BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 24.07.2023, AZ 29 W (pat) 574/20, ECLI:DE:BPatG:2023:240723B29Wpat574.20.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2020 208 807.8
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. Juli 2023 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Seyfarth und den Richter Posselt
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Wortfolge
2
Nörgens bäter as in Bokelt
3
ist am 5. März 2020 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende für Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Papier und Pappe; Papier- und Schreibwaren sowie Lehr- und Unterrichtsmittel; Taschen aus Papier für Verpackungszwecke; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Einkaufstaschen aus Kunststoff; Verpackungs-taschen aus Kunststoff; Verpackungsbeutel,- hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff; Versandtaschen aus Papier; Geschenktaschen zur Verpackung von Weinflaschen;
5
Klasse 24: Textilstoffe für Bekleidung; Textilstoffe; Bedruckte Textilstoffe;
6
Klasse 25: T-Shirts; Teile von Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopf-bedeckungen; Oberbekleidung; Bekleidungsstücke; Schals; Schals [Bekleidungsstücke];
7
Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Einzelhandels-dienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsaccessoires; Einzel-handelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Papier- und Schreibwaren.
8
Mit Beschluss vom 24. August 2020 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen.
9
Zur Begründung hat sie vollumfänglich auf den Beanstandungsbescheid vom 7. April 2020 Bezug genommen. Die angemeldete Bezeichnung „Nörgens bäter as in Bokelt“ setze sich aus durchaus verständlichen Worten der plattdeutschen Sprache zusammen und stelle in ihrer Bedeutung „Nirgends besser als in Bocholt“ eine sloganhafte Werbeaussage allgemeiner Art dar. Sie weise den Verbraucher im Sinne einer Sympathiebekundung darauf hin, dass es in Bocholt am schönsten/besten sei. Der angesprochene Verkehr werde daher in der Anmeldemarke keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen, sondern nur eine schlagwortartige, allgemeine Werbeaussage zur Anpreisung der Stadt Bocholt, welche die Sympathie des Anbieters der Waren und Dienstleistungen zu dieser zum Ausdruck bringen solle. Darüber hinaus werde dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums erregt und dieses, um die eigene Zugehörigkeit zu Bocholt zu bekunden, zum Erwerb der Waren bzw. zur Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistungen animiert.
10
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,
11
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. August 2020 aufzuheben.
12
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Markenstelle habe das Zeichen nicht im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren gewürdigt. Für diese könne das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft nicht festgestellt werden. Dies zeigten schon die Marken 30 2016 003 589, 30 2011 040 465, 30 2010 050 925 und 30 2017 103 081, die mit der Begründung der Markenstelle nicht hätten eingetragen werden dürfen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere den Hinweis des Senats vom 7. Juni 2023, Bezug genommen.
II.
14
Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet.
15
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – EUROHYPO; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi Langstrumpf-Marke; a. a. O. Rn. 10 – OUI; a. a. O. Rn. 16 – for you; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
16
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 – SAT 2; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).
17
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2016, 934 Rn. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 21 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rn. 26 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2018, 932 Rn. 8 – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke; a. a. O. Rn. 16 – Gute Laune Drops).
18
Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rn. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH a. a. O. Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 35 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 35 – Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft).
19
2. Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht.
20
a. Diese wenden sich ganz überwiegend an die allgemeinen Verkehrskreise. Lediglich die Dienstleistungen „Werbung, Marketing und Verkaufsförderung“ richten sich vornehmlich an Unternehmen bei ihrer geschäftlichen Betätigung.
21
b. Das Zeichen stellt eine ausschließlich bekenntnishafte, anpreisende Sachaussage dar. Der Verkehr wird es entweder lediglich als einen rühmenden und werbenden Hinweis auf die Stadt Bocholt verstehen, in dem eine besondere Verbundenheit mit dieser zum Ausdruck kommt oder darin einen umgangssprachlichen werbemäßigen Sachhinweis auf eine herausgehobene Qualität der aus Bocholt stammenden Waren und Dienstleistungen erkennen.
22
aa. Die Wortfolge „Nörgens bäter as in Bokelt“ setzt sich aus Begriffen des plattdeutschen bzw. niederdeutschen Dialekts zusammen („Nörgens“ = Nirgends; „bäter“ = besser; „as“ = als; „Bokelt“ = Bocholt) und bedeutet „Nirgends besser als in Bocholt“.
23
bb. Die Stadt Bocholt als Große kreisangehörige Stadt in Nordrhein-Westfalen ist überregional bekannt (vgl. Anlagenkonvolut 1 zum Hinweis des Senats, Bl. 15 ff. d. A.) und wird im Niederdeutschen häufig als „Bokelt“ bezeichnet (vgl. Anlagenkonvolut 2, Bl. 18 ff. d. A.: „Ab sofort gibt es die neuen Bokelts-Platt-Sprichwörter-Poster exklusiv bei der Volksbank …“, Bl. 19 d. A.; „Bokelt Helau!, Bl. 23 d. A.; „Bokelt Helau in der Kinderklinik“, Bl. 26 d. A.; „Die Stadt Bocholt (niederdeutsch:
Bokelt) liegt im westlichen Münsterland …“, Bl. 27 d. A.; „Inzwischen hat die Kindertanzgruppe der Lachparade Bokelt Ost die Bühne erobert.“, Bl. 29 d. A.; „Gehört zu Bokelt wie der AaSee und das Rathaus. Bokeltse Blagen mögen das.“ Bl. 32 d. A.). Die niederdeutsche Sprache (auch Plattdeutsch) ist ein Kontinuum westgermanischer Dialekte, die vor allem in Norddeutschland und im Osten der Niederlande gesprochen werden. Schon deshalb ist davon auszugehen, dass ein relevanter Teil des Publikums den Slogan problemlos im oben genannten Sinne verstehen wird.
24
cc. Aufgrund der klanglichen Nähe wird jedoch auch der übrige Teil des Verkehrs trotz des Dialekts ohne weiteres in der Lage sein, diese einfache und vom Hochdeutschen nur leicht abgewandelte spruchartige Wortfolge in ihrer Gesamtheit unmittelbar in dem vorgenannten Begriffsinhalt zu erfassen. Bei dem Begriff „bäter“ ist die klangliche Ähnlichkeit zum Hochdeutschen „besser“ zwar nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei „Nörgens“ oder „as“; inhaltlich und klanglich näher ist „bäter“ dem geläufigen Begriff „better“, der zum englischen Grundwortschatz gehört. Der Verkehr erkennt jedoch – nicht zuletzt aufgrund des Zusammenspiels der Worte im Gesamtzeichen – die Bedeutung „besser“ unmittelbar.
25
Platt- bzw. niederdeutsch wird aktiv noch von ca. 2,5 Millionen Bundesbürgern gesprochen. Verstanden wird es heute noch in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie in Teilen von Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Der plattdeutsche Dialekt ist den inländischen Verkehrskreisen durch Urlaubsaufenthalte, beispielsweise an der Nordsee oder Ostsee, durch Kinofilme wie „Ostfriesisch für Anfänger“ oder durch die Berichterstattung in Presse und sonstigen Medien, beispielsweise plattdeutsche Radio- und Fernsehsendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, geläufig.
26
dd. Die Wortfolge „Nörgens bäter as in Bokelt“ ist der „Wahlspruch eingefleischter Bocholter“ (vgl. Anlage 3, Bl. 37 d. A.) und die „Münsterländer Antwort auf Mia san Mia“ (vgl. Bl. 42 d. A.), die bereits häufig verwendet wird und vor dem Anmeldetag zumindest regional derart verbreitet war, dass er als Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs angesehen werden kann. So hat der Versuch, den Slogan als Werbeträger der Stadt Bocholt abzulösen, zu einem erheblichen Medienecho geführt (vgl. Bl. 42-44 d. A.). Aufgrund der Verbreitung über das Internet, über soziale Netzwerke sowie über TV und Medien (vgl. Anlagenkonvolut 4, Bl. 42 ff. d. A.) erlangte die Redewendung „Nörgens bäter as in Bokelt“ auch über die Region um Bocholt hinaus Bekanntheit („Die Nordrhein-Westfälische Bibliographie“, Bl. 48 d. A.; „Der Bocholt Fan Shop“ https://noergensbeater.myspreadshop.de, Bl. 52 ff. d. A.).
27
ee. Hinzu kommt, dass die Redewendung „nirgends besser als in …“ vielfach Verwendung findet (vgl. Anlagenkonvolut 5, Bl. 60 ff. d. A.: „…nirgends besser als in der Natur“; „…nirgends besser als in Altona“; „…nirgends besser als in den Bergen“; „…nirgends besser, als in ihrer Heimat“ etc.) und daher nur als positive Affirmation, nicht aber als Hinweis auf einen Hersteller oder Dienstleister verstanden wird.
28
ff. Bei solchen allgemein gebräuchlichen Redewendungen, die grundsätzlich von jedermann bzw. jedem Unternehmen verwendet werden können, fehlt regelmäßig die Eignung, eine Ware oder Dienstleistung als aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb stammend zu kennzeichnen (BGH GRUR 2010, 640 f. Rn. 11 ff. – hey!; GRUR 1988, 211 – Wie hammas denn?; BPatG, Beschluss vom 06.03.2019, 29 W (pat) 509/17 – Ischa Freimaak; Beschluss vom 22.02.2012, 27 W (pat) 12/11 – Komm zum Punkt; Beschluss vom 26.03.2009, 30 W (pat) 33/08 – … weil Nähe zählt; Beschluss vom 19.05.2004, 26 W (pat) 213/03 – Gut, dass es uns gibt!).
29
c. Hinsichtlich der einzelnen Waren und Dienstleistungen gilt dabei folgendes:
30
aa. Die in Klasse 16 beanspruchten Waren, wie z. B. (Einkaufs-, Verpackungs-, Versand- und Geschenk-)Taschen und Beutel eignen sich als Träger von Meinungsäußerungen, Statements und sonstigen Botschaften, die ihre Wirkung nur entfalten können, wenn sie nach außen sichtbar auf den Waren aufgebracht sind. Demgegenüber wurde weder vorgetragen, noch konnte auf andere Weise festgestellt werden, dass derartige „Botschaften an die Umwelt“ an verdeckter Stelle auf der Rück- oder Innenseite angebracht sind. Aus dem Wesen der Wortfolge „Nörgens bäter as in Bokelt“ als Werbespruch für die Stadt Bocholt und damit Botschaft nach außen folgt indes gerade die Wahrscheinlichkeit der Verwendung an gut sichtbarer Stelle. Hierfür spricht auch, dass die deutlich herausgestellte Botschaft ein wesentliches Kriterium der Kaufentscheidung darstellt. Andere Verwendungsarten sind daher in diesem Fall nicht praktisch bedeutsam. Hinsichtlich der „Druckereierzeugnisse“ sowie der „Lehr- und Unterrichtsmittel“ stellt das angemeldete Zeichen lediglich eine thematische Inhaltsbeschreibung dar, die sich mit der Stadt Bocholt und dem mit ihr verbundenen Heimatgefühl auseinandersetzt (vgl. Bocholt (Wandkalender 2016 DIN A4 quer), Bl. 58 d. A.). Ferner stellt das Zeichen bezüglich aller in Klasse 16 beanspruchten Waren nur eine werbemäßige Spitzenstellungsbehauptung kombiniert mit einem geografischen Hinweis dar, nämlich, dass die Waren „nirgends besser als in Bocholt“ seien.
31
bb. Auch die in den Klassen 24 und 25 beanspruchten Waren, wie Textilstoffe für Bekleidung, bedruckte Textilstoffe, T-Shirts, Kopfbedeckungen, Bekleidungsstücke und Schals, aber teilweise auch Schuhwaren wie z. B. Sneakers sind regelmäßig mit Statements und bekenntnishaften Aussagen versehen. Großflächig bzw. präsent aufgedruckte Dialektbegriffe und -aussagen sind dabei auf Fun-T-Shirts, Hoodies und Caps besonders beliebt (für bayerische Dialektbegriffe vgl. BPatG, Beschluss vom 07.06.2021, 29 W (pat) 1/19 – Grantler). Im hier in Klasse 25 maßgeblichen Bekleidungssektor kommt allerdings neben der nach außen gerichteten, dekorativen Verwendung des Zeichens auf der Vorder- oder Rückseite eines T-Shirts, eines Pullovers oder einer Jacke, die – ausgehend von Art und Sinngehalt des Anmeldezeichens – als praktisch bedeutsame und wahrschein-lichste Verwendungsform zu sehen sein dürfte, auch eine Verwendung auf dem eingenähten Etikett im Innern eines Kleidungsstückes, als Anhänger o. Ä. in Betracht. Dies führt für sich genommen jedoch nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr in dem Zeichen einen Herkunftshinweis sehen muss. Auch bei der Anbringung auf Etiketten kann die Beurteilung, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens variieren. Es muss stets im Einzelfall beurteilt werden, ob der Verkehr das Zeichen auch auf dem Etikett eines Kleidungsstücks, etc. als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren wahrnehmen kann (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 17 – #darferdas? II; vgl. auch BPatG, Beschluss vom 12.01.2022, 29 W (pat) 570/19 – MAKE MONDAY SUNDAY; Beschluss vom 09.10.2019, 29 W (pat) 519/18 – Mir all sin Kölle; Beschluss vom 04.04.2019, 30 W (pat) 511/17 – reggae jam). Dies ist im Hinblick auf den dargelegten Sinngehalt der angemeldeten Bezeichnung als ausschließlich werbemäßige Anpreisung mit dem Bekenntnis zu einer bestimmten Stadt jedoch nicht der Fall. Die angesprochenen Verkehrskreise werden allein aus der Verwendung des allgemein verständlichen Slogans „Nörgens bäter as in Bokelt“, der sich in die Reihe ähnlich gebildeter „nirgends besser als in…“ Wortfolgen (vgl. oben Anlagenkonvolut 5) einfügt, auf dem Etikett eines Kleidungstückes etc. nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen. Vielmehr steht das in der angemeldeten Wortfolge zum Ausdruck kommende Bekenntnis dergestalt im Vordergrund, dass es im Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
32
cc. Auch in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 stellt die Wortfolge „Nörgens bäter as in Bokelt“ lediglich ein werbendes Bekenntnis zur Stadt Bocholt dar. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Wortfolge nur als geografischen Hinweis auf den Erbringungsort der Dienstleistungen und gleichzeitig als Ausdruck der Verbundenheit des Dienstleistungserbringers mit „seiner“ Stadt verstehen bzw. darin eine werbende Spitzenstellungsberühmung erblicken. Eine darüberhinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft der Dienstleistungen weist das Anmeldezeichen hingegen nicht auf.
33
3. Die durch den Beschwerdeführer angeführten Voreintragungen 30 2016 003 589 „WENN MER UNS PÄNZ SINN; SIN MER VUN DE SÖCK“, 30 2011 040 465 „Dortmunder Jungs“ und 30 2010 050 925 „Lache, bütze und verzälle mit Zäng us Kölle“ sind bereits hinsichtlich ihres Aussagegehalts nicht mit der hier verfahrensgegenständlichen Wortfolge vergleichbar, da ihnen insbesondere der anpreisende Charakter fehlt. Den genannten Voreintragungen stehen zudem Zurückweisungen von Wortfolgen gegenüber, die dem verfahrensgegenständlichen Zeichen deutlich näher kommen, wie z. B. „Giasing Oida“ (vgl. BPatG, Beschluss vom 14.09.2022, 29 W (pat) 39/19). Soweit der Beschwerdeführer auf die Eintragung der Marke 30 2017 103 081 „Mir all sin Kölle“ hinweist, ist festzustellen, dass das DPMA die Schutzfähigkeit lediglich für einige Waren, wie z. B. Peitschen und Pferdegeschirre angenommen hat. Im Umfang der Zurückweisung durch das DPMA hat der Senat die Schutz
unfähigkeit u. a. auch für die Waren der vorliegend ebenfalls angemeldeten Klassen 16 und 25 (vgl. BPatG, Beschluss vom 09.10.2019, 29 W (pat) 519/18) vollinhaltlich bestätigt. Nach ständiger Rechtsprechung sind zudem Voreintragungen nicht bindend. Denn auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rn. 18 – Bild-digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 30 – HOT).
34
4. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftig ist.