BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 17.04.2023, AZ 26 W (pat) 26/18, ECLI:DE:BPatG:2023:170423B26Wpat26.18.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 066 628
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. April 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Dr. von Hartz und der Richterin am Amtsgericht Streif
beschlossen:
Die beiden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Bildmarke (schwarz, weiß, rot, gold, grau)
2
ist am 15. November 2010 angemeldet und am 5. Mai 2011 unter der Nummer 30 2010 066 628 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
3
Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Weine, Schaumweine, Sekt, Weinbrand, Spirituosen und Liköre.
4
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 10. Juni 2011 veröffentlicht worden ist, haben mehrere Personen Widersprüche eingelegt, darunter auch die Beschwerdeführerin zu 1.) und der Beschwerdeführer zu 2.), die beide berechtigt sind, das mit der angegriffenen Marke identische Familienwappen des Kraichgauer Adelsgeschlechts der Ritter von G… zu führen. Die Beschwerdeführerin zu 1.) hat ihren Widerspruch u. a. auf ein mit diesem Wappen entstandenes Unternehmenskennzeichen für ihre seit 2002 mit Sitz in München betriebene Rechtsanwaltskanzlei gestützt, der im Amts- und Beschwerdeverfahren als Widerspruch 3 bezeichnet wird, und eine Widerspruchsgebühr bezahlt. Der Beschwerdeführer zu 2.) hat seinen Widerspruch u. a. auf eine mit diesem Wappen entstandene Benutzungsmarke für den von ihm seit 1994 betriebenen FGL-Verlag – Freiherr und Freifrau von G…´sche Lernmedien gestützt, der im Amts- und Beschwerdeverfahren als Widerspruch 8 bezeichnet wird, und eine Widerspruchsgebühr bezahlt.
5
Mit Beschluss vom 24. Juli 2018 hat die Markenstelle für Klasse 33 beide Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es beim Widerspruch der Beschwerdeführerin zu 1.) dahingestellt bleiben könne, ob das Unternehmenskennzeichen entstanden sei und noch fortbestehe. Denn es fehle an der erforderlichen Branchennähe zu den angegriffenen Waren der Klasse 33, so dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Der Beschwerdeführer zu 2.) habe die Schutzvoraussetzungen für eine Benutzungsmarke in Form von Angaben über Art und Form, Beginn, Dauer und Umfang der Benutzung durch Darlegung von Umsätzen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen, Vorlage von Preislisten, Produktmustern und Werbematerial nicht erfüllt. Zudem gebe es keine Nachweise für die Verkehrsgeltung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise.
6
Hiergegen richten sich die Beschwerden der beiden Widersprechenden. Sie sind der Ansicht, der Beschluss sei rechtswidrig, weil er nicht bzw. von einer anderen Bearbeiterin als T… unterzeichnet worden sei. Frau L… habe nur die Rechtsmittelbelehrung, nicht aber den Beschluss unterschrieben. Bei der angegriffenen Marke handele es sich um das Familienwappen der Familie von G…. Nur sie beide und die weiteren Familienmitglieder seien berechtigt, dieses Familienwappen zu führen sowie privat und gewerblich zu nutzen. Die Beschwerdeführerin zu 1.) sei seit 1998 als Rechtsanwältin zugelassen, betreibe seit 2002 die Dr. von G… Anwaltskanzlei mit Sitz in München, sei bundesweit tätig und kooperiere mit einer Großbank. Der Beschwerdeführer zu 2.) betreibe seit 1994 einen Verlag unter der Bezeichnung „FGL-Verlag – Freiherr und Freifrau von G…´sche Lernmedien“.
Er verwende das Wappen auf den Verlagsbriefköpfen sowie im Zusammenhang mit den vom Verlag herausgegebenen Lernprogrammen im Bereich Jura, z. B. zu Arbeits-, Handels- und Strafrecht AT. Ferner sei er seit über einem Jahrzehnt mit der Redaktion, dem Anzeigewesen und dem Vertrieb der beiden Zeitschriften „JUSTUF“ für Jurastudenten und „Z.f.R.“ für Rechtsreferendare von dem Unternehmen „WEIMANN presse & verlag“ betraut gewesen. Sowohl seine Benutzungsmarke als auch das Unternehmenskennzeichen der Beschwerdeführerin zu 1.) besäßen Verkehrsgeltung innerhalb Deutschlands.
7
Die Beschwerdeführerin zu 1.) beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 24. Juli 2018 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus dem Familienwappen der Familie von G… als Unternehmenskennzeichen zu löschen.
9
Der Beschwerdeführer zu 2.) beantragt sinngemäß,
10
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 24. Juli 2018 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus dem Familienwappen der Familie von G… als Benutzungsmarke zu löschen.
11
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
12
die beiden Beschwerden zurückzuweisen.
13
Sie trägt vor, die Beschwerdeführerin zu 1.) habe weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass sie mit dem Wappen im Rahmen der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs nach außen in Erscheinung getreten sei. Eine Prüfung des Internetauftritts ihrer Anwaltskanzlei belege, dass sie das Familienwappen nicht verwende. Ferner werde bestritten, dass das Unternehmenskennzeichen bundesweit benutzt werde. Es könne nur von einer lokal begrenzten Bekanntheit ausgegangen werden.
14
Mit gerichtlichem Schreiben vom 31. Januar 2023 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die beiden Beschwerden keine Aussicht auf Erfolg hätten.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Die beiden zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.
17
A. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG).
18
B. Der angefochtene Beschluss leidet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht unter einem Formmangel.
19
1. Beschlüsse können gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 9 MarkenG a. F. i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMAV) sowie § 95a Abs. 3 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 5 Abs. 3 der Verordnung über die elektronische Aktenführung beim Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof (EAPatV) elektronisch unterzeichnet werden, indem der Name der unterzeichnenden Person eingefügt und das Dokument entweder mit einer fortgeschrittenen Signatur nach Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 3 Nr. 12 dieser Verordnung versehen wird. Wird die Abschrift eines elektronischen Dokuments gefertigt, das mit einem Herkunftsnachweis nach § 5 Absatz 3 EAPatV versehen ist, genügt es gemäß § 6 EAPatV, den Namen der Person, die das Dokument mit einer elektronischen Signatur versehen hat, den Tag, an dem das Dokument elektronisch signiert wurde, und den Hinweis, dass die Ausfertigung nicht unterschrieben wird, in den Ausdruck aufzunehmen.
20
2. Im angefochtenen Beschluss sind unterhalb der Rechtsmittelbelehrung, die zum notwendigen Beschlussinhalt gehört (vgl. § 61 Abs. 2 MarkenG), der Name der Person, die das Dokument mit einer elektronischen Signatur versehen hat, mit „L…“ sowie ihre Amtsbezeichnung „Regierungsdirektorin“ angegeben. Darunter ist vermerkt „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert“. Ferner ist auf der maschinell erstellten Abschrift mitgeteilt worden, dass das elektronische Dokument „gemäß der am 24.07.2018 durchgeführten Signaturprüfung qualifiziert signiert“ wurde von „L… 24.07.2018“. Die Tarifbeschäftigte Elisabeth T… ist laut DPMA-Akte nur ein einziges Mal tätig gewesen, nämlich, als sie am 9. Dezember 2015 die Umschreibung der geänderten Angaben der Vertreter der Beschwerdegegnerin mitgeteilt hat. Der angefochtene Beschluss ist mehr als 2 ½ Jahre später gefasst worden, so dass in der Zwischenzeit ein – jederzeit möglicher – personeller Wechsel in der Markenstelle stattgefunden hat.
21
C. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin zu 1.) aus dem Unternehmenskennzeichen
– im angefochtenen Beschluss und in der Beschwerdeschrift als Widerspruch 3 bezeichnet – ist unbegründet.
22
1. Der Widerspruch ist zulässig.
23
a) Die Widersprechende hat per Telefax vorab am 12. September 2011 gegen die angegriffene Marke
fristgemäß Widerspruch erhoben. Die dreimonatige Widerspruchsfrist gemäß § 42 Abs. 1 MarkenG hat am Tag der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also am 10. Juni 2011, zu laufen begonnen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) und hat mit Ablauf des 10. September 2011 geendet. Da der 10. September 2011 ein Samstag gewesen ist, hat sich das Fristende auf Montag, den 12. September 2011, verschoben (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO).
24
b) Der Widerspruch ist aus dem Unternehmenskennzeichen
für den Betrieb der Dr. von G… Anwaltskanzlei eingelegt worden. Dies hat die Beschwerdeführerin zu 1.) auf den gerichtlichen Hinweis vom 17. Mai 2021 mit Schriftsatz vom 10. August 2021 klargestellt. Eine Klarstellung, welche geschäftliche Bezeichnung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden soll, kann auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgen (vgl. BGH MarkenR 2016, 157 Rdnr. 13 – BioGourmet).
25
c) Auf dieses Widerspruchskennzeichen bezieht sich daher die eingezahlte Widerspruchsgebühr.
26
d) Die obligatorischen Angaben, die nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 MarkenV zur Identifizierung des geltend gemachten Widerspruchskennzeichens, insbesondere bei nicht registrierten Kennzeichenrechten innerhalb der Widerspruchsfrist verlangt werden, nämlich Angaben zu Art, Wiedergabe, Form, Zeitrang, Gegenstand und Inhaber, sind im Widerspruchsformular und der Widerspruchsbegründung, jeweils vom 12. September 2011 enthalten, die beide per Telefax vorab an demselben Tag beim DPMA eingegangen sind. Darin hat die Beschwerdeführerin zu 1.) angegeben, dass sie als Ehefrau des Beschwerdeführers zu 2.), des Herrn Freiherr G…, neben anderen Familienmitgliedern ausschließlich berechtigt sei, das Familienwappen des Kraichgauer Adelsgeschlechts der Ritter von G…, also das mit der angegriffenen Marke identische Widerspruchskennzeichen zu führen. Weiter hat sie mitgeteilt, seit 1998 als Rechtsanwältin zugelassen zu sein und seit 2002 die Dr. von G… Anwaltskanzlei in München zu betreiben, die bundesweit tätig sei und mit einer Großbank kooperiere. Ferner sei von einer bundesweiten Verkehrsgeltung des (auch) für die Anwaltskanzlei benutzten Familienwappens auszugehen. Bei dem geltend gemachten Widerspruchskennzeichen soll es sich daher um ein seit spätestens 2002 für den Betrieb und die Dienstleistungen einer Anwaltskanzlei der Beschwerdeführerin zu 1.) geführtes Unternehmenskennzeichens in Form des Familienwappens
handeln.
27
2. Der Widerspruch bleibt ohne Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke
wegen des Widerspruchs aus dem identischen Unternehmenskennzeichen nach §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 4, 2. Alt. a. F. i. V. m. §§ 12, 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 MarkenG nicht vorliegen.
28
a) Ein Löschungsanspruch besteht, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen (BPatG 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD Tax/NeD Tax Kanzlei Günter Heenen; 26 W (pat) 2/14 – WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller). Das ältere Kennzeichenrecht muss wirksam entstanden sein, zum Kollisionszeitpunkt, also im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke, noch bestanden haben und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch noch fortbestehen (BPatG 30 W (pat) 26/12 – eSPIRIT/E-SPIRIT/e-Spirit).
29
b) Ungeachtet des im patentgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes obliegt es in Fällen, in denen ein Widerspruch aus einem nicht registrierten, sondern durch Benutzung entstandenen Recht erhoben wurde, dem Widersprechenden, die Voraussetzungen für das Bestehen des älteren Rechts, seinen Zeitrang und seine Inhaberschaft an diesem Recht darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Soweit vorgetragene Tatsachen nicht liquide sind, sind diese also durch die in den §§ 371 ff. ZPO vorgesehenen Beweismittel zu belegen (vgl. BPatG 29 W (pat) 25/19 – aeskulap consulting/AESCULAP; 26 W (pat)16/20 – Nachtretter/Nachtretter; 25 W (pat) 94/14 – REALFUNDUS/Realfundus; 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD Tax/NeD Tax Kanzlei Günter Heenen; 24 W (pat) 25/14 – LumiCell/lumicell).
30
c) Nach § 5 Abs. 1 MarkenG werden als geschäftliche Bezeichnungen auch Unternehmenskennzeichen geschützt. Das sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Unter § 5 Abs. 1 Satz 2 MarkenG fallen auch Wappen, Siegel und Embleme, die im Verkehr wirken und daher als solche Schutz genießen (BGH GRUR 2012, 534 Rdnr. 24 – Landgut Borsig; Mitt 2002, 535, 536 – Düsseldorfer Stadtwappen; GRUR 1993, 151, 152 – Universitätsemblem) Bei dem Familienwappen
handelt es sich daher um ein Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, das im Verkehr der namensmäßigen Individualisierung der Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin zu 1.) dienen kann.
31
d) Der innerhalb der Widerspruchsfrist angegebene und belegte Unternehmensgegenstand sind der Betrieb und die rechtsanwaltlichen Dienstleistungen der Dr. von G… Anwaltskanzlei.
32
e) Das Unternehmenskennzeichen
verfügt über originäre Unterscheidungskraft.
33
aa) Unterscheidungskräftig ist eine geschäftliche Bezeichnung allgemein dann, wenn der Verkehr sie als namensmäßigen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen versteht, wobei es genügt, dass sich ein ausschließlich unternehmensbeschreibender Sinngehalt nicht feststellen lässt (BGH GRUR-RR 2010, 205 Rdnr. 22 – Haus & Grund IV; GRUR 2008, 1108 Rdnr. 32 – Haus & Grund III).
34
bb) Das Wappen
wird entweder als Fantasiezeichen oder als Hinweis auf das Kraichgauer Rittergeschlecht aufgefasst und trifft über juristische Dienstleistungen einer Rechtsanwältin keine beschreibende Aussage. Es ist aus Sicht der angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise daher geeignet, sich von anderen Unternehmenskennzeichen zu unterscheiden.
35
f) Zugunsten der Widersprechenden wird unterstellt, dass dieses originär unterscheidungskräftige Unternehmenskennzeichen spätestens 2002 durch Benutzungsaufnahme entstanden ist und bis zum Anmeldetag der angegriffenen Marke, dem 15. November 2010, noch bestanden hat und zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch fortbesteht.
36
aa) Das Unternehmenskennzeichenrecht entsteht im Falle einer originär kennzeichnungskräftigen Bezeichnung durch ihre tatsächliche namensmäßige und nach außen in Erscheinung tretende Benutzung, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt, ohne dass es schon ein bestimmtes Maß an Anerkennung im Verkehr gefunden haben muss (BGH GRUR 2016, 1066 Rdnr. 23 – mt-perfect; GRUR 2013, 1150 Rdnr. 34 – Baumann; GRUR 2008, 1099 Rdnr. 16, 36 – afilias.de; GRUR 1997, 903, 905 – GARONOR).
37
bb) Obwohl die Widersprechende weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen hat, dass sie mit dem Familienwappen im Rahmen der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs in München nach außen in Erscheinung getreten ist, wird zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie seit 2002 dieses Unternehmenskennzeichen auf den Briefköpfen ihrer Münchener Anwaltskanzlei verwendet hat, zumal dieses Wappen auf allen von ihr als Rechtsanwältin eingereichten Schriftsätzen bis heute, auch schon auf der Widerspruchsbegründung vom 12. September 2011 abgedruckt ist. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Bestreiten einer Benutzung durch die Inhaberin der angegriffenen Marke hinreichend ist, zumal lediglich ein nicht datierter Ausdruck der Internetseite „www.business-lawyers.de“ der Beschwerdeführerin zu 1.) vorgelegt worden ist.
38
g) Ferner wird davon ausgegangen, dass die Widersprechende das Unternehmenskennzeichen bundesweit im Sinne des § 12 MarkenG benutzt hat. Der räumliche Schutzbereich einer von Hause aus unterscheidungskräftigen Bezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG erfasst regelmäßig das gesamte Bundesgebiet. Dies wird durch das einfache Bestreiten der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt. Es hätte ein substantiiertes Bestreiten erfolgen müssen. Aus dem Vortrag und den eingereichten Unterlagen ergibt sich gerade nicht, dass die Dienstleistung einer Rechtsanwaltskanzlei lediglich regional angeboten wird.
39
h) Die Widersprechende hat aber trotz ihres besseren Rechts keinen bundesweiten Unterlassungsanspruch gegen die Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 15 Abs. 4 MarkenG, weil die erforderliche unmittelbare Verwechslungsgefahr nach § 15 Abs. 2 MarkenG wegen absoluter Branchenunähnlichkeit zwischen den angegriffenen alkoholischen Getränken und den unter dem Widerspruchskennzeichen erbrachten Rechtsanwaltsdienstleistungen zu verneinen ist.
40
aa) Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die sich gegenüberstehenden Unternehmen sind. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können ausreichend sachliche Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein. In die Beurteilung einzubeziehen sind naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche der Parteien (BGH GRUR 2009, 484 Rdnr. 73 – METROBUS). Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein. Bei Vorliegen einer Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit nach markenrechtlichen Grundsätzen als dem sachlich engeren Kriterium kann regelmäßig auch von Branchennähe ausgegangen werden (BPatG 30 W (pat) 26/12 – eSPIRIT/E-SPIRIT/e-Spirit). Von einer Unähnlichkeit der Branchen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Kennzeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Tätigkeitsfelder von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei kann eine (absolute) Branchenunähnlichkeit auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft des prioritätsälteren Unternehmenskennzeichens ausgeglichen werden (BGH GRUR 2011, 831 Rdnr. 23 – BCC; BPatG 29 W (pat) 57/17 –
/Atlas).
41
bb) Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Weine, Schaumweine, Sekt, Weinbrand, Spirituosen und Liköre“ der Klasse 33 weisen schon keine markenrechtliche Ähnlichkeit mit Rechtsanwaltsdienstleistungen auf.
42
aaa) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Art und Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2021, 724 Rdnr. 36 – PEARL/PURE PEARL; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM/ZOOM).
43
Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird. Erforderlich im Sinne einer funktionellen Ergänzung von Waren und Dienstleistungen ist ein enger Zusammenhang in dem Sinne, dass die Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist (BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 16 – DESPERADOS/DESPERADO m. w. N.; BPatG 30 W (pat) 22/19 – CRETE/CRET; 26 W (pat) 18/14 – Cada Design/CADA).
44
Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen sind für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden (BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 11 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24). Im Vergleich zwischen Waren und Dienstleistungen ist zu berücksichtigen, dass Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen sind. Besondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen, wenn beim angesprochenen Verkehr der Eindruck entsteht, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1999, 586 Rdnr. 22 – White Lion). Dies kann der Fall sein, wenn sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der Ware befasst oder der Warenhersteller oder -vertreiber sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (vgl. BGH GRUR 2012, 1145 Rdnr. 35 – PELIKAN; BPatG 27 W (pat) 506/17 – kodi professional/KODi). Ein Indiz für eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen kann beispielsweise vorliegen, wenn die Waren nicht allgemein angeboten und verwendet werden, sondern typischerweise bei der Erbringung der Dienstleistungen zur Anwendung kommen (BGH a. a. O. – Pelikan).
45
bbb) Produzenten alkoholischer Getränke, wie z. B. Weingüter, Winzer, Destillerien etc., erbringen keine Dienstleistungen einer Rechtsanwaltskanzlei. Genauso wenig befassen sich Rechtsanwaltskanzleien mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb alkoholischer Getränke, was zudem berufsrechtlich unzulässig wäre.
46
cc) Auch wenn der Begriff der Branchennähe über den der markenrechtlichen Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit hinausgeht, ist es völlig ausgeschlossen, dass die angesprochenen Verkehrskreise zwischen einem Produzenten alkoholischer Getränke und einer Anwaltskanzlei geschäftliche Zusammenhänge vermuten. Zwischen den Vergleichswaren und -dienstleistungen besteht daher absolute Branchenunähnlichkeit.
47
Nach alledem ist eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.
48
i) Ein Unterlassungsanspruch kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Sonderschutzes einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung aus § 15 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 MarkenG hergeleitet werden.
49
aa) Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren, im Inland bekannten geschäftlichen Bezeichnung zu löschen, wenn zwar keine Verwechslungsgefahr besteht, ihre Benutzung aber geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.
50
bb) Bei dem Familienwappen
handelt es sich schon nicht um ein im Inland bekanntes Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 15 Abs. 3 MarkenG. Dabei gelten dieselben Grundsätze wie bei § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG.
51
aaa) Ein Unternehmenskennzeichen ist bekannt im Sinne des § 15 Abs. 3 MarkenG, wenn es einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den unter dem Unternehmenskennzeichen erbrachten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (EuGH GRUR 2009, 1158 Rdnr. 24 – PAGO/Tirolmilch [PAGO]; BGH GRUR 2015, 1114 Rdnr. 10 – Springender Pudel). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (BGH a. a. O. – Springender Pudel; BGH GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II). Maßgeblich sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen alle relevanten Umstände des Falles, also insbesondere der Marktanteil des Unternehmenskennzeichens, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu seiner Förderung getätigt hat (EuGH GRUR Int. 2000, 73 Rdnr. 23 ff. – General Motors/Yplon [Chevy]; BGH GRUR 2017, 75 Rdnr. 37 – WUNDERBAUM II; a. a. O. – Springender Pudel; GRUR 2015, 1214 Rdnr. 20; GRUR 2014, 378 Rdnr. 22 – OTTO Cap). Die Bekanntheit muss bereits zum Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke bestanden haben (BGH GRUR a. a. O. Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO, GRUR 2020, 870 Rdnr. 22 – INJEKT/INJEX) und im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen (BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX; GRUR 2019, 1058 Rdnr. 14 – KNEIPP).
52
bbb) Vorliegend hat die Widersprechende in der Widerspruchsbegründung nur schlicht behauptet, es sei von einer bundesweiten Verkehrsgeltung des (auch) für die Anwaltskanzlei benutzten Familienwappens auszugehen, ohne im vorgenannten Sinne substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, dass dieses Wappen sich sowohl zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke als auch zum Entscheidungszeitpunkt um ein im Inland bekanntes Unternehmenskennzeichen für die von der Anwaltskanzlei der Beschwerdeführerin zu 1.) erbrachten Dienstleistungen handelt. Dies gilt auch für ihre Behauptung in der Beschwerdebegründung auf Seite 4, u. a. das Wappen sei eine „im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung für etliche Betriebe, auch diejenigen der Antragstellerin“. Bei der nachfolgenden Aussage, das DPMA wisse, dass der „Stellenmarkt der Antragstellerin seit langem Marktführer“ „und ganz überragend bekannt“ sei, bezieht sich diese unbelegte Behauptung nicht auf Dienstleistungen einer Anwaltskanzlei, wie z. B. Rechtsberatung und Prozessvertretung, die vorliegend allein Gegenstand des geltend gemachten Widerspruchsrechts sind, sondern ausdrücklich auf die zugunsten der Dr. von G… Verlagsgesellschaft mbH unter der Wortmarke „Karriere-Jura“ (300 46 419) eingetragenen Dienstleistungen „
Herausgabe von elektronischen und Druckschriften; juristische Stellenbörse; Bereitstellen von Portalen im Internet zu Rechtszwecken“ (BPatG 29 W (pat) 7/15 – Karriere-Jura).
53
D. Der Widerspruch des Beschwerdeführers zu 2.) – im angefochtenen Beschluss und in der Beschwerdeschrift als Widerspruch 8 bezeichnet – bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
54
1. Der Widerspruch ist zulässig.
55
a) Der Widersprechende hat per Telefax vorab am 11. September 2011 gegen die angegriffene Marke fristgemäß Widerspruch erhoben. Die dreimonatige Widerspruchsfrist gemäß § 42 Abs. 1 MarkenG hat am Tag der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also am 10. Juni 2011, zu laufen begonnen (§ 187 Abs. 1 BGB) und hat mit Ablauf des 10. September 2011 geendet. Da der 10. September 2011 ein Samstag gewesen ist, hat sich das Fristende auf Montag, den 12. September 2011, verschoben (§§ 188 Abs. 2, 193 BGB).
56
b) Der Widersprechende hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. November 2011 klargestellt, dass er mit der eingezahlten Widerspruchsgebühr die ältere Benutzungsmarke (§§ 4 Nr. 2, 12 MarkenG) geltend mache. Diese Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass damit die in der Widerspruchsbegründung vom 11. September 2011 angegebene Benutzungsmarke
für das Geschäftsfeld des Verlags „FGL Verlag – Freiherr und Freifrau von G…´sche Lernmedien“ mit Zeitrang 1994 – als die ältere der beiden von ihm genannten Benutzungsmarken – und nicht die jüngere Benutzungsmarke für das Geschäftsfeld der Dr. von G… Verlagsgesellschaft mbH mit Zeitrang 2000 gemeint ist.
57
c) Die obligatorischen Angaben, die nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 MarkenV zur Identifizierung des geltend gemachten Widerspruchskennzeichens, insbesondere dessen Art, Wiedergabe, Form, Zeitrang, Gegenstand und Inhaber innerhalb der Widerspruchsfrist verlangt werden, sind im Widerspruchsformular und der Widerspruchsbegründung, jeweils vom 11. September 2011 enthalten, die beide per Telefax vorab an demselben Tag beim DPMA eingegangen sind. Darin hat der Widersprechende angegeben, dass er als Nachfahre und Familienmitglied neben anderen Familienmitgliedern ausschließlich berechtigt sei, das Familienwappen des Kraichgauer Adelsgeschlechts der Ritter von G…, also das mit der angegriffenen Marke identische Widerspruchskennzeichen zu führen. Weiter hat er mitgeteilt und belegt, seit 1994 den „FGL Verlag – Freiherr und Freifrau von G…´sche Lernmedien“ zu betreiben und das Wappen seitdem in den Briefköpfen zu verwenden. Der Widerspruchsbegründung vom 12. September 2011 ist zu entnehmen, dass dieser Verlag Lernprogramme im Bereich Jura, z. B. zu Arbeits-, Handels- und Strafrecht AT, herausgibt sowie seit über einem Jahrzehnt mit der Redaktion, dem Anzeigewesen und dem Vertrieb der beiden Zeitschriften „JUSTUF“ für Jurastudenten und „Z.f.R.“ für Rechtsreferendare des Unternehmens WEIMANN presse & verlag betraut ist. Ferner sei von einer bundesweiten, überragenden Verkehrsgeltung des Familienwappens (auch) für dieses Geschäftsfeld auszugehen. Bei dem geltend gemachten Widerspruchskennzeichen soll es sich daher um ein seit 1994 für den Betrieb des vom Beschwerdeführer zu 2.) geführten Verlages verwendetes Familienwappen
handeln.
58
2. Der Widerspruch ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus einer Benutzungsmarke mit älterem Zeitrang gemäß §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 4, 1. Alt. i. V. m. §§ 4 Nr. 2, 12, 14 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben sind. Denn der Widersprechende hat das Bestehen einer älteren Benutzungsmarke
für das Geschäftsfeld des Verlages „FGL Verlag – Freiherr und Freifrau von
G…´sche Lernmedien“ weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen.
59
a) Ein Löschungsanspruch besteht, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer Marke im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen. Das ältere Kennzeichenrecht muss wirksam entstanden sein, zum Kollisionszeitpunkt, also im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke, noch bestanden haben und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch noch fortbestehen.
60
b) Gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG entsteht Markenschutz durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit es innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat.
61
aa) Verkehrsgeltung im Sinne von § 4 Nr. 2 MarkenG setzt voraus, dass ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise in dem Zeichen einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sieht (vgl. BGH GRUR 2021, 1199 Rdnr. 30 u. 35 – Goldhase III; GRUR 2008, 917 Rdnr. 38 – EROS m. w. N.).
62
bb) Dazu hat derjenige, der sich auf den Schutz einer Benutzungsmarke beruft, zunächst spezifizierte Angaben über Art und Form, Beginn, Dauer und Umfang der Benutzung durch Darlegung von Umsätzen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen, Vorlage von Preislisten, Produktmustern, Werbematerial etc. zu machen. Darüber hinaus ist regelmäßig die Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens erforderlich. Von der Durchführung einer demoskopischen Erhebung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Benutzungsmarke in einem früheren Rechtsstreit schon einmal anerkannt worden ist und der Anspruchsteller durch Schilderung der zwischenzeitlichen Entwicklung unter Einbeziehung des wettbewerblichen Umfelds, das sich nicht zu seinen Lasten verändert haben darf, die fortbestehende Verkehrsgeltung hinreichend darlegt (BGH GRUR 2012, 534, Rdnr. 40 – Landgut Borsig; GRUR 2009, 766 Rdnr. 40 u. 66 – Stofffähnchen; BPatG 28 W (pat) 77/19 –
/Popschlager Aktuell).
63
cc) Den vorstehenden Anforderungen zum Nachweis einer Benutzungsmarke ist der Beschwerdeführer zu 2.) nicht nachgekommen. Der Widersprechende hat keine spezifizierten Angaben über Art, Dauer und Umfang der Benutzung des Familienwappens
für die Dienstleistungen des Verlages „FGL Verlag – Freiherr und Freifrau von G…´sche Lernmedien“ gemacht. Er hat für den Zeitraum von 1994 bis zur Gegenwart weder mitgeteilt noch glaubhaft gemacht, welche Umsatzzahlen und Marktanteile er mit der Herausgabe von Lernprogrammen und dem Zeitschriftenvertrieb erzielt und in welcher Höhe er Werbeaufwendungen dafür getätigt hat. Ein mangels Anerkennung in einem früheren Rechtsstreit erforderliches demoskopisches Gutachten über die behauptete überragende Verkehrsgeltung ist ebenfalls nicht vorgelegt worden.
III.
64
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.