BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 16.01.2023, AZ 25 W (pat) 15/22, ECLI:DE:BPatG:2023:160123B25Wpat15.22.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2020 009 566.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Januar 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Fehlhammer sowie des Richters k. A. Staats, LL.M.Eur., beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die Begriffskombination
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MyDigitalCar
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ist am 6. Mai 2020 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
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Klasse 09:
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Aufgezeichnete Daten;
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Klasse 35:
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Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; organisatorische Beratung und Durchführung der organisatorischen Gestaltung von Arbeitsabläufen; Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen; Bereitstellung von Geschäftsinformationen in Bezug auf Kfz-Fuhrparks und Beförderungsdienstleistungen; Vermittlung von Verträgen für Dritte (außer Versicherungsverträge) über die Erbringung von Dienstleistungen; Erstellen von Abrechnungen; organisatorische Verwaltung von Kfz-Fuhrparks; Unternehmensberatung bezüglich der Zusammensetzung, Konfiguration, Finanzierung und internen Verteilung eines Kfz-Fuhrparks eines Unternehmens; Aktualisierung und Pflege von Daten in Computer-Datenbanken; Aktualisierung und Pflege von Informationen in Registern; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Bereitstellung von Geschäftsinformationen über eine Website; Bereitstellung von Informationen in Geschäftsangelegenheiten; Marketing im Rahmen des Software-Publishing; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen; Registrierung von schriftlichen Mitteilungen und Daten; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken;
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Klasse 38:
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Übermittlung digitaler Dateien; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken;
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Klasse 42:
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Benutzerauthentifizierungsdienstleistungen unter Verwendung von Single-Sign-on-Technologie für Online-Software-Anwendungen; Benutzerauthentifizierungsdienstleistungen unter Verwendung von Technologien für E-Commerce-Transaktionen; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie auf Outsourcingbasis; elektronische Datenspeicherung; Entwicklung von Computerplattformen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellung und Entwurf von Website-gestützten Informationsverzeichnissen für Dritte [Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie]; Hosting; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten, ausgenommen physische Konvertierung; Platform as a Service [PaaS]; Software as a Service [SaaS]; Vermietung von Computersoftware;
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Klasse 45:
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Identifikation und Registrierung von Personen im Wege einer elektronischen Führerscheinkontrolle.
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Mit Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes vom 19. Oktober 2021 hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Beanstandungsbescheid vom 21. September 2020 Bezug genommen, auf welchen die Anmelderin nicht erwidert hat. Darin ist ausgeführt, dass die angemeldete Wortmarke „MyDigitalCar“ ein personalisiertes Angebot von Waren und Dienstleistungen zur Verwaltung und Verfügbarkeit von Automobilen mittels Datenübertragung bezeichne. Sie bestehe aus einer Aneinanderreihung für sich genommen jeweils beschreibender Wortbestandteile und vermittle auch in ihrem Gesamteindruck einen rein sachbeschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Bei dem Bestandteil „My“ handele es sich um ein insbesondere in der Werbung sehr gebräuchliches Wort, dem die beteiligten Verkehrskreise lediglich einen Hinweis auf eine besondere Personalisierung und Individualisierung von Waren und Dienstleistungen entnähmen. Der Begriff „Digital“ bringe zum Ausdruck, dass es sich bei den Waren um digitale, d. h. zahlenmäßig codierte Daten handele, und die Dienstleistungen unter der Nutzung digitaler Daten erbracht würden. Das Element „Car“ mache deutlich, dass die Waren und Dienstleistungen für den Automobilbereich bestimmt seien. Auch die gewählte Anordnung der Wortbestandteile sei nicht ungewöhnlich. Unter Berücksichtigung der fortschreitenden Digitalisierung im Bereich der Automobilindustrie würden die beteiligten Verkehrskreise „MyDigitalCar“ daher in der Gesamtbetrachtung als Hinweis auf ein personalisiertes und individualisiertes, mittels zahlenmäßiger Codierung funktionierendes Automobil auffassen, wobei die Bedeutungen der einzelnen Wortbestandteile ohne Verfremdung erhalten blieben.
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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, dass es sich bei der angemeldeten Wortmarke „MyDigitalCar“ um ein fantasievolles Zeichen mit mehreren überraschenden Bedeutungsebenen handele. Die Wortbestandteile des Zeichens gehörten zwar zum englischen Grundwortschatz und würden vom angesprochenen Verkehr problemlos mit „Mein digitales Auto“ übersetzt. Das Zeichen reihe sich damit in eine Fülle von Digitalbegriffen ein. Seine konkrete Bedeutung sei jedoch unklar, wenn nicht sogar absurd, unlogisch und verzerrt, da es kein digitales, sondern allenfalls ein digitalisiertes Auto gebe, was jedoch mit „digitised car“ oder „digitalised car“ zu übersetzen wäre. Die Absurdität der besagten Kombination führe zu einer künstlerischen Kreativität, die nicht den geringsten Sinnzusammenhang mit dem eigentlichen Produkt erkennen lasse. Dementsprechend ließen sich auch unzählig ähnlich gebildete Produktkennzeichnungen finden. Insbesondere der Bestandteil „My“ verleihe dem Zeichen eine humoristische Note. Letztendlich sei „MyDigitalCar“ eine sprachliche Neuschöpfung. Die dem Beanstandungsbescheid vom 21. September 2020 beigefügte Google-Rechercheliste enthalte bis auf einen humoristischen Satz keinen einzigen Treffer zu dem Suchbegriff „my digital car“ in Alleinstellung, sondern nur in Kombinationen, wie beispielsweise „my digital car key“, „my digital car collection“, „my digital car battery load tester“.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 2021 aufzuheben.
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Mit schriftlichem Hinweis vom 11. Oktober 2022 hat der Senat der Beschwerdeführerin unter Beifügung von Rechercheergebnissen mitgeteilt, dass der angemeldeten Wortfolge für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG fehle.
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Hierauf hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2022 um Entscheidung in der Sache gebeten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss der Markenstelle, auf die Schriftsätze der Anmelderin, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 11. Oktober 2022 nebst der ihm beigefügten Rechercheergebnisse und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „MyDigitalCar“ als Marke steht in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 42 und 45 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 57 – Flugbörse).
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Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor), oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH, a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt wird (vgl. BGH, a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
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Gemessen an diesen Maßstäben kann dem zur Eintragung angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft zugebilligt werden.
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a) Es setzt sich zusammen aus dem englischen Kompositum „DigitalCar“, dem das ebenfalls aus dem Englischen stammende Possessivpronomen „My“ vorangestellt ist. Wie bereits von der Markenstelle festgestellt und von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung ausdrücklich zugestanden, handelt es sich bei sämtlichen Bestandteilen um einfachste Begriffe des englischen Grundwortschatzes, die als solche von den vornehmlich angesprochenen inländischen Verkehrsteilnehmern mit Vorbildung in den Bereichen der Informationstechnologie und Automobiltechnik ohne Weiteres verstanden werden, zumal Englisch Fachsprache in diesen Gebieten ist. Da auch die Art ihrer Zusammenstellung, nämlich die Kombination eines Substantivs („Car“) mit einem Adjektiv („Digital“) und einem Pronomen („My“) sprachregelkonform und die Binnengroßschreibung werbeüblich ist, kann von einem Verständnis der Wortfolge im Sinne von „Mein digitales Auto“ ausgegangen werden.
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b) Sowohl der Ausdruck „digitales Auto“ als auch sein englisches Pendant „digital car“ sind nach den Recherchen des Senats bereits im Verkehr gebräuchlich und bezeichnen Fahrzeuge, die durch Einbindung von Kommunikationssoftware zur Vernetzung und zum Datenaustausch mit der Umgebung, sprich zum Austausch von Informationen aus dem Auto heraus und in das Auto hinein fähig sind. Diese Bedeutung lässt sich den diversen Veröffentlichungen zu diesem Thema entnehmen, von denen eine Vielzahl bereits vor dem Anmeldezeitpunkt datiert. Beispielhaft sind folgende Fundstellen zu nennen, die mit dem gerichtlichen Hinweis vom 11. Oktober 2022 als Anlage 1 übermittelt wurden:
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– Artikel „Digitale Autos – Förderland … Connected Car: Das digitale Auto braucht keine Schalter mehr“ vom 6. August 2017 unter „www.foerderland.de“,
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– Artikel „das digitale auto: Digitalisierung in der Automobilindustrie“ vom 21. Dezember 2017 unter „https://dasdigitaleauto.de“,
29
– Artikel „What makes a digital car digital?“ vom 21. Mai 2008 unter „https://auto.howstuffworks.com“,
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– Kommentar „Das digitale Auto“ von Holger Steltzner in „Frankfurter Allgemeine“ vom 19. September 2015 und
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– Artikel „Wir wollen zur Digital Car Company werden“ vom 20. September 2017 unter „https://berlinvalley.com/audi-denkwerkstatt/“.
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Abgesehen davon lassen sich zumindest vereinzelt auch Belege finden, in denen der Begriff „digital car“ für ein computergestütztes, virtuelles Modell eines Autos verwendet wird (vgl. hierzu die von der Markenstelle vorgelegten Google-Trefferlisten).
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Hieraus lässt sich ersehen, dass sich die Kombination „digital car“ inzwischen als Sachangabe etabliert hat, und zwar ungeachtet dessen, ob sie, wie die Anmelderin vorträgt, nach einem strengen, rein technischen Verständnis nicht klar sein mag oder eine andere Formulierung, wie etwa „digitised car“ oder „digitalised car“, zutreffender wäre. Durch die zunehmende Verbreitung der Datenverarbeitung in sämtlichen Lebensbereichen hat sich die rein technische Bedeutung des Begriffes „digital“ im Sinne von „diskret, quantisiert, gestuft“ (vgl. den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auszug aus „wiktionary.org“) gewandelt. Er wurde demzufolge bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung auch als allgemeiner Hinweis auf eine technisch vernetzte Kommunikation verstanden. Das Wort „digital“ ist seit dem Jahr 2020 sogar so gebräuchlich geworden, „dass es stellvertretend für fast alle elektronischen Geräte und Vorgänge steht. So gibt es z. B. ‚digitale Währungen‘ (u. a. den Bitcoin), obwohl diese eher virtuell sind. Konten werden digital geführt, nicht mehr durch Bankangestellte. Vieles wird mit dem Smartphone und über das Internet geregelt“ (vgl. „wikipedia.org“, Suchbegriff „Digitaltechnik“ als Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 11. Oktober 2022).
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Das vorangestellte Pronomen „My“, zu Deutsch „mein“, bei dem es sich um ein beliebtes Werbewort handelt, um ein auf konkrete Kundenwünsche zugeschnittenes Produkt zu umschreiben (vgl. u. a. BPatG 25 W (pat) 570/18 – MyFuel; 30 W (pat) 529/17 – MYPROTEIN, 25 W (pat) 546/14 – myProtection; 25 W (pat) 21/13 – MyWallet; 33 W (pat) 544/10 – myimmo; 25 W (pat) 3/10 – Myfruit), führt nicht aus dem sachbezogenen Begriffsgehalt des Anmeldezeichens heraus. Vielmehr vermittelt es den Hinweis, dass das Fahrzeug mithilfe der digitalen Dienste entsprechend den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Fahrers konfiguriert werden kann. Dieses Verständnis ist insofern äußerst naheliegend, als es inzwischen nahezu für jeden Fahrzeugtyp spezielle Apps gibt, mit denen man das Smartphone mit dem Auto verbinden und individuelle Fahrzeug- sowie Fahrerdaten (Kaufdatum, Serviceintervalle, Reichweite, Standort etc.) abrufen kann. Diese Apps nennen sich beispielsweise „myAudi“, „mySkoda“, „myBMW“ oder „myOpel“, so dass von einer Gewöhnung des Verkehrs an fahrer- bzw. fahrzeugspezifische Konfigurationen und an deren schlagwortartig verkürzte Benennung mit dem persönlichen Fürwort „mein“ oder „my“ ausgegangen werden kann.
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c) In seiner maßgeblichen Gesamtbedeutung „mein (personalisiertes) vernetztes/intelligentes Auto“ bzw. „mein (personalisiertes) virtuelles Auto“ vermittelt das Zeichen in Verbindung mit allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden Sinngehalt, zumindest weist es zu ihnen einen engen beschreibenden Bezug auf.
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(1) „Aufgezeichnete Daten“ (Klasse 9) können dazu dienen, ein auf die persönlichen Bedürfnisse des Nutzers zugeschnittenes Fahrzeug mit Hilfe der vernetzten Computertechnik zu entwickeln oder zu konfigurieren. So lassen sich beispielsweise die Höchstgeschwindigkeit, die Beschleunigung, die Sitzhöhe, der Benzinverbrauch oder der Reifendruck entsprechend den persönlichen Vorstellungen des Fahrers elektronisch regeln. Die Wortfolge „MyDigitalCar“ bringt damit nur die Art und Zweckbestimmung der in Rede stehenden Daten zum Ausdruck.
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(2) Entsprechendes gilt für die angemeldeten IT-Dienstleistungen
38
„Aktualisierung und Pflege von Daten in Computer-Datenbanken; Aktualisierung und Pflege von Informationen in Registern; Registrierung von schriftlichen Mitteilungen und Daten; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken“ (Klasse 35),
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„Übermittlung digitaler Dateien; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken“ (Klasse 38)
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und
41
„Benutzerauthentifizierungsdienstleistungen unter Verwendung von Single-Sign-on-Technologie für Online-Software-Anwendungen; Benutzerauthentifizierungsdienstleistungen unter Verwendung von Technologien für E-Commerce-Transaktionen; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie auf Outsourcingbasis; elektronische Datenspeicherung; Entwicklung von Computerplattformen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellung und Entwurf von Website-gestützten Informationsverzeichnissen für Dritte [Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie]; Hosting; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten, ausgenommen physische Konvertierung; Platform as a Service [PaaS]; Software as a Service [SaaS]; Vermietung von Computersoftware“ (Klasse 42).
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Diese sind für die Bereitstellung, den Vertrieb und den Betrieb eines den Wünschen des Nutzers entsprechenden vernetzten Autos notwendig. Mit ihrer Hilfe werden die oben beschriebenen Daten der Klasse 9 gespeichert, gepflegt, verarbeitet, weitergeleitet und zugänglich gemacht. So bieten sie dem Nutzer die Möglichkeit, konfigurierbare Daten des digitalisierten Fahrzeugs abzurufen, zu verändern und in einer Datenbank abzulegen, damit er zukünftig sofort auf die angepassten Werte zugreifen kann. Somit benennt das angemeldete Zeichen die Eigenschaften und die Ausrichtung der eben genannten Tätigkeiten.
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(3) Auch in Verbindung mit den Dienstleistungen
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„Bereitstellung von Geschäftsinformationen in Bezug auf Kfz-Fuhrparks und Beförderungsdienstleistungen; organisatorische Verwaltung von Kfz-Fuhrparks; Unternehmensberatung bezüglich der Zusammensetzung, Konfiguration, Finanzierung und internen Verteilung eines Kfz-Fuhrparks eines Unternehmens“ (Klasse 35)
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steht ein beschreibender Bezug im Vordergrund. Diesbezüglich lässt sich dem angemeldeten Zeichen nur entnehmen, dass die Kfz-Fuhrparks aus Autos bestehen, die mit Hilfe der Digitaltechnik betrieben und nach den persönlichen Vorstellungen des Nutzers konfiguriert werden. Mit Hilfe dieser Autos werden auch die Beförderungsdienstleistungen erbracht. Im Sinne einer Eigenschaftsangabe kann dem in Rede stehenden Zeichen somit keine Unterscheidungsfunktion zukommen.
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(4) Da auch Angaben zu Fahrerlaubnis und Führerschein als fahrerspezifische Daten in persönlichen Nutzerprofilen abgelegt und von dort ggf. automatisch überprüft oder übermittelt werden können, benennt „MyDigitalCar“ auch die Art und Bestimmung der in Klasse 45 angemeldeten Dienstleistung „Identifikation und Registrierung von Personen im Wege einer elektronischen Führerscheinkontrolle“.
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(5) Schließlich besteht ein ausreichender Sachbezug ebenso zu den in Klasse 35 weiter beanspruchten allgemeinen Administration- und Marketingdienstleistungen
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„Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; organisatorische Beratung und Durchführung der organisatorischen Gestaltung von Arbeitsabläufen; Aufstellung von Kosten-Preis-Analysen; Vermittlung von Verträgen für Dritte (außer Versicherungsverträge) über die Erbringung von Dienstleistungen; Erstellen von Abrechnungen; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Bereitstellung von Geschäftsinformationen über eine Website; Bereitstellung von Informationen in Geschäftsangelegenheiten; Marketing im Rahmen des Software-Publishing; outgesourcte Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen“.
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Sie können der Produktion und dem Vertrieb von digitalen Fahrzeugen dienen, welche auf die persönlichen Bedürfnisse des Nutzers abgestimmt sind. Zwar sind Werbung, Geschäftsführung oder Unternehmensverwaltung in der Regel unabhängig von ihrem Gegenstand. Sofern ein Begriff aber so allgemein und weit gefasst ist, dass er eine gesamte Branche oder zumindest einen relevanten Geschäftszweig benennt und damit eine besondere Ausrichtung der Werbe-, Geschäftsführungs- oder Unternehmensverwaltungsdienstleistungen zum Ausdruck bringt, fehlt ihm die notwendige Unterscheidungskraft (vgl. BGH GRUR 2009, 949 – My World; BPatG 29 W (pat) 43/18 – Trust your Farmer; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 8 Rn. 125).
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Dies trifft nach Auffassung des Senats auf die verfahrensgegenständliche Zusammensetzung „MyDigitalCar“ zu. Denn diese bezeichnet nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern steht schlagwortartig für die Digitalisierung in der Automobilbranche einschließlich der damit einhergehenden Möglichkeiten zur Produktindividualisierung und damit für das zentrale Thema, mit dem sich die Automobilindustrie derzeit beschäftigt. Insofern ist davon auszugehen, dass der Verkehr den Begriff „MyDigitalCar“, wenn er ihm im Zusammenhang mit Werbe-, Geschäftsführungs- oder Unternehmensverwaltungstätigkeiten begegnet, als sachbezogenen Hinweis darauf verstehen wird, dass sich diese mit der Bewerbung sowie der organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Umsetzung der aufgezeigten neuen Technologien in der Automobilbranche befassen. Werbeagenturen mit einem entsprechenden Leistungsangebot gibt es bereits (vgl. Agentur Fink & Fuchs: „Digitalisierung als Chance für die Autoindustrie“ unter „https://finkfuchs.de/de/agentur.html“; Agentur dot.Source: „Neue Wege in der Automobilbranche – Mobilität wird zur Dienstleistung“ unter „https://www.dotsource.de/digitalisierung-der-automobilindustrie/“ als Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 11. Oktober 2022). Die KBC Managementberatung München bietet ihre Dienste sogar explizit unter der Bezeichnung „Digital Car“ an (vgl. „https://kbc-consultants.com/“ als Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 11. Oktober 2022). Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dass auch der verfahrensgegenständliche Ausdruck „MyDigitalCar“ als Hinweis auf den Inhalt und den Zweck verstanden wird, nicht aber als individuelles Betriebskennzeichen.
51
2. Soweit die Anmelderin ihrer Ansicht nach vergleichbare Marken, wie „My digital garden“, My digital Unicorn“, „My digital Resto“, „My digital Number“ und „My digital Spirit“, anführt, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf Eintragung. Insoweit ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2009, 667 –; Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47 bis 51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42 bis 44 – Postkantoor), des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespatentgerichts (vgl. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 75 ff. mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessens-, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen des Deutschen Patent- und Markenamts und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Bundespatentgericht. Jeder Einzelfall ist eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.