BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 12.06.2023, AZ 6 B 37/22, ECLI:DE:BVerwG:2023:120623B6B37.22.0
§ 4 Abs 1 Nr 2 WaffG 2002, § 5 Abs 1 Nr 2 Buchst b WaffG 2002, § 5 Abs 1 Nr 2 Buchst c WaffG 2002, § 45 Abs 2 S 1 WaffG 2002, § 47 Abs 1 S 1 GKG
Leitsatz
Für den Widerruf von Waffenbesitzkarten ist unabhängig von der Zahl der widerrufenen Karten der Auffangstreitwert anzusetzen, wobei hierin zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten ist. Für jede weitere Waffe ist nach Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Erhöhung um 750 € vorzunehmen.
Verfahrensgang
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 11. August 2022, Az: 24 B 20.1363, Urteil
vorgehend VG Regensburg, 9. Oktober 2018, Az: RN 4 K 17.561, Urteil
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2022 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Berufungsverfahren – insoweit in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2022 – auf 6 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Der Kläger wendet sich gegen den durch Bescheid des Beklagten vom 14. März 2017 verfügten Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen, die ihm in Gestalt von zwei Waffenbesitzkarten für insgesamt drei Waffen erteilt worden waren. Der Beklagte berief sich zur Begründung des auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützten Widerrufs auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Diese ergebe sich daraus, dass der Kläger der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen sei. Der Anfechtungsklage, die der Kläger nach erfolglosem Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens erhoben hat, hat das Verwaltungsgericht wegen Zweifeln an dieser Zuordnung stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es lägen hinreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses als Anhänger der „Reichsbürgerszene“ anzusehen sei. Dies begründe seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, die den Widerruf rechtfertige. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision nicht zugelassen.
2
Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.
II
3
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde erweist sich als unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Sie ist deshalb zu verwerfen.
4
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die angestrebte Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Januar 2021 – 6 B 48.20 – KommJur 2021, 149 <150> und vom 9. Juli 2019 – 6 B 2.18 – NVwZ 2019, 1771 Rn. 7).
5
Diesen Anforderungen werden die Darlegungen der Beschwerde nicht ansatzweise gerecht. Sie beschränken sich darauf, die Tatsachenwürdigung und die darauf beruhende einzelfallbezogene Rechtsanwendung des Berufungsgerichts im Stil eines zulassungsfreien Rechtsmittels anzugreifen und die grundsätzliche Bedeutung damit zu begründen, dass es zu den hier inmitten stehenden rechtlichen Fragen noch keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebe. Das Vorbringen lässt jedoch nicht erkennen, welche konkreten Rechtsfragen im Revisionsverfahren geklärt werden sollen.
6
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Senat hat den Streitwert nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG für die Vorinstanz von Amts wegen geändert. Dazu ist er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde befugt (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2022 – 4 B 6.22 – juris Rn. 13 m. w. N.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es für die Anwendung von Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs nicht auf die Anzahl der widerrufenen Waffenbesitzkarten an. Für die Prüfung, ob die in §§ 4 ff. WaffG genannten Voraussetzungen noch vorliegen, ist es in der Regel unerheblich, ob der Betroffene über eine oder mehrere solcher Karten verfügt. Zudem hängt es oftmals vom Zufall ab, wie viele Waffenbesitzkarten einer Person ausgestellt werden (VGH München, Beschluss vom 18. August 2008 – 21 BV 06.3271 – juris Rn. 36; OVG Lüneburg, Beschluss vom 9. Januar 2009 – 11 OA 409/08 – juris Rn. 9 f.; VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 1 S 2212/19 – juris Rn. 4; OVG Schleswig, Beschluss vom 3. November 2021 – 4 MB 16/21 – juris Rn. 3). Der Senat geht deswegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für den Widerruf von Waffenbesitzkarten unabhängig von der Zahl der widerrufenen Karten der Auffangstreitwert anzusetzen ist, wobei hierin zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten ist. Für jede weitere Waffe ist nach Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Erhöhung um 750 € vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2019 – 6 B 153.18 – juris Rn. 8 und 6 B 156.18 – juris Rn. 8 sowie vom 16. Mai 2007 – 6 C 24.06).