgemeinen – grundsätzlich anwendbaren – Regelungen für Auslandszustellungen nach § 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes nicht praktikabel, da die danach möglichen Zustellungsformen im Regelfall viel zu zeitaufwändig seien.

62

Soweit die Stellungnahme der Präsidentin des DPMA diesen Gesetzeszweck betont und ausführt, die vom Gesetzgeber gewollte vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG würde ins Leere laufen, wenn beim vorausgehenden Hinweis auf eine notwendige Inlandsvertreterbestellung „besonderes strenge Maßstäbe“ angelegt würden, übersieht dies allerdings, dass der Gesetzgeber selbst ausdrücklich zwischen zwei Fallgestaltungen unterscheidet.

63

So führt die Gesetzesbegründung für den Fall des im Ausland ansässigen Zustellungsadressaten, der – wie hier nicht – selbst ein Verfahren vor dem DPMA eingeleitet hat, wie folgt aus (BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 26):

64

„(…) In Patenterteilungsverfahren vor dem DPMA wird zu diesem Zweck an die in Absatz 1 Nr. 2 Satz 1 schon bisher enthaltene Regelung zu Auslandszustellungen durch Aufgabe zur Post angeknüpft. Anlässlich der Neuregelung soll diesbezüglich zunächst klargestellt werden, dass der Empfänger (d. h. meist der Antragsteller selbst) zuvor die ihn treffende Obliegenheit zur Bestellung eines Inlandsvertreters missachtet haben muss. Die Vorschrift war allerdings von der Rechtsprechung schon bisher in diesem Sinne einschränkend ausgelegt worden (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage, § 127 Rn. 94). Eine entsprechende Obliegenheit ergibt sich im Regelfall unmittelbar aus § 25 Abs. 1, jedenfalls wenn der Zustellungsadressat selbst das entsprechende Verfahren vor dem DPMA eingeleitet hat. Weitere Hinweise des DPMA zum Erfordernis eines Inlandsvertreters sind dann nicht erforderlich. Denn dem auswärtigen Antragsteller ist regelmäßig zuzumuten, sich über die Voraussetzungen für seine wirksame Beteiligung in Verfahren vor dem DPMA vorab zu informieren, zumal Informationen hierzu auch auf den Internetseiten des DPMA zugänglich sind. Entsprechend kann ohne weiteres unterstellt werden, dass die Notwendigkeit der Bestellung eines Inlandsvertreters für auswärtige Beteiligte aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung erkennbar ist. Die Neufassung des Absatzes 1 Nr. 2 Satz 1 trägt diesem Umstand Rechnung. Für entbehrlich gehalten wird deshalb insbesondere die bisherige Formulierung der Parallelregelung in § 94 Abs. 1 Nr. 1 des Markengesetzes, wonach für den Empfänger die Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters im Zeitpunkt der zu bewirkenden Zustellung erkennbar sein musste.“

65

Für diese Fallgestaltung – den Zustellungsadressaten, der selbst ein Verfahren vor dem DPMA eingeleitet hat – kann somit angesichts der klaren gesetzlichen Regelung ohne weiteres unterstellt werden, dass die Notwendigkeit eines Inlandsvertreters für ihn erkennbar war (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 94 Rn. 28).

66

Etwas anderes gilt dagegen für auswärtige Zustellungsadressaten, die bisher gerade keinen Anlass hatten, einen Inlandsvertreter zu bestellen. Für diese – vorliegend alleine verfahrensgegenständliche – Fallkonstellation führt die Gesetzesbegründung ausdrücklich aus (BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 26 – Hervorh. d. d. Senat):

67

„(…) Ein Sonderfall ist lediglich dann anzunehmen, wenn der Zustellungsadressat durch die beabsichtigte Zustellung erstmals in Bezug auf das konkrete Schutzrecht in ein Verfahren vor dem DPMA einbezogen werden soll und deshalb zuvor keinen Anlass hatte, als verfahrenseinleitende Maßnahme einen Inlandsvertreter zu bestellen (vgl. insoweit BGHZ 121, 58 ff., der die Zustellung eines Schutzrechtsentziehungsantrags an den Inhaber einer IR-Marke im Ausland zum Gegenstand hatte). In diesen speziellen Fällen kann nur dann eine Obliegenheitsverletzung angenommen werden, wenn das DPMA den Zustellungsadressaten vom Erfordernis eines Inlandsvertreters
in Kenntnis gesetzt hat. Vorher ist eine Zustellung nach den hier vorgesehenen Regelungen ausgeschlossen.“

68

Die Gesetzesbegründung bezieht sich damit ausdrücklich auf die bisherige Rechtsprechung (BGHZ 121, 58 ff.). In der Sache bestätigt sie, dass der Zustellungsadressat, der durch die beabsichtigte Zustellung erstmals in Bezug auf das konkrete Schutzrecht in ein Verfahren vor dem Patentamt einbezogen werden soll, vom Patentamt über die Verpflichtung zur Inlandsvertreterbestellung „in Kenntnis gesetzt“ werden muss. Fehlt es an dieser Inkenntnissetzung, ist die vereinfachte Auslandszustellung mit eingeschriebenen Brief nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen.

69

d) Diese klare gesetzgeberische Entscheidung wird entgegen der Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts nicht dadurch in Frage gestellt, dass es im Folgesatz der Gesetzesbegründung heißt (BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 26 f.):

70

„Unabhängig davon erscheint es in allen Anwendungsfällen des § 25 sinnvoll und zweckmäßig, den betroffenen Verfahrensbeteiligten vorab formlos durch Formularschreiben auf das Erfordernis der Bestellung eines Inlandsvertreters hinzuweisen bzw. ihn daran zu erinnern.“

71

Diese ergänzende gesetzgeberische Erwägung, die sich ausdrücklich auf alle Inlandsvertreter-Fälle des § 25 MarkenG bezieht, kann als Empfehlung verstanden werden, auch den auswärtigen Zustellungsadressaten, der selbst ein Verfahren vor dem DPMA eingeleitet hat, an das Inlandsvertretererfordernis zu erinnern (im Sinne eines unverbindlichen Services, ungeachtet dessen, dass für ihn die Erkennbarkeit des Erfordernisses wie dargelegt vermutet wird).

72

Für den hier relevanten Fall des auswärtigen Schutzrechtsinhabers, der bisher keinen Anlass zur Bestellung eines Inlandsvertreters hatte, stellt der Gesetzgeber mit der og. Formulierung alleine klar, dass das Patentamt aus Zweckmäßigkeitserwägungen „vorab“ (also vor förmlicher Zustellung gemäß § 9 VwZG) den Versuch unternehmen kann, per formloser Mitteilung über das Inlandsvertretererfordernis zu informieren. Erhält der Adressat von diesem einfachen Schreiben Kenntnis und bestellt daraufhin einen Inlandsvertreter, kann das Verfahren unproblematisch seinen Fortgang nehmen (unter Vornahme weiterer Zustellungen per eingeschriebenem Brief an den Inlandsvertreter, § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 3 i. V. m. § 96 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 und 4 ZPO). Anders liegt der Fall aber dann, wenn der auswärtige Zustelladressat – wie hier – auf das einfache Schreiben nicht reagiert. In diesem Fall kann mangels förmlicher Zustellung nicht davon ausgegangen werden, dass das Patentamt den Zustellungsadressaten vom Erfordernis eines Inlandsvertreters tatsächlich „in Kenntnis gesetzt hat“, so dass der lediglich formlose Unterrichtungsversuch (ohne Reaktion des Adressaten) die vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG nicht eröffnet.

73

e) Ausgehend hiervon rügt die IR-Markeninhaberin mit Recht, dass die verfahrensgegenständliche Praxis des Patentamts der dargestellten Intention des Gesetzgebers zuwiderläuft und letztlich zu einer Umgehung der qualifizierten Anforderungen an die Auslandszustellung der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF führt.

74

Es entspricht der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Schutzersuchen ursprünglich unbeanstandet geblieben war, der verfahrenseinleitende Löschungsantrag dem auswärtigen Markeninhaber nicht unmittelbar durch Aufgabe zur Post gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 zugestellt werden darf (vgl. BGH GRUR 1993, 467, 477 f. – Zustellungswesen; BPatG Mitt. 1991, 218; BPatG PAVIS PROMA, 28 W (pat) 227/03 – MONTANA; siehe auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 54 Rn. 14 m. w. N.). Da die Anhängigkeit eines patentamtlichen Verfahrens und die Notwendigkeit, hierfür einen Inlandsvertreter zu bestellen, für den auswärtigen Markeninhaber solange nicht erkennbar sind, bis er tatsächlich hierüber unterrichtet wird, bedarf es insoweit einer förmlichen Auslandszustellung nach Maßgabe von § 9 VwZG. Dies beinhaltet auch das Erfordernis eines Nachweises über die erfolgte Zustellung (vgl. § 9 Abs. 2 VwZG: Rückschein, Zeugnis der ersuchten Behörde etc.), denn nur hierdurch wird die sichere Feststellung ermöglicht, dass der auswärtige Markeninhaber tatsächlich Kenntnis nehmen konnte.

75

Die vorliegend in Streit stehende Praxis des Patentamts verzichtet aber gerade auf einen Zustellungsnachweis, vielmehr gelangt über den Umweg einer „zweistufigen“ Unterrichtung (formlose Mitteilung über das Inlandsvertretererfordernis, sodann Versendung der Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF durch Aufgabe zur Post) im Ergebnis die unwiderlegliche Zustellungsfiktion nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Anwendung. Damit wird aber das Erfordernis der tatsächlichen Erkennbarkeit umgangen und im Ergebnis ein auswärtiger Markeninhaber, der weder um das patentamtliche Löschungsverfahren noch um das Inlandsvertretererfordernis wissen kann, mit einer Löschung seines Schutzrechts (bzw. hier: der Schutzentziehung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) sanktioniert, was aber der erklärten Intention des Gesetzgebers des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31. Juli 2009 widerspricht.

76

f) Daher obliegt es dem Patentamt, solange der auswärtige Schutzrechtsinhaber noch nicht über das Löschungsverfahren und das Erfordernis eines Inlandsvertreters in Kenntnis gesetzt worden ist, für die entsprechende Unterrichtung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF die gesetzlichen Vorgaben der förmlichen Auslandszustellung nach Maßgabe von § 9 VwZG einzuhalten.

77

Dass – wie es die Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes hervorhebt – bei fehlender völkerrechtlicher Zulässigkeit der Zustellung durch Einschreiben nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG in Einzelfällen die diplomatische Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG notwendig werden kann, entspricht der Gesetzeslage. Die Tatsache alleine, dass die diplomatische Zustellung Aufwand verursachen bzw. zeitaufwendig sein kann, rechtfertigt keine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben. Soweit die Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts demgegenüber das Interesse an einer vereinfachten und effektiven Auslandszustellung betont, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass jedenfalls im hier betroffenen „Sonderfall“ das Schutzbedürfnis des auswärtigen Markeninhabers überwiegt, der bei fehlender Inkenntnissetzung nicht mit dem Schutzrechtsverlust sanktioniert werden darf.

78

6. 2. In Anwendung der dargelegten Grundsätze lagen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG nicht vor.

79

a) Auch vorliegend sollte die auswärtige Markeninhaberin erstmals in Bezug auf die verfahrensgegenständliche IR-Marke in ein Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt einbezogen werden, so dass sie zuvor keinen Anlass hatte, als verfahrenseinleitende Maßnahme einen Inlandsvertreter zu bestellen.

80

In diesem „Sonderfall“ kann nur dann eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG angenommen werden, wenn das Patentamt die Zustellungsadressatin vom Erfordernis eines Inlandsvertreters „in Kenntnis gesetzt hat“ (vgl. BT-Drs. 16/11339 vom 10. Dezember 2008, S. 29 i. V. m. S. 26).

81

Hieran fehlt es aber vorliegend, da die IR-Markeninhaberin den Zugang des formlosen Schreibens vom 27. März 2017 bestreitet und es an einem Zugangsnachweis fehlt. Somit hat das Patentamt die IR-Markeninhaberin nicht nachweislich von dem Erfordernis der Vertreterbestellung „in Kenntnis gesetzt“.

82

Dann aber kann der IR-Markeninhaberin, für die die Notwendigkeit der Inlandsvertreterbestellung nicht erkennbar war, auch nicht der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 96 Abs. 1 MarkenG gemacht werden.

83

b) Da § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zwingend die Verletzung der (für den Markeninhaber erkennbaren) Obliegenheit zur Inlandsvertreterbestellung nach § 96 MarkenG voraussetzt, kann – entgegen dem Vorbringen in Ziffer 3 der Stellungnahme der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts – für die Eröffnung der vereinfachten Auslandszustellung auch nicht auf sonstige vermeintliche Pflichtverletzungen abgestellt werden.

84

Unabhängig davon, dass die IR-Markeninhaberin eine Änderung ihrer Zustelladresse bestritten hat und sich der Aktenlage nicht entnehmen lässt, warum die Auslandszustellungen per Übergabeeinschreiben vorliegend letztlich gescheitert sind, steht die unterlassene Mitteilung über eine geänderte Zustelladresse einem Verstoß gegen die qualifizierte Verpflichtung zur Inlandsvertreterbestellung im Sinne von 94 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 96 Abs. 1 MarkenG nicht gleich. Der Fall einer unrichtig hinterlegten Zustelladresse wäre vielmehr nach den allgemeinen Regeln für die Zustellung in Verfahren vor dem Patentamt gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 9, 10 VwZG zu behandeln; in letzter Konsequenz kann er zur öffentlichen Zustellung (§ 10 Abs. 1 VwZG) führen, wofür allerdings, wie ausführlich dargelegt, enge Voraussetzungen bestehen und vor Annahme eines „unbekannten Aufenthalts“ des Empfängers vorherige Nachforschungen durchzuführen und zu dokumentieren sind (vgl. hierzu oben, Ziffer B 5). Diese Anforderungen, insbesondere die Verpflichtung zur Nachforschung, können nicht über die Zustellungsfiktion nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO umgangen werden.

85

c) Die Voraussetzungen für eine vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG lagen somit nicht vor, so dass die Zustellungsfiktion des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO keine Anwendung findet. Vielmehr ist festzustellen, dass sämtliche Zustellungen an die IR-Markeninhaberin „per Aufgabe zur Post mit Übergabeschreiben“, die mit Unzustellbar-Vermerk an das Patentamt zurückgelangt sind, gescheitert sind.

86

7. Damit waren vorliegend sämtliche amtsseitigen Zustellungen – sowohl die Auslandszustellungen per Aufgabe zur Post, wie auch die nachfolgenden öffentlichen Zustellungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 VwZG – unwirksam. Somit sind weder die Mitteilung nach § 53 Abs. 2 MarkenG aF, noch der Schutzentziehungsantrag, noch der angefochtene Beschluss der Markenabteilung über die Schutzentziehung der IR-Markeninhaberin ordnungsgemäß zugestellt worden, so dass weder die Widerspruchsfrist nach § 53 Abs. 3 MarkenG aF noch die einmonatige Beschwerdefrist (§ 66 Abs. 2 MarkenG) in Lauf gesetzt wurde. Auch eine Heilung der Zustellungsmängel gemäß § 8 VwZG scheidet mangels tatsächlichem Zugang der als Einschreiben zur Post aufgegebenen Schreiben aus.

87

Da somit keine ordnungsgemäße förmliche Zustellung der Mitteilung des Patentamtes gemäß § 53 Abs. 2 MarkenG aF erfolgt ist, lagen die Voraussetzungen einer Löschung wegen Verfalls nach § 53 Abs. 3 i. V. m. § 49 MarkenG aF nicht vor.

88

Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

89

C. Die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 71 Abs. 3 MarkenG. Angesichts der fehlerhaften Sachbehandlung durch die Markenabteilung, die eine wirksame Zustellung versäumt und damit ohne rechtliches Gehör der Antragsgegnerin eine Entscheidung zu ihren Lasten über den Bestand ihres inländischen Markenrechts getroffen hat, gegen die sich die Antragsgegnerin zur Wahrung ihrer Rechte nur im Wege der Beschwerde verteidigen konnte, entspricht es der Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen (vgl. BPatG PAVIS PROMA, 28 W (pat) 227/03 – MONTANA).

90

  • D. Eine weitergehende Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Insoweit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

91

E. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zuzulassen. Es betrifft eine Praxis des Patentamts (in Bezug auf die Auslandszustellung im Löschungs- bzw. Verfallsverfahren) und ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine lediglich formlose, mit einfachem Brief ins Ausland versandte Mitteilung ausreichen kann, um die Verpflichtung des auswärtigen Markeninhabers nach § 96 Abs. 1 MarkenG zur Inlandsvertreterbestellung zu begründen und die vereinfachte Auslandszustellung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zu eröffnen.

92

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.