BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 21.03.2023, AZ 25 W (pat) 511/21, ECLI:DE:BPatG:2023:210323B25Wpat511.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2019 101 357
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. März 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Dr. Rupp-Swienty, LL.M., sowie des Richters k. A. Staats, LL.M.Eur.,
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Das am 1. Februar 2019 angemeldete Zeichen
2
ist am 18. März 2019 unter der Nummer 30 2019 101 357 für folgende Waren als Wort-/Bildmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:
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Klasse 5:
4
Nicht verschreibungspflichtige Husten- und Erkältungspräparate für den Humangebrauch.
5
Gegen die Eintragung der am 18. April 2019 veröffentlichten Marke hat die Widersprechende am 15. Juli 2019 Widerspruch aus folgenden Marken erhoben:
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1. Wortmarke 304 07 068
7
Phytosolve
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eingetragen für die Waren:
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Klasse 1:
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Chemische Zusatzstoffe für die pharmazeutische Industrie, für die Lebensmittelindustrie und für die Kosmetika erzeugende Industrie.
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2. Wortmarke UM 004 187 795
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Phytosolve
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eingetragen für die Waren:
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Klasse 1:
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Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Zusatzstoffe für Produkte der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie.
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Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 erhob die Vorgängerin der Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede der Nichtbenutzung beider Widerspruchsmarken. Die Markenstelle für Klasse 5 beim Deutschen Patent- und Markenamt, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat mit Beschluss vom 30. November 2020 den Widerspruch mangels Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Benutzung der Widerspruchsmarke UM 004 187 795 könne dahingestellt bleiben, da die beiderseitigen Waren nicht ähnlich seien. Es handele sich um verschiedene Produktgruppen, die für unterschiedliche Zwecke bestimmt seien, regelmäßig nicht aus gleichen Geschäftsbetrieben stammten, nicht über gleiche Vertriebskanäle verkauft würden und sich gegenseitig auch nicht ergänzten, zumal sie für verschiedene Abnehmer vorgesehen seien. „Chemische Erzeugnisse für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie“ wendeten sich ausschließlich an gewerbliche Abnehmer, während „Husten- und Erkältungspräparate für den Humangebrauch“ allgemein über Apotheken und Drogeriemärkte vertrieben würden und für Endverbraucher bestimmt seien. Eine Begegnung auf dem Markt erscheine kaum vorstellbar. Es handele sich bei den chemischen Erzeugnissen der rangälteren Marke auch nicht um Zusatzstoffe, die bei den pharmazeutischen Präparaten der rangjüngeren Marke verwendet würden. In der Rechtsprechung werde regelmäßig eine Ähnlichkeit der Vorprodukte und Zusatzstoffe mit den Fertigerzeugnissen verneint.
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Eine andere Bewertung sei nur dann geboten, wenn die Fertigware aus dem Rohstoff ohne erheblichen Aufwand und ohne Zuhilfenahme weiterer fremder Substanzen zu gewinnen sei oder Halbfabrikate häufig vom Hersteller der Fertigware mit erzeugt würden. Das sei hier bereits deshalb nicht der Fall, weil Zusatzstoffe für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie nicht bei Arzneimitteln als maßgeblich deren Qualität sowie Wirksamkeit und die Kaufentscheidung der Verbraucher beeinflussende Vorprodukte zur Anwendung kämen.
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Die Benutzung der Widerspruchsmarke 304 07 068 sei nicht nachgewiesen worden. Von der Widersprechenden seien zwar Produktflyer und -kataloge, Datenblätter, allgemeine Zertifikate, Artikel in Fachmagazinen, Messetafeln, Produktanzeigen, Angebote, Lieferscheine mit Anschreiben, Schreiben und Faxe an Kunden, allgemeine Datenblätter, Rahmenrezepturen sowie Präsentationen aus den Jahren 2009 bis 2019 eingereicht worden. Eine eidesstattliche Versicherung liege jedoch nicht vor. Zunächst sei festzustellen, dass ein beachtlicher Teil der Unterlagen aus der Zeit vor dem hier zu betrachtenden Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke stamme und daher außer Betracht bleibe. Das gelte gleichermaßen für Unterlagen, die sich auf Verkäufe aus der Zeit nach dem 18. April 2019 bezögen. Da eine Vielzahl an Unterlagen nicht in deutscher Sprache vorliege, erscheine es unwahrscheinlich, dass sie für eine Verwendung der Widerspruchsmarke 304 07 068 in Deutschland bestimmt gewesen seien. Für die Markenstelle sei auch nicht ersichtlich, welche Unterlagen konkret die Benutzung für „chemische Zusatzstoffe für die pharmazeutische Industrie“ in Deutschland nachweisen sollen. Diese Frage sei von Bedeutung, da die weiteren chemischen Zusatzstoffe für die Lebensmittelindustrie und für die Kosmetika erzeugende Industrie mit den Waren der angefochtenen Marke nicht ähnlich seien. Es sei auch nicht erkennbar, für welche pharmazeutischen Erzeugnisse die chemischen Zusatzstoffe der Widersprechenden in Deutschland konkret verwendet würden. Die Widersprechende habe zur Klarstellung auch keine eidesstattliche Versicherung eingereicht. Die Unterlagen würden damit trotz ihres Umfangs den Anforderungen an den Nachweis der Benutzung der Widerspruchsmarke 304 07 068 nicht gerecht.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 23. Dezember 2020. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Markenstelle sei ohne Grund davon ausgegangen, dass die chemischen Erzeugnisse der Widerspruchsmarke UM 004 187 795 keine Zusatzstoffe zu pharmazeutischen Präparaten seien und eine Begegnung auf dem Markt mit den Waren der angegriffenen Marke nicht vorstellbar sei. Sie würden als Zusatzstoffe an Kunden der Beschwerdeführerin geliefert, welche mit ihnen hergestellte Nahrungsergänzungsmittel und pharmazeutische Präparate unter Nennung der Marke der Widersprechenden anböten. Als Nachweis dessen legt die Beschwerdeführerin beispielhaft Anzeigen betreffend das Coenzym-Spray „BIOGENA“ der B… GmbH & Co. KG und betreffend die Tropfen „Isoflavon PhytoSolve“ der P… AG vor. Die genannten Produkte würden an Endverbraucher über Online-Shops, Apotheken sowie Drogerien und somit über die gleichen Vertriebskanäle wie die Waren der angegriffenen Marke veräußert. Des Weiteren legt die Widersprechende drei Rechnungen an die M… GmbH & Co. KGaA vom 7. Juli 2014, 10. Dezember 2014 und 15. Juni 2016 vor. Sie trägt vor, die darin ausgewiesenen Liefermengen seien im pharmazeutischen Bereich als erheblich einzustufen.
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Sie beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 5, vom 30. November 2020 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der Marke 30 2019 101 357 aufgrund des Widerspruchs aus den Marken 304 07 068 und UM 004 187 795 anzuordnen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hält im Beschwerdeverfahren ausdrücklich die Einrede der Nichtbenutzung beider Widerspruchsmarken aufrecht und führt aus, die Widersprechende habe keine Angaben zum Umsatz gemacht, keine Verkaufshandlung belegt, keine Rechnungen an ihre Abnehmer vorgelegt und keine eidesstattliche Versicherung zum Umsatz eingereicht. Es werde bestritten, dass die Kataloge und Broschüren ohne Angabe ihres Verbreitungsgebietes in dem hier maßgeblichen Benutzungsgebiet verteilt worden seien. Die von der Widersprechenden genannten Produkte seien schon auf Grund ihrer funktionalen Merkmale nicht der Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie zuzuordnen. Zudem reiche die Erwähnung eines Zusatzstoffes im Fließtext der Beschreibung des Endproduktes nicht aus, um dessen besondere Eigenschaft oder Wertschätzung herauszustellen. Die eingereichten Rechnungen belegten keine Benutzung in einem ausreichenden Umfang. Die Widersprechende sei kein Kleinunternehmen, sondern nach eigenen Angaben ein weltweit tätiger Hersteller mit 500 Mitarbeitern an vier Produktionsstandorten in Deutschland. Dies zeige auch die Rechnung vom 10. Dezember 2014, in der ergänzend ein „Mindermengenzuschlag“ in Höhe von 250,- EUR ausgewiesen sei. Von einer wirtschaftlichen Verwertung der Marke könne keine Rede sein.
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Den im Schriftsatz vom 23. Dezember 2020 hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 19. Juli 2022 zurückgenommen.
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Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wurde die angegriffene Marke von der S… GmbH auf die Beschwerdegegnerin umgeschrieben.Sie hat ausweislich des Schreibens ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Dezember 2022 das vorliegende Beschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG übernommen.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie hat die Benutzung ihrer beiden Widerspruchsmarken nicht nachgewiesen, so dass das Bestehen einer Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann. Die Zurückweisung des Widerspruchs ist daher zur Recht erfolgt (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG i. V. m. §§ 43 Abs. 1 Satz 3, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, § 119 Nr. 1 und 4 MarkenG).
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1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 die Einrede der Nichtbenutzung beider Widerspruchsmarken bereits im Amtsverfahren erhoben und mit Schriftsatz vom 20. April 2022 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens aufrechterhalten. Sie ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zulässig, da die angegriffene Marke am 1. Februar 2019 angemeldet worden ist und zu diesem Zeitpunkt seit über fünf Jahren kein Widerspruch mehr gegen die Eintragung der älteren Marke 304 07 068 möglich war. Die Widerspruchsfrist lief bei ihr am 8. November 2004 ohne Einlegung eines Widerspruchs ab. Bei der Widerspruchsmarke UM 004 187 795 ist gemäß § 119 Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 18 Abs. 1 UMV für den Beginn der fünfjährigen Benutzungsschonfrist auf den Tag ihrer Eintragung, den 13. Januar 2006 abzustellen, so dass auch sie am 1. Februar 2019 bereits abgelaufen war.
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Demzufolge hat die Widersprechende die Benutzung ihrer Marken in der Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Januar 2019 nachzuweisen. Auf den von der Markenstelle zugrunde gelegten Benutzungszeitraum von fünf Jahren vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 18. April 2019 kommt es hingegen nicht an. Sie hat die alte Fassung des § 43 Abs. 1 MarkenG herangezogen, die jedoch mangels einer vorliegendes Verfahren betreffenden Übergangsvorschrift nicht einschlägig ist.
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2. Bei dem Nachweis der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass sie die Verantwortung für den Nachweis trägt. Die bestrittene Benutzung muss zur vollen Überzeugung bewiesen werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für deren Vorliegen reicht nicht mehr aus (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 43, Rn. 56, 64 und 65). Die Widersprechende hat deshalb die wesentlichen Umstände der Benutzung ihrer Marken, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum darzutun und nachzuweisen. Ernsthaft benutzt wird eine Marke, wenn sie in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, im Inland oder in der Union verwendet wird, um einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch verwendet wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Rn. 70 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2014, 662, Rn. 12 – Probiotik; GRUR 2013, 925, Rn. 38 – VOODOO).
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Die Frage der Benutzung einer Widerspruchsmarke in dem nach § 43 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Zeitraum unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz. Das effektivste Mittel des Nachweises ist – wie auch in § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zum Ausdruck kommt – die eidesstattliche Versicherung. Daneben können sonstige Unterlagen, wie zum Beispiel Preislisten, Rechnungskopien, Etiketten, Prospekte oder sonstige Veröffentlichungen als Beweismittel geeignet sein, insbesondere zur Erläuterung, Ergänzung und Verdeutlichung einer eidesstattlichen Versicherung dienen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43, Rn. 6 und 80). Die vorgelegten Unterlagen sind dann in einer Gesamtschau zu bewerten.
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3. Den vorgenannten Anforderungen genügen die von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen nicht. Ihnen lässt sich auch mangels einer eidesstattlichen Versicherung nicht entnehmen, in welchem Umfang, in welchen Zeiträumen und in welchem Gebiet die Widerspruchsmarken benutzt wurden. Zudem lassen die Belege nicht erkennen, dass die vertriebenen Produkte mit den Widerspruchsmarken versehen waren.
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a) Dies gilt zum einen für die bereits im Amtsverfahren eingereichten Unterlagen.
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So enthält das Produktdatenblatt „PhytoSolve New Solubilization Technique for Lipophilic Actives with Phospholipids“ kein Erscheinungsdatum und keine Angaben zum Verbreitungsgebiet.
38
Die Stellungnahme zur bakteriologischen Sicherheit von PhytoSolve-Produkten vom 22. Mai 2012 liegt Jahre vor dem Beginn des maßgeblichen Benutzungszeitraums.
39
Der Flyer „L… – Stabilität von PhytoSolve mit Ubiquinol“ und das nachfolgende Datenblatt „PhytoSolve®“ weisen kein Publikationsdatum auf.
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Die Produktdatenblätter „TO WHOM IT MAY CONCERN – PhytoSolve 4000“ vom 28. September 2016 und „TO WHOM IT MAY CONCERN – PhytoSolve 4000, PhytoSolve 7148, PhytoSolve 7153 und PhytoSolve 5449“ vom 23. Februar 2016 stammen von der L… AG in der Schweiz und sagen vor allem nichts über das maßgebliche Benutzungsgebiet aus.
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Dem Telefax vom 5. August 2014 an die L… GmbH zur Beantwortung einer Kundenanfrage zu den Produkten PhytoSolve 9924, 9925, 9926, 9933, 9950 und 9952 kann lediglich entnommen werden, dass in ihnen Glycerin, Lecithin, Amaranthsamen-Extrakt, Chiasamen-Extrakt, Schisandrafrüchte-Extrakt, Marulaöl, Moringaöl und Amlaöl enthalten sind.
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Die Übersicht „PhytoSolve 9925 – Typische Fettsäurezusammensetzung des Chia Samen – Extraktes lt. Aussage unseres Lieferanten“ vom 12. Dezember 2013 betrifft nicht den relevanten Benutzungszeitraum.
43
Auch in dem englischsprachigen „Product Catalog – Phospholipids for Food and Dietary Supplements“ sind keine Hinweise zum Zeitraum und Verbreitungsgebiet von mit den Widerspruchsmarken gekennzeichneten Waren zu finden.
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Das „Angebot Nr. 14856“ vom 17. Dezember 2009 und das „Angebot Nr. 19910“ vom 13. Januar 2011 liegen außerhalb des Benutzungszeitraums.
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Das „Certificate Allergenicity – PhytoSolve® 7164“ vom 19. September 2019 in englischer Sprache benennt lediglich Allergene, die in einem mit PhytoSolve 7164 gekennzeichneten Produkt enthalten sind. Welches Produkt das ist, lässt sich dem Zertifikat jedoch nicht entnehmen.
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Entsprechendes gilt für die Dokumente „BSE/TSE – PhytoSolve® 7164“ vom 21. November 2019, „Confirmation of Hygiene“ vom 21. November 2019 und „TO WHOM IT MAY CONCERN, PhytoSolve® 4000 / Art. No. 546800 / Update Shelf Life“ vom 24. Juni 2019.
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Der Lieferschein mit der Nummer L2031052 bezieht sich zwar auf den Artikel „PhytoSolve® 4000“. Welche Ware jedoch konkret geliefert wurde, ist nicht erkennbar.
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Der weiterhin bereits beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte „PRODUCT CATALOG – Phospholipids for Nutrition“ in englischer Sprache stammt von der „A… COMPANY“. Sie ist ausweislich des Katalogs Mitglied der L… Group. In ihm findet sich keinerlei Hinweis auf die Verwendung der Widerspruchsmarken gerade im Inland und in der Europäischen Union. Diese Feststellung gilt auch für den „PRODUCT CATALOG – Phospholipids for Food und Dietary Supplements“ der Widersprechenden.
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In dem „Product Catalog – Dietetic Applications“ wird zwar die Marke „PhytoSolve“ im Zusammenhang mit „Solubilization System“ und „5% Coenzyme Q10“, „10% Coenzyme Q10“, „12% Omega-3 Fatty Acids“ sowie „High caloric“ erwähnt. Selbst wenn es sich hierbei um Zusatzstoffe für die Lebensmittel-, Kosmetik- oder die Pharmaindustrie handeln sollte, erschließt sich dem Senat nicht, ob sie im Rahmen ihres Vertriebs selbst mit den Widerspruchsmarken gekennzeichnet waren. Ebenso fehlen jegliche Angaben zum Ort und Umfang der Verwendung.
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In dem Informationsblatt „Natural Phospholipids for Dietetic Applications“ findet sich die Bezeichnung „PhytoSolve“ lediglich mit der Erläuterung „innovative delivery system for lipophilic actives“. Wofür diese Wirkstoffe konkret dienen, ergibt sich aus dem Beleg jedoch nicht.
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Auf einem weiteren im unteren Drittel mit dem Schriftzug „PhytoSolve“ versehenen Blatt ist eine Schale mit einer dunklen Flüssigkeit abgebildet (vgl. Bl. 217 des elektronischen Volldokuments der Amtsakte vom 20. Januar 2021). Um was es sich hierbei handelt, bleibt völlig offen.
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In den Informationsblättern „PhytoSolve 7148“ und „PhytoSolve 4000“werden die Inhaltsstoffe eines so bezeichneten Produkts aufgelistet. Der Überschrift „Nutritional Composition“ lässt sich zwar entnehmen, dass es zum Verzehr bestimmt ist. Ob es sich hierbei um einen Zusatzstoff oder ein fertiges Nahrungsmittel handelt und, ob das konkret auf den Markt gebrachte Erzeugnis mit einer Widerspruchsmarke versehen war, lässt sich diesen Belegen jedoch nicht entnehmen.
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b) Zum anderen leiden auch die im Beschwerdeverfahren neu vorgelegten Nachweise an obigen Mängeln. Im Einzelnen:
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In der Anzeige betreffend das Coenzym-Spray „BIOGENA“ der B… GmbH & Co. KG findet sich das Zeichen „PhytoSolve“ nicht auf dem abgebildeten Fertigprodukt, sondern lediglich in der Beschreibung des Nahrungsergänzungsmittels, wo es als Name eines „speziellen Herstellungsverfahrens“ verwendet wird.
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Es ist weiterhin nicht erkennbar, ob auf der in der deutschsprachigen Anzeige betreffend die Tropfen „Isoflavon PhytoSolve“ der P… AG abgebildeten Flasche eine Widerspruchsmarke angebracht ist. Zudem handelt es sich bei der dargestellten Ware um ein Fertigprodukt gegen Wechseljahresbeschwerden. Dieses entspricht nicht den für die Widerspruchsmarken geschützten Zusatzstoffen im Sinne von Vorprodukten. Die Benutzung einer Marke in Verbindung mit dem Gesamtprodukt stellt nur dann eine Benutzung für einen Bestandteil dar, wenn der Verkehr die Marke auch auf diesen bezieht, etwa weil dieser eine besondere Bedeutung für das Gesamtprodukt hat (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26, Rn. 51). Eine solche lässt sich allenfalls der weiterhin eingereichten italienischsprachigen Anzeige betreffend die Tropfen „Isoflavon PhytoSolve“ entnehmen. In ihr wird die Bezeichnung „PhytoSolve“ in der Beschreibung erwähnt. Die Formulierung „prodotto con tecnica unica PhytoSolve“ weist jedoch auch hier nicht auf einen Zusatzstoff, sondern vielmehr auf ein Verfahren hin, so dass noch nicht einmal eine ausreichende Verknüpfung zu einer Ware der Widerspruchsmarken besteht.
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Aus den drei Rechnungen an die M… GmbH & Co. KGaA vom 7. Juli 2014, 10. Dezember 2014 und 15. Juni 2016 ergibt sich nur, dass an dieses Unternehmen der Artikel PhytoSolve 5453 zu Preisen in Höhe von 2.360,01 EUR für 24 kg, 1.012,81 EUR für 7 kg und 4.787,97 EUR für 20 kg geliefert worden ist. Sie geben jedoch keine Auskunft darüber, um welchen Artikel es sich konkret handelt und, ob er mit den Widerspruchsmarken versehen war.
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4. Auf die erheblichen Mängel der Benutzungsunterlagen ist die Widersprechende bereits durch den angegriffenen Beschluss vom 30. November 2020 sowie durch die Schriftsätze der Inhaberin der angegriffenen Marke aufmerksam gemacht worden. Sie hat dennoch keine ausreichenden Nachweise der Benutzung ihrer Marken vorgelegt. Die eingereichten Unterlagen weisen vielfältige Mängel auf und entsprechen insbesondere nicht den Anforderungen an Konsistenz, Struktur sowie Vollständigkeit. Eines entsprechenden Hinweises des Senats bedurfte es nicht, da er die Neutralität zu wahren hat und ihm demzufolge nicht die Aufgabe zukommt, der Widersprechenden zu einem irgendwann einmal erfolgreichen Nachweis zu verhelfen (vgl. BeckOK MarkenG, 31. Edition, § 76, Rn. 21 ff.; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 4. Auflage, § 43, Rn. 31).
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5. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass es bei der Regelung, dass jede Beteiligte die ihr erwachsenen Kosten selbst trägt, verbleibt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
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6. Der Senat konnte mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 69 MarkenG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 19. Juli 2022 ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Auch hat der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für sachdienlich erachtet.