BPatG München 26. Senat, Beschluss vom 13.06.2023, AZ 26 W (pat) 5/21, ECLI:DE:BPatG:2023:130623B26Wpat5.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2017 101 301
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. Juni 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Dr. von Hartz und der Richterin am Amtsgericht Streif
beschlossen:
1. Der Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. April 2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Erinnerung gegen den Erstbeschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. April 2018 als nicht eingelegt gilt.
3. Die Rückzahlung der beiden Beschwerdegebühren wird angeordnet.
Gründe
I.
1
Die Wortmarke
2
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3
ist am 9. Februar 2017 angemeldet und am 24. März 2017 unter der Nummer 30 2017 101 301 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 32, 33, 35 und 43 eingetragen worden.
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Gegen diese Marke, deren Eintragung am 28. April 2017 veröffentlicht worden ist, hat der Beschwerdeführer Widerspruch erhoben
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1. aus der Wort-/Bildmarke
, die seit dem 16. November 2012 unter der Nummer 30 2012 049 941 in dem beim DPMA geführten Register als Marke für Waren der Klassen 30, 32 und 33 registriert war, jedoch mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 gelöscht worden ist, und
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2. aus der Wort-/Bildmarke
, die am 13. Dezember 2012 angemeldet und am 31. Januar 2013 unter der Nummer 30 2012 064 228 in das beim DPMA geführte Register als Marke für Waren der Klassen 30, 32 und 33 eingetragen worden ist.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat am 16. November 2017 die Einrede der Nichtbenutzung der – inzwischen gelöschten – Widerspruchsmarke zu 1.) erhoben und am 18. Dezember 2017 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu 2.) bestritten.
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Mit Beschluss vom 19. April 2018 hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 33 des DPMA beide Widersprüche zurückgewiesen und Kosten weder auferlegt noch erstattet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Widersprechende habe auf die beiden zulässig erhobenen Nichtbenutzungseinreden trotz entsprechender Aufforderungen keine Benutzungsunterlagen vorgelegt. Dieser Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden gegen Empfangsbekenntnis am 27. Juli 2018 zugestellt worden. Mit Telefax vom 27. August 2018 haben sie gegen diesen Beschluss Erinnerung eingelegt und darum gebeten, die beiden Erinnerungsgebühren in Höhe von je 150 € über die beiden beigefügten SEPA-Basislastschriftmandate vom Kanzleikonto einzuziehen.
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Mit Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2020 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA die Erinnerung des Widersprechenden zurückgewiesen und ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass er auf die zulässige Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke zu 1.) keine Benutzungsunterlagen vorlegt habe. In Bezug auf die Widerspruchsmarke zu 2.) sei die Einrede zwar verfrüht erhoben worden und daher unzulässig, gleichwohl sei der Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr unbegründet. Der Widersprechende habe die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen, weil er seinen Widerspruch aus der älteren Marke zu 1.) trotz zulässiger Nichtbenutzungseinrede auch im Erinnerungsverfahren ohne jeglichen Glaubhaftmachungsversuch weiterverfolgt habe. Nachdem der erste Zustellungsversuch gegen Empfangsbekenntnis fehlgeschlagen war, ist dieser Beschluss den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden als Übergabeeinschreiben übersandt worden. Die Aufgabe zur Post ist am 30. Juli 2020 erfolgt. Mit Schreiben vom 9. Juli 2020 hatte das DPMA von den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden die Zahlung der beiden Erinnerungsgebühren angefordert und mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 hat es an die Zahlungspflicht erneut erinnert.
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Gegen den Erinnerungsbeschluss richtet sich die am 31. August 2020 per Telefax eingelegte Beschwerde des Widersprechenden. Er ist der Ansicht, der Erinnerungsbeschluss habe nicht erlassen werden dürfen, weil die ausgestellten SEPA-Basislastschriftmandate erloschen gewesen seien, so dass die beiden Erinnerungsgebühren – unstreitig bis heute – nicht hätten eingezogen werden können, was das DPMA mit E-Mail vom 12. September 2018 auch mitgeteilt habe.
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Der Widersprechende beantragt sinngemäß,
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1. den Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 20. April 2020 aufzuheben und
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2. die Rückzahlung der beiden Beschwerdegebühren anzuordnen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen Antrag gestellt und sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache eingelassen.
15
Die Verfahrensbeteiligten sind mit gerichtlichem Hinweis vom 31. März 2023 darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde Aussicht auf Erfolg habe.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
18
Der Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2020 ist mangels rechtzeitiger Zahlung der Erinnerungsgebühr aufzuheben und die Feststellung zu treffen, dass die Erinnerung gegen den Erstbeschluss vom 19. April 2018 als nicht eingelegt gilt.
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1. Die Beschwerde ist zulässig.
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a) Sie ist rechtzeitig erhoben worden.
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aa) Gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA schriftlich einzulegen.
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bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nachdem der erste Zustellungsversuch fehlgeschlagen war, ist der Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2020 den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden als Übergabeeinschreiben übersandt worden. Gemäß § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Die Aufgabe zur Post ist am 30. Juli 2020 erfolgt. Ob die Zustellung bereits am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, nämlich am Sonntag, dem 2. August 2020, als erfolgt gilt, oder entsprechend § 193 BGB eine Verschiebung des „dritten Tages“ auf den nächsten Werktag, nämlich Montag, den 3. August 2020, vorzunehmen ist, wie es teilweise in der Rechtsprechung und Literatur angenommen wird (BFH NJW 2004, 94 zur identischen Regelung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO; Beschl. v. 5. Mai 2014 – III B 85/13 = BeckRS 2014, 95344; Schlatmann in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, VwZG, 12. Aufl. 2021, § 4 VwZG Rdnr. 6 f.; Kugelmüller-Pugh in: Gosch, AO/FGO, 174. Ergänzungslieferung, April 2023, § 4 VwZG Rdnr. 24; Schwarz in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 273. Lieferung, April 2023, § 4 VwZG Rdnr. 27; Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 175. Lieferung, Mai 2023, § 4 VwZG Rdnr. 10; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 94 MarkenG Rdnr. 6; a. A.: BSG NJW 2011, 1099, 1100 f.; BPatG GRUR 1999, 569, 570 – Zustellungszeitpunkt; BPatGE 56, 22, 24; Gruber in: BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 33. Edition, Stand: 1. April 2023, § 94 MarkenG Rdnr. 13 ff.), kann dahinstehen, weil der Widersprechende schon am 31. August 2020 per Telefax und damit noch vor dem frühestmöglichen Ablauf der Monatsfrist gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG, dem 2. September 2020, Beschwerde eingelegt hat.
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b) Die Beschwerde ist auch statthaft. Die Frage, ob eine wirksame Erinnerung eingelegt wurde und ein Erinnerungsbeschluss hätte erlassen werden dürfen, ist ohne Einfluss auf die Zulässigkeit der Beschwerde. Da der Erinnerungsbeschluss ergangen ist, konnte dieser auch gemäß § 66 Abs. 1 MarkenG mit der Beschwerde angegriffen werden (BPatG 24 W (pat) 6/16 – Gartenglück).
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c) Der Widersprechende hat am 1. September 2020 und damit ebenfalls innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist zwei Beschwerdegebühren eingezahlt. Dabei hätte die Einzahlung einer Beschwerdegebühr ausgereicht. Auch wenn ein Widersprechender vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsmodernisierungsgesetz – MaMoG, BGBl. I 2018, S. 2357) zum 14. Januar 2019 – wie hier – mehrere Widersprüche aus einer entsprechenden Anzahl an Widerspruchszeichen erhoben hat, die mit einem Beschluss zurückgewiesen worden sind, hat er im anschließenden Beschwerdeverfahren nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, weil nur
ein Verfahrensbeteiligter
einen Beschluss des DPMA angreift, auch wenn es sich grundsätzlich um mehrere Verfahren handelt (BPatG 27 W (pat) 6/15 – Dali/Salvador Dali; Ströbele/Hacker/Thiering/Knoll, MarkenG, 13. Aufl., § 66 Rdnr. 47; Ingerl/Rhonke/Nordemann/Grabrucker, MarkenG, 4. Aufl., § 66 Rdnr. 55; HK-MarkenR/Fuchs-Wissemann, 4. Aufl., § 66 Rdnr. 5). Soweit in einem obiter dictum die Auffassung vertreten worden ist, dass in diesem Fall eine der Anzahl der Widerspruchszeichen entsprechende Anzahl von Beschwerdegebühren zu zahlen sei (BPatG 27 W (pat) 15/18 – RICCO EGOISTA/EGO-IST-IN), ist dieser Einzelmeinung bislang niemand gefolgt. Aber selbst wenn diese zutreffend wäre, hätte der Widersprechende auch diese Anforderung durch Einzahlung von zwei Beschwerdegebühren erfüllt.
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der angegriffene Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2020 hätte im Hinblick auf die Bestandskraft des Erstbeschlusses vom 19. April 2018 nicht mehr ergehen dürfen, weil der Widersprechende keine Erinnerungsgebühr eingezahlt hat.
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a) Nach § 64 Abs. 2 MarkenG ist die Erinnerung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim DPMA einzulegen. Gemäß § 64a MarkenG i. V. m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Nr. 333 000 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG a. F. wird die Erinnerungsgebühr in Höhe von 150 € mit der Einlegung der Erinnerung fällig und ist innerhalb der einmonatigen Erinnerungsfrist des § 64 Abs. 2 MarkenG einzubezahlen. Obwohl der Widersprechende aus zwei Marken Widerspruch erhoben hat, wäre er aber nur zur Einzahlung einer einzigen Erinnerungsgebühr verpflichtet gewesen, weil, wie bereits bei der Beschwerdegebühr erörtert, nur
ein Verfahrensbeteiligter
einen Beschluss des DPMA angreift (Ströbele/Hacker/Thiering/Knoll, MarkenG, 13. Aufl., § 64 Rdnr. 6; Ingerl/Rhonke/Nordemann-Schiffel, MarkenG, 4. Aufl., § 64 Rdnr. 5; HK-MarkenR/Fuchs-Wissemann, 4. Aufl., § 64 Rdnr. 3).
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b) Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Erstbeschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden am 27. Juli 2018 gemäß § 94 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 4 VwZG gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die einmonatige Erinnerungsfrist des § 64 Abs. 2 MarkenG hat mit der Beschlusszustellung zu laufen begonnen und ist am 27. August 2018 abgelaufen (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 222 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die am 27. August 2018 beim DPMA per Telefax eingegangene Erinnerung der Widersprechenden ist daher rechtzeitig erfolgt. Ebenfalls per Telefax sind am 27. August 2018 zwei SEPA-Basislastschriftmandate über jeweils 150 € eingereicht worden. Da die SEPA-Basislastschriftmandate jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen waren, konnte eine Abbuchung zugunsten der Bundeskasse nicht erfolgen. Dies wäre aber nach § 2 Nr. 4 der Verordnung über die Zahlung der Kosten des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts (Patentkostenzahlungsverordnung – PatKostZV) erforderlich gewesen, um von einer rechtzeitigen Zahlung ausgehen zu können. Der Kontoauszug zur Verfahrensakte zeigt die beiden Erinnerungsgebühren als „offen“ an. Selbst nach Erlass des Erinnerungsbeschlusses hat das DPMA von den Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden mit Schreiben vom 9. Juli 2020 die Zahlung der beiden Erinnerungsgebühren angefordert und mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 an die Zahlungspflicht erneut erinnert. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist keine Erinnerungsgebühr eingezahlt worden.
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c) Mangels Zahlung der Erinnerungsgebühr innerhalb der einmonatigen Erinnerungsfrist hätte das DPMA die Feststellung treffen müssen, dass die Erinnerung gemäß § 64a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt.
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d) Da es sich bei der Frist zur Einzahlung der Erinnerungsgebühr ebenso wie bei der Erinnerungsfrist um eine nicht verlängerbare Notfrist handelt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG zwar grundsätzlich in Betracht, eine solche hat der Widersprechende aber weder beantragt, noch kann sie stillschweigend durch bloße Weiterführung des Verfahrens gewährt werden.
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e) Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 91 Abs. 1 und 4 MarkenG scheidet ebenfalls aus.
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aa) Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist nach § 91 Abs. 6 MarkenG zwar das DPMA. Das Bundespatentgericht als Rechtsmittelgericht kann die Entscheidung aber ausnahmsweise an sich ziehen, wenn sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung ohne weiteres aus den Akten ergeben (vgl. BPatG 29 W (pat) 25/16 – ABDRUSCHIN IM LICHTE DER WAHRHEIT und 24 W (pat) 26/12 – Blower Door jeweils unter Hinweis auf BGH NJW 1982, 1873, 1875). Diese Voraussetzungen zur Entscheidung über eine Wiedereinsetzung von Amts wegen liegen hier jedoch nicht vor.
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bb) Eine Wiedereinsetzung scheitert schon daran, dass der Widersprechende die versäumte Handlung, nämlich die Einzahlung der Erinnerungsgebühr, nicht innerhalb der spätestens seit Oktober 2020 laufenden zweimonatigen Antragsfrist nach Wegfall des Hindernisses (§ 91 Abs. 2 MarkenG) nachgeholt hat. Zudem ist ein Wiedereinsetzungsgrund weder ersichtlich, noch wurde ein solcher vom Widersprechenden geltend gemacht.
33
f) Daher gilt die Erinnerung des Widersprechenden gemäß § 64a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG unmittelbar kraft Gesetzes als nicht eingelegt, so dass der Erinnerungsbeschluss aufzuheben ist. Eine Entscheidung in der Sache hätte nicht ergehen dürfen.
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3. Der Senat sieht von einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ab.
35
a) Dem steht nicht entgegen, dass der Widersprechende durch das Absehen von einer Zurückverweisung eine Entscheidungsinstanz verliert. Zwar könnte sich der Widersprechende gegen einen Beschluss des DPMA, der die Feststellung der Nichteinlegungsfiktion trifft, mit einer Beschwerde an das Bundespatentgericht wenden, während eine entsprechende Entscheidung des Bundespatentgerichts nur unter engen Voraussetzungen mit der Rechtsbeschwerde angreifbar ist. Allerdings handelt es sich nur um eine deklaratorische Feststellung der unmittelbar kraft Gesetzes eingetretenen Fiktion der Nichteinlegung der Erinnerung (vgl. BGH GRUR 2010, 231 Rdnr. 16 – Legostein zu einer entsprechenden Feststellung des Rechtspflegers nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 RPflG), bei der auch das DPMA keinen Entscheidungsspielraum hat.
36
b) Der Senat konnte die Entscheidung daher selbst treffen (BPatG 24 W (pat) 6/16 – Gartenglück).
III.
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1. Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.
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2. Die Rückzahlung der beiden Beschwerdegebühren war anzuordnen.
39
a) Gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG ist die Beschwerdegebühr zu erstatten, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen. Solche sind gegeben, wenn der Beschwerdeführer durch ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten, wie z. B. die Verletzung rechtlichen Gehörs, oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des DPMA, wie z. B. die Nichtbeachtung eindeutiger gesetzlicher Vorschriften oder einer gefestigten Amts- oder Rechtsprechungspraxis (BPatG 26 W (pat) 20/15 – Goldkehlchen; 30 W (pat) 20/08 – Signalblau und Silber; BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung), zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei korrekter Verfahrensweise und Rechtsanwendung vermieden worden wäre (vgl. BPatG 26 W (pat) 547/17 – YogiMoon/yogiMoon).
40
b) Solche besonderen Umstände liegen hier vor.
41
aa) Eine der beiden Beschwerdegebühren ist schon deshalb zurückzuzahlen, weil nur eine Gebühr geschuldet war, wie bereits erörtert worden ist, so dass sie ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist.
42
bb) Aber auch die mit Rechtsgrund eingezahlte Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen, weil von einem wesentlichen Verfahrensfehler des DPMA auszugehen ist. Mangels eingezahlter Erinnerungsgebühr hätte das DPMA die Feststellung treffen müssen, dass die Erinnerung als nicht eingelegt gilt. Es hätte im Hinblick auf die Bestandskraft des Erstbeschlusses vom 19. April 2018 den Erinnerungsbeschluss vom 20. April 2020 nicht erlassen dürfen. Die unrichtige Sachbehandlung hat in ursächlicher Weise auch zur Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung geführt. Denn ohne den Verfahrensverstoß wäre lediglich deklaratorisch die Gesetzesfolge festgestellt worden, dass die Erinnerung als nicht eingelegt gilt. Es hätte keine Kostengrundentscheidung zu Lasten des Widersprechenden ergehen können und damit wäre auch der Anlass für eine Beschwerde des Widersprechenden entfallen.
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cc) Dieser Rückzahlungsgrund gälte auch für die andere eingezahlte Beschwerdegebühr, wenn man der Einzelauffassung einer Zahlung mit Rechtsgrund folgte.