BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 29.03.2023, AZ 28 W (pat) 501/20, ECLI:DE:BPatG:2023:290323B28Wpat501.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 237 510.7
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. März 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber sowie der Richterinnen Uhlmann und Berner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Zeichen
2
30 BR USA
3
ist am 10. Dezember 2018 unter der Nummer 30 2018 237 510.7 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
4
Klasse 13: Hülsen für Munition; Munition; Munition für Gewehre; Munition für Schusswaffen; Munition für Schußwaffen; Munition mittleren Kalibers; Waffen und Munition.
5
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 hat die Markenstelle für Klasse 13 des DPMA durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen eines Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen bestehe aus der Kaliberbezeichnung „30 BR“ und der geografischen Bezeichnung für die Vereinigten Staaten von Amerika „USA“. Das Kaliber „30 BR“ sei eine Präzisionspatrone, die auch beim sogenannten Benchrestschießen (BR), einer ursprünglich aus den USA stammenden Schießsportart, verwendet werde. In seiner Gesamtheit habe das Zeichen daher eine Bedeutung im Sinne von „Maßangabe für Munition, nämlich Kaliber 30 BR – aus den USA“. Die angesprochenen Verkehrskreise fassten das Anmeldezeichen in Verbindung mit den beanspruchten Waren dergestalt auf, dass die Munition und Patronenhülse mit dem Kaliber 30 BR und hierfür geeignete Waffen angeboten würden und diese aus den USA stammten oder dort hergestellt würden. Das angemeldete Zeichen beschreibe daher die Beschaffenheit und die geografische Herkunft der beanspruchten Waren und somit deren Merkmale nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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Gegen diese Zurückweisung wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde vom 20. November 2019. Von den beanspruchten Waren seien ausschließlich Fachleute und versierte Verbraucher mit dem nötigen Fachwissen angesprochen, deren Aufmerksamkeitsgrad erhöht sei. Die Bezeichnung „30 BR“ könne zwar in Alleinstellung eine Kaliberangabe darstellen. Das treffe aber nicht für das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit zu. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in dem Zeichenbestandteil „USA“ keine geografische Angabe, sondern vielmehr eine Angabe über ein abweichendes Hülsenhalsmaß sehen und damit als Unterscheidungsmittel wahrnehmen. Ein Beispiel hierfür stellten die Patronen „6mm PPC“ und „6mm PPC-USA“ dar. Denn bei der Kaliberangabe „6mm PPC-USA“ sei der Bestandteil „USA“ kein Hinweis auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Auf dem einschlägigen Warengebiet bestehe eine bestimmte Kennzeichnungsgewohnheit bzw. -pflicht gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 WaffG. Die zweistelligen Länderkürzel – demnach „US“ und nicht „USA“ – seien nach diesen Vorschriften an wesentlichen Teilen der Schusswaffen anzubringen. An diese gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung sei der Verkehr derart gewöhnt, dass er in der Buchstabenfolge „USA“ im Anmeldezeichen keine geografische Angabe wahrnehme. Bei Munitionen müsse vor dem Hintergrund der sich aus dem Waffengesetz ergebenden Kennzeichnungspflichten zudem die Verwendungsform des Anmeldezeichens auf dem Hülsenboden einer Patrone berücksichtigt werden. Zudem würden Waffen mit Kaliber 30 BR nicht mehr beschossen und könnten daher im Inland ohnehin nicht mehr verkauft werden. Die Munition mit dem Kaliber 30 BR könne derzeit nicht hergestellt werden. Das Produkt mit der Bezeichnung „30 BR USA“ sei im Übrigen ausschließlich beim Anmelder erhältlich, so dass der Zeichenbestandteil „USA“ einen Hinweis auf den Anmelder darstelle. Mangels Vorliegens eines für die angesprochenen Verkehrskreise beschreibenden Sachhinweises und der mangelnden Verfügbarkeit des Kalibers 30 BR im Inland bestehe an der angemeldeten Gesamtbezeichnung kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Im Übrigen seien in jüngerer Vergangenheit für den vorliegenden Warensektor bereits vergleichbare Marken eingetragen worden, wie die Marken „RS556“ und „SFP9“ zeigten.
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 13 des DPMA vom 16. Oktober 2019 aufzuheben.
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Der Anmelder wurde mit gerichtlichen Hinweisen vom 5. August 2022 (Bl. 52 bis 65 d. A.) und 15. November 2022 (Bl. 90 – 109 d. A.) jeweils unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen(konvolute) 1 bis 12) auf die Schutzunfähigkeit des Anmeldezeichens hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 11. August 2022 (Bl. 81 d. A.) hat der Anmelder seinen mit der Beschwerde hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
11
Die gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
12
Der Senat konnte über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem der Anmelder den Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat.
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1. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens
30 BR USA steht das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rn. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rn. 38 – Stadtwerke Bremen). Sonstige Merkmale der Waren und Dienstleistungen in diesem Sinne sind alle solchen, die für den Waren- und Dienstleistungsverkehr irgendwie bedeutsame, nicht völlig nebensächliche Umstände mit Bezug auf die Ware oder Dienstleistung beschreiben (EuGH GRUR 2010, 534 Rn. 28 – PRANAHAUS; BGH GRUR 2012, 272, 274, Rn. 14 – Rheinpark-Center-Neuss).
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Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum maßgeblichen Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 25 – Chiemsee; BGH GRUR 2017,186 Rn. 38 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2012, 272 Rn. 9 – Rheinpark-Center Neuss).
16
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angemeldete Bezeichnung
30 BR USA schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 10. Dezember 2018, geeignet gewesen, Art und Beschaffenheit der beanspruchten Waren im Sinne einer Kaliberangabe sowie deren geografische Herkunft oder Bestimmung unmittelbar zu beschreiben.
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a) Die von den beanspruchten Waren angesprochenen relevanten inländischen Verkehrskreise bestehen aus Verbrauchern, die Schießsport betreiben, Personen oder Organisationen, die gewerbsmäßig Schusswaffen und Munitionen benötigen, wie z. B. Jäger, freiberufliche Personenschützer, Sicherheitsgewerbe oder Schützenvereine, sowie dem Fachhandel für Waffen und Munition. Da der Umgang (§ 1 Abs. 3 WaffG) mit Waffen und Munition gemäß Anlage 2 Abschnitt 2 zum Waffengesetz, unter die die beanspruchten Waren fallen können, gemäß § 2 Abs. 2 WaffG erlaubnispflichtig ist, ist insgesamt von einem fachkundigen Verkehrskreis auszugehen.
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b) Das angemeldete Zeichen besteht aufgrund der darin enthaltenen Leerzeichen ersichtlich aus der Zahl „30“ und den Buchstabenfolgen „BR“ und „USA“. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 – BioID). Dieser Vorgabe ist die Markenstelle in ihrer Begründung gefolgt.
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aa) Die Zahlen- und Buchstabenfolge „30 BR“ stellt in Verbindung mit den beanspruchten Waren der Klasse 13 „
Hülsen für Munition; Munition; Munition für Gewehre; Munition für Schusswaffen; Munition für Schußwaffen; Munition mittleren Kalibers; Waffen und Munition“ – auch mit einem Leerzeichen zwischen der Zahl „30“ und der Buchstabenfolge „BR“ – einen Fachbegriff im Sinne einer Kaliberbezeichnung für eine Präzisionspatrone dar, die insbesondere beim sogenannten Benchrestschießen (Abkürzung „BR“, vgl.
www.whq-forum.de/invisionsboard/index.php?showtopic_19948, Anlage 1) verwendet wird und ursprünglich aus den Vereinigten Staaten von Amerika stammt (vgl. die Recherchebelege der Markenstelle als Anlage zum Beanstandungsbescheid vom 29. Januar 2019;
Auszug aus dem „C.I.P.-Datenblatt betreffend „30 BR“ als Anlage zum Schriftsatz des Anmelders vom 27. März 2019 im Amtsverfahren). Im Übrigen stellt der Anmelder selbst nicht in Abrede, dass es sich bei dem Zeichenbestandteil „30 BR“ um eine Kaliberangabe handelt. Da es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen um fachlich versierte Kreise handelt, werden diese den Sinngehalt des Zeichenbestandteils „30 BR“ im Sinne einer Kaliberangabe erfassen.
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bb) Der weitere Zeichenbestandteil „USA“ ist die gängige und allgemein verständliche Bezeichnung bzw. Abkürzung für die Vereinigten Staaten von Amerika (vgl.
https://www.duden.de/rechtschreibung/USA, Anlage 2). In Bezug auf geografische Angaben setzt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG voraus, dass diese zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Sofern eine Verwendung als Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist zu prüfen, ob sie vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist (Prognoseentscheidung; EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 29, 31 f. und 37 – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]; GRUR 2004, 674 Rn. 56 – Postkantoor; EuGH a. a. O. Rn. 53 – Prana Haus/HABM [PRANAHAUS]; BGH a. a. O. Rn. 43 – Stadtwerke Bremen, GRUR 2009, 994 Rn. 14 – Vierlinden; GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe Z; GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein). Von entscheidender Bedeutung sind hierbei einerseits die tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Frage, inwieweit diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind.
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c) Der Aussagegehalt des Anmeldezeichens erschöpft sich in der Summe der beiden Bestandteile „30 BR“ und „USA“ als unmittelbar beschreibende Angabe „Kaliber 30 BR aus den Vereinigten Staaten von Amerika“ oder „Kaliber 30 BR für bzw. bestimmt für die Vereinigten Staaten von Amerika“. Es fehlen zwar die Präpositionen „aus“ bzw. „für“ im Anmeldezeichen. Diese grammatikalisch nicht korrekte Aneinanderreihung der Zeichenbestandteile „30 BR“ und „USA“ reicht aber nicht aus, um von dem vorgenannten Aussagegehalt des Anmeldezeichens in seiner Gesamtheit wegzuführen.
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aa) Vorliegend wurden die Vereinigten Staaten von Amerika bereits zum Anmeldezeitpunkt und werden auch gegenwärtig schon deshalb mit Waffen und Munition in Verbindung gebracht, da sie eine bedeutende Waffenindustrie besitzen und großer Waffenexporteur sind (vgl. Artikel im Handelsblatt ‚
US-Waffenindustrie boomt – Millionen frische Handfeuerwaffen pro Jahr‚ vom 4. Januar 2013 und in der Süddeutschen Zeitung ‚
Waffenindustrie in den USA – Verdienen im Namen der Freiheit‚ vom 17. Dezember 2012, Anlagenkonvolut 5). Auch Hülsen für Munition werden vielfach in den USA hergestellt und exportiert, vgl. z. B.:
23
· „
Das amerikanische Unternehmen Starline gehört zu den weltweit führenden Herstellern von qualitativ hochwertigen Kurzwaffenhülsen und Langwaffenhülsen für Wiederlader. Über 30 Jahre Erfahrungen kann der US-Familienbetrieb Starline bereits im Bereich des Wiederladens vorweisen“ (https://www.waffen-ferkinghoff.com/marken/starline; Anlage 10).
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Entsprechendes gilt für Munition. Waffen- und/oder Munitionshändler haben im Inland mit dem Zusatz „USA“ bereits vor dem Anmeldetag des Anmeldezeichens auf die Herkunft der Munition aus den USA hingewiesen (die ersten vier Fundstellen vgl. Anlagenkonvolut 3 und die fünfte Fundstelle vgl. Anlage 11):
25
·
„Contender – USA“ – nebst Abbildung der Munitionsverpackung mit dem Hinweis „Made in U.S.A
. (14. August 2015; https://www.vdb-waffen.de/de/waffenmarkt/munition~schrotmunition/1sv504z7_contender_-_usa-schrotpatronen-contender.html?s=1);
26
·
„Hornady / USA“ –
Revolverpatronen Ammunition (14. August 2015; https://www.vdb-waffen.de/de/waffenmarkt/munition~munition_kurzwaffen.html?s=3);
27
·
„Remington – USA“ – Pistolen-/Revolvermunition UMC (14. August 2015; https://www.vdb-waffen.de/de/waffenmarkt/munition~munition_kurzwaffen.html?s=3)
;
28
·
„Federal / USA“- Pistolenmunition Gold Medal (14. August 2015; https://www.vdb-waffen.de/de/waffenmarkt/munition~munition_kurzwaffen.html?s=3);
29
· „
Hochwertige CCI Munition für jeden Zweck aus den USA bei Ferkinghoff International bestellen“ – „…CCI/Speer USA, Verkauf solange vorrätig …“ (24. Dezember 2018; https.//www.waffen-ferkinghoff.ocm/cci/#).
30
Auch derzeit verwenden Waffen- und/oder Munitionshändler die Buchstabenfolge „USA“ hinter einer Kaliberangabe, um auf die Herkunft aus den Vereinigten Staaten von Amerika hinzuweisen:
31
· „
Deko Gewehr Karabiner M1, Kaliber .30, USA 1941, mit Trageriemen“ (https://www.versandhaus-schneider.de/product_info.php?products_id=23562; Anlagenkonvolut 4);
32
·
„Deringer Pistole, Kaliber .41, USA 1886“ (tienda-medieval.com/de/pistolen-des-20-jahrhunderts/2186-deringer-pistole-kaliber-41-usa-1886.html; Anlagenkonvolut 4
);
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· „
6,5 CREEDMOOR – SHOOTING STAR AUS DEN USA“ (15. August 2005; https://rws-ammunition.com/de/infotainment/rws-hunting-blog/6-5-creedmoor-shooting-star-aus-den-usa#:~:text=Die%206%2C5%20Creedmoor%20wurde,6%2C5%20Creedmoor%20entwickelt%20haben; vgl. Anlage 6).
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Zudem stammen sowohl das Kaliber „30 BR“ als auch das Benchrestschießen, im Rahmen dessen dieses Kaliber zum Einsatz kommen kann, tatsächlich aus den USA (vgl. Auszug aus Wikipedia zum „Benchrestschießen“, dem Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 29. Januar 2019 als Anlage beigefügt; C.I.P-Datenblatt zum Kaliber 30 BR, Anlage zum Schriftsatz des Anmelders vom 27. März 2019 im Amtsverfahren).
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bb) Bei den beanspruchten Waren „
Munition; Munition für Gewehre; Munition für Schusswaffen; Munition mittleren Kalibers“ bringt das Anmeldezeichen daher zum Ausdruck, dass diese das Kaliber 30 BR aufweisen und aus den USA stammen oder für eine Verwendung in den USA bestimmt sind. Da auch der Innendurchmesser des Laufes einer Waffe als Kaliber bezeichnet wird (vgl. Deutsches Jagd Lexikon online, Stichwort „Kaliber“, dem Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 29. Januar 2019 beigefügt) gilt für die beanspruchten Waren „
Waffen“ Entsprechendes. Das Anmeldezeichen gibt den Innendurchmesser in Form des Kalibers „30 BR“ nebst ihrer geografischen Herkunft oder ihres Bestimmungsortes wieder. In Bezug auf die beanspruchten Waren „
Hülsen für Munition“ sagt das Anmeldezeichen aus, dass diese für Munition mit dem Kaliber 30 BR geeignet sind und aus den USA stammen oder für die Vereinigten Staaten bestimmt sind.
36
d) Selbst, wenn, wie der Anmelder vorträgt, die beteiligten Fachverkehrskreise die Buchstabenfolge „USA“ hinter der Kaliberangabe „30 BR“ im Warenbereich der Patronen und Munition als Angabe über ein abweichendes Hülsenhalsmaß und nicht als Hinweis auf die Vereinigten Staaten von Amerika auffassen, benennt das Anmeldezeichen lediglich die Beschaffenheit oder Eignung der beanspruchten Waren, so dass ebenfalls ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt.
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aa) Die vom Anmelder im Amtsverfahren mit Schreiben vom 27. März 2019 als Anlage beigefügten „C.I.P. –Datenblätter“ betreffend die Kaliber „6 mm PPC“ und „6mm PPC-USA“ zeigen, dass diese jeweils Kaliberangaben darstellen. Der Zusatz „USA“ dient in diesem Fall zwar – wie der Anmelder ausführt – als ein „Unterscheidungsmittel“, aber nicht im markenrechtlichen Sinne als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern ausschließlich im Hinblick auf ein abweichendes Hülsenhalsmaß, mithin ein anderes Kaliber. Auch die Ausführungen des Anmelders auf seiner Homepage „
Die später erschienene 6mm PPC-USA unterscheidet sich von der ursprünglichen 6mm PPC (.262) nur darin, dass die Hülsenwandstärke im Halsbereich dicker ist. …. Wir bieten sowohl Hülsen im Kaliber 6mm PPC-USA als auch im Kaliber 6mm PPC USA .262 an.“ (
https://henke-online.de/de/3123/waffen/langwaffen/smh-single-shot/tac-a5-ez/smh-precision-tactical-a-5-einzellader-6mm-ppc-usa-smhatac6ppcusa.htm, Anlage 12) verdeutlichen, dass die Bezeichnung „6 mm PPC-USA“ vom Verkehr als Kaliberangabe aufgefasst wird.
38
bb) Soweit der Verkehr in dem zu „6 mm PPC-USA“ ähnlich gebildeten Anmeldezeichen „30 BR USA“ daher einen Munitionsstandard bzw. eine Kaliberangabe erkennen sollte, stellt diese Kennzeichnung ebenfalls eine Beschaffenheits- bzw. Bestimmungsangabe der beanspruchten Waren dar und weist lediglich auf ein abweichendes Hülsenmaß hin. Entsprechendes gilt gemäß den obigen Ausführungen zu c) auch für die beanspruchten „Waffen“. In Bezug auf die „
Hülsen für Munition“ sagt das Anmeldezeichen dann aus, dass sich diese für Munition mit dem Kaliber 30 BR mit einem abweichenden Hülsenmaß eignen.
39
cc) Der Senat hat auf dem Warensektor der Patronen und Munition im Übrigen keine Kennzeichnungsgewohnheit festgestellt, wonach die im Anmeldezeichen enthaltene Buchstabenfolge „USA“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht
entweder als geografische Angabe
oder als Kaliberkategorie aufgefasst wird.
40
Im Bereich der Patronenindustrie sind zwar Mehrfachbezeichnungen und Zuordnungsschemata verbreitet (vgl. Wikipedia, Liste von Handfeuerwaffen und Munitionsarten, Seite 13, vgl. Anlage 7). Mit diesen Zusätzen wird meist auf unterschiedliche Laborierungen, auf den Hersteller oder andere Informationen (wie z. B. zur Munition passende Waffen oder das Modell-Jahr) hingewiesen (vgl. Wikipedia, Liste von Handfeuerwaffen und Munitionsarten, Seite 13, Anlage 7; Artikel ‚
Alles zum Kaliberwirrwarr‘,
www.hassel-online.net/WaffenMun/das-kaliberwirrwar.html; Anlage 8). Für den Senat sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, wonach der Zusatz „USA“, nach einer Kaliberangabe platziert, im Bereich der Patronen bzw. Munition von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als geografische Angabe oder Kaliber-Kategorie aufgefasst werden sollte. Die Ausführungen des Anmelders zur Wiedergabe der geografischen Angabe für die Vereinigten Staaten von Amerika im einschlägigen Warensektor nach der DIN EN ISO 3166-1 mit dem zweistelligen Länderkürzel „US“ und nicht mit der dreistelligen Bezeichnung „USA“ ändert nichts daran, dass das Anmeldezeichen auch in diesem Fall als Kaliberangabe aufgefasst wird. Eine Liste der synonymen Kaliber aus dem Jahr 2001 zeigt in der zweiten Spalte neben der Kaliberangabe zu jedem Kaliber mehrere Synonyme (Anlage 9). Wird im Rahmen der Kaliberangabe eine Firmenbezeichnung (wie z. B. „Mauser“, „Remington“, „Sauer & Sohn“, Anlage 9) oder eine Fantasiebezeichnung angeführt, mag dies von einer beschreibenden Bezeichnung hinsichtlich Munitionen oder Patronen wegführen. Dies gilt jedoch nicht für die Buchstabenfolge „USA“, bei der die Bedeutung als Sachangabe eindeutig im Vordergrund der Wahrnehmung steht.
41
e) Soweit dem Anmeldezeichen mehrere Bedeutungen zukommen können, wie „Kaliber 30 BR aus den Vereinigten Staaten von Amerika/für die Vereinigten Staaten von Amerika“ oder „Kaliber 30 BR mit abweichendem Hülsenhalsmaß“, vermag dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit zu ändern. Denn die Annahme einer beschreibenden Bedeutung setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist und nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH GRUR 2004, 680 Rn. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2014, 872 Rn. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rn. 13 – Deutschlands schönste Seiten).
42
f) Für die Frage des Vorliegens eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es im Übrigen nicht darauf an, wie das Zeichen vom Anmelder verwendet wird oder verwendet werden soll (BGH MarkenR 2012, 26 Rn. 17 – Rheinpark-Center Neuss).
43
Da hinsichtlich der beanspruchten Waren das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann die Frage der Verwendungsmöglichkeiten und damit auch die nach der Entscheidung des BGH in Sachen #darferdas? II (BGH GRUR 2020, 411) hierzu weitergeführte Diskussion (vgl. BPatG 25 W (pat) 29/19 – Mädelsabend; siehe zuletzt auch Ausführungen im Rahmen der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde BGH GRUR 2021, 857 – Schalker Meile) dahingestellt bleiben (vgl. BPatG, Beschluss vom 07.06.21, 29 W (pat) 1/19 – GRANTLER).
44
g) Die weiteren Einwendungen des Anmelders greifen ebenfalls nicht durch.
45
aa) Soweit sich der Anmelder darauf beruft, dass Waffen mit Kaliber 30 BR nicht mehr beschossen und damit im Inland nicht mehr verkauft werden können und zudem die Munition mit dem Kaliber 30 BR derzeit nicht hergestellt werden könne, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Hierbei handelt es sich um Umstände, die außerhalb des registerrechtlichen Verfahrens liegen und daher bei der Beurteilung des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keine Berücksichtigung finden.
46
bb) Ob einer zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung absolute Schutzhindernisse nach § 8 MarkenG entgegenstehen, ist losgelöst von der Person des Anmelders zu prüfen, so dass weder Namens- noch Monopolrechte zu einer von den gesetzlichen Bestimmungen des Markengesetzes abweichenden Beurteilung führen können (vgl. BGH MarkenR 2012, 76 f., Rn. 17 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.; GRUR 2006, 503, Rn. 10 – Casino Bremen; BPatG, Beschluss vom 16.02.2023, 30 W (pat) 60/21 – DIGITAL ART MUSEUM). Selbst wenn die angemeldete Bezeichnung derzeit ausschließlich mit dem Anmelder in Verbindung gebracht werden sollte, wird dadurch die Eignung zur unmittelbaren Beschreibung nicht ausgeschlossen. Dem vom Anmelder vorgetragenen Umstand, dass die angemeldete Bezeichnung vom Verkehr nur mit ihm in Verbindung gebracht werde, könnte Bedeutung zukommen, wenn zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG der Nachweis geführt wird, dass sich die Bezeichnung im Verkehr infolge ihrer Benutzung als Marke für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt hat. Diesen Nachweis hat der Anmelder nicht geführt. Dafür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte.
47
cc) Entgegen dem Vortrag des Anmelders ist auch keine Eintragungspraxis erkennbar, aus der sich Indizien für die Eintragungsfähigkeit des angemeldeten Zeichens herleiten ließen. Es entspricht nahezu einhelliger Rechtsauffassung, dass Voreintragungen keine Bindungswirkung für die Prüfung der Eintragungsfähigkeit eines Anmeldezeichens entfalten, sondern hinsichtlich der gesetzlichen Eintragungshindernisse jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der kein Beurteilungsspielraum besteht, da es sich bei der Eintragungsfähigkeit um eine Rechtsfrage handelt (vgl. im Einzelnen: Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 7f ff. m. w. N.). Unabhängig davon enthalten die vom Anmelder angeführten Voreintragungen „SFP9“ (30 2017 100 167) und „RS556“ (30 2018 800 117) keine Länderkennzeichnungen und sind daher mit dem Anmeldezeichen nicht vergleichbar.
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2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das Anmeldezeichen auch keine Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist.