BPatG München 30. Senat, Beschluss vom 16.02.2023, AZ 30 W (pat) 529/21, ECLI:DE:BPatG:2023:160223B30Wpat529.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2021 202 421.8
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 16. Februar 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Das Wortzeichen
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S-ALD
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ist am 15. Januar 2021 für die Waren und Dienstleistungen
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„Klasse 09: Anodenbatterien; Batterien; Batterien für Elektrofahrzeuge
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Klasse 37: Aufladen von Elektrofahrzeugen; Aufladen von Autobatterien
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Klasse 40: Erzeugung von Energie“
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zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden.
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Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 09 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 27. April 2021 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 23. Februar 2021 zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und zudem ein Freihaltebedürfnis bestehe (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
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Zur Begründung ist ausgeführt, die Buchstabenfolge
S-ALD sei – auch in der Schreibweise mit Bindestrich – für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Abkürzung für ein neuartiges Forschungs- und Technologieverfahren zur Reichweitenverbesserung von Akkumulatoren bzw. Batterien oder allgemeinen Energieträgern. Wie aus den übersandten Nachweisen ersichtlich sei, stehe
S-ALD als Abkürzung für „Spatial Atom Layer Deposition“. Es bezeichne ein Verfahren, im industriellen Maßstab Beschichtungen aufzutragen, die so dünn seien wie ein einziges Atom. Damit sollten höhere Kapazitäten und Ladeleistungen möglich werden.
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Die angemeldete Wortmarke
S-ALD stelle damit in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine eindeutige, unmissverständliche, unmittelbar beschreibende Angabe dar, da sie lediglich darauf hinweise, dass die von der Anmeldung erfassten Batterien mit einer solchen Technologie hergestellt würden bzw. die Aufladung von Fahrzeugen und Batterien und die Erzeugung von Energie mittels eines solchen Verfahrens erfolge, durchgeführt oder ermöglicht werde. Die Begriffe „SALD“ bzw.
S-ALD seien zum Anmeldezeitpunkt bereits verwendet worden, so dass der angesprochene Verkehr das angemeldete Zeichen als geläufige Bezeichnung für das vorgenannte Beschichtungsverfahren verstanden habe.
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Als ohne weiteres verständliches Zeichen mit eindeutigem, unmittelbar beschreibendem Begriffsinhalt sei die angemeldete Marke nicht geeignet, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ihr fehle daher jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Darüber hinaus bestehe ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
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Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehe kein Eintragungshindernis entgegen. Es fehle weder an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch bestehe ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Marke „S- ALD-Akku“ sei unter der Registernummer 30 2020 247 267 ohne Beanstandung eingetragen worden. Insofern bestehe ein – nicht gerechtfertigter – Widerspruch zur Zurückweisung der streitgegenständlichen Marke
S-ALD durch die Markenstelle.
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Die Anmelderin hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist für ihre Zulässigkeit kein konkreter Antrag erforderlich. Fehlt, wie vorliegend, ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 66 Rn. 40).
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Die Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache jedoch nicht begründet, da es der angemeldeten Wortmarke
S-ALD in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi- Langstrumpf- Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 66 Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013,1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Koninklijke KPN Nederland NV/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]; BGH GRUR 2018, 932 Rn. 8 – #darferdas? I). Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2012, 1143 Rn. 9 – Starsat; GRUR 2009, 952 Rn. 10 – DeutschlandCard).
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2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.
23
a. Bei den maßgebenden Verkehrskreisen handelt es sich im Hinblick auf „Anodenbatterien; Batterien; Batterien für Elektrofahrzeuge“ (Klasse 09) um Fachverkehrskreise wie Hersteller von Kraftfahrzeugen und Autowerkstätten sowie fachlich versierte Endverbraucher wie Fahrer von Elektrofahrzeugen. Vor allem an letztere richten sich auch die Dienstleistungen der Klasse 37 „Aufladen von Elektrofahrzeugen; Aufladen von Autobatterien“ und der Klasse 40 „Erzeugung von Energie“.
24
b. Wie sich aus den von der Markenstelle übermittelten Recherchen ergibt, handelt es sich bei der Buchstabenfolge
S-ALD um die Abkürzung für die Nanobeschichtungs-Technologie „
Spatial
Atom
Layer
Deposition“. In diesem Verfahren werden atomare Nanobeschichtungen dreidimensional auf Oberflächen aufgetragen. Damit unterscheidet sich die S-ALD-/SALD-Technologie von dem Vorgängerverfahren „Atom Layer Deposition“ (ALD). Dieses wurde in den späten 1970er Jahren zur Herstellung sehr dünner, qualitativ hochwertiger Schichten von finnischen Physikern entwickelt und eingeführt. Soweit auf die „SALD-Technologie“ in der Schreibweise „S-ALD“ hingewiesen wird (vgl. den von der Markenstelle übermittelte Nachweis „Fraunhofer IVV.pfd“, worin die „S-ALD [Spatial Atomic Layer Deposition]-Anlage vorgestellt wird bzw. den Nachweis „390 für E-Bikes-.pdf“: „Das Ganze nennt sich „Spatial Atom Layer Deposition [S-ALD]“), betont die Abtrennung des „S“ durch einem Bindestrich die Weiterentwicklung des Vorgängerverfahrens „ALD“ (Atom Layer Deposition).
25
Das neue SALD-Verfahren, wurde von einem deutsch-niederländischen
Forschungsteam unter Beteiligung des Unternehmens S… BV entwickelt und für
letzteres unter Nr. NL000002025783B1 patentiert. Mit dem neuen Verfahren, bei dem „Spatial“ für „räumlich“ steht, lässt sich die Produktionsgeschwindigkeit bei gleichbleibender Beschichtungsqualität gegenüber dem Vorgängerverfahren deutlich steigern (siehe von der Markenstelle übersandte Internetrecherche „Factory-pdf“ zu „Atomdünne Nanobeschichtung für die industrielle Fertigung“ vom 15. Oktober 2020). Das Einsatzfeld der SALD-Technologie ist breit und reicht von der Chipfertigung über Batteriezellen, Solarpanels bis zu Textilen. In Zusammenhang mit Batterien heißt in dem von der Markenstelle übersandten
Artikel vom 10. November 2020 e…: „Eine neuartige Akkutechnologie
namens „Spatial Atom Layer Deposition“ (SALD) soll höhere Kapazitäten und Ladeleistungen ermöglichen“ (…) „Dadurch kann ein E-Auto entweder mit kleineren Batterien weit über 1.000 Kilometer oder mit größeren Akkupacks in Zukunft sogar über 2000 Kilometer ohne Nachladen fahren“.
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Einer Kennzeichnung der in Klasse 09 beanspruchten „Anodenbatterien; Batterien; Batterien für Elektrofahrzeuge“, der in Klasse 37 und Klasse 40 beanspruchten Dienstleistungen „Aufladen von Elektrofahrzeugen; Aufladen von Autobatterien“, „Erzeugung von Energie“ mit dem angemeldeten Zeichen
S-ALD entnimmt der angesprochene Verkehr deshalb lediglich den beschreibenden Hinweis, dass die Batterien mit einer solchen Technologie hergestellt werden, die Aufladung von Fahrzeugen und Batterien und Erzeugung von Energie mittels eines solchen Verfahrens erfolgt bzw. ermöglicht wird.
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Jedenfalls der fachlich versierte Verkehr, dessen Verständnis für sich allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. BPatG GRUR 2014, 79, 84 – Mark Twain; EuGH MarkenR 2013, 110 Rn. 71 – Restore), wird das angemeldete Zeichen
S-ALD in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen deshalb in einem beschreibenden Sinn als Abkürzung für die Nanobeschichtungs-Technologie „
Spatial
Atom
Layer
Deposition“, als „räumliche“ Weiterentwicklung des Vorgängerverfahrens „Atom Layer Deposition“ (ALD) verstehen.
28
c. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die eingetragene Wortmarke „S-ALD-Akku“, richtig in der Schreibweise „SALD-Akku“ (Nr. 30 2020 247 267), beruft, vermag dies die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke
S-ALD nicht zu begründen. Zum einen ist die Marke „SALD-Akku“ neben Waren der Klasse 09 auch für Dienstleistungen der Klasse 35 geschützt, die in der beschwerdegegenständlichen Anmeldung keine Entsprechung finden. Unabhängig davon ist der Hinweis auf die eingetragene Marke „SALD-Akku“ unerheblich, da in rechtlicher Hinsicht selbst identische Voreintragungen keine Bindungswirkung entfalten (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 – Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 – Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 – Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu treffen ist.
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3. Die Marke kann in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
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4. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.