BPatG München 8. Senat, Urteil vom 12.07.2023, AZ 8 Ni 7/23 (EP), ECLI:DE:BPatG:2023:120723U8Ni7.23EP.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 1 861 632
(DE 60 2006 052 506)
hat der 8. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2023 durch die Vorsitzende Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dr.-Ing. Krüger, Dipl.-Ing. Univ. Richter, Dr. Meiser und die Richterin Dipl.-Ing. Univ. Schenk
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 861 632 wird im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 3 bis 13 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass diese Ansprüche – bei Streichung des Anspruchs 4 – die folgende Fassung erhalten, so dass seine Ansprüche insgesamt wie folgt lauten:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Mit der Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin die teilweise Nichtigerklärung des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 861 632, das am 24. März 2006 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Patentanmeldung 88602 vom 24. März 2005 angemeldet und dessen Erteilung am 10. Mai 2017 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent geht auf die internationale Patentanmeldung PCT/US2006/010976, veröffentlicht als WO 2006/102641 zurück. Die Beklagte ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 60 2006 052 506 geführten Streitpatents mit der Bezeichnung „Endlosband mit verbessertem Tragseil“.
2
Die Klägerin greift das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 und 3 bis 13 – und im Weiteren die mit den Hilfsträgen 1 bis 4 geänderten Fassungen dieser Ansprüche – an und macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent im angegriffenen Umfang in seiner erteilten Fassung und in geänderten Fassungen mit vier Hilfsanträgen.
3
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung dreizehn Ansprüche mit einem unabhängigen Patentanspruch 1 und acht auf diesen rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 9, einem rückbezogenen Nebenanspruch 10, einem unabhängigen Nebenanspruch 11 und zwei darauf rückbezogenen Unteransprüchen 12 und 13.
4
Die Patentansprüche 1 und 11 lauten in der
erteilten Fassung – mit senatsseitig hinzugefügter Merkmalsgliederung – wie folgt:
5
Anspruch 1:
6
M1 An endless belt (10, 26, 32) comprising
7
M2 an elastomeric belt body (12)
8
M3 and a load carrier cord (22) embedded in said body;
9
M3.1 said cord (22) comprising a plurality of yarns (2)
10
having a first twist corresponding to a first twist multiplier and a first twist direction,
11
M3.2 and said cord (22) having a second twist corresponding to a second twist multiplier
12
in a direction opposite said first twist direction;
13
M4 characterized in that
14
the ratio of said first twist multiplier to said second twist multiplier is greater than 1.5.
15
Anspruch 11:
16
V1 A method for making an endless power transmission belt (10, 26, 32)
17
having improved flex fatigue resistance
18
V2 and comprising a belt body portion (12)
19
V3 and a load carrier cord (22)
20
V3.0 comprising base yarns (2) of high-modulus organic fibers,
21
V3 said cord embedded in said belt body (12),
22
V3.1 comprising the steps:
23
twisting one or more said base yarns (2) together
24
in a first twist direction with a first twist multiplier to form strands (3);
25
V3.2 twisting one or more said strands (3) together
26
in a second twist direction opposite said first direction
27
with a second twist multiplier to form said cord (22);
28
V4 and characterized in
29
that said first twist multiplier is at least 1.5 times said second twist multiplier.
30
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 9, des Nebenanspruchs 10 und der Unteransprüche 12 und 13 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
31
In der Fassung des Anspruchs 1 nach
Hilfsantrag 1 vom 1. Februar 2023 ist das Merkmal
32
MI5-1 wherein said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than 3.5.
33
hinzugefügt.
34
Der Anspruch 2 nach Hilfsantrag 1 entspricht dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung mit hinzugefügtem Merkmal
35
MI5-2 wherein said first multiplier is in the range of from 4 to 6.
36
Der Anspruch 3 nach Hilfsantrag 1 entspricht dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung mit wie folgt geändertem Merkmal M4:
37
MI4-3 characterized in that
38
the ratio of said first twist multiplier to said second twist multiplier
39
is greater than
1.51.8.
40
Der nebengeordnete Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1 entspricht dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 hinsichtlich der Merkmale V1 bis V3.2, mit geändertem Merkmal V4 und hinzugefügtem Merkmal VI5 wie folgt:
41
VI4 and characterized in
42
that said first twist multiplier is
at leastgreater than 1.5 times
43
said second twist multiplier
,
44
VI5 wherein
45
(i) said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than 3.5;
or
46
(ii) said first twist multiplier is in the range of from 4 to 6;
or
47
(iii) said first twist multiplier is greater than 1.8 times said second twist multiplier;
or
48
(iv) said belt body (12) comprises cast urethane
49
and said belt is selected from a multi-v-ribbed belt (10), a v-belt (26),
50
a toothed synchronous belt (32), and a flat belt.
51
Der Anspruch 1 nach
Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wie folgt geändert:
52
MII5-1 wherein the second twist multiplier is greater than 1.8 and less than
3.53.2.
53
Der Anspruch 2 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Anspruch 2 nach Hilfsantrag 1 wie folgt geändert:
54
MII5-2 wherein the first twist multiplier is in the range of from 4 to
65.8.
55
Der Anspruch 3 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Anspruch 3 nach Hilfsantrag 1 wie folgt geändert:
56
MII4-3 characterized in that the ratio of said first twist multiplier
57
to said second twist multiplier is greater than
1.82.0.
58
Der nebengeordnete Anspruch 12 nach Hilfsantrag 2 entspricht dem Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1 mit folgenden Änderungen:
59
VII5 wherein
60
(i) said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than
3.53.2;
or
61
(ii) said first twist multiplier is in the range of from 4 to
65.8;
or
62
(iii) said first twist multiplier is greater than
1.82.0 times said second twist multiplier;
or
63
(iv) said belt body (12) comprises cast urethane
64
and said belt is selected from a multi-v-ribbed belt (10), a v-belt (26),
65
a toothed synchronous belt (32), and a flat belt.
66
In der Fassung des Anspruchs 1 nach
Hilfsantrag 3 ist gegenüber der erteilten Fassung das Merkmal
67
MIII5 wherein said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than 3.5.
68
hinzugefügt und bei dem nebengeordneten Anspruch 11 nach Hilfsantrag 3 das Merkmal
69
VIII5 wherein said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than 3.5.
70
Der Anspruch 1 nach
Hilfsantrag 4 entspricht der Fassung nach Hilfsantrag 3 mit folgender Änderung:
71
MIV5 wherein said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than
3.53.2.
72
Der nebengeordnete Anspruch 11 nach Hilfsantrag 4 entspricht der Fassung nach Hilfsantrag 3 mit folgender Änderung:
73
VIV5 wherein said second twist multiplier is greater than 1.8 and less than
3.53.2.
74
In den jeweiligen Anspruchssätzen der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents ist der nicht angegriffene erteilte Anspruch 2 als Anspruch 2 (Hilfsanträge 3, 4) oder als Anspruch 4 (Hilfsanträge 1, 2) jeweils in der Weise aufgenommen, dass der Anspruch 1 in der erteilten Fassung textlich in diesem mit aufgeführt ist.
75
Wegen der weiteren Unteransprüche in den Fassungen nach den Hilfsanträgen wird auf den Schriftsatz vom 1. Februar 2023 verwiesen.
76
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gegen sämtliche im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren befindlichen Fassungen insbesondere auf folgende Dokumente:
77
E1 Englische Übersetzung der JP H5-83776 B2
78
E1A JP H5-83776 B2
79
E2 US 6,689,005 B2
80
E3 Englische Übersetzung der JP 2003-194152 A
81
E3A JP 2003-194152 A
82
E4 US 4,083,260
83
E5 Antriebsriemen, Frank H. Schäfer, eine Monographie, 2007
84
E6 US 3,233,648
85
E7 Expertenerklärung von Herrn A…
86
E8 Wellington Sears Handbook of Industrial Textiles, 1995.
87
Die Klägerin meint, dass die Druckschriften E1, E2, E3 und E4 dem Gegenstand des erteilten Patenanspruchs 1 sowie den Ansprüchen 3 bis 13 neuheitsschädlich entgegenstünden. Zumindest sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sowie der weiteren angegriffenen Unter- und Nebenansprüche für den Fachmann ausgehend von der E4 oder der E1 nahegelegt. Der Fachmann werde ausgehend von der E4, die die Merkmale M1, M2, M3, M3.1 bis M3.2 des Gegenstands nach Anspruch 1 des Streitpatents offenbare, eine Verbesserung der Festigkeit durch Erhöhung der Verdrehung der Garne in Betracht ziehen und gelange somit in naheliegender Weise zum erfindungsgemäßen Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1. Gleichermaßen gelte dies für die weiteren mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche. Auch aus der E1, die ebenfalls die Merkmale M1 bis M3.2 offenbare, würde sich in Kombination mit der E2 oder der E3 in naheliegender Weise der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergeben.
88
Auch den Gegenständen nach den Hilfsanträgen 1 bis 4 stünden die Entgegenhaltungen E1, E2, E3 und E4 ebenfalls neuheitsschädlich entgegen oder sie seien zumindest durch diese Entgegenhaltungen nahegelegt.
89
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 19. September 2022 und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2023 einen weiteren rechtlichen Hinweis erteilt.
90
Die Klägerin beantragt,
91
das europäische Patent 1 861 632 im Umfang der Ansprüche 1 und 3 bis 13 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
92
Der Beklagte beantragt,
93
die Klage abzuweisen;
94
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang eine der Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 1. Februar 2023, erhält.
95
Sie tritt der Auffassung der Klägerin in allen Punkten entgegen und meint, dass der Gegenstand des erteilten Streitpatents in dem angegriffenen Umfang patentfähig sei. Keine der von der Klägerin angeführten Druckschriften stünde dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich entgegen, weil keine das beanspruchte Verhältnis aus dem ersten Drehungskoeffizienten und dem zweiten Drehungskoeffizienten gemäß Merkmal M4 offenbare, und sie könnten den Anspruchsgegenstand auch nicht nahelegen. Dies gelte gleichermaßen für den jeweiligen Gegenstand des Streitpatents in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4. So bestünden beispielsweise gegenüber der Entgegenhaltung E1 erhebliche Unterschiede zwischen den materialabhängigen Drehungskoeffizienten der E1 und den materialunabhängigen Drehungskoeffizienten gemäß Streitpatent. Weiterhin enthalte die E1 nur eine einzige positive Lehre, die des Anspruchs 2, und die Diagramme stellten keine Messergebnisse, sondern lediglich geschätzte Werte ohne quantitativen Charakter dar. Zudem sei eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung einer Druckschrift nicht gegeben, wenn eine Ergänzung durch ein dem Fachmann geläufiges Fachwissen notwendig sei. Die E4 offenbare weiterhin dem Fachmann, der von ausgewogenen Drehungskoeffizientenverhältnissen ausgehe, aus dem in Spalte 2 genannten Wertebereich gleich große Werte für den ersten und den zweiten Drehungskoeffizienten auszuwählen.
96
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
97
Die Nichtigkeitsklage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 52, 56 EPÜ), ist zulässig.
98
Die Nichtigkeitsklage ist insoweit begründet, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es über die von der Beklagten beschränkt verteidigte Fassung nach Hilfsantrag 4 hinausgeht. Denn der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung wie auch in den geänderten Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 erweist sich als nicht patentfähig.
99
Dagegen ist der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach dem zulässigen Hilfsantrag 4 patentfähig, mithin rechtsbeständig. Die Klage ist daher insoweit unbegründet.
I.
100
Die Erfindung betrifft laut Absatz [0001] der Streitpatentschrift einen Endlosriemen mit einem lasttragenden Kord, der mehrere Garne umfasst, wobei jedes der Garne in einer ersten Drehrichtung mit einem ersten Drehungskoeffizienten verdreht ist, und die mehreren Garne gemeinsam in einer entgegengesetzten zweiten Drehrichtung mit einem zweiten Drehungskoeffizienten zum Kord verdreht sind. Die Erfindung betrifft außerdem ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Endlosriemens.
101
Gemäß dem Absatz [0003] weisen Kords aus hochfesten Materialien mit hoher Lasttragfähigkeit eine unzureichende Biegewechselfestigkeit auf. Bekannte Ansätze zur Erhöhung der Biegewechselfestigkeit seien teuer und verringerten die Lasttragfähigkeit. Dementsprechend bestehe, siehe Absatz [0006], ein Bedürfnis nach lasttragenden Kords mit ausgewogenem Verhältnis von Biegewechselfestigkeit und Lasttragfähigkeit.
102
Dazu ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass bei einem Endlosriemen mit einem lasttragenden Kord gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 der erste Drehungskoeffizient mehr als 1,5 mal so groß ist wie der zweite Drehungskoeffizient.
103
Als Fachmann ist für diesen Gegenstand ein Diplom-Ingenieur oder Master (FH/HAW) des Maschinenbaus zuständig, mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Endlosriemen einschließlich der darin eingebetteten lasttragenden Kords.
II.
104
In seiner
erteilten Fassung steht dem Streitpatent der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegen (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ).
105
1. Die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 11 bedürfen hinsichtlich ihres Verständnisses durch den Fachmann der Erläuterung.
106
Gegenstand des Anspruchs
1 ist gemäß den Merkmalen
M1 bis M3 ein Endlosriemen, der einen elastomeren Körper und einen darin eingebetteten lasttragenden Kord umfasst.
107
Die Merkmale
M3.1 und
M3.2 beschreiben den Aufbau des lasttragenden Kords, der in zwei Schritten entsteht: In einem ersten Schritt wird jeweils ein Bündel von Filamenten, d.h. endlosen Fasern, zu einem Garn (yarn 2) verdreht. In einem zweiten Schritt wird eine Mehrzahl dieser Garne in entgegengesetzter Richtung zum Kord (cord 22) verdreht. Wie stark das Filamentbündel verdreht wird um das Garn zu bilden, wird durch den ersten Drehungskoeffizienten (first twist multiplier TM) beschrieben. Wie stark dann die Garne verdreht werden um den Kord zu bilden, wird durch den zweiten Drehungskoeffizienten (second twist multiplier TM) beschrieben.
108
Der Drehungskoeffizient ist laut Absatz [0030] durch die folgende Beziehung definiert:
109
TM = TPI • √denier / √(5315).
110
Diese Formel ist dem Fachmann in folgender Form geläufig:
111
TM = TPI • √denier / K
112
Sie berücksichtigt, dass die Eigenschaften eines Kords einerseits vom verwendeten Material und andererseits davon abhängen, wie stark die Filamente zum Garn bzw. die Garne zum Kord verdreht wurden, wie schräg also die Filamente in Bezug auf die Längsrichtung des Garns und die Garne in Bezug auf die Längsrichtung des Kords verlaufen.
113
Der Term „TPI • √denier“ mit:
114
TPI (turns per inch) = Umdrehungen pro Zoll Garnlänge bzw. Kordlänge und
115
denier = Stärke des Garns bzw. Kords in Gramm pro 9 km Länge
116
gibt dabei an, wie schräg die Filamente bzw. Garne verlaufen. Denn diese verlaufen umso schräger, je öfter pro Zoll Länge das Garn bzw. der Kord verdreht wurde (TPI) und je größer der Durchmesser des Garns bzw. des Kords ist. Der Durchmesser wiederum ist der Wurzel der Querschnittsfläche und damit auch der Wurzel des denier-Werts (√denier) proportional.
117
Bei Verwendung anderer Einheiten für die Umdrehungen oder die Garnstärke wird so umgerechnet, dass unabhängig davon gleich große Zahlenwerte für die Drehungskoeffizienten herauskommen.
118
Werden z.B. die Umdrehungen pro einem Meter (gleich 39,4 Zoll) oder pro 10 cm (gleich 3,94 Zoll) statt pro einem Zoll Länge gezählt, so wird der ermittelte Wert durch 39,4 bzw. 3,94 geteilt. Wird die Stärke in dtex statt in denier, d.h. in Gramm pro 10 km statt pro 9 km Länge eingesetzt, so wird dementsprechend durch √(5315•10/9) = √5905 geteilt, wie auch in Absatz [0030] angegeben, siehe die linke der beiden Formeln.
119
Die Konstante „K“ in der Formel berücksichtigt das Material. Dem Fachmann sind hierfür Werte von z.B. 68 für Aramid, 73 für Nylon und Polyester und 90 für Glasfaser bekannt.
120
Abweichend von der dem Fachmann geläufigen Formel zur Ermittlung des Drehungskoeffizienten wird streitpatentgemäß nicht durch eine materialabhängige Konstante „K“ geteilt, sondern durch den festen Wert √5315. Dabei kann dahinstehen, ob dem Fachmann auffällt, dass dieser Wert mit √5315 = 73 gerade der bekannten Materialkonstante für Nylon und Polyester entspricht. Denn die im Streitpatent als erfindungsgemäß angegebenen Werte bzw. Bereiche für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten, siehe Absatz [0032] und Ansprüche 4, 5 und 8, sind gemäß Absatz [0030] stets mit dem Wert √(5315) berechnet, auch wenn wie bei den Ausführungsbeispielen gemäß Absätzen [0044], [0049] und [0051] die Kords aus Kevlar K-119 oder Twaron T-2100, d.h. gemäß Absatz [0028] aus Aramid, hergestellt wurden.
121
Werden daher in einer Entgegenhaltung Werte für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten eines Kords angegeben, die mit einer anderen Konstante als √5315 bzw. 73 berechnet sind, z.B. für Kords aus Aramid mit 68 statt 73, so müssen diese Werte für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten erst umgerechnet werden, bevor sie mit den streitpatentgemäßen Werten verglichen werden können.
122
Im kennzeichnenden Merkmal
M4 ist angegeben, dass das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten (im Folgenden abgekürzt: „TM1/TM2“) größer als 1,5 sein muss, der erste Drehungskoeffizient also mehr als 1,5 mal so groß wie der zweite Drehungskoeffizient sein muss.
123
Gegenstand des erteilten Anspruchs
11 ist gemäß dem Merkmal
V1 ein Verfahren zum Herstellen eines endlosen Kraftübertragungsriemens mit verbesserter Biegewechselfestigkeit. Der Kraftübertragungsriemen umfasst gemäß den Merkmalen
V2 und
V3 einen Riemenkörperteil und einen lasttragenden Kord, der in dem Riemenkörper eingebettet ist. Der lasttragende Kord umfasst gemäß Merkmal
V3.0 Basisgarne aus hochmoduligen Fasern, d.h. aus Fasern, die sich unter Spannung wenig längen. Als Beispiele für solche Fasern nennt die Beschreibung in Absatz [0009] PEN, PBO, Aramid und LCP.
124
Die Merkmale
V3.1 und
V3.2 beschreiben entsprechend den Merkmalen M3.1 und M3.2 des Anspruchs 1 die zwei Herstellungsschritte, die zu einem lasttragenden Kord führen.
125
Das Merkmal
V4 entspricht dem Merkmal M4 des Anspruchs 1, mit dem Unterschied, dass gemäß dem Merkmal V4 das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten nicht „größer als“ 1,5 sein muss, sondern lediglich „wenigstens“ 1,5, womit also anders als im Merkmal M4 der Wert „1,5“ mit umfasst ist.
126
2. Die Gegenstände der erteilten Ansprüche
1 und
11 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun aus der Entgegenhaltung
E1.
127
2.1 Die Entgegenhaltung E1, siehe insbesondere den Anspruch 1 sowie Seite 98 rechts Zeilen 25 bis 30 und die Figur 1, befasst sich mit Endlosriemen in Form von Zahnriemen (toothed belt 1) mit einem elastomeren Riemenkörper (2 is a rubber structure that is an elastic body) und einem darin eingebetteten lasttragenden Kord (3 is a tension member cord embedded in the rubber structure). Das entspricht den Merkmalen
M1 bis M3 des Anspruchs 1.
128
Gemäß Anspruch 1, Seite 97 links Zeilen 18 bis 26 und Seite 98 rechts Zeilen 41 bis 47 umfasst der Kord (cord 3) drei Garne (yarns), die jeweils eine erste Drehung (primary twist) entsprechend einem ersten Drehungskoeffizienten (primary twist factor) aufweisen, und der Kord (cord 3) weist eine zweite Drehung (secondary twist) entsprechend einem zweiten Drehungskoeffizienten (secondary twist factor) in entgegengesetzter Richtung auf (secondary twist in the opposite direction from the primary twist). Das entspricht den Merkmalen
M3.1 und
M3.2 des Anspruchs 1.
129
Mit der Beschreibung der aufeinanderfolgenden Schritte des ersten und zweiten Verdrehens (applying a primary twist, applying a secondary twist) und der Angabe des Materials Aramid für die Basisgarne (original yarns) auf Seite 97 links Zeilen 18 bis 26 entspricht das auch den Merkmalen
V1 bis V3 und
V3.0 bis V3.2 des Anspruchs 11.
130
E1 befasst sich gemäß Seite 97 rechts Zeilen 1 bis 8 insbesondere mit Zahnriemen für Kraftfahrzeugmotoren, bei denen die Zahnriemen unter hoher Last serpentinenförmig (serpentine layouts) um eine Vielzahl von Riemenrädern (pulleys) herumlaufen und dabei jeweils gebogen werden. Dementsprechend wird eine hohe Belastbarkeit (high-load driveability) und eine hohe Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance) angestrebt.
131
In solchen Zahnriemen werden laut Seite 97 links Zeilen 20 bis 26 Kords mit Stärken von mindestens 3000 denier aus Aramidfilamenten eingesetzt. Problematisch ist dabei laut Seite 98 links Zeilen 5 bis 11, dass Kords dieser Art eine große Längenungleichheit (catenary) der zum Kord verdrehten Garne aufweisen (they have a poor catenary (alignment ratio)). Diese Längenungleichheit ist, wie auf Seite 99 rechts Zeilen 12 bis 18 erläutert, als der prozentuale Längenunterschied zwischen dem längsten und dem kürzesten der zum Kord verdrehten Garne definiert.
132
Die große Längenungleichheit (catenary) führt laut Seite 98 links Zeilen 11 bis 13 letztlich zu einer nicht ausreichenden Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance).
133
Für Kords aus Aramid mit mindestens 3000 denier Stärke lehrt daher die E1,
134
– gemäß einer ersten Erfindung (invention of claim 1) einen zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 bis 5,7 (secondary twist factor of 3.5-5.7) und eine Längenungleichheit von nicht größer als 0,8% (a catenary of 0.8% or less) vorzusehen.
135
Weiterhin lehrt die E1,
136
– gemäß einer zweiten Erfindung (invention of claim 2) ein Verhältnis „K“ des zweiten zum ersten Drehungskoeffizienten von 0,7 <= K <= 1,2.
137
Der Wert K = TM2/TM1 entspricht dem Kehrwert des im Merkmal M4 des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents gelehrten Verhältnisses von TM1/TM2. Die zweite Erfindung lehrt also ein Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten von
138
1,43 >= 1/K >= 0,83.
139
Die zweite Erfindung der E1 lehrt somit entgegen dem Merkmal M4 des Anspruchs 1 nicht ein Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten von größer als 1,5, sondern von kleiner als 1,43.
140
2.2 Der Fachmann gelangt jedoch aufgrund der in E1 gegebenen Erläuterungen zur ersten und zweiten Erfindung in naheliegender Weise dazu, die
erste Erfindung auch außerhalb des durch die zweite Erfindung eingeschränkten Bereichs von
141
1/K = TM1/TM2 <= 1,43 umzusetzen, insbesondere für größere Werte von 1/K als 1,5 und somit entsprechend dem Merkmal
M4 und dem Merkmal
V4:
142
Wie auf Seite 99 rechts ab Zeile 29 erläutert, erfordert der Betrieb des Zahnriemens unter hoher Last, dass der Kord eine hohe Lasttragfähigkeit (cord original strength) aufweisen muss. Die außerdem geforderte Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance) verlangt zweierlei, nämlich, dass die Lasttragfähigkeit bei Biegewechselbeanspruchung in möglichst hohem Maße erhalten bleiben muss (strength retention rate after flex fatigue), und dass die Längung des Kords und damit des Zahnriemens infolge der Biegewechselbeanspruchung (stretch rate after flex fatigue) 0,25% nicht überschreiten darf, dazu siehe Zeilen 47 und 48.
143
Zu Untersuchung der Abhängigkeit dieser Parameter vom ersten und zweiten Drehungskoeffizienten (primary twist factor, secondary twist factor) und von der Längenungleichheit (catenary) der zum Kord verdrehten Garne werden in E1 Zahnriemen mit Kords mit verschiedenen ersten und zweiten Drehungskoeffizienten hergestellt, die aber insoweit übereinstimmen, als zur Herstellung der Kords stets 2 Filamentstränge aus Aramid mit einer Stärke von je 1500 denier, zusammen also 3000 denier, zu einem Garn verdreht werden, und drei dieser Garne zu einem Kord mit einer Stärke von 3 mal 3000 = 9000 denier verdreht werden (configuration of the cord is 1500 de / 2 x 3), siehe Seite 98 rechts Zeilen 41 bis 48 und Seite 99 links Zeilen 38 bis 43.
144
Jeweils ein Zahnriemen wird auf dem in Seite 99 links letzter Absatz beschriebenen und in Figur 2 dargestellten Prüfstand einer Biegewechselbeanspruchung über 2 x 10
7 Zyklen unterzogen, danach wird jeweils der Kord entnommen und untersucht, siehe Seite 99 rechts oben.
145
Wie von Seite 99 rechts ab Zeile 29 bis Seite 100 rechts Zeile 5 beschrieben, werden vier Versuchsreihen
(1), (2), (3), (4) durchgeführt.
146
Zunächst wird in Versuchsreihe
(1) bei konstantem ersten Drehungskoeffizienten von 4,2 der zweite Drehungskoeffizient von 1,8 über 3,6 und 5,3 bis 7,1 variiert.
147
Figur 3 mit Erläuterung auf Seite 99 rechts Zeilen 29 bis 51 zeigt, dass mit abnehmendem zweiten Drehungskoeffizienten (secondary twist factor), in der Figur nach links, eine immer größere Abnahme der verbleibenden Lastragfähigkeit nach Biegewechselbeanspruchung (strength retention rate after flex fatigue) erfolgt, also entgegen der Zielsetzung der E1 die Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance) abnimmt, siehe die durchgezogene Linie und die zugehörige linke Skala:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
148
(roter Pfeil vom Senat hinzugefügt)
149
Figur 3 zeigt auch, dass mit abnehmendem zweiten Drehungskoeffizienten (secondary twist factor) eine immer größere Längung des Kords infolge der Biegewechselbeanspruchung (stretch rate produced by flex fatigue) erfolgt, siehe die gestrichelte Linie und die zugehörige rechte Skala:
150
(roter Pfeil vom Senat hinzugefügt)
151
Da eine Längung von mehr als 0,25% nicht zulässig ist, ergibt sich daraus, wie auf Seite 99 rechts Zeilen 47 bis 51 beschrieben und aus Figur 3 ablesbar, dass der
zweite Drehungskoeffizient (secondary twist factor)
mindestens 3,5 betragen muss.
152
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153
Wie in Figur 4 dargestellt, nimmt jedoch bei über 3,5 hinaus immer weiter zunehmendem zweiten Drehungskoeffizienten (secondary twist factor) entgegen der Zielsetzung der E1 die Lasttragfähigkeit (cord original strength) ab, siehe die gestrichelte Linie und die zugehörige rechte Skala:
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154
(roter Pfeil vom Senat hinzugefügt)
155
Deshalb wird auf Seite 99 rechts Zeilen 52 bis 56 gelehrt, dass der
zweite Drehungskoeffizient (secondary twist factor)
höchstens 5,7 betragen darf.
156
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157
Eine der untersuchten und in den Figuren 3 und 4 dargestellten Kombinationen von erstem und zweitem Drehungskoeffizienten, nämlich ein zweiter Drehungskoeffizient von 1,8 bei einem ersten Drehungskoeffizienten von 4,2, weist zwar ein Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten TM1/TM2 von 4,2 / 1,8 = 2,3 auf, also größer 1,5.
158
Das kann jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin das Merkmal M4 des Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. Denn die E1 lehrt aufgrund der in Figuren 3 und 4 dargestellten Versuchsergebnisse gerade, dass ein Kord mit solchen ersten und zweiten Drehungskoeffizienten nicht ausgeführt werden darf, weil dies aufgrund viel zu großer Längung des damit ausgestatteten Zahnriemens im Betrieb zu Schäden führen würde (would cause damage), siehe Seite 99 rechts Zeilen 47 bis 51.
159
Weiter wird in Versuchsreihe
(2) bei konstantem (fixed) ersten Drehungskoeffizienten von 4,2 und konstantem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 der Einfluss der Längenungleichheit (catenary) der zum Kord verdrehten Garne untersucht. Die in Figur 5 auf der horizontalen Achse aufgetragenen Zahlenwerte ergeben sich dabei, wie auf Seite 99 rechts Zeilen 12 bis 18 erläutert, aus dem prozentualen Längenunterschied zwischen dem längsten und dem kürzesten der drei Garne.
160
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161
Wie in Figur 5 zu sehen und auf Seiten 100 links Zeilen 1 bis 10 erläutert, nimmt ab einer prozentualen Längenungleichheit der Garne (catenary) von 0,8% die verbleibende Lasttragfähigkeit nach Biegewechselbeanspruchung (strength retention rate after flex fatigue), links aufgetragen, dramatisch ab (decreases dramatically). Daraus wird in Zeilen 9, 10 der Schluss gezogen, dass die
Längenungleichheit der Garne (catenary)
nicht größer als 0,8% sein darf.
162
Die aus den Versuchen
(1) und
(2) gezogenen Schlussfolgerungen, dass nämlich der zweite Drehungskoeffizient zwischen 3,5 und 5,7 liegen muss, und die Längenungleichheit nicht größer als 0,8% sein darf, entsprechen der Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) der E1.
163
Mit der weiteren Versuchsreihe
(3) wird untersucht, was getan werden kann, um die Längenungleichheit zu verbessern (improvement in the catenary), d.h. zu verringern. Wie auf Seite 100 links Zeilen 11 bis 22 mit Bezug auf Figur 6 erläutert, wird dazu bei einem konstanten (fixed) zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 der erste Drehungskoeffizient ausgehend von einem sehr kleinen Wert in sieben Schritten bis auf einen Wert von 6,3 vergrößert, siehe in Figur 6 die horizontale Achse. Die daraus jeweils resultierende Längenungleichheit (catenary) in Prozent (%) ist links auf der senkrechten Achse aufgetragen. Wie sich zeigt, wird die
Längenungleichheit umso geringer, je größer der erste Drehungskoeffizient ist. In der Beschreibung zum Diagramm der Figur 6 wird ausdrücklich festgestellt, dass deshalb der erste Drehungskoeffizient größer als 2,1 sein muss (catenary becomes smaller when primary twist factor exceeds 2.1). Der fachmännische Leser, der vorrangig das Diagramm liest, ersieht daraus, dass auch für größere erste Drehungskoeffizienten als 2,1 mit weiterer Vergrößerung des ersten Drehungskoeffizienten die Längenungleichheit (catenary) vorteilhafter Weise weiter abnimmt.
164
(roter Pfeil vom Senat hinzugefügt)
165
Die einzelnen Versuchsergebnisse sind in Figur 6 mit nicht ausgefüllten runden Punkten gekennzeichnet. Die beiden größten ersten Drehungskoeffizienten, für die je ein Versuchsergebnis eingezeichnet ist, sind ablesbar 5,25 und 6,3. Die eingezeichneten Versuchsergebnisse sind, wie üblich und auch sonst in E1, durch eine Linie verbunden. Diese Linie ist nach rechts bis über das letzte Ergebnis für den ersten Drehungskoeffizienten von 6,3 hinaus verlängert. Dabei spielt keine Rolle, wo genau die Linie endet, denn sie bringt lediglich zum Ausdruck, dass sowohl nach Erwartung des Fachmanns, der das Diagramm erstellt hat, als auch nach Erwartung des Fachmanns, der das Diagramm liest, die gemessene Tendenz, dass nämlich die Längenungleichheit (catenary) umso kleiner wird, je größer der erste Drehungskoeffizient ist, jedenfalls für erste Drehungskoeffizienten bis etwas über 6,3 gilt.
166
Dem Fachmann, der auf Grundlage der Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) der E1 einen Zahnriemen für Kraftfahrzeugmotoren mit hoher Lasttragfähigkeit (cord original strength) und hoher Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance) realisieren möchte, wird im Anspruch 1 für die Längenungleichheit (catenary) des Kords lediglich vorgegeben, dass diese nicht größer als 0,8% sein darf. Damit wird ein Bereich von 0% bis 0,8% aufgespannt, ohne dass im Anspruch 1 gelehrt wird, wo zwischen 0% und 0,8% das Optimum liegt. Letztere Frage wird jedoch wie ausgeführt durch die Versuchsreihe
(3) und die Figuren 5 und 6 beantwortet: Gemäß Figur 5 muss die Längenungleichheit so klein wie möglich sein, d.h. so nahe an 0% wie möglich, um eine möglichst hohe verbleibende Lasttragfähigkeit nach Biegewechselbeanspruchung (strength retention rate after flex fatigue) zu erreichen. Gemäß Figur 6 muss dazu bei einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 ein großer erster Drehungskoeffizient von bis zu etwas über 6,3 gewählt werden:
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167
(rote Pfeile vom Senat hinzugefügt)
168
Der Fachmann gelangt so zu einem Verhältnis von zweitem zu erstem Drehungskoeffizienten K = TM2/TM1 von etwas kleiner als 3,5 / 6,3 = 0,55 bzw. umgekehrt ausgedrückt zu einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten TM1/TM2 von etwas über 6,3 / 3,5, d.h. von
etwas über 1,8.
169
Das entspricht den Merkmalen
M4 und
V4. Der Fachmann ist somit aufgrund der Lehre der Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) der E1 in Verbindung mit den ergänzenden Informationen der Diagramme in Figuren 5 und 6 bereits ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und des erteilten Anspruchs 11 des Streitpatents gelangt.
170
2.3 Der Fachmann berücksichtigt weiter auch die zur Erfindung des Anspruchs 2 (invention of the claim 2) führenden, auf Seite 100 links Zeile 23 bis rechts Zeile 5 mit Bezug auf Figur 7 erläuterten Ergebnisse der Versuchsreihe
(4). Darin geht es darum, dass Kords mit zunehmendem Unterschied zwischen erstem und zweitem Drehungskoeffizienten eine zunehmende Neigung besitzen, sich zu krümmen (rolling). Diese wird in E1, wie auf Seite 99 rechts in Zeilen 19 bis 28 beschrieben, zahlenmäßig mit dem Begriff Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) angegeben. Der Serpentinenbewegungsindex wird ermittelt, indem ein Kord fünfzigmal schraubengewindeförmig um einen Zylinder herumgewickelt wird, dann jeweils die Abstände in Längsrichtung des Zylinders von einer bis zur nächsten Umwicklung gemessen werden, und daraus ein Zahlenwert gebildet wird, der die Ungleichheit der Abstände angibt.
171
Dieses Verfahren zur Ermittlung des Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) nimmt Bezug auf das bekannte Verfahren zur Herstellung von Zahnriemen, bei dem die Zahnriemen durch Abschneiden schmaler Streifen von einem schlauchförmigen Körper entstehen. Der lasttragende Kord 3 wird dabei in den Riemenkörper 2 eingebettet, indem er, wie auf Seite 98 rechts Zeilen 29 bis 32 angegeben, schraubengewindeförmig (in a spiral shape) um den halbfertigen schlauchförmigen Körper gewickelt wird, bevor dieser dann fertiggestellt und schließlich in die einzelnen Zahnriemen zerschnitten wird. Dabei sind möglichst gleichgroße Abstände von einer zur nächsten Umwicklung, entsprechend einem möglichst kleinen Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) erwünscht.
172
Wie in Figur 7 zu erkennen und auf Seite 100 im Übergang von der linken auf die rechte Spalte beschrieben, ist der Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) bei einem Verhältnis von zweitem zu erstem Drehungskoeffizienten (twist factor ratio) K = TM2/TM1 in der Nähe von 1 am kleinsten. Die auf Seite 100 rechts oben daraus gezogene Schlussfolgerung, dass K im Bereich von 0,7 bis 1,2 liegen soll, bzw. das streitpatentgemäße Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten TM1/TM2 im Bereich von 1,43 bis 0,83, ist die Erfindung des Anspruchs 2 (invention of claim 2) der E1.
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173
(rote Pfeile vom Senat hinzugefügt)
174
Das Diagramm der Figur 7 zeigt auch, dass der Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) außerhalb des gemäß der Erfindung des Anspruchs 2 empfohlenen Bereichs für K von 0,7 bis 1,2 vor allem bei Überschreiten der oberen Grenze (nach rechts im Diagramm) stark zunimmt, bei Unterschreiten der unteren Grenze des empfohlenen Bereichs (nach links im Diagramm) nur geringfügig zunimmt.
175
Wird also gemäß der Lehre der Figuren 5 und 6 bei einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 ein erster Drehungskoeffizient von etwas über 6,3 gewählt, entsprechend einem Wert für K von etwas unter 0,55, so steigt durch diese Unterschreitung der gemäß der Erfindung des Anspruchs 2 empfohlenen Untergrenze von K = 0,7 der Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) nur um einen sehr geringen Betrag, wie im Diagramm der Figur 7 ablesbar:
176
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen(rote Pfeile vom Senat hinzugefügt)
177
Diesem Nachteil eines geringfügig erhöhten Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) steht, wie entsprechend aus Figur 6 und 5 ablesbar, der Vorteil einer Erhöhung der verbleibenden Lasttragfähigkeit nach Biegewechselbeanspruchung (strength retention rate after flex fatigue) gegenüber und somit eine Erhöhung der Lebensdauer des Zahnriemens.
178
Es liegt dabei für den Fachmann im Rahmen seines fachmännischen Handelns, sich anhand der Lehre der E1 für das zu entscheiden, was zur Lösung der ihm jeweils vorgegebenen Aufgabe wichtiger ist:
179
Ein Fachmann, dem es, wie auch in E1 Seite 97 rechts Zeilen 1 bis 8 als Beispiel genannt, darum geht, einen Zahnriemen für Kraftfahrzeugmotoren zu realisieren, der unter hoher Last serpentinenförmig um eine Vielzahl von Riemenrädern herumlaufen und dabei vor allem eine hohe Lebensdauer erreichen muss, wählt gemäß der Lehre der Erfindung des Anspruchs 1 und der Figuren 5 und 6 bei einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 einen ersten Drehungskoeffizienten von etwas über 6,3, somit ein Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von etwas über 1,8. Dabei nimmt er die daraus gemäß Figur 7 resultierende geringfügige Erhöhung des Serpentinenbewegungsindex in Kauf. Denn er erhält so einen Zahnriemen mit herausragender Biegeermüdungsfestigkeit (flex fatigue resistance) und somit verlängerter Lebensdauer (fatigue life), wie auf Seite 100 rechts in Zeilen 10 bis 13 ausdrücklich als Effekt der Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) angegeben (outstanding flex fatigue resistance, so flex fatigue resistance during high-load driving is improved, and the fatigue life of the belt is significantly extended).
180
Wenn dagegen beispielsweise die Biegeermüdungsfestigkeit nicht allein im Vordergrund steht, sondern auch der Serpentinenbewegungsindex eine gewisse Berücksichtigung finden soll, wählt der Fachmann auch etwas kleinere Werte für den ersten Drehungskoeffizienten im Bereich der in Figur 6 dargestellten untersuchten Werte von 6,3 bis 5,25, entsprechend einem etwas kleineren Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten TM1/TM2 im Bereich von
1,8 bis 1,5. Auch diese Abwägung liegt im Rahmen seines fachmännischen Handelns.
181
Der Fachmann gelangt so auch unter Berücksichtigung der Erfindung des Anspruchs 2, d.h. der vollständigen Lehre der E1, ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 11 des Streitpatents.
182
2.4 Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die E1 offenbare nur eine einzige Erfindung mit allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 2 der E1. Dem steht allerdings schon der Wortlaut der E1 entgegen, die immerhin viermal die Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) und die Erfindung des Anspruchs 2 (invention of claim 2) ausdrücklich nennt und einander gegenüberstellt, nämlich
183
zum ersten Mal auf Seite 98 links Zeilen 36 bis 45,
184
zum zweiten Mal auf Seite 98 links Zeile 47 bis rechts Zeile 9,
185
zum dritten Mal auf Seite 98 rechts Zeilen 11 bis 20 und
186
zum vierten Mal auf Seite 100 rechts Zeilen 7 bis 19.
187
Darüber hinaus ist für den Fachmann wie ausgeführt aufgrund der Beschreibung und der weiteren Informationen der Diagramme in den Figuren 5 bis 7 erkennbar, dass in E1 auf die Erfindung des Anspruchs 1 (invention of claim 1) als von der Erfindung des Anspruchs 2 (invention of claim 2) unabhängige Erfindung deshalb so viel Wert gelegt wird, weil das Maximum des auf Seite 100 rechts in Zeilen 7 bis 13 angegebenen Effekts der Erfindung des Anspruchs 1 (outstanding flex fatigue resistance, so flex fatigue resistance during high-load driving is improved, and the fatigue life of the belt is significantly extended) außerhalb des mit der Erfindung des Anspruchs 2 angegebenen Bereichs für den twist factor ratio K erreicht wird (0.7<= K <= 1.2), nämlich für Werte von K < 0,7.
188
Die Beklagte hat angeführt, dass auf Seite 100 rechts in Zeile 4 bei der Beschreibung der Erfindung des Anspruchs 2 das Wort „muss“ benutzt wird, um auszudrücken, dass K zwischen 0,7 und 1,2 liegen müsse. Der Fachmann, der jedoch nicht nur den von der Beklagten zitierten Satzteil liest (this ratio must be set to [be] within the range 0.7-1.2), sondern den gesamten Satz (
in order to reduce the amount of serpentine motion, this ratio must be set to within the range 0.7-1.2) in seinem Zusammenhang als Teil der Beschreibung der Erfindung des Anspruchs 2, entnimmt diesem, dass hier nicht die Lehre der E1 zusammengefasst wird, sondern lediglich ausgesagt wird, was getan werden muss,
wenn gemäß der Erfindung des Anspruchs 2 (invention of the claim 2) ein möglichst niedriger Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) angestrebt wird.
189
Die Beklagte hat weiter eingewendet, die in der Entgegenhaltung E1 gelehrten, materialabhängig berechneten ersten und zweiten Drehungskoeffizienten entsprächen nicht den materialunabhängigen ersten und zweiten Drehungskoeffizienten des Streitpatents. Dies trifft zwar insoweit zu, als die gemäß E1 Seite 97 rechts Zeilen 15 bis 22 mit einer Materialkonstante von 68 für Aramid berechneten Drehungskoeffizienten der E1 erst mit dem Faktor 68 / √5315 umgerechnet werden müssen, bevor sie mit den Drehungskoeffizienten des Streitpatents verglichen werden können. Es führt im Hinblick auf den erteilten Anspruch 1 des Streitpatents jedoch zu keinem anderen Ergebnis, da dieser im Merkmal M4 lediglich ein Verhältnis von erstem geteilt durch den zweiten Drehungskoeffizienten vorgibt (TM1/TM2), und sich dabei die Umrechnung herauskürzt.
190
Die Behauptung der Beklagten, der Fachmann würde der E1 entnehmen, dass die Diagramme keine Messergebnisse, sondern Schätzungen darstellten, und ihnen deshalb keine quantitativen Ergebnisse entnommen werden könnten, steht im Widerspruch zum Wortlaut der E1, wonach in den Diagrammen ausdrücklich Messergebnisse dargestellt sind, nämlich
191
laut Seite 99 rechts Zeilen 34, 35 zur Versuchsreihe (1) in den Figuren 3 und 4 (results of testing),
192
laut Seite Seite 100 links Zeile 3 zur Versuchsreihe (2) in Figur 5 (test results),
193
laut Seite 100 links Zeile 12 zur Versuchsreihe (3) in Figur 6 (test results)
194
und laut Seite 100 links Zeile 26 zur Versuchsreihe (4) in Figur 7 (test results).
195
Auch die zum Beleg dieser Behauptung angeführte weitere Behauptung der Beklagten, aus E1 gehe hervor, dass insgesamt nur ein einziger Riemen getestet worden sei, geht am Wortlaut der Beschreibung der Versuchsreihen (1) bis (4) vorbei, siehe oben (results of testing / test results / test results/ test results). Der von der Beklagten dazu zitierte Begriff des einen Testriemens (one sample belt) ist Teil der Beschreibung der Durchführung der Versuche (tests) ab Seite 99 links Zeile 35. Darin ist in Zeilen 44 bis 51 erläutert, dass jeweils ein Testriemen (one sample belt) auf dem in Figur 2 dargestellten Prüfstand einer Biegewechselbeanspruchung unterzogen wurde, dass also die ab Seite 99 rechts Zeile 28 beschriebenen Versuchsergebnisse (test results) erhalten wurden, indem die verschiedenen Riemen nacheinander auf diesem Prüfstand betrieben wurden.
196
Die Behauptung der Beklagten, der Fachmann würde der E1 entnehmen, dass die Diagramme keine Messergebnisse darstellten, lässt sich auch nicht mit ihrer weiteren Behauptung stützen, auf Seite 99 rechts Mitte (Zeilen 26, 27) sei ausgesagt, dass die Serpentinenbewegung berechnet und dafür „ein fiktives Verdrehungsfaktorenverhältnis von 1 angenommen“ worden sei. Weder in dem betreffenden Absatz von Zeile 19 bis 27 noch sonst in der E1 ist von „angenommenen“, „fiktiven“ Verdrehungsfaktorenverhältnissen die Rede oder davon, dass die Serpentinenbewegung berechnet worden sei. Vielmehr ist in Zeilen 19 bis 26 erläutert, wie für die mit verschiedenen Verhältnissen von zweitem zu erstem Drehungskoeffizienten (twist factor ratio K) ausgeführten Kords jeweils der Serpentinenbewegungsindex (serpentine motion index) gemessen (measured) wurde.
197
Der hier auftauchende Begriff „calculated“ ist Teil einer Erläuterung zur Darstellung der Messergebnisse im Diagramm der Figur 7. Demnach wurde für die Darstellung der Messergebnisse der für das Verhältnis von zweitem zu erstem Drehungskoeffizienten K = 1 erhaltene Messwert als Referenzwert (baseline) verwendet. Es wurde also – wie fachmännisch üblich, wenn es nicht auf die absolute Größe, sondern auf einen Vergleich von Werten ankommt – jedes der für die verschiedenen Drehungskoeffizientenverhältnisse K erhaltenen Messergebnisse durch das für das Drehungskoeffizientenverhältnis K = 1 erhaltene Messergebnis geteilt, um so die in Figur 7 dargestellten Werte zu erhalten, die sich auf einer mit „1“ beginnenden Skala auftragen lassen und so einen einfachen Vergleich ermöglichen.
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198
(rote Linien und Einkreisung vom Senat hinzugefügt)
199
Die Behauptung der Beklagten, der Fachmann würde der E1 entnehmen, dass die Diagramme entgegen dem Wortlaut der E1 (results of testing) keine Messergebnisse, sondern Schätzwerte darstellten, lässt sich ebenfalls nicht mit ihrer weiteren Behauptung stützen, der Fachmann würde die auf Seite 99 rechts Zeilen 32 bis 38 angegebenen Werte nachrechnen und dabei feststellen, dass mit den Werten aus E1 etwas nicht stimme.
200
Auf Seite 99 rechts Zeilen 32 bis 38 der E1 ist angegeben, dass die verwendeten Garne eine Stärke von 2 mal 1500 = 3000 denier besaßen und aus Aramid bestanden, dass also gemäß Seite 97 rechts Zeilen 15 bis 23 der Drehungskoeffizient TM1 der Garne mit einer Materialkonstanten von k = 68 zu berechnen ist. Weiter ist angegeben, dass sie
20 Umdrehungen pro 10 cm Länge aufwiesen. Dieser Wert ist wegen 10 cm = 3,94 Zoll durch 3,94 zu teilen, um den Wert t (twist count) zu erhalten, der in die Formel zur Berechnung des Drehungskoeffizienten TM gemäß Seite 97 rechts Zeile15 einzusetzen ist. Die 20 Umdrehungen pro 10 cm Länge ergaben gemäß Seite 99 rechts Zeile 38 einen ersten Drehungskoeffizienten TM von
4,2 (primary twist factor was 4.2).
201
Die Beklagte hat ausgeführt, der Fachmann hätte durch Einsetzen des angegebenen Werts für t von
20 Umdrehungen pro 10 cm Länge in die Formel zur Berechnung des Drehungskoeffizienten TM das Ergebnis TM=
4,09 statt
4,2 erhalten und so erkannt, dass mit den Werten etwas nicht stimme.
202
Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass der Fachmann die angegebenen Werte auf jeden Fall nachrechnet. Er stellt dabei jedoch nicht fest, dass mit den Werten etwas nicht stimmt. Denn der Fachmann weiß, dass mit der Anzahl der Stellen, mit denen ein Messergebnis oder Rechenergebnis angegeben ist („geltende Stellen / gültige Ziffern“), eine Information über die Genauigkeit des jeweiligen Wertes verknüpft ist. So enthält die auf ganze Zahlen gerundete Angabe „20“ für den twist count k die Information, dass der Wert zwischen 19,5 und 20,5 liegt, und die auf eine Nachkommastelle gerundete Angabe „4,2“ für den twist factor TM die Information, dass der Wert zwischen 4,15 und 4,25 liegt.
203
Das von der Beklagten genannte Ergebnis TM = 4,09 kommt zwar tatsächlich heraus, wenn für t statt 20 wie in E1 angegeben ein Wert von 20,0 Umdrehungen pro 10 cm Länge eingesetzt wird:
204
TM = t • √denier / k
205
4,09 = (20,0 / 3,94) • √3000 / 68
206
Das Nachrechnen des Fachmanns zur Überprüfung der angegebenen Werte führt jedoch zu dem Ergebnis, dass sich durch Einsetzen eines zwischen 19,5 und 20,5 liegenden Wertes für den twist count k tatsächlich ein Drehungskoeffizient TM im Bereich von 4,15 bis 4,25 ausrechnen lässt, dass also die angegebenen Werte „20“ und „4,2“ zueinander passen.
207
Genauer gesagt erkennt der Fachmann durch sein Nachrechnen, dass der tatsächliche Wert für den gerundet als „20“ angegebenen twist count k im oberen Teil des damit aufgespannten Bereichs von 19,5 bis 20,5 liegen muss, zwischen 20,3 und 20,5, da sich ab 20,3 ein auf „4,2“ aufzurundendes Ergebnis für den Drehungskoeffizienten TM von mehr als 4,15 ergibt:
208
TM = t • √denier / k
209
4,15 = (20,3 / 3,94) • √3000 / 68
210
4,2 = (20 / 3,94) • √3000 / 68
211
3. Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 11 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun auch aus der Entgegenhaltung
E4.
212
3.1 Die Entgegenhaltung E4, siehe insbesondere den ersten Absatz der Beschreibung, betrifft einen Endlosriemen (endless power transmission belt 20) in Form eines Keilriemens (V-belt) mit einem gemäß Spalte 3 Zeilen 53 bis 57 aus drei Abschnitten (sections 24, 25, 26) bestehenden elastomeren Riemenkörper (each of the sections 24, 25, and 26 of the belt 20 is preferably made primarily of a polymeric material in the form of a rubber compound) und einem darin eingebetteten lasttragenden Kord, siehe Spalte 3 Zeilen 29 bis 35 (the load-carrying cord 30 is suitably embedded …). Das entspricht den Merkmalen
M1 bis M3.
213
Gemäß dem Absatz im Übergang von Spalte 2 auf 3 umfasst der Kord (cord 30) drei Garne (plies 33), die jeweils eine erste Drehung (twisted in one direction) entsprechend einem ersten Drehungskoeffizienten (twist multiplier) aufweisen, und der Kord (cord 30) weist eine zweite Drehung (secondary twist) entsprechend einem zweiten Drehungskoeffizienten (twist multiplier) in entgegengesetzter Richtung auf (twisted in an opposite direction). Das entspricht den Merkmalen
M3.1 und
M3.2.
214
Die Garne (plies 33) sind durch Verdrehen von jeweils zwei Basisgarnen (yarns) gebildet, die ihrerseits bereits eine Drehung aufweisen (twisted yarns 31), wie auch für die streitpatentgemäßen Basisgarne (dort: Base Yarns) als mögliche Alternative (twisted yarn) zu Basisgarnen ohne Drehung (yarn with no twist) vorgesehen ist, siehe in der Streitpatentschrift Absatz [0030] Zeilen 27 bis 29.
215
Mit der Beschreibung der aufeinanderfolgenden Schritte des ersten und zweiten Verdrehens, nämlich der zwei Basisgarne (yarns) zum Garn (ply) und der drei Garne (plies) zum Kord (cord) in E4 von Spalte 2 Zeile 56 bis Spalte 3 Zeile 4 und den in Spalte 4 Zeilen 67, 68 angegebenen Materialien für die Basisgarne, wie u.a. Aramid, entspricht das auch den Merkmalen
V1 bis V3, und
V3.0 bis V3.2 des Anspruchs 11.
216
3.2 Die E4 lehrt, siehe den zweiten und dritten Absatz, den Keilriemen (V-belt, trapezoidal endless power transmission belt) mit einem lasttragenden Kord (load-carrying cord) auszuführen, der hoch verdreht ist (highly twisted), um eine verbesserte Biegeermüdungsfestigkeit (improved resistance to flex induced fatigue failure) zu erreichen.
217
Dazu soll gemäß E4 Spalte 2 Zeilen 49 bis 52 der Drehungskoeffizient (twist multiplier) des Kords (cord 30), d.h. in den Worten des Streitpatents der zweite Drehungskoeffizient, im Bereich von 4 – 8 liegen (within the range of 4 – 8). Weiterhin soll gemäß E4 Spalte 2 Zeilen 64 bis 66 auch der Drehungskoeffizient (twist multiplier) des Garns (ply 33), d.h. in den Worten des Streitpatents der erste Drehungskoeffizient, im Bereich von 4 – 8 liegen (within the range of 4 – 8).
218
Hier ist zusätzlich angegeben, dass auch die Basisgarne (yarns 31), aus dem die Garne (plies 33) gebildet sind, einen Drehungskoeffizienten im Bereich von 4 – 8 aufweisen sollen; darauf kommt es jedoch nicht an, da das Streitpatent hierzu keine Angaben macht, siehe dort Absatz [0030] Zeilen 27 bis 29.
219
Der erste und zweite Drehungskoeffizient werden in E4 mit der dem Fachmann bekannten Formel
220
TM = TPI • √denier / K (in E4 geschrieben als: TM = t
X d
1/2 / K )
221
berechnet, siehe Spalte 2 Zeilen 43 bis 48, Spalte 5 Zeilen 21 bis 29 und Spalte 6 Zeilen 13 bis 19 in Verbindung mit der jeweiligen Berichtigung „/ K“ statt „
X K“ auf der Rückseite der E4. Die Konstante „K“ ist materialabhängig. In Spalte 5 Zeilen 6 bis 8 sind dafür Werte von 68 für Aramid, 73 für Nylon und Polyester und 90 für Glasfaser genannt. Diese Materialien sind auch in Spalte 4 Zeilen 67, 68 als mögliche Materialien für den Kord genannt.
222
Gemäß dem Ausführungsbeispiel der E4 ist der Kord (cord 30) aus drei Garnen (plies 33) gebildet, siehe Spalte 3 Zeile 2 und die Figur 3, Ziffern 33, 33 und 33. Die drei Garne (plies 33) weisen eine gleich große Stärke auf, das ist in Figur 3 zu erkennen und ergibt sich auch daraus, dass gemäß Spalte 2 Zeile 67 bis Spalte 3 Zeile 2 jedes Garn (ply) aus zwei Basisgarnen (yarns) gebildet ist, die gemäß Spalte 2 Zeilen 56, 57 eine gleich große Stärke (same size) aufweisen.
223
In der Beschreibung und den Ansprüchen ist teilweise anstelle des ersten und zweiten Drehungskoeffizienten (twist multiplier, TM) für das Garn und den Kord die Verdrehung in Umdrehungen pro Zoll Länge (twist, t) für das Garn und den Kord angegeben. Die unterschiedlichen Angaben sind jedoch für den Fachmann ineinander umrechenbar. Denn ein gemäß dem Ausführungsbeispiel aus drei Garnen, gebildeter Kord besteht zwangsläufig aus demselben Material mit derselben Materialkonstante (K2 = K1 = K) wie die Garne aus denen er gedreht wurde, und er weist eine dreimal so hohe Stärke auf wie jedes einzelne der drei Garne (denier2 = 3•denier1). Deshalb entspricht das streitpatentgemäße Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten (TM1 / TM2) dem Verhältnis der angegebenen Umdrehungen pro Zoll Länge (t1 / t2) geteilt durch Wurzel aus drei (√3), alles andere kürzt sich heraus:
224
In Spalte 4 Zeilen 46 bis 50 ist angegeben, dass bei einer Anwendung der Erfindung eine Verdrehung der Basisgarne (yarns) zum Garn (ply) von 5,2 Umdrehungen pro Zoll (t1 = 5,2) und eine Verdrehung der Garne (plies) zum Kord (cord) von 2,2 Umdrehungen pro Zoll (t2 = 2,2) ausgeführt wurde. Dem entspricht bei einem aus drei Garnen gebildeten Kord ein streitpatentgemäßes Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten TM1 / TM2 = 5,2 / (2,2 • √3) = 1,36.
225
Im Anspruch 19 ist eine Variante angegeben, bei der die Verdrehung (twist, t2) der Garne (plies) zum Kord ungefähr so groß sein soll (approximately equal) wie die Verdrehung (twist, t1) der Basisgarne (yarns) beim Verdrehen zum Garn (ply). Dem entspricht bei einem aus drei Garnen gebildeten Kord ein streitpatentgemäßes Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von ungefähr TM1 / TM2 = 1 / √3 = 0,58.
226
Im Anspruch 20 ist eine andere Variante angegeben, bei der die Verdrehung (twist, t2) der Garne (plies) zum Kord weniger als halb so groß sein soll (less than half), wie die Verdrehung (twist, t1) der Basisgarne (yarns) beim Verdrehen zum Garn (ply). Umgekehrt ausgedrückt soll t1 mehr als zwei Mal so groß sein wie t2 (t1 / t2 > 2). Dem entspricht bei einem aus drei Garnen gebildeten Kord ein streitpatentgemäßes Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von größer als TM1 / TM2 = 2 / √3 = 1,15.
227
Aus Anspruch 20 ergibt sich lediglich eine untere Grenze für das Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von 1,15. Eine obere Grenze für das Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten ist in Anspruch 20 nicht angegeben. Die obere Grenze ergibt sich aber daraus, dass gemäß der Lehre der E4 der erste Drehungskoeffizient nicht größer als 8 und der zweite nicht kleiner als 4 sein kann, das Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten also nicht größer als 2 sein kann.
228
In den so eröffneten Bereich von 1,15 bis 2 fällt auch das in Spalte 4 Zeilen 46 bis 50 angegebene Beispiel mit dem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von 1,36.
229
Die Ansprüche 19 und 20 eröffnen somit eine große Bandbreite unterschiedlicher Verhältnisse von erster zu zweiter Verdrehung (twist) bzw. in den Worten des Streitpatents ausgedrückt unterschiedlicher Verhältnisse von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten (twist multiplier), nämlich einerseits einen Wert von 0,58 und andererseits einen Bereich von 1,15 bis 2 – ohne aber zu erläutern, was mit diesen unterschiedlichen Werten erreicht wird. Daher muss der von E4 ausgehende Fachmann selbst Versuche dazu durchführen, wie sich das Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten auf die gemäß E4 angestrebten Ziele einer hohen Biegeermüdungsfestigkeit (improved resistance to flex induced fatigue failure) und – weil der Riemen der E4 zur Leistungsübertragung (power transmission) eingesetzt wird – einer hohen Lasttragfähigkeit auswirkt.
230
Für den Versuch mit dem Verhältnis des Anspruchs 19 kann aufgrund der in E4 gelehrten Untergrenze von 4 und Obergrenze von 8 für sowohl den ersten als auch zweiten Drehungskoeffizienten der zweite Drehungskoeffizient nur im Bereich von 6,9 bis 8 gewählt werden, weil sich sonst, mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von kleiner als 6,9 (multipliziert mit 0,58), ein erster Drehungskoeffizient von kleiner als 4 ergäbe. Umgekehrt ausgedrückt, mit dem ersten Drehungskoeffizienten als Ausgangspunkt, kann dieser nur im Bereich von 4 bis 4,6 gewählt werden, weil sich sonst, mit einem ersten Drehungskoeffizienten von größer als 4,6 (geteilt durch 0,58), ein zweiter Drehungskoeffizient von größer als 8 ergäbe. Der Fachmann kann also eine Kombination des ersten und zweiten Drehungskoeffizienten im Bereich von 4 kombiniert mit 6,9 bis 4,6 kombiniert mit 8 wählen.
231
Der resultierende Kord aus drei Garnen mit z.B. einem zweiten Drehungskoeffizienten von 6,9 i.V.m. einem ersten Drehungskoeffizienten von 4 oder einem zweiten Drehungskoeffizienten von 8 i.V.m. einem ersten Drehungskoeffizienten von 4,6 entspricht nahezu dem in E1 untersuchten Kord aus drei Garnen mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 7,1 i.V.m. einem ersten Drehungskoeffizienten von 4,2, siehe in E1 Figur 4 ganz rechts. Der Versuch mit diesem Kord führt daher – auch ohne dass der Fachmann die E1 kennt – zu einem vergleichbaren Ergebnis, nämlich, dass diese Kombination mit einem sehr großen zweiten Drehungskoeffizienten in unvorteilhafter Weise zu einer sehr geringen Lasttragfähigkeit führt.
232
Für die Versuche im Verhältnisbereich des Anspruchs 20 ergibt sich, dass ein zweiter Drehungskoeffizient von 4 gewählt werden muss, da nur in Verbindung mit diesem Wert das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten von 1,15 bis 2 variiert werden kann, ohne mit dem ersten Drehungskoeffizienten, für den sich dabei Werte von 4 • 1,15 = 4,6 bis 4 • 2 = 8 ergeben, die in E4 gelehrte Obergrenze von 8 zu überschreiten.
233
Die resultierenden Kords aus drei Garnen mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 4 i.V.m. einem jeweils unterschiedlichen ersten Drehungskoeffizienten von 4,6 bis 8 entsprechen nahezu den in E1 untersuchten Kords aus drei Garnen mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 i.V.m. einem ersten Drehungskoeffizienten von bis zu 6,3, siehe in E1 Figur 6. Die Versuchsreihe mit diesen Kords führt daher – auch ohne dass der Fachmann die E1 kennt – zu einem vergleichbaren Ergebnis, nämlich, dass der erste Drehungskoeffizient deutlich größer sein muss als der zweite, um eine hohe Biegeermüdungsfestigkeit zu erreichen, vergleiche in E1 die Figuren 6 und 5. Der Fachmann gelangt so in naheliegender Weise zu einem Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten im Bereich von größer als 1,5 bis zur aus E4 sich ergebenden Obergrenze von 2.
234
Das entspricht dem Merkmal
M4 und dem Merkmal
V4. Der Fachmann ist somit auch aufgrund der Lehre der E4 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 11 des Streitpatents gelangt.
235
3.3 Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Fachmann hätte den Angaben in Spalte 2 Zeilen 49 bis 52 und Zeilen 64 bis 66, wonach der zweite Drehungskoeffizient im Bereich von 4 – 8 und der erste Drehungskoeffizient ebenfalls im Bereich von 4 – 8 liegen solle, die Anweisung entnommen, dass der erste und zweite Drehungskoeffizient nicht nur je aus diesem Bereich, sondern auch beide stets gleich groß zu wählen seien, so dass sich also ein stets gleich großes Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizient von 1 ergebe. Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu den in E4 explizit angegebenen Werten für das Verhältnis von erster zu zweiter Verdrehung (twist, t), das gemäß Spalte 4 Zeilen 46 bis 50 einen Wert von t1 / t2 = 5,2 / 2,2 = 2,4 haben kann, gemäß Anspruch 19 dagegen ein Verhältnis t1 / t2 = 1, was zwangsläufig zu entsprechend unterschiedlich großen Verhältnissen von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten (twist factor, t) führt.
III.
236
Auch in der Fassung nach dem
Hilfsantrag 1 steht dem Streitpatent der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegen (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ).
237
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Hilfsantrag 1, mit dem die Beklagte neue Patentansprüche durch Aufschlüsselung des erteilten Anspruchs 1 in drei unabhängige Ansprüche 1 bis 3 formuliert hat und den Anspruch 12 gegenüber dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 in vier Alternativen aufgeschlüsselt hat, zulässig ist. Denn das Streitpatent erweist sich jedenfalls in dieser Fassung als nicht patentfähig.
238
1. In der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 sind in den Ansprüchen 1 bis 3 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 die folgenden Beschränkungen vorgesehen:
239
Gemäß dem Merkmal
MI5-1 des Anspruchs 1 muss der zweite Drehungskoeffizient größer als 1,8 und kleiner als 3,5 sein.
240
Gemäß dem Merkmal
MI5-2 des nebengeordneten Anspruchs 2 muss der erste Drehungskoeffizient im Bereich zwischen 4 und 6 liegen.
241
Gemäß dem Merkmal
MI4-3 des nebengeordneten Anspruchs 3 muss das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten größer als 1,8 sein.
242
Der nebengeordnete Anspruch 4 nach Hilfsantrag 1 entspricht dem nicht angegriffenen erteilten Anspruch 2 und ist damit nicht Gegenstand des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens.
243
Beim nebengeordneten Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 das Merkmal V4, jetzt
VI4, dahingehend geändert, dass das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten nicht mehr nur „wenigstens“ 1,5, sondern nun „größer als“ 1,5 sein muss, womit nun also, wie im Merkmal M4 des Anspruchs 1, der Wert „1,5“ nicht mehr mit umfasst ist. Weiterhin kommt gegenüber dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 das Merkmal VI5 hinzu, das vier Alternativen umfasst.
244
Die Alternative
VI5 (i) entspricht dem Merkmal MI5-1 des Anspruchs 1.
245
Die Alternative
VI5 (ii) entspricht dem Merkmal MI5-2 des nebengeordneten Anspruchs 2.
246
Die Alternative
VI5 (iii) entspricht dem Merkmal MI5-3 des nebengeordneten Anspruchs 3.
247
Gemäß der Alternative
VI5 (iv) muss der Riemenkörper gegossenes Urethan umfassen bzw. wenigstens teilweise aus gegossenem Urethan bestehen. Weiter muss der Riemen ein Keilrippenriemen, ein Keilriemen, ein Zahnriemen oder ein Flachriemen sein. Diese Angaben entstammen dem nicht angegriffenen erteilten Vorrichtungsanspruch 2, werden hier jedoch zur Beschränkung des angegriffenen erteilten Verfahrensanspruchs 11 herangezogen.
248
Die Alternative VI5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 ist daher – anders als der mit dem nicht angegriffenen erteilten Anspruch 2 übereinstimmende Anspruch 4 nach Hilfsantrag 1 – Gegenstand des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens.
249
2. Die Gegenstände der Ansprüche 1, 2 und 3 nach Hilfsantrag 1 und die Alternativen VI5 (i), (ii), (iii), und (iv) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun aus der Entgegenhaltung
E1.
250
Wie bereits im Abschnitt II.2 zu den erteilen Ansprüchen 1 und 11 ausgeführt, gelangt der Fachmann aufgrund der Lehre der E1 in naheliegender Weise zu einem Endlosriemen und einem Verfahren zum Herstellen eines Endlosriemens mit einem lasttragenden Kord mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 und einem ersten Drehungskoeffizienten von 5,25 bis zu etwas über 6,3.
251
Diese Drehungskoeffizienten sind in E1 für einen Kord aus Aramid angegeben, siehe dazu den Anspruch 1, und dementsprechend gemäß Seite 97 rechts Zeilen 15 bis 22, insbesondere Zeile 22, mit einer Materialkonstante von 68 berechnet.
252
Sie müssen daher, wie bereits im Abschnitt II.1 erläutert, für die Prüfung der Patentfähigkeit mit 68/√5315 multipliziert werden, um mit den Drehungskoeffizienten gemäß der Definition des Streitpatents vergleichbar zu sein.
253
Der zweite Drehungskoeffizient von 3,5 und der erste Drehungskoeffizient von 5,25 bis etwas über 6,3 gemäß der E1 entsprechen daher einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,26 und einem ersten Drehungskoeffizienten von 4,90 bis zu etwas über 5,88 gemäß der Definition des Streitpatents.
254
Demnach ist der zweite Drehungskoeffizient mit 3,26 größer als 1,8 und kleiner als 3,5, das entspricht dem Merkmal
MI5-1 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und der Alternative
VI5 (i) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
255
Der erste Drehungskoeffizient liegt mit 4,90 bis zu etwas über 5,88 im Bereich zwischen 4 und 6. Das entspricht dem Merkmal
MI5-2 des Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 1 und der Alternative
VI5 (ii) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
256
Ein erster Drehungskoeffizient von etwas größer als 6,3 in Verbindung mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,5 gemäß der Lehre der E1 ergibt ein Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten von etwas größer als 1,8. Das entspricht dem Merkmal
MI4-3 des Anspruchs 3 nach Hilfsantrag 1 und der Alternative
VI5 (iii) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
257
Der Riemen der E1 ist gemäß Seite 97 links Anspruch 1 ein Zahnriemen (toothed belt). Auf Seite 98 rechts Zeile 37 wird als Material für den Riemenkörper Urethan (polyurethane rubber) genannt. Eine übliche Verarbeitungsweise von Polyurethan ist Gießen. Der Fachmann gelangt so ohne erfinderisches Zutun auch zur Alternative
VI5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
258
3. Die Gegenstände der Ansprüche 2 und 3 nach Hilfsantrag 1 und die Alternativen VI5 (ii) und (iii) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun auch aus der Entgegenhaltung
E4. Der Fachmann gelangt weiterhin ausgehend von der Entgegenhaltung E4 auch in naheliegender Weise zum Gegenstand der Alternative VI5 (iv) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
259
Wie bereits im Abschnitt II.3 zu den erteilen Ansprüchen 1 und 11 ausgeführt, gelangt der Fachmann aufgrund der Lehre der E4 in naheliegender Weise zu einem Endlosriemen und einem Verfahren zum Herstellen eines Endlosriemens mit einem lasttragenden Kord mit einem zweiten Drehungskoeffizienten von 4 und einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten im Bereich von größer als 1,5 bis zur aus E4 sich ergebenden Obergrenze von 2, entsprechend einem ersten Drehungskoeffizienten im Bereich von 6 bis 8.
260
Diese Drehungskoeffizienten sind gemäß E4 Spalte 5 Zeilen 3 bis 8 mit einer materialabhängigen Konstante K berechnet und müssen dementsprechend umgerechnet werden, um zu Drehungskoeffizienten gemäß der Definition des Streitpatents zu gelangen. Wählt der Fachmann aus den in Spalte 4 Zeilen 67, 68 angegebenen Materialien Aramid aus, für das in Spalte 5 Zeilen 7,8 eine Materialkonstante von 68 angegeben ist, so müssen sie die Drehungskoeffizienten für die Prüfung der Patentfähigkeit mit 68/√5315 multipliziert werden, um mit den Drehungskoeffizienten gemäß der Definition des Streitpatents vergleichbar zu sein. Der zweite Drehungskoeffizient von 4 und der erste Drehungskoeffizient im Bereich von 6 bis 8 gemäß der E4 entsprechen daher einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,73 und einem ersten Drehungskoeffizienten im Bereich von 5,60 bis 7,46 gemäß der Definition des Streitpatents.
261
Der Bereich von 5,60 bis 7,46 des ersten Drehungskoeffizienten überschneidet sich mit dem im Merkmal
MI5-2 des Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 1 und in der Alternative
VI5 (ii) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 genannten Bereich von 4 bis 6.
262
Der Bereich von größer als 1,5 bis 2 des Verhältnisses von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten überschneidet sich mit dem im Merkmal
MI4-3 des Anspruchs 3 nach Hilfsantrag 1 und in der Alternative
VI5 (iii) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 genannten Bereich von größer als 1,8.
263
Der Riemen der E4 ist gemäß Spalte 1 Zeile 6 ein Keilriemen (V-belt). Als Material für den Riemenkörper ist lediglich in Spalte 3 Zeilen 53 bis 55 sammelbegriffsartig eine Gummimischung (a rubber compound) als Material genannt. Um zu einer konkreteren Materialangabe zu gelangen, recherchiert der Fachmann daher nach geeigneten Materialien für Riemenkörper und findet die E1, die auf Seite 98 rechts Zeile 37 als Material für den Riemenkörper Urethan (polyurethane rubber) nennt. Eine übliche Verarbeitungsweise von Polyurethan ist Gießen. Der Fachmann gelangt so auch ausgehend von der E4 ohne erfinderisches Zutun zur Alternative
VI5 (iv) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1.
IV.
264
Auch in der Fassung nach dem
Hilfsantrag 2 steht dem Streitpatent der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegen (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ).
265
Es kann deshalb auch dahinstehen, ob der Hilfsantrag 2, mit dem die Beklagte wie schon zum Hilfsantrag 1 ebenfalls neue Patentansprüche durch Aufschlüsselung des erteilten Anspruchs 1 in drei unabhängige Ansprüche 1 bis 3 formuliert hat und den Anspruch 12 gegenüber dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 in vier Alternativen aufgeschlüsselt hat, zulässig ist. Denn das Streitpatent erweist sich auch in dieser Fassung jedenfalls als nicht patentfähig.
266
1. In der Fassung nach dem Hilfsantrag 2 sind in den Ansprüchen 1 bis 3 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 die folgenden Beschränkungen vorgesehen:
267
Gemäß dem Merkmal
MII5-1 des Anspruchs 1 muss der zweite Drehungskoeffizient größer als 1,8 und kleiner als 3,2 sein.
268
Gemäß dem Merkmal
MII5-2 des nebengeordneten Anspruchs 2 muss der erste Drehungskoeffizient im Bereich zwischen 4 und 5,8 liegen.
269
Gemäß dem Merkmal
MII4-3 des nebengeordneten Anspruchs 3 muss das Verhältnis des ersten zum zweiten Drehungskoeffizienten größer als 2,0 sein.
270
Der nebengeordnete Anspruch 4 nach Hilfsantrag 2 entspricht dem nicht angegriffenen erteilten Anspruch 2 und ist damit nicht Gegenstand des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens.
271
Der nebengeordnete Anspruch 12 nach Hilfsantrag 2 entspricht in seinem Aufbau dem Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1, wobei die Alternativen
VII5 (i),
VII5 (ii) und
VII5 (iii) den Merkmalen MII5-1, MII5-2 und MII5-3 der Ansprüche 1, 2 und 3 nach Hilfsantrag 2 angepasst wurden.
272
Die vierte Alternative
VII5 (iv) stimmt überein mit der vierten Alternative VI5 (iv) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 und ist wie diese auf Patentfähigkeit zu prüfen.
273
2. Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 2 und die Alternativen VII5 (ii) und VII5 (iv) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun aus der Entgegenhaltung
E1.
274
Wie bereits im Abschnitt III.2 zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, gelangt der Fachmann aufgrund der Lehre der E1 in naheliegender Weise zu einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,26 und einem ersten Drehungskoeffizienten in einem Bereich von 4,90 bis zu etwas über 5,88 gemäß der Definition des Streitpatents.
275
Der Bereich von 4,90 bis zu etwas über 5,88 des ersten Drehungskoeffizienten überschneidet sich mit dem im Merkmal
MII5-2 des nebengeordneten Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 2 und in der Alternative
VII5 (ii) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2 genannten Bereich von 4 bis 5,8.
276
Wie ebenfalls im Abschnitt III.2. zur Entgegenhaltung E1 ausgeführt, gelangt der Fachmann aufgrund der Lehre der E1 auch ohne erfinderisches Zutun zur Alternative VI5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 und somit auch zur damit übereinstimmenden Alternative
VII5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2.
277
3. Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 2 und die Alternative VII5 (ii) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2 ergeben sich für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun auch aus der Entgegenhaltung
E4. Der Fachmann gelangt weiterhin ausgehend von der Entgegenhaltung E4 auch in naheliegender Weise zum Gegenstand der Alternative VII5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2.
278
Wie bereits im Abschnitt III.3. zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, gelangt der Fachmann aufgrund der Lehre der E4 in naheliegender Weise zu einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,73 und einem ersten Drehungskoeffizienten in einem Bereich von 5,6 bis 7,46 gemäß der Definition des Streitpatents.
279
Der Bereich von 5,6 bis 7,46 des ersten Drehungskoeffizienten überschneidet sich mit dem im Merkmal
MII5-2 des nebengeordneten Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 2 und in der Alternative
VII5 (ii) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2 genannten Bereich von 4 bis 5,8.
280
Wie ebenfalls im Abschnitt III.3. zur Entgegenhaltung E4 ausgeführt, gelangt der Fachmann ausgehend von der E4 auch ohne erfinderisches Zutun zur Alternative VI5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 und somit auch zur damit übereinstimmenden Alternative
VII5 (iv) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 2.
V.
281
Auch in der Fassung nach dem
Hilfsantrag 3 steht dem Streitpatent der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit entgegen (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Ansprüche in dieser Fassung zulässig sind.
282
1. In der Fassung nach dem Hilfsantrag 3 stimmt der Anspruch 1 überein mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1. Demnach muss gemäß dem gegenüber dem erteilten Anspruch 1 hinzugekommenen Merkmal
MIII5, das dem Merkmal MI5-1 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 entspricht, der zweite Drehungskoeffizient größer als 1,8 und kleiner als 3,5 sein.
283
Auch beim nebengeordneten Anspruch 11 nach Hilfsantrag 3 muss gemäß dem gegenüber dem erteilten nebengeordneten Anspruch 11 hinzugekommenen Merkmal
VIII5, das der Alternative VI5 (i) des Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 entspricht, der zweite Drehungskoeffizient größer als 1,8 und kleiner als 3,5 sein.
284
2. Wie bereits im Abschnitt III.2. zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und zur Alternative VI5 (i) des nebengeordneten Anspruchs 12 nach Hilfsantrag 1 ausgeführt, ergeben sich die Gegenstände dieser Ansprüche für den Fachmann ohne erfinderisches Zutun aus der Entgegenhaltung
E1.
285
Denn der Fachmann gelangt aufgrund der Lehre der E1 in naheliegender Weise zu einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,26 gemäß der Definition des Streitpatents und somit zu einem zweiten Drehungskoeffizienten, der größer als 1,8 und kleiner als 3,5 ist, entsprechend den Merkmalen
MIII5 und
VIII5.
VI.
286
Dagegen verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit dem zulässigen
Hilfsantrag 4 erfolgreich, weil die Gegenstände seiner Ansprüche neu sind und sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergeben (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54, 56 EPÜ), mithin rechtsbeständig sind.
287
1. In der Fassung nach dem Hilfsantrag 4 ist gegenüber dem Hilfsantrag 3 sowohl im Merkmal
MIV5 des Anspruchs 1 als auch im Merkmal
VIV5 des Anspruchs 11 der Bereich für den zweiten Drehungskoeffizienten von größer als 1,8 und kleiner als 3,5 auf nunmehr größer als 1,8 und kleiner als 3,2 verringert.
288
2. Die Ansprüche nach Hilfsantrag 4 sind zulässig, denn ihre Gegenstände sind ursprünglich offenbart und der Schutzbereich des Patents ist in dieser Fassung gegenüber der erteilten Fassung beschränkt.
289
Die Merkmale
M1 bis M4 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 entsprechen denen des ursprünglichen und des erteilten Anspruchs 1. Der im Merkmal
MIV5 angegebene Bereich von größer als 1,8 bis kleiner als 3,2 für den zweiten Drehungskoeffizienten ist ein innerhalb des im ursprünglichen und im erteilten Anspruch 4 angegebenen Bereichs für den zweiten Drehungskoeffizienten von größer als 1,8 bis kleiner als 3,5 liegender Teilbereich. Er war deshalb als mögliche Ausführungsform der Erfindung ursprünglich offenbart (vergl. BGH, Urteil vom 15. September 2015, X ZR 112/13 – Teilreflektierende Folie, Rn 34). Durch die Angabe dieses Teilbereichs wird weiterhin der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 gegenüber dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beschränkt.
290
Die Merkmale
V1 bis V4 des Anspruchs 11 nach Hilfsantrag 4 entsprechen denen des ursprünglichen und des erteilten Anspruchs 11. Merkmal
VIV5 des Anspruchs 11 ergibt sich wie Merkmal MIV5 des Anspruchs 1 aus dem jeweils auf den Anspruch 1 rückbezogenen ursprünglichen und erteilten Anspruch 4. Dieses Merkmal kann auch zur Beschränkung des auf das Herstellungsverfahren gerichteten Anspruchs 11 verwendet werden. Denn der im Anspruch 4 angegebene Bereich für den zweiten Drehungskoeffizienten beschreibt den dort beanspruchten Endlosriemen dadurch, wie stark die Garne verdreht werden müssen, um den in den Endlosriemen eingebetteten lasttragenden Kord zu erhalten, also durch das Verfahren zur Herstellung des Endlosriemens.
291
Die Merkmale der Ansprüche 3, 5 bis 10, 12 und 13 nach Hilfsantrag 4 ergeben sich aus den ursprünglichen und den erteilten Ansprüchen 3, 5 bis 10, 12 und 13. Da die Nummerierung nicht geändert wurde. und die Merkmale des ursprünglichen und erteilten Anspruchs 4 in den Anspruch 1 und 11 nach Hilfsantrag 4 aufgenommen wurden, gibt es in der Fassung nach Hilfsantrag 4 keinen Anspruch 4.
292
Der Zulässigkeit des Hilfsantrags 4 steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Streitpatent insoweit mit einem Anspruchssatz unter Einbeziehung auch des mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Anspruchs 2 verteidigt. Die BGH-Rechtsprechung „Ankopplungsystem“ (BGH GRUR 2017, 604, Rn. 27), wonach die beschränkte Verteidigung des Streitpatents durch Kombination eines angegriffenen Anspruchs mit einem nicht angegriffenen Unteranspruch unzulässig ist, ist nicht einschlägig. Diese Verteidigungsform des streitgegenständlichen Patents liegt hier nämlich nicht vor. Denn die Beklagte lässt den erteilten und nicht mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Anspruch 2 in seinem Gegenstand unverändert. Statt des Rückbezugs hat sie lediglich in diesen Unteranspruch den Text des unabhängigen Anspruchs 1 in der erteilten Fassung aufgenommen. Nach Auffassung des Senats bestehen gegen diese Vorgehensweise keine rechtlichen Bedenken. Vielmehr sieht der Senat hierin sogar einen sinnvollen und praktikablen Weg, damit bei Teilnichtigkeitsklagen – im Falle der erfolgreichen Verteidigung mit einem der Hilfsanträge – die Veröffentlichung einer neuen Patentschrift mit zwei unterschiedlichen Anspruchssätzen, nämlich mit dem beschränkt verteidigten Hauptanspruch und den angegriffenen Unteransprüchen und den nicht angegriffenen Unteransprüchen (hier dem Anspruch 2) mit Rückbezug auf den Hauptanspruch in erteilter Fassung vermieden wird (vgl. hierzu auch Schulte, 11. Aufl., § 81, Rn. 143).
293
In dem sowohl auf den nicht angegriffenen Anspruch 2 als auch auf den Anspruch 3 rückbezogenen Anspruch 8 nach Hilfsantrag 4 ist im Fall der Rückbeziehung über den Anspruch 3 auf den Anspruch 1 von den beiden im Anspruch 8 angegebenen Bereichen für den ersten und den zweiten Drehungskoeffizienten der Bereich für den zweiten Drehungskoeffizienten mit 0,5 bis 6 weiter als im Anspruch 1 angegeben. Dies hat der Senat für unschädlich gehalten, weil unmittelbar klar ist, dass in diesem Fall die engere Angabe des Anspruchs 1 vorrangig zu beachten ist.
294
3. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 nach Hilfsantrag 4 sind neu gegenüber der Entgegenhaltung
E1 sowie auch der
E4 und sie ergeben sich auch nicht in naheliegender Weise aus der E1 oder der E4.
295
Denn in der
E1 werden gemäß dem dortigen Anspruch 1 zweite Drehungskoeffizienten von kleiner als 3,5 ausgeschlossen, weil sich dadurch für den in E1 gelehrten Zahnriemen laut Seite 99 rechts Zeilen 47 bis 51 und Figur 3 eine zu große Längung ergibt (Generally, if a belt stretches by 0.25% while running, a gear misalignment will occur, which would cause damage if the belt were actually running with a load). Dieser Wert von 3,5 entspricht aufgrund des in E1 angegebenen Materials Aramid – wie im Abschnitt II.1 zur Auslegung des Merkmals M3.2 und im Abschnitt III.2 zur E1 erläutert – einem zweiten Drehungskoeffizienten von 3,26 gemäß der Definition des Streitpatents. Der Fachmann gelangt somit
nicht, weder unmittelbar noch in naheliegender Weise zu den Merkmalen
MIV5 und
VIV5, wonach der zweite Drehungskoeffizient kleiner als 3,2 sein muss.
296
Die Klägerin hat vorgetragen, es bestünde ein Widerspruch zwischen der Lehre der E1, die zweite Drehungskoeffizienten kleiner 3,5 bzw. kleiner 3,26 gemäß der Definition des Streitpatents ausschließe, und der Lehre des Streitpatents, die gerade im Gegenteil kleine zweite Drehungskoeffizienten von z.B. 2 beim Ausführungsbeispiel 1 vorschlage. Deshalb könne die patentgemäße Verbesserung nicht auf dem kleinen zweiten Drehungskoeffizienten beruhen, das Merkmal MIV5 bzw. VIV5 könne deshalb bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden.
297
Einen solchen Widerspruch konnte der Senat jedoch nicht entdecken. Denn die E1, die ausschließlich Zahnriemen betrachtet, siehe den Anspruch 1, schließt zweite Drehungskoeffizienten kleiner 3,5 bzw. kleiner 3,26 gemäß der Definition des Streitpatents deshalb aus, weil sich damit gemäß Figur 3 und Seite 99 rechts Zeilen 47 bis 51 eine in E1 für unzulässig gehaltene Längung von mehr als 0,25 % ergibt. Das Streitpatent betrachtet dagegen Endlosriemen im Allgemeinen, laut Anspruch 2 Keilrippenriemen, Keilriemen, Zahnriemen und Flachriemen, insbesondere aber Keilrippenriemen, siehe den Anspruch 3, den Absatz [0003] und die Ausführungsbeispielbeschreibung ab Absatz [0043]. Streitpatentgemäß werden die Parameter Lasttragfähigkeit (tensile strength), Lebensdauer (durability) und Biegewechselfestigkeit (flexural fatigue resistance) optimiert, siehe Absätze [0047] bis [0049] und Tabellen 1 und 2. Die unterschiedlichen Lehren der E1 und des Streitpatents ergeben sich somit aus den unterschiedlichen Gegenständen und Zielen.
298
Das streitpatentgemäße Ergebnis, nämlich ein großes Verhältnis von erstem zu zweiten Drehungskoeffizienten bei im Vergleich zur Lehre der E1 kleineren zweiten Drehungskoeffizienten, ist – nach Beseitigung eines Überschneidungsbereichs mit Hilfe der Merkmale MIV5 und VIV5 des Hilfsantrags 4 – in E1 weder offenbart, noch ergibt es sich in naheliegender Weise aus E1, die wie ausgeführt zweite Drehungskoeffizienten kleiner 3,5 (bzw. 3,26) ausschließt und ihrerseits auf einen Stand der Technik mit noch höheren Drehungskoeffizienten von 4 bis 8 verweist, siehe Seite 97 rechts Zeilen 9 bis 14.
299
Die
E4 liegt noch weiter ab. Denn sie lehrt, siehe den Anspruch 1, einen zweiten Drehungskoeffizienten von mindestens 4, was je nach Material und entsprechender Materialkonstante von minimal 68 bis maximal 95, siehe Spalte 4 Zeile 64 bis Spalte 5 Zeile 9, einem zweiten Drehungskoeffizienten von 4
X 68/√5315 = 3,73 bis 4
X 95/√5315 = 5,21 gemäß der Definition des Streitpatents entspricht und damit
nicht den Merkmalen
MIV5 und
VIV5, wonach der zweite Drehungskoeffizient kleiner als 3,2 sein muss.
300
4. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 nach Hilfsantrag 4 sind auch neu gegenüber der Entgegenhaltung
E2, da diese schon die Merkmale M4 und V4 der erteilten Ansprüche 1 und 11 nicht offenbart. Diese Merkmale ergeben sich auch nicht in naheliegender Weise aus der E2.
301
4.1 Die E2 offenbart, siehe insbesondere Spalte 1 Zeilen 7 bis 21, einen Endlosriemen (power transmission belt) mit elastomerem (rubber) Riemenkörper (body) und einem darin eingebetteten lasttragenden Kord (load carrying cord) entsprechend den Merkmalen
M1 bis M3 und
V1 bis V3 sowie
V3.0.
302
E2 befasst sich, siehe insbesondere den Titel und Spalte 1, vor allem mit einem auf die Oberfläche des Endlosriemens aufzubringenden Gewebematerial (fabric material) und erwähnt lediglich am Rande an zwei Stellen Daten des lasttragenden Kords.
303
In Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 ist für den lasttragenden Kord eines ab Spalte 2 Zeile 18 beschriebenen Keilrippenriemens (V-ribbed belt) gemäß Figur 1 angegeben, dass dieser aus Polyesterfilamenten hergestellt ist (Zeilen 43, 44) und eine Stärke von 4000 bis 8000 denier aufweist (Zeile 42), wobei die Filamentbündel mit 17 bis 38 Umdrehungen pro 10 cm zum Garn und die Garne mit 10 bis 23 Umdrehungen pro 10 cm zum Kord verdreht sind. Das entspricht zwar bis auf die fehlende Drehrichtungsangabe „gegenläufig“ den Merkmalen
M3.1 und
M3.2 sowie
V3.1 und
V3.2.
304
Jedoch lässt sich dieser Stelle in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 für sich betrachtet weder entnehmen, wieviele Garne jeweils zum Kord verdreht werden sollen, noch wie Wertepaare aus den Bereichen von 17 bis 38 und von 10 bis 23 auszuwählen und miteinander und mit den möglichen Stärken von 4000 bis 8000 denier zu kombinieren sind. Aufgrund des Fehlens dieser drei Angaben ist dieser Stelle allein nicht zu entnehmen, wie groß der erste und zweite Drehungskoeffizient sein sollen, und auch nicht, in welchem Verhältnis zueinander sie stehen sollen. Merkmale
M4 und
V4 sind hier daher
nicht offenbart.
305
Zu der in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 nicht beantworteten Frage, wie Wertepaare aus den Bereichen von 17 bis 38 und 10 bis 23 auszuwählen und miteinander zu kombinieren sind, findet der Fachmann in Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 eine konkrete Ausführung eines lasttragenden Kords (load carrying cord) für einen solchen Keilrippenriemen (V-ribbed belt) beschrieben. Dabei sind anders als in Spalte 6, wo lediglich Bereiche für die einzelnen Parameter angegeben sind, konkrete Werte genannt.
306
Als Material ist hier das zur Familie der Polyester gehörende PET angegeben. Der Kord wurde hergestellt, indem zunächst je zwei (
2x3) Filamentbündel mit einer Stärke von 1000 denier zu einem Garn mit einer Stärke von 2000 denier so verdreht wurden, dass sich ein erster Drehungskoeffizient (primary twist factor) von 3,0 ergab. Sodann wurden je drei (2x
3) der so entstandenen Garne zu einem Kord mit einer Stärke von 6000 denier (total denier of 6000) in gegenläufiger Richtung (reverse) so verdreht, dass sich ein zweiter Drehungskoeffizient (final twist factor) von 3,0 ergab. Das entspricht zwar den Merkmalen
M3.1 und
M3.2 sowie
V3.1 und
V3.2. Anders als in Spalte 6 sind jedoch hier in Spalte 13 Merkmale
M4 und
V4 nicht nur
nicht offenbart, sondern es ist ausdrücklich etwas Anderes offenbart, nämlich ein Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten, das nicht größer 1,5, sondern gleich 1 ist.
307
4.2 Aber auch wenn der Fachmann im Rahmen fachmännischer Überlegungen die Informationen aus Spalte 13 dazu heranzieht, weitere Aufschlüsse darüber zu gewinnen, von wie vielen Garnen pro Kord in Spalte 6 ausgegangen wird und wie die in Spalte 6 angegebenen Umdrehungswertepaare aus den Bereichen von 17 bis 38 und von 10 bis 23 miteinander und mit den möglichen Stärken von 4000 bis 8000 denier zu kombinieren sind, gelangt er damit nicht zu den Merkmalen M4 und V4, im Gegenteil.
308
Vergleicht der Fachmann die Angaben aus Spalte 6 und 13, so fällt ihm zuerst auf, dass in Spalte 6 nur die Umdrehungswerte (primary twist, secondary twist) angegeben sind, nicht dagegen die unter anderem aus diesen Umdrehungswerten sich ergebenden Drehungskoeffizienten. In Spalte 13 dagegen sind nur die Drehungskoeffizienten (primary twist factor, final twist factor) angegeben, nicht dagegen die dazugehörenden Umdrehungswerte, mit denen die Filamentbündel zum Garn und die Garne zum Kord verdreht wurden. In Spalte 13 sind jedoch anders als in Spalte 6 alle erforderlichen Angaben vorhanden, um für einen Vergleich mit Spalte 6 die Umdrehungswerte zu errechnen zu können. Der Fachmann errechnet mit Hilfe der bekannten Formel
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309
– mit dem ersten Drehungskoeffizienten TM1 = 3,0,
310
– der Stärke des Garns von denier1 = 2000
311
– und der bekannten Materialkonstante für Polyester K = 73, d.h.
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312
einen ersten Umdrehungswert von TPI1 = 4,9 Umdrehungen pro Zoll
313
bzw. von 19,3 Umdrehungen pro 10 cm.
314
Auf die gleiche Weise könnte er auch durch Einsetzen in dieselbe Formel einen zweiten Umdrehungswert von TPI2 = 2,9 Umdrehungen pro Zoll bzw. von 11,1 Umdrehungen pro 10 cm errechnen. Das erübrigt sich jedoch, weil dem Fachmann aufgrund seines regelmäßigen Umgangs mit der Formel für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten TM ohnehin geläufig ist, dass bei einem aus drei Garnen zusammengedrehten Kord – der daher einen dreimal so hohen denier-Wert besitzt wie das Garn – und gleich großen ersten und zweiten Drehungskoeffizienten der zweite Umdrehungswert stets um den Faktor √3, d.h. überschlägig um den Faktor 1,7, kleiner sein muss als der erste Umdrehungswert. Der zweite Umdrehungswert von 11,1 Umdrehungen pro 10 cm kann also vom Fachmann auch einfacher dadurch erhalten werden, dass er den ersten Umdrehungswert von 19,3 Umdrehungen pro 10 cm durch √3 teilt.
315
Im Vergleich mit dem konkreten Beispiel aus Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 erkennt der Fachmann, dass auch die in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 angegebenen Bereiche für den ersten und zweiten Umdrehungswert von 17 bis 38 und 10 bis 23 im Verhältnis √3 zueinander stehen. Denn sowohl die unteren Grenzen 17 und 10 als auch die oberen Grenzen 38 und 23 stehen im Verhältnis von rund 1,7 bzw. √3 zueinander. Daraus schließt er, dass auch in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 genauso wie in Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 von einem aus drei Garnen zusammengedrehten Kord mit gleich großem ersten und zweiten Drehungskoeffizienten ausgegangen wird.
316
Dass in Spalte 6 anders als in Spalte 13 nicht konkrete Zahlenwerte, sondern Bereiche für die Umdrehungswerte angegeben sind, liegt für den Fachmann erkennbar daran, dass auch für die Stärke des Kords ein Bereich von 4000 bis 8000 denier angegeben ist, und eine größere Stärke des Kords geringere Umdrehungswerte verlangt, um zu gleich großen Drehungskoeffizienten zu gelangen.
317
Ist z.B. die Stärke des Kords mit 8000 denier etwas größer als die Stärke des Kords aus Spalte 13 mit 6000 denier, so müssen die Umdrehungswerte etwas kleiner sein, nämlich um den Faktor √(8000/6000) kleiner als der aus den Angaben in Spalte 13 sich ergebende erste und zweite Umdrehungswert von 19,3 und 11,1. Hier fällt dem Fachmann bereits ins Auge, dass die in Spalte 6 dazu angegebenen jeweiligen unteren Bereichsgrenzen von 17 und 10 dazu gut passen. Rechnet er sicherheitshalber nach, so stellt er fest:
318
Für ein Kord mit 8000 denier aus drei Garnen ergibt sich mit einem ersten Umdrehungswert von 17 Umdrehungen pro 10 cm und einem zweiten Umdrehungswert von 10 Umdrehungen pro 10 cm, d.h. den unteren Grenzen der beiden in Spalte 6 angegebenen Bereiche, sowohl ein erster als auch ein zweiter Drehungskoeffizient von jeweils 3, also übereinstimmend mit den in Spalte 13 angegebenen ersten und zweiten Drehungskoeffizienten:
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319
Das bestätigt dem Fachmann sein durch Berücksichtigung der Angaben aus Spalte 13 gewonnenes Verständnis der Angaben in Spalte 6, dass diese sich wie in Spalte 13 auf Kords aus drei Garnen beziehen und dass aus den im Verhältnis von √3 zueinander stehenden Bereichsangaben für den ersten und zweiten Umdrehungswert von 17 bis 38 und 10 bis 23 auch jeweils im Verhältnis von √3 zueinander stehende Wertepaare auszuwählen sind, so dass sich Kords mit gleich großem ersten und zweiten Drehungskoeffizienten ergeben, wie im Beispiel in Spalte 13.
320
Der Fachmann gelangt daher auch bei zusammenschauender Betrachtung der Angaben in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 und Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 und mit Hilfe fachmännischer Überlegungen nicht nur
nicht zu den Merkmalen
M4 und
V4 der Ansprüche 1 und 11, sondern zu etwas Anderem, nämlich zu einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten, das nicht größer 1,5, sondern gleich 1 ist.
321
4.3 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Fehlen einer Aussage in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 darüber, wie die Wertepaare für den ersten und zweiten Umdrehungswert aus den angegebenen Bereichen von 17 bis 38 und von 10 bis 23 miteinander zu kombinieren seien, komme einer ausdrücklichen Offenbarung gleich, dass diese beliebig zu kombinieren seien, also auch kleine mit großen Werten und große mit kleinen Werten über Kreuz. Dem vermochte der Senat sich nicht anzuschließen.
322
Hinzu kommt, dass der Fachmann die gesamte Druckschrift E2 liest, und er die angegebene Stelle in Spalte 6 nicht für sich allein daraufhin auswertet, was sie ohne Berücksichtigung der restlichen Offenbarung der E2 lehren könnte, sondern in ihrem Zusammenhang und damit auch unter Berücksichtigung der Angaben in Spalte 13 Zeilen 10 bis 15.
323
Bei den vom Fachmann dazu angestellten Überlegungen werden auch nicht, wie von der Klägerin vorgetragen, zwei verschiedene Ausführungsbeispiele in unzulässiger Weise miteinander verknüpft. Denn zwar lehrt die E2 durchaus verschiedene Endlosriemen, so Keilrippenriemenriemen (V-ribbed belts) gemäß Figur 1, Keilriemen (V-belts) gemäß Figur 2 und Flachriemen (flat belts) gemäß Figur 3. Sowohl die Angaben in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 als auch die Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 betreffen jedoch übereinstimmend Keilrippenriemen (V-ribbed belts) und sämtliche Angaben zum lasttragenden Kord in Spalte 13 Zeilen 10 bis 15 liegen innerhalb der in Spalte 6 Zeilen 40 bis 47 genannten Bereiche:
324
– Das Material PET gehört zur Familie der Polyester.
325
– Der aus dieser Materialangabe und dem ersten Drehungskoeffizienten (primary twist factor) von 3,0 sich ergebende erste Umdrehungswert (primary twist) von 19,3 liegt innerhalb des Bereichs von 17 bis 38.
326
– Der aus der Materialangabe und dem zweiten Drehungskoeffizienten (final twist factor) von 3,0 sich ergebende zweite Umdrehungswert (final twist) von 11,1 liegt innerhalb des Bereichs von 10 bis 23.
327
– Die Stärke von 6000 denier liegt innerhalb des Bereichs von 4000 bis 8000 denier.
328
Der in Spalte 13 mit konkreten Angaben beschriebene Kord ist somit eine Ausführungsform der Lehre aus Spalte 6.
329
5. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 11 nach Hilfsantrag 4 sind auch neu gegenüber der Entgegenhaltung
E3/E3a, da auch diese schon die Merkmale M4 und V4 der erteilten Ansprüche 1, 11 nicht offenbart. Diese Merkmale ergeben sich auch nicht in naheliegender Weise aus der E3/E3a.
330
5.1 Die E3/E3a offenbart, siehe insbesondere den Absatz [0002], einen Endlosriemen in Form eines Keilrippenriemens (V-ribbed belt) mit elastomerem Riemenkörper (body made of a rubber composition) und einem darin eingebetteten lasttragenden Kord (a twisted cord … embedded as a core wire) entsprechend den Merkmalen
M1 bis M3.
331
E3/E3a lehrt, den lasttragenden Kord für den Keilrippenriemen weder aus Polyester, noch aus Aramid, noch aus Nylon (Handelsname für Polyamid) herzustellen, weil alle diese Materialien laut Absatz [0005] Nachteile aufweisen.
332
Erfindungsgemäß, siehe Absatz [0007], sollen jeweils ein Polyamid-Faserbündel (a multifilament group of polyamide fibers) und ein PET-Faserbündel (a multifilament group of polyethylene terephthalate) zu einem Garn (child rope) verdreht werden und dann mehrere dieser Garne (a plurality of the child ropes) in entgegengesetzter Richtung (in the direction opposite) zu einem lastragenden Kord (core wire) verdreht werden.
333
Gemäß Absatz [0023] sollen die Garne eine Stärke von 800 bis 4000 dtex und der Kord eine Stärke von 3000 bis 12000 dtex aufweisen. Weiterhin sollen die Faserbündel mit 100 bis 380 Umdrehungen pro Meter (number of lower twists) zum Garn verdreht werden, und die Garne mit 60 bis 230 Umdrehungen pro Meter (number of upper twists) zum Kord verdreht werden. Das entspricht den Merkmalen
M3.1 und
M3.2 sowie
V3.1 und
V3.2.
334
Jedoch lässt sich dieser Stelle in Absatz [0023] für sich betrachtet nicht entnehmen, wie Wertepaare aus den Bereichen von 100 bis 380 und 60 bis 230 auszuwählen und miteinander und mit den möglichen Stärken des Kords von 3000 bis 12000 dtex zu kombinieren sind. Aufgrund des Fehlens dieser Angaben ist dieser Stelle allein nicht zu entnehmen, wie groß der erste und zweite Drehungskoeffizient sein sollen, und auch nicht, in welchem Verhältnis zueinander sie stehen sollen. Merkmale
M4 und
V4 sind hier daher
nicht offenbart.
335
Zu der im Absatz [0023] nicht beantworteten Frage, wie Wertepaare aus den Bereichen von 100 bis 380 und 60 bis 230 auszuwählen und zu kombinieren sind, zieht der Fachmann die in den Absätzen [0032] und [0033] der E3a konkret beschriebenen zwei erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele und die zwei hinsichtlich des Materials nicht erfindungsgemäßen Vergleichsbeispiele heran.
336
Erfindungsgemäß werden je ein Nylon-/Polyamid-Faserbündel (N66/1) mit einer Stärke von 940 dtex und ein PET-Faserbündel (PET/1) mit einer Stärke von 1220 dtex zusammen mit einer ersten Drehung von 202 Umdrehungen pro Meter zu einem Garn von 940 + 1220 = 2160 dtex verdreht. Sodann werden jeweils drei Garne ((N66/1+PET/1)
x 3) mit einer zweiten Drehung von 113 Umdrehungen pro Meter zu einem Kord mit einer Stärke von 3 x 2160 = 6480 dtex verdreht. Weiter ist angegeben, dass dabei der erste Drehungskoeffizient 3,1 und der zweite Drehungskoeffizient 3,0 beträgt.
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337
Der Fachmann rechnet sicherheitshalber mit, ob diese Angaben zueinander passen. Da im Absatz [0032] und in der Tabelle im Absatz [0033] alles angegeben ist außer der Materialkonstante, ermittelt der Fachmann durch Einsetzen der ersten Drehung und des ersten Drehungskoeffizienten bzw. der zweiten Drehung und des zweiten Drehungskoeffizienten in die bekannte Formel
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338
zunächst, dass in E3 als Materialkonstante K wie zu erwarten der ihm für Nylon/Polyamid und PET/Polyester bekannte Wert 73 verwendet wurde:
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339
und dabei zugleich auch, dass die Angaben zueinander passen.
340
Anders als im Absatz [0023] sind somit hier in den Absätzen [0032] und [0033] Merkmale
M4 und
V4 nicht nur
nicht offenbart, sondern es ist ausdrücklich etwas Anderes offenbart, nämlich ein Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten, das nicht größer 1,5, sondern mit 3,1 / 3,01 = 1,03 nahezu gleich 1 ist.
341
Das gilt auch für die beiden Vergleichsbeispiele.
342
Beim ersten Vergleichsbeispiel wurden zwei Nylon-/Polyamid-Faserbündel (N66/
2) mit einer Stärke von je 940 dtex mit einer ersten Drehung von 217 Umdrehungen pro Meter zu einem Garn von 940 + 940 = 1880 dtex verdreht und dann jeweils drei dieser Garne (N66/2
x 3) mit einer zweiten Drehung von 121 Umdrehungen pro Meter zu einem Kord mit einer Stärke von 3 x 1880 = 5640 dtex verdreht.
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343
Beim zweiten Vergleichsbeispiel wurden zwei PET-Faserbündel (PET/
2) mit einer Stärke von je 1220 dtex mit einer ersten Drehung von 191 Umdrehungen pro Meter zu einem Garn von 1220 + 1220 = 2440 dtex verdreht und dann jeweils drei dieser Garne (PET/2
x 3) mit einer zweiten Drehung von 106 Umdrehungen pro Meter zu einem Kord mit einer Stärke von 3 x 2440 = 7320 dtex verdreht.
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344
Auch hier wurden in beiden Fällen die Umdrehungen pro Meter für die erste und zweite Drehung so gewählt, dass sich ein erster Drehungskoeffizient von 3,1 und ein zweiter Drehungskoeffizient von 3,0 ergibt und somit ein Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten, das entgegen den Merkmalen
M4 und
V4nicht größer 1,5, sondern mit 3,1 / 3,01 = 1,03 nahezu gleich 1 ist.
345
5.2 Aber auch wenn der Fachmann im Rahmen fachmännischer Überlegungen die konkreten Zahlenwerte aus Absätzen [0032] und [0033] dazu heranzieht, weitere Aufschlüsse darüber zu gewinnen, von wie vielen Garnen pro Kord in Absatz [0023] ausgegangen wird und wie die in Absatz [0023] angegebenen Umdrehungswertepaare aus den Bereichen von 100 bis 380 und von 60 bis 230 miteinander und mit den möglichen Stärken von 3000 bis 12000 dtex für den Kord zu kombinieren sind, gelangt er damit nicht zu den Merkmalen M4 und V4.
346
Die im Absatz [0023] für die Stärke des Kords und für die Stärke des Garns angegebenen Bereiche sind zwar augenscheinlich stark gerundet, trotzdem ist für den Fachmann ohne Weiteres zu erkennen, dass der für den Kord angegebene Bereich mit 3000 bis 12000 dtex rund dreimal so groß ist wie der für das Garn angegebene Bereich mit 800 bis 4000 dtex, dass also auch im Absatz [0023] davon ausgegangen wird, dass jeweils drei Garne zu einem Kord verdreht werden.
347
Weiter stehen auch die beiden unteren Grenzen (100 und 60) und die beiden oberen Grenzen (380 und 230) der Bereiche für die erste Drehung (100 bis 380 Umdrehungen pro Meter) und die zweite Drehung (60 bis 230 Umdrehungen pro Meter) jeweils im gleichen Verhältnis zueinander wie die für das erfindungsgemäße Beispiel (und auch für die Vergleichsbeispiele) angegebenen Werte für die erste und zweite Umdrehung.
348
Da nämlich beim erfindungsgemäßen Beispiel in Absatz [0033] jeweils drei Garne zu einem Kord verdreht werden und dabei der erste Drehungskoeffizient 3,1 und der zweite Drehungskoeffizient 3,0 ist, stehen gemäß der Formel für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten das Verhältnis von erstem zu zweitem Umdrehungswert im Verhältnis √3 • 3,1/3,0 = 1,79 zueinander, konkret: 202 / 113 = 1,79.
349
Für die beiden unteren und die beiden oberen Grenzen der Bereiche in Absatz [0023] ergibt sich mit 100 / 60 = 1,7 und 380 / 230 = 1,7 im Rahmen der augenscheinlich gerundet angegebenen Umdrehungswerte recht genau das gleiche Verhältnis wie für das erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel in Absatz [0033].
350
Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass auch bei den Bereichsangaben des Absatzes [0023] in E3 davon ausgegangen wird, dass jeweils drei Garne zu einem Kord verdreht werden und dass aus den ungefähr im Verhältnis √3 zueinander stehenden Bereichen für den ersten und zweiten Umdrehungswert je ein erster und ein zweiter Umdrehungswert so auszuwählen sind, dass sich wie beim erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel je ein etwa gleich großer erster und zweiter Drehungskoeffizient von ungefähr 3 ergibt.
351
Dies bestätigt sich für ihn auch dadurch, dass in E3 bei allen vier ausgeführten Kords, siehe die Tabelle in Absatz [0033], ein erster Drehungskoeffizient von 3,1 und ein zweiter Drehungskoeffizient von 3,0 eingestellt wird.
352
Der Fachmann gelangt daher auch bei zusammenschauender Betrachtung der Angaben in Absatz [0023] und Absätzen [0032] und [0033] und mit Hilfe fachmännischer Überlegungen nicht nur
nicht zu den Merkmalen
M4 und
V4 der Ansprüche 1 und 11, sondern zu etwas Anderem, nämlich zu einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten, das nicht größer 1,5, sondern etwa 1 ist.
353
5.3 Der Auffassung der Klägerin, das Fehlen einer Aussage in Absatz [0023] darüber, wie Wertepaare für den ersten und zweiten Umdrehungswert aus den angegebenen Bereichen von 100 bis 380 und 60 bis 100 miteinander zu kombinieren seien, komme einer ausdrücklichen Offenbarung gleich, dass diese beliebig zu kombinieren seien, also auch kleine mit großen Werten und große mit kleinen Werten über Kreuz, vermochte der Senat sich daher nicht anzuschließen.
354
6. Auch eine beliebige Zusammenschau der Entgegenhaltungen E1 bis E4 kann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 nach Hilfsantrag 4 führen, da jede dieser Entgegenhaltungen Werte bzw. Bereiche für sowohl den ersten als auch den zweiten Drehungskoeffizienten lehrt, und es sich deshalb nicht in naheliegender Weise ergibt, beliebige Werte für den ersten und zweiten Drehungskoeffizienten aus verschiedenen dieser Entgegenhaltungen zu kombinieren bzw. zu vermischen.
355
7. Die weiteren angegriffenen Ansprüche 3, 5 bis 10, 12 und 13 werden von den Ansprüchen 1 und 11 getragen.
VII.
356
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
357
Die ausgeurteilte Kostenquote entspricht dem Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Parteien. Der wirtschaftliche Wert, der dem Streitpatent aufgrund des nach Hilfsantrag 4 als schutzfähig verbleibenden Patentgegenstands gegenüber der weitergehenden erteilten Fassung zukommt, ist mit Zweidrittel zu bewerten. Denn der aus den Absätzen [0032] und [0033] des Streitpatents sich ergebende Kernbereich der Erfindung mit einem ersten Drehungskoeffizienten von 4,5 bis 5,5 und einem zweiten Drehungskoeffizienten von 1,5 bis 2,25 bei einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von 2 bis 3 – beim besten Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0051] mit einem ersten Drehungskoeffizienten von 5 und einem zweiten Drehungskoeffizienten von 2 bei einem Verhältnis von erstem zu zweitem Drehungskoeffizienten von 2,5 – bleibt erhalten. Lediglich der Abstand von diesem Kernbereich, der von Dritten eingehalten werden muss, verringert sich durch die Merkmale MIV5 und VIV5 nach Hilfsantrag 4. Daher ist das Unterliegen der Klägerin mit 2/3 und dementsprechend das der Beklagten mit 1/3 zu bewerten.
358
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.