BPatG München 2. Senat, Urteil vom 11.05.2023, AZ 2 Ni 26/21, ECLI:DE:BPatG:2023:110523U2Ni26.21.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent DE 10 2008 063 369
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Hartlieb sowie der Richter Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch, Dr. Himmelmann und Dr.-Ing. Kapels
für Recht erkannt:
I. | Das deutsche Patent DE 10 2008 063 369 wird für nichtig erklärt. |
II. | Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. |
III. | Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. |
Tatbestand
1
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2008 063 369 (Streitpatent), das am 30. Dezember 2008 ohne Beanspruchung einer Priorität angemeldet worden ist und das die Bezeichnung „Leuchte und Modulsystem für Leuchten“ trägt. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 8. Juli 2010. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 15. Dezember 2016.
2
Das Streitpatent betrifft eine Leuchte zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen (Streitpatentschrift, Abs. [0001]).
3
Das in vollem Umfang angegriffene Streitpatent umfasst 14 Patentansprüche, darunter den auf eine Leuchte gerichteten unabhängigen Anspruch 1, den nebengeordneten unabhängigen Anspruch 11 sowie die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 14.
4
Der erteilte
Patentanspruch 1 lautet gemäß DE 10 2008 063 369 B4 (mit an die Anlage NK 4 der Klägerin angelehnter Merkmalsgliederung):
5
1.1 Leuchte (10) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen,
6
1.2 umfassend eine Platine (11), auf der eine oder mehrere LED‘s (12a, 12b, 12c) angeordnet sind,
7
1.3 eine Sekundäroptik (14), die das von den LED‘s emittierte Licht bündelt
8
1.4 und eine Tertiäroptik (16),
9
1.5 wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist,
10
1.6 wobei die Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen (18) aufweist,
11
1.7 wobei die Mikrostrukturen (18) von identisch ausgebildeten Facetten (19, 19a, 19b, 19c, 19d) gebildet sind, die wabenartig entlang einem strukturierten Raster angeordnet sind, und
12
1.8 wobei die Facetten eine gewölbte, asphärisch gekrümmte Oberfläche aufweisen.
13
Der nebengeordnete
Patentanspruch 11 lautet gemäß DE 10 2008 063 369 B4 (mit an die Anlage NK 5 der Klägerin angelehnter Merkmalsgliederung):
14
11.1 Modulsystem für Leuchten (10) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen,
15
11.2 umfassend eine Platine (11), auf der eine oder mehrere LED’s (12a, 12b, 12c) angeordnet sind,
16
11.3 eine Sekundäroptik (14), die das von den LED’s emittierte Licht bündelt, und
17
11.4 eine erste Tertiäroptik (16) vorherbestimmter Bauform,
18
11.5 wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind,
19
11.6 wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist,
20
11.7 wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist,
21
11.7.1 wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist,
22
11.8 wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und
23
11.9 wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.
24
Die Klägerin stützt ihre Klage auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit mit Blick auf fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit, der unzureichenden Offenbarung, weil das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne sowie der unzulässigen Erweiterung.
25
Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin die folgenden Dokumente genannt:
26
NK1 DE 10 2008 063 369 B4 (Streitpatentschrift);
27
NK2 DPMA Registerauszug zum Aktenzeichen 10 2008 063 369.0 vom 3. November 2020;
28
NK3 DE 10 2008 063 369 A1 (Offenlegungsschrift);
29
NK4 Merkmalsanalyse der Ansprüche 1 bis 10;
30
NK5 Merkmalsanalyse der Ansprüche 11 bis 14;
31
NK27 Internetseite stock.adobe.com/de/images/linien-linienraster-set-linienmuster-muster-variation/188257261;
32
NK28 EPA Prüfungsbescheid zur Anmeldung 09 015 635.7 vom 13. Mai 2013;
33
NK29 R. Heinz: „Grundlagen der Lichterzeugung – von der Glühlampe bis zum Laser”, 2. Auflage, 2006, HighLight Verlagsges. mbH, Rüthen, ISBN 3-937873-00-7, S. 66 bis 93;
34
NK30 WaybackMachine: https//de.wikipedia.org/wiki/Leiterplatte vom 18. September 2004;
35
D1 DE 101 45 963 A1;
36
D2 JP 2007 149 552 A;
37
D3 DE 10 2006 028 961 A1;
38
D4 US 2008/0 030 974 A1;
39
D5 JP 2006 092 485 A;
40
D6 US 7 237 924 B2;
41
D7 US 2007/0 091 601 A1;
42
D8 WO 2008/021 082 A2;
43
D9 US 2004/0 130 790 A1;
44
D10 US 2002/0 034 710 A1;
45
D11 DE 10 2004 051 382 A1;
46
D12 US 2003/0 112 523 A1;
47
D13 DE 600 37 965 T2;
48
D14 WO 2007/106 411 A2;
49
D15 WO 97/36 131 A1;
50
D16 DE 101 42 582 A1;
51
D17 US 2007/0 263 388 A1;
52
D18 US 2008/0 174 224 A1;
53
D19 DE 20 2004 013 813 U1
54
D20 EP 1 962 014 A1;
55
D21 KR 10-2007-0101931;
56
D22 US 6 033 094 A;
57
D23 DE 202 14 182 U1.
58
Zusätzlich hat die Klägerin zu allen nicht in deutscher Sprache verfassten Dokumenten eine deutsche Übersetzung eingereicht.
59
Die Klägerin macht außerdem fünf offenkundige Vorbenutzungen geltend, die sie jeweils mit den nachstehend angegebenen Dokumenten untermauert:
60
1. Vorbenutzung: OPTX Lens System for Cree XLamp 7090 LEDs des Unternehmens L
2Optics
61
NK6 Datenblatt L2Optics, OPTX Lens System for Cree XLamp 7090 LEDs mit Copyrightangabe aus dem Jahr 2005;
62
NK6.1 Screenshot der Internetseite https://web.archive.org/web/20060703005220/http://www.l2optics.com/optx.aspx;
63
NK6.2 Auszug aus NK6.1;
64
NK7 Datenblatt Cree® XLamp
TM 7090 LED, Data Sheet: DS-00002 Rev A, mit Copyrightangabe 2004 – 2005;
65
NK7.1 Screenshot der Internetseite https://web.archive.org/web/20050221023624/http://www.cree.com/products/Lighting/downloads/XLamp7090.pdf;
66
NK8 Foto: Muster OPTX-1 Lens System;
67
NK8.1 Einzelheiten zum Kauf;
68
NK8.2 Rechnung des Unternehmens LEDsupply für den Kauf der Muster;
69
NK8.3 Eidesstattliche Versicherung von Herrn H… vom
16. Juni 2021 zum Muster OPTX-1-016S EV;
70
NK8.4 Eidesstattliche Versicherung von Herrn H… vom
16. Juni 2021 zum Muster OPTX-1-825S EV;
71
NK31 Eidesstattliche Versicherung von Frau S…
vom 20. Juli 2022;
72
NK32 Dailight Lumidrives, OEM Module Guide, Issue 3 – 2006.
73
2. Vorbenutzung: OPTX-3 Lens System for Cree XLamp 7090 LEDs des Unternehmens L
2Optics
74
NK9 Katalogauszug The L2 Optics Range S. 28-32;
75
NK9.1 Screenshot der Internetseite http://web.archive.org/web/20060520222037/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=41http://web.archive.org/web/20060520222037/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=41;
76
http://web.archive.org/web/20060520222037/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=41;
77
NK9.2 Screenshot der Internetseite http://web.archive.org/web/20060520222115/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=42http://web.archive.org/web/20060520222115/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=42;
78
http://web.archive.org/web/20060520222115/http://www.l2optics.com/store/scripts/prodView.asp?idproduct=42;
79
NK9.3 Screenshot der Internetseite http://web.archive.org/web/20070324020941/http://www.l2optics.com:80/store/scripts/prodList.asp?idCategory=16;http://web.archive.org/web/20070324020941/http://www.l2optics.com:80/store/scripts/prodList.asp?idCategory=16;
80
http://web.archive.org/web/20070324020941/http://www.l2optics.com:80/store/scripts/prodList.asp?idCategory=16;
81
NK10 Foto: Muster OPTX-3 Lens System;
82
NK10.1 Rechnung des Unternehmens Comet Electronics für den Kauf der Muster;
83
NK10.2 Eidesstattliche Versicherung von Herrn H… vom
16. Juni 2021 zum Muster OPTX-3-014S EV;
84
NK10.3 Eidesstattliche Versicherung von Herrn H… vom
16. Juni 2021 zum Muster OPTX-3-Micro EV.
85
3. Vorbenutzung: Leuchte MiniRoll 65 der Klägerin
86
NK11 Produktkatalog des Unternehmens i…,
Beleuchtungssysteme für Innen- und Außenbereiche, New 2007-2008, Umschlagseiten, S. 1-5, 124, 125, 156-163, 176-179;
87
NK11.1 Screenshot der Internetseite http://web.archive.org/web/20080612182424/http://www.iguzzini.com:80/html/en/2090.htmlhttp://web.archive.org/web/20080612182424/http://www.iguzzini.com:80/html/en/2090.html;
88
http://web.archive.org/web/20080612182424/http://www.iguzzini.com:80/html/en/2090.html;
89
NK11.2 Lieferschein des Unternehmens i… für SL Licht
Siegfried Lang GmbH vom 17. Juni 2008;
90
NK12 Konstruktionszeichnung MiniRoll 65 Plafone orie.C/B LED Warm White Flood;
91
NK12.1 wie NK12 mit Untergrund in der linken unteren Ecke;
92
NK12.2 wie NK12 mit verbesserter Auflösung;
93
NK12.3 wie NK12 mit Bauteileliste in der linken unteren Ecke;
94
NK13 Konstruktionszeichnung Vetro Millerighe D-75,5 per MiniRoll 65;
95
NK13.1 vergrößerter Ausschnitt aus NK13;
96
NK14 Konstruktionszeichnung Vetro prismato diffondente D: 75,5 per MiniRoll 65;
97
NK15 Foto: Muster MiniRoll 65;
98
NK16 Eidesstattliche Versicherung von A… vom 16.Juni
2021;
99
NK17 Eidesstattliche Versicherung von H… vom
16. Juni 2021 zum Muster BZ22 des Unternehmens i….
100
4. Vorbenutzung: Leuchte MiniWoody der Klägerin
101
NK18 Produktkatalog des Unternehmens i…,
Beleuchtungssysteme für den Außenbereich, 2007-2008, Umschlagseiten, S. 247-257;
102
NK18.1 Screenshot der Internetseite http://web.archive.org/web/20070704233425/http://www.iguzzini.com:80/html/en/871.htmlhttp://web.archive.org/web/20070704233425/http://www.iguzzini.com:80/html/en/871.html;
103
http://web.archive.org/web/20070704233425/http://www.iguzzini.com:80/html/en/871.html;
104
NK18.2 Lieferschein des Unternehmens i… an die Albert
Schaller GmbH & Co. KG vom 3. Juli 2007;
105
NK19 Konstruktionszeichnung MINIWOODY C/BASET.LED 3X1W BIANCO.ELET.SPOT;
106
NK19.1 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung MINIWOODY C/BASET.LED 3X1W BIANCO.ELET.SPOT, rechte untere Ecke;
107
NK19.2 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung MINIWOODY C/BASET.LED 3X1W BIANCO.ELET.SPOT, Mitte oben;
108
NK19.3 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung MINIWOODY C/BASET.LED 3X1W BIANCO.ELET.SPOT, Bestandteileliste;
109
NK20 Konstruktionszeichnung RIFRAT.DIST.ELLITT.D.70 PER MINIWOODY;
110
NK21 Foto: Muster MiniWoody;
111
NK21.1 Foto: Muster Refraktor für MiniWoody.
112
5. Vorbenutzung: Leuchte Glim Cube der Klägerin
113
NK11 Produktkatalog des Unternehmens i…,
Beleuchtungssysteme für Innen- und Außenbereiche, New 2007-2008, Umschlagseiten, S. 1-5, 124, 125, 156-163, 176-179;
114
NK22 Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.CURVO C/3 LED BIANCHI 1W S/ALIMEN;
115
NK22.1 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.CURVO C/3 LED BIANCHI 1W S/ALIMEN, rechte untere Ecke;
116
NK22.2 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.CURVO C/3 LED BIANCHI 1W S/ALIMEN, linke obere Ecke;
117
NK22.3 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.CURVO C/3 LED BIANCHI 1W S/ALIMEN, Bestandteilliste;
118
NK23 Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.SING.LUCE FRONT C/1 LED BIANCO 1W;
119
NK23.1 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.SING.LUCE FRONT C/1 LED BIANCO 1W, rechte untere Ecke;
120
NK23.2 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.SING.LUCE FRONT C/1 LED BIANCO 1W, linke Seite;
121
NK23.3 Ausschnitt aus der Konstruktionszeichnung GLIM-CUBE APPLIQ.SING.LUCE FRONT C/1 LED BIANCO 1W, Bestandteilliste;
122
NK24 Foto: Muster Glim Cube mit 3 LEDs;
123
NK24.1 Foto: Muster der Linse des Glim Cube mit 3 LEDs;
124
NK25 Foto: Muster des Glim Cube mit 1 LED;
125
NK25.1 Foto: Muster der Linse des Glim Cube mit 1 LED.
126
Die Klägerin stellt den Antrag,
127
das deutsche Patent DE 10 2008 063 369 für nichtig zu erklären.
128
Die Beklagte stellt zuletzt den Antrag,
129
die Klage abzuweisen
130
hilfsweise
131
das deutsche Patent DE 10 2008 063 369 unter Klageabweisung im Übrigen insoweit für nichtig zu erklären, als seine Ansprüche über die Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 39 vom 20. Februar 2023 und eines der Hilfsanträge 40 bis 43 vom 11. Mai 2023 – in dieser Reihenfolge – hinausgehen.
132
Die Beklagte erklärt, dass sie die Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen als jeweils geschlossene Anspruchssätze ansieht, die jeweils insgesamt beansprucht werden.
133
Die Beklagte, die das Streitpatent mit einem Hauptantrag und hilfsweise beschränkt mit 43 Hilfsanträgen verteidigt, tritt der Argumentation der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie bestreitet die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen. Auch gegenüber den angegebenen Druckschriften seien die Gegenstände aller Ansprüche patentfähig, insbesondere neu und erfinderisch. Die beanspruchte Lehre sei jedenfalls in einer der Fassungen der Hilfsanträge patentfähig.
134
Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Beklagte die folgenden Dokumente genannt:
135
R1 Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 des Streitpatents;
136
R2a Wikipedia-Artikel: „Bienenwabe“ vom 21. März 2022;
137
R2b Foto einer Bienenwabe;
138
R2c Foto der ersten Seite von R2a ergänzt um Geraden und Punkte;
139
R3a „Internet Archive’s Term of Use, Privacy Policy, and Copyright Policy”, https://archive.org/about/terms.php, vom 8. März 2022;
140
R3b Screenshot Google-Abfrage zu „archive.org amend content”, https://help.archive.org;
141
R4 Internetseite https://archive.org/post/44548/how-do-i-overwrite-update-a-file vom 8.März 2022, Internet Archive Forumsbeiträge;
142
R5 WaybackMachine, L2Optics vom 17. Februar 2005;
143
R6 Internetseite https://web.archive.org/web/20050217175521/http://www.l2optics.com:80/;
144
R7 Merkmalsanalyse des Anspruchs 11 des Streitpatents;
145
R8 Seite 14 des Schriftsatzes vom 23. Juni 2021 der Nichtigkeitsklägerin im parallelen Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf;
146
R9 Rechnung von i… an die Ev.-Luth. Kirchengemeinde Moorrege-Heist
vom 13. November 2008;
147
R10 Rechnungen von i… an die Hagemeyer Deutschland GmbH & Co.
KG vom 19. Dezember 2007 und vom 11. Dezember 2007;
148
R11 US 6 859 326 B2;
149
R12 US 7 033 736 B2.
150
Die Beklagte überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2023 dem Senat die Hilfsanträge 40 bis 43 und der Klägerin Kopien dieser Hilfsanträge.
151
Die Klägerin rügt die Hilfsanträge 40 bis 43 als verspätet.
152
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vom 20. Februar 2023 lautet:
153
„1. Leuchte (10) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen, umfassend eine Platine (11), auf der eine oder mehrere LED’s (12a, 12b, 12c) angeordnet sind, eine Sekundäroptik (14), die das von den LED’s emittierte Licht bündelt und eine Tertiäroptik (16), wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist, wobei die Tertiäroptik von einem flächigen, plattenförmig ausgebildeten, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen (18) aufweist, wobei die Mikrostrukturen (18) von identisch ausgebildeten Facetten (19, 19a, 19b, 19c, 19d) gebildet sind, die wabenartig entlang einem strukturierten Raster angeordnet sind, und wobei die Facetten eine gewölbte, asphärisch gekrümmte Oberfläche aufweisen.“
154
Anspruch 9 des Hilfsantrags 1 vom 20. Februar 2023 lautet:
155
„9. Modulsystem für Leuchten (10) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen, umfassend eine Platine (11), auf der eine oder mehrere LED’s (12a, 12b, 12c) angeordnet sind, eine Sekundäroptik (14), die das von den LED’s emittierte Licht bündelt, und eine erste Tertiäroptik (16) vorherbestimmter Bauform, wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen, plattenförmig ausgebildeten, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind, wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist, wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist, wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist, wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.“
156
Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 1 vom 20. Februar 2023 aus, wobei die Merkmalsgruppe
157
„wobei die Leuchte ein Leuchtengehäuse umfasst, an dem die Platine und die Sekundäroptik befestigt sind, wobei eine Befestigung der Tertiäroptik an dem Leuchtengehäuse unabhängig von der Befestigung der Sekundäroptik an dem Leuchtengehäuse ist“
158
in den Anspruch 1 und analog auch in Anspruch 9 aufgenommen worden ist.
159
Hilfsantrag 3 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 aus und beinhaltet zusätzlich die in die selbständigen Ansprüche aufgenommene Merkmalsgruppe
160
„wobei die Tertiäroptik mit Befestigungsmitteln am Leuchtengehäuse befestigbar ist“.
161
Darüber hinaus wurde Anspruch 8 gestrichen.
162
Hilfsantrag 4 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 3 vom 20. Februar 2023 aus und beinhaltet zusätzlich das Merkmal
163
„lösbar“.
164
vor dem Wort „befestigbar“ in der in Hilfsantrag 3 aufgenommenen Merkmalsgruppe.
165
Hilfsantrag 5 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 4 vom 20. Februar 2023 aus und beinhaltet zusätzlich die in Anspruch 8 aufgenommene Merkmalsgruppe
166
„wobei die zweite Tertiäroptik mit den gleichen Befestigungsmitteln an dem Leuchtengehäuse der Leuchte befestigbar ist, wie die erste Tertiäroptik“.
167
Hilfsantrag 6 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 5 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 die Merkmalsgruppe
168
„wobei die Platine, die Sekundäroptik und die Tertiäroptik innerhalb des Leuchtengehäuses angeordnet sind“
169
aufgenommen worden ist. Anspruch 7 wurde gestrichen und die darauffolgenden Ansprüche entsprechend umnummeriert sowie die Rückbezüge in den Ansprüchen angepasst.
170
Hilfsantrag 7 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 die Merkmalsgruppe
171
„wobei die Tertiäroptik von der Sekundäroptik beabstandet angeordnet ist“
172
aufgenommen worden ist. Anspruch 4 wurde gestrichen. Die darauffolgenden Ansprüche wurden entsprechend umnummeriert und die Rückbezüge in den Ansprüchen angepasst.
173
Hilfsantrag 8 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 7 vom 20. Februar 2023 aus, wobei das Merkmal
174
„wobei der Abstand zwischen 1 mm und 100 mm beträgt“
175
in den Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 aufgenommen worden ist.
176
Hilfsantrag 9 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 8 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 9 das Merkmal
177
„wobei die Mikrostrukturen auf der Seite der Tertiäroptik angeordnet sind, die der Sekundäroptik zugewandt ist“
178
aufgenommen worden ist.
179
Die Ansprüche 2 und 3 wurden gestrichen. Die darauffolgenden Ansprüche wurden entsprechend umnummeriert und die Rückbezüge in den Ansprüchen angepasst.
180
Hilfsantrag 10 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 9 vom 20. Februar 2023 aus, wobei die zusätzliche Merkmalsgruppe
181
„wobei die Sekundäroptik von mehreren Linsenkörpern bereitgestellt ist, die gemeinsam von einer Tertiäroptik übergriffen sind“
182
in Anspruch 1 und Anspruch 6 aufgenommen worden ist.
183
Hilfsantrag 11 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 10 vom 20. Februar 2023 aus, wobei das zusätzliche Merkmal
184
„wobei die Sekundäroptik unmittelbar an der Platine festgelegt ist“
185
in Anspruch 1 und Anspruch 6 aufgenommen worden ist.
186
Hilfsantrag 12 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 9 die Merkmalsgruppe
187
„wobei die Sekundäroptik von im Querschnitt becherartigen Elementen gebildet ist, die sich hinsichtlich ihres Querschnittes mit zunehmendem Abstand von den LEDs erweitern und unmittelbar auf die Platine gesetzt sind, um die dort vorhandenen LEDs zu übergreifen“
188
aufgenommen worden ist.
189
Hilfsantrag 13 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 9 das Merkmal, dass
190
„die Sekundäroptik unmittelbar an der Platine festgelegt ist“
191
aufgenommen worden ist.
192
Hilfsantrag 14 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 13 vom 20. Februar 2023 aus, wobei das Unterschiedsmerkmal des Hilfsantrags 7 vom 20. Februar 2023, also
193
„wobei die Tertiäroptik von der Sekundäroptik beabstandet angeordnet ist“
194
hinzugefügt wurde.
195
Hilfsantrag 15 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 12 vom 20. Februar 2023 aus, wobei das Unterschiedsmerkmal des Hilfsantrags 7 vom 20. Februar 2023 hinzugefügt wurde.
196
Hilfsantrag 16 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 2 vom 20. Februar 2023 aus mit dem Unterschied, dass in Anspruch 1 und analog in Anspruch 9 die zusätzliche Merkmalsgruppe
197
„wobei die Sekundäroptik von einem oder mehreren Linsenkörpern gebildet ist.“
198
aufgenommen worden ist.
199
Hilfsantrag 17 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 7 vom 20. Februar 2023 aus, wobei in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 zusätzlich die Merkmalsgruppe
200
„wobei die Sekundäroptik von einem oder mehreren Linsenkörpern gebildet ist.“
201
eingefügt worden ist.
202
Hilfsantrag 18 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 14 vom 20. Februar 2023 aus, wobei zusätzlich in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 die Unterschiedsmerkmale aus dem Hilfsantrag 16 vom 20. Februar 2023 übernommen worden sind.
203
Hilfsantrag 19 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 15 vom 20. Februar 2023 aus, wobei zusätzlich in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 die Unterschiedsmerkmale aus dem Hilfsantrag 16 vom 20. Februar 2023 übernommen worden sind.
204
Hilfsantrag 20 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 16 vom 20. Februar 2023 aus, wobei zusätzlich in Anspruch 1 und analog in Anspruch 9 das Merkmal aus dem erteilten Anspruch 5, also
205
„wobei die Sekundäroptik die Tertiäroptik mit im Wesentlichen parallelen Lichtstrahlen beaufschlagt“
206
übernommen worden ist.
207
Hilfsantrag 21 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 18 vom 20. Februar 2023 aus, wobei zusätzlich in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 das Unterschiedsmerkmal aus dem Hilfsantrag 20 vom 20. Februar 2023 übernommen worden ist.
208
Hilfsantrag 22 vom 20. Februar 2023 geht vom Hilfsantrag 19 vom 20. Februar 2023 aus, wobei zusätzlich in Anspruch 1 und analog in Anspruch 8 das Unterschiedsmerkmal aus dem Hilfsantrag 20 vom 20. Februar 2023 übernommen worden ist.
209
Die
Hilfsanträge 23 bis 39 jeweils vom 20. Februar 2023 enthalten als Ansprüche 1 bis 4 nur die ein Modulsystem betreffenden vier Ansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 8, 12, 15, 19, 22, 13, 14, 18 und 21, jeweils vom 20. Februar 2023.
210
Hilfsantrag 40 vom 11. Mai 2023 geht aus vom Hilfsantrag 24 vom 20. Februar 2023. In Anspruch 1 (früher Anspruch 9) heißt es jetzt:
211
„deren lichtlenkende Grenzflächen von
sphärisch gewölbten Oberflächen gebildet sind“.
212
Hilfsantrag 41 vom 11. Mai 2023 geht aus vom Hilfsantrag 24 vom 20. Februar 2023. In Anspruch 1 heißt es jetzt:
213
„deren lichtlenkende Grenzflächen von
sphärisch gewölbten Oberflächen gebildet sind, wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist, wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist, wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist,
die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind, wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.“
214
Hilfsantrag 42 vom 11. Mai 2023 basiert auf Hilfsantrag 41 vom 11. Mai 2023. In Anspruch 1 heißt es:
215
„deren lichtlenkende Grenzflächen von sphärisch gewölbten Oberflächen
mit einer Krümmung um einen ersten, großen Radius gebildet sind, wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist, wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist, wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen
mit einer Krümmung um einen anderen, kleineren Radius gebildet sind, wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.
216
Hilfsantrag 43 vom 11. Mai 2023 basiert auf Hilfsantrag 42 vom 11. Mai 2023. In Anspruch 1 heißt es:
217
„deren lichtlenkende Grenzflächen von sphärisch gewölbten Oberflächen mit einer Krümmung um einen ersten, großen Radius gebildet sind,
zur Bereitstellung einer Leuchte mit einer Spot-Lichtverteilung, wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist, wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist, wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen mit einer Krümmung um einen anderen, kleineren Radius gebildet sind,
zur Bereitstellung einer Leuchte mit einer Fluchtlichtverteilung oder einer Weitfluchtlichtverteilung, wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.
218
Wegen der weiteren Einzelheiten und des genauen Wortlauts der Ansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
219
Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit nach § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG, der unzureichenden Offenbarung nach § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4 PatG, sowie der unzulässigen Erweiterung nach § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 38 PatG geltend gemacht werden, ist nach § 81 PatG zulässig.
220
Die Klage ist auch begründet, weil das Streitpatent wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären und aus demselben Grund auch im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 42 nicht patentfähig ist.
I.
221
1. | Die in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2023 eingereichten Hilfsanträge 40, 41 und 42 waren trotz Rüge der Klägerin nach § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG nicht als verspätet zurückzuweisen. |
222
Damit ist über die Verteidigung des Streitpatents nach den Hilfsanträgen 40, 41 und 42in der Sache zu entscheiden.
223
Gemäß § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG kann das Patentgericht zwar eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückweisen und bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen. Hierfür ist es aber stets erforderlich, dass dieser Vortrag tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu klären sind (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 315). Kann das an sich verspätete Vorbringen dagegen noch ohne Weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden, ohne dass es zu einer Verfahrensverzögerung kommt, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 PatG nicht vor. So liegt der Fall hier, weil die Berücksichtigung der Hilfsanträge 40, 41 und 42zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits geführt hat. Hinzu tritt, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen für eine Zurückweisung dann nicht vorliegen, wenn die geänderte Anspruchsfassung nicht zur Bestandsfähigkeit des Patents führt (vgl.
Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 7. Aufl. 2021, Rn. 223 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BPatG, zum letztgenannten Aspekt in Fn. 127).
224
2. | Der in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2023 eingereichte Hilfsantrag 43 war dagegen nach § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG als verspätet zurückzuweisen. |
225
Damit ist über die Verteidigung des Streitpatents nach dem Hilfsantrag 43 nicht in der Sache zu entscheiden.
226
Nach § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG kann das Patentgericht ein Verteidigungsmittel des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 PatG kumulativ vorliegen.
227
Mit qualifiziertem Hinweis vom 22. November 2022 ist der Beklagten unter Bezugnahme auf § 83 Abs. 2 Satz 1 PatG Gelegenheit gegeben worden, bis zum 6. Februar 2023 zu diesem Hinweis durch sachdienliche Anträge oder Ergänzung ihres Vorbringens abschließend Stellung zu nehmen. Die Verteidigung des Streitpatents mit dem Hilfsantrag 43 vom 11. Mai 2023 liegt nach Ablauf der nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist.
228
Die Berücksichtigung des im Hilfsantrag 43 vom 11. Mai 2023 enthaltenen neuen Vortrags hätte eine Vertagung der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2023 erforderlich gemacht (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PatG). Denn nach dem für den Senat ersichtlichen Sachstand wäre durch die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Vertagung dieser die Möglichkeit entzogen worden, sich in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2023 vor dem Bundespatentgericht sachgemäß und erschöpfend über die dort verhandelten Fragen zu erklären, die Grundlage der zu treffenden Entscheidung waren. Der Hilfsantrag 43 vom 11. Mai 2023, der insofern eine neue „Verteidigungslinie“ bildet, als die Beklagte darin erstmals die Merkmale „Fluchtlichtverteilung“ und „Weitfluchtlichtverteilung“ verwendet hat, hat die Klägerin mit Tatsachen konfrontiert, mit denen sich die Klägerin nicht „aus dem Stand“ auseinandersetzen, zu denen sie sachlich fundiert vielmehr nur dann Stellung nehmen konnte, wenn sie angemessene Zeit für Überlegung und Vorbereitung in technischer und rechtlicher Hinsicht hatte. Die für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem Hilfsantrag 43 vom 11. Mai 2023 erforderliche Zeit konnte der Klägerin nicht anders, etwa durch eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2023, in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden (BGH, Urteil vom 13. Januar 2004, X ZR 212/02, GRUR 2004, 354 und juris – Crimpwerkzeug I, Rn. 28; BPatG, Urteil vom 24. Januar 2019, 2 Ni 5/17 (EP), juris – Datenchiffrierung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, Rn. 295;
Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 9. Aufl. 2020, § 83 Rn. 19 m. w. N.;
Schulte/Voit, Patentgesetz mit EPÜ, 11. Aufl. 2022, § 83 Rn. 23).
229
Erhebliche Gründe im Sinne von § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 227 Abs. 1 ZPO, die eine Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen, sind regelmäßig solche, die den Anspruch auf rechtliches Gehör einer oder mehrerer Parteien berühren und die gerade auch zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. So lag es hier aus den geschilderten Gründen. Angesichts der in Art. 103 Abs. 1 GG normierten verfassungsrechtlichen Garantie des Anspruchs auf rechtliches Gehör verblieb dem Senat kein Ermessensspielraum. Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und eines insoweit prozessordnungsgemäßen Verfahrens hätte die mündliche Verhandlung vertagt werden müssen (BGH, a. a. O., Rn. 27 m. w. N.; BPatG, a. a. O., Rn. 296).
230
Die Beklagte hat die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 PatG). Im Blick auf das Erfordernis der genügenden Entschuldigung der Verspätung ist auf einen objektiven Sorgfaltsmaßstab abzustellen (BPatG, a. a. O., Rn. 300;
Busse/Keukenschrijver, a. a. O., § 83 Rn. 23 m. w. N.).
231
Die Beklagte ist über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 PatG), weil die Beklagte im qualifizierten Hinweis vom 22. November 2022 darauf hingewiesen worden ist (dort Seite 54), dass das Gericht Verteidigungsmittel oder eine Verteidigung der Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf der nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termin erforderlich machen würde und die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt.
II.
232
1. Das Streitpatent betrifft eine Leuchte zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen (
vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift NK1).
233
Gemäß der Beschreibung des Streitpatents werden im Zuge der Weiterentwicklung von LEDs diese in jüngster Zeit verstärkt zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen eingesetzt. Bislang stelle sich die erreichbare Lichtverteilung einer mit LEDs operierenden Leuchte – zumindest in bestimmten Anwendungsfällen – als nicht zufriedenstellend dar (
vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift NK1).
234
2. Hiervon ausgehend besteht die Aufgabe der Erfindung zunächst darin, eine Leuchte bereitzustellen, die unter Einsatz von LEDs eine verbesserte, und bei Bedarf im Detail exakt vorherbestimmbare Lichtverteilung aufweist. Weiter soll eine Leuchte bereitgestellt werden, die unter Rückgriff auf standardisierte Bauelemente einer Leuchte durch Austausch lediglich weniger Komponenten der Leuchte eine geänderte Lichtverteilung zulässt (
vgl. Abs. [0010] der Streitpatentschrift NK1).
235
3. Diese Aufgaben werden durch die Leuchte nach Anspruch 1 bzw. das Modulsystem für Leuchten nach Anspruch 11 des Streitpatents gelöst.
236
Die Erfindung des Streitpatents liegt in einer Weiterbildung einer Leuchte, die als Lichtquelle eine oder mehrere LEDs aufweist und zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen geeignet ist. Das Streitpatent macht in seinem Absatz [0002] Ausführungen, welche Leuchten darunter verstanden werden sollen. Dabei werden zunächst Boden-, Wand- und Deckenleuchten eines Gebäudes oder auch Strahler genannt, die der Ausleuchtung einer Gebäudefläche oder einer Gebäudeteilfläche dienen. Ebenfalls genannt werden Leuchten, die die Flächen eines Außenbereichs eines Gebäudes ausleuchten können, also z.B. Parkplatzflächen, Grünflächen oder Wegflächen. Solche fallen aber entgegen den Angaben in der Beschreibung des Streitpatents nur dann unter den Anspruchswortlaut und damit in den Schutzbereich, wenn sie gleichermaßen in der Lage sind, auch Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen auszuleuchten, denn Parkplatzflächen, Grünflächen oder Wegflächen sind keine Gebäudeflächen. Da sich hier der Anspruch 1 und die Beschreibung nicht entsprechen, gilt das Primat des Anspruches (§ 14 PatG, vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 X ZR 16/09 GRUR 2011, 701 und juris – „Okklusionsvorrichtung“). Keine Leuchten zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen sind Signalleuchten, aber auch Fahrzeugleuchten, auch wenn deren Licht unter Umständen auch auf Gebäudeflächen trifft und kurzzeitig bewusst zur Beleuchtung von Gebäudeflächen eingesetzt werden kann, wie beispielsweise ein Fahrzeugscheinwerfer.
237
Entgegen der Ansicht der Beklagten muss eine Leuchte zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen nicht stationär sein. Hier sei auf mobile Arbeitsleuchten hingewiesen, die auch eingesetzt werden, um zeitweise eine Gebäudefläche zu beleuchten.
238
Die Leuchte umfasst vier Bestandteile, die teilweise weiter ausgebildet sind. Dies sind: Eine Platine, eine oder mehrere LEDs, die auf der Platine angeordnet sind, eine Sekundäroptik und eine Tertiäroptik. Das Vorhandensein einer Primäroptik wird nicht beansprucht, genau wie das Vorhandensein eines Gehäuses oder eines dessen Aufgabe übernehmenden Bauteils.
239
Zur Primäroptik führt das Streitpatent aus, dass die LEDs beliebiger Bauart sein können. Es kann sich um monochrome oder mehrfarbige oder unterschiedlich farbige LEDs handeln. Die LEDs weisen bereits eine Primäroptik auf. Dies kann beispielsweise ein aus transparentem Kunststoff oder dergleichen Material gebildeter Linsenkörper sein, der unmittelbar auf der LED, typischerweise bereits beim Herstellungsprozess der LED, mit angebracht worden ist. Dieser kann bereits für eine gewisse Fokussierung des Lichtes sorgen, so dass die kommerziell mit einer Primäroptik ausgestattete LED beispielsweise einen Abstrahlungswinkel von 120° bis 180° aufweist. Auch andere Abstrahlungswinkel sind möglich (
vgl. Abs. [0013] der Streitpatentschrift NK1). Damit führt das Streitpatent aus, was unter einer Primäroptik verstanden wird und warum die im Anspruch genannten Optiken Sekundär- und Tertiäroptik genannt werden. Beansprucht wird eine solche Primäroptik hingegen nicht, so dass sie vorhanden sein kann oder auch nicht, was de facto bedeutet, dass auf der Platine auch ein nackter LED-Halbleiterchip montiert sein kann.
240
Die Sekundäroptik wird dahingehend näher charakterisiert, dass sie das von den LEDs emittierte Licht bündelt. Dies führt mit dem vorher Dargestellten dazu, dass ein Linsenkörper, in den ein LED-Hableiterchip vergossen ist, sowohl die Primär- als auch die Sekundäroptik darstellen kann.
241
Die weiteren Merkmale des Anspruchs 1 bilden die Tertiäroptik weiter aus, die nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist. Dies bedeutet, dass die Tertiäroptik die letzte Optik im Lichtpfad ist. Mehr beansprucht dieses Merkmal nicht, denn alle Bestandteile einer Leuchte befinden sich in der Nähe zueinander und die Lichtaustrittsöffnung wird durch die Fläche bestimmt, aus der das Licht aus der Leuchte austritt. Die Lichtaustrittsöffnung ist dabei nicht notwendigerweise durch eine Öffnung im Gehäuse bestimmt, denn ein solches muss nicht vorhanden sein, da es im Anspruch 1 nicht beansprucht wird. Auch muss die Tertiäroptik nicht von der Sekundäroptik beabstandet sein, denn dies wird erst mit Anspruch 4 des Streitpatents beansprucht, der den mit Anspruch 1 beanspruchten Gegenstand nicht platt selbstverständlich weiterbildet.
242
Die Tertiäroptik wird von einem flächigen, transluzenten Element gebildet, welches lichtlenkende Mikrostrukturen aufweist. Das Streitpatent macht keine Angaben, wie groß die Strukturen sein dürfen, um eine Mikrostrukturierung darzustellen. Der Fachmann legt dies dahingehend aus, dass die Strukturen, die auf einer Fläche eines lichtdurchlässigen Elements angeordnet sind, kleiner als 1 mm, typischerweise im Bereich von 0,1 bis 100 µm groß, sind und das Licht lenken, was wiederum bedeutet, dass sie nicht so klein sind, dass sie auf das Licht keine Wirkung mehr haben. Da eine Strukturierung einer Fläche, wenn diese groß genug ist, das Licht immer lenkt, wird hiermit nur angegeben, dass ein lichtdurchlässiges Element in einer Größenordnung unterhalb eines Millimeters in optisch wirksamer Weise strukturiert ist.
243
Licht wird durch diese Reflexion in Richtung nach oben abgelenkt. Es sei darauf hingewiesen, dass der gezeigte Strahlverlauf falsch ist, denn das Ergebnis einer Reflexion an einem Kegel mit gerader Mantelfläche sind keine parallelen Strahlen. Hierzu bedürfte es eines Paraboloids.
244
Über der Sekundäroptik (
14) befindet sich die Tertiäroptik (
16), die in Form einer lichtdurchlässigen Platte ausgebildet ist, die auf der der Sekundäroptik (
14) zugewandten Seite Mikrostrukturen (
18) aufweist. Ein Beispiel für eine solche Mikrostruktur zeigt Fig. 2. Dort sind Kugelkalotten auf einer ebenen Grundfläche in einem hexagonalen Gitter bzw. Raster, also wabenartig angeordnet. Entgegen der Ansicht der der Beklagten ist eine Anordnung in einem nicht hexagonalen Gitter, das auch als aus Parallelogrammen einer bestimmten Form aufgebaut dargestellt werden kann, nicht wabenartig. Unklar ist dabei zunächst, ob nur die Kugelkalotten (
19 a bis d) allein als Facetten bezeichnet werden, zwischen denen sich dann eine andere, unter Umständen optisch ebenfalls wirksame Oberfläche befindet, oder ob jeweils Teile dieser Fläche zur Oberfläche einer Facette gehören, denn anspruchsgemäß ist die Oberflächenform der Facette nicht beschränkt. Die Beschreibung bezeichnet jedoch in Abs. [0074] die Kugelkalotten (
19 a bis d) als Facetten, woraus zu schließen ist, dass die Facetten die Oberfläche der Tertiäroptik (
16) nicht ausfüllen müssen.
245
Da es sich um Kugelkalotten handelt, ist die Oberfläche nicht asphärisch gekrümmt, sondern sphärisch, wie auch die Beschreibung des Streitpatents in Abs. [0074] angibt, und damit nicht gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ausgeführt.
246
Beim Modulsystem nach Anspruch 11 sind die Merkmale der Tertiäroptik gegenüber Anspruch 1 dahingehend breiter, dass weder beansprucht wird, dass die Facetten wabenartig angeordnet sind, noch dass die gewölbten Oberflächen der Facetten asphärisch sind. Dafür gibt es eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform, wohl wie die erste Tertiäroptik wie der Fachmann dies verstehen wird, gegen die die erste Tertiäroptik austauschbar ist und die zu einer unterschiedlichen Abstrahlcharakteristik der Leuchte führt. Die zweite Tertiäroptik weist dabei noch weniger beanspruchte Merkmale auf als die erste. Es wird lediglich angegeben, dass es sich bei ihr ebenfalls um ein flächiges, transluzentes Element handelt, das lichtlenkende Mikrostrukturen aufweist.
247
Das Modulsystem für Leuchten des Anspruchs 11 besteht somit aus einer in einer bestimmten Weise ausgebildeten Leuchte mit zwei Tertiäroptiken die gegeneinander austauschbar sind.
248
4. Der hier zuständige Fachmann ist als berufserfahrener Ingenieur der Elektrotechnik oder Physiker mit Hochschulabschluss und Spezialwissen in der Entwicklung und Konstruktion von LED-Leuchten mit guten Kenntnissen der Optik zu definieren. Er ist zwar auf das Gebiet der Beleuchtung von Gebäudeflächen spezialisiert, jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so eng aufgestellt, dass er keinerlei Kenntnisse vom Aufbau von Signalleuchten oder Fahrzeugleuchten besitzt und nicht in der Lage wäre, auf diesen Gebieten entwickelte optische Konzepte auch auf dem Gebiet der Gebäudebeleuchtung einzusetzen.
249
5. Der Gegenstand des
erteilten Anspruchs11 ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D8 und D22 (§ 4 PatG), weshalb er nicht patentfähig ist (§ 1 Abs. 1 PatG). Bei dieser Sachlage können die Erörterung der Zulässigkeit der Ansprüche des Hauptantrags und wegen der Antragsbindung auch die Beurteilung des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik dahingestellt bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990, X ZR 29/89, GRUR 1991, 120, 121, II.1 – „Elastische Bandage“).
250
Druckschrift D8 offenbart eine Leuchte, die als Lichtquelle LEDs benutzt und für die Beleuchtung von Gebäudeflächen geeignet ist (
vgl. S. 1, 1. Abs.: „The invention relates to illumination devices, often called luminaires, and in particular to illumination devices using small light sources, such as light-emitting diodes (LEDs) or the like, for the efficient and controlled illumination of a desired area. The illumination devices of the present invention may be utilized for general-purpose lighting in and around homes and commercial buildings, and may also be used in architectural and industrial lighting applications.“). Diese in der hier wiedergegebenen Fig. 1 gezeigte Leuchte (
lighting device 10) umfasst eine Platine (
circuit board 15), auf der mehrere LEDs (
LEDs 14) angeordnet sind. Über den LEDs befindet sich eine Anordnung von Kollimatoren (
collimators 16), die das Licht der LEDs (
14) bündeln und es einem Diffusor (
diffuser 18) zuführen (
vgl. S. 6 letzter Abs.: „Referring to FIG. 1, one example of a lighting device 10 of the present invention is shown enclosed in a housing 12. The lighting device 10 has multiple wide angle light sources 14, such as LEDs, mounted on a circuit board 15 which are disposed to provide light to a two-dimensional array of parabolic shaped collimators 16 disposed along interior of the housing. The collimators 16 each partially collimates the light for each of their respective light sources 14, and provides such partially collimated light to a diffuser 18 spaced by a gap 19 from the array of collimators.”). Die Anordnung der Kollimatoren (
16) kann dabei als Sekundäroptik und der Diffusor (
18) als Tertiäroptik identifiziert werden.
251
Neben einer Leuchte offenbart Druckschrift D8 aber auch das, was das Streitpatent mit „Modulsystem für Leuchten“ bezeichnet, nämlich eine Leuchte, bei der es mehrere Tertiäroptiken gibt, die unterschiedliche Abstrahlcharakteristiken erzeugen und gegeneinander austauschbar sind (
vgl. S. 3, 2. Abs.: „It is another feature of the present invention to provide a low profile luminare having a housing with an array of collimators for collimating light from such small, wide-angle light sources in which the diffuser represents one of multiple diffusers interchangeable in such housing to provide luminares producing different illumination patterns.”). Damit offenbart Druckschrift D8 in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 ein
252
11.1 Modulsystem für Leuchten (
Leuchte 10 mit zwei oder mehreren Tertiäroptiken 18) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen,
253
11.2 umfassend eine Platine (
15), auf der eine oder mehrere LED’s (
14) angeordnet sind,
254
11.3 eine Sekundäroptik (
16), die das von den LED’s emittierte Licht bündelt (
Die Sekundäroptik 16 ist ein Kollimator), und
255
11.4 eine erste Tertiäroptik (
18) vorherbestimmter Bauform,
256
11.5
1.Teil wobei die erste Tertiäroptik (
18) von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist (
siehe Fig. 1), welches lichtlenkende Mikrostrukturen (
vgl. den zitierten, Seite 6, 7 übergreifenden Satz) erster Art aufweist, die von entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind (
vgl. die Ausführungen zu „randomized microlens arrays“), deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind (
Druckschrift R11 zeigt als Beispiel sphärische oder asphärische Linsen mit kreisförmigen Umfang),
257
11.6 wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist (
siehe die Anordnung der Tertiäroptik 18 als letztes Element in der Lichtaustrittsöffnung des Gehäuses 12),
258
11.7 wobei eine zweite Tertiäroptik (
18) derselben Bauform vorgesehen ist (vgl. den bereits zitierten Abschnitt
S. 3, 2. Abs. oder auch S. 7, 2. Abs.: „To provide different lighting devices 10 for different applications, the diffuser 18 may be interchangeable with one or more different diffusers via the slots defined by flanged 12a and 12b in housing 10, where different diffusers when located in the housing provide different area illumination patterns for the partially collimated light from the collimators 16.”. Dass die Tertiäroptiken dieselbe Bauform besitzen müssen, ergibt sich daraus, dass sie austauschbar sein müssen, was dieselbe Bauform erfordert, da sie anderenfalls nicht passen.)
259
11.7.1 wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art aufweist (
siehe Fig. 1.
Die Mikrostrukturen müssen unterschiedlich sein, da sich bei identischer Ausführung kein unterschiedliches Beleuchtungsmuster ergeben würde.),
260
11.8 wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist (
vgl. die bereits zitierten Abschnitte S. 3, 2. Abs. oder auch S. 7, 2. Abs.), und
261
11.9 wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen (
vgl. die bereits zitierten Abschnitte S. 3, 2. Abs. oder auch S. 7, 2. Abs.).
262
Damit unterscheidet sich das mit Anspruch 11 des Streitpatents beanspruchte Modulsystem für Leuchten von dem in Druckschrift D8 offenbarten nur dadurch, dass die Facetten der Mikrostrukturen der ersten Tertiäroptik identisch ausgebildet sind (Merkmal 11.5
2.Teil).
263
Dieser Unterschied kann aber eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen, denn das Merkmal 1.5 ergibt sich für den Fachmann in seiner Gesamtheit aus der Zusammenschau mit der Druckschrift D22, so dass sich insgesamt das mit Anspruch 11 beanspruchte Modulsystem für Leuchten ergibt.
264
Wie bereits ausgeführt, gibt Druckschrift D8 ein Ausführungsbeispiel an, bei dem als Diffusor (
18) ein „randomized microlens array“, wie es in den Druckschriften R11 und R12 offenbart wird, eingesetzt wird, während in Druckschrift D22 keiner der in den Druckschriften R11 und R12 genannten Parameter gemäß einer Wahrscheinlichkeitsverteilung verändert wird. Doch ist die Lehre der Druckschrift D8 deutlich breiter, denn im Anspruchssatz der Druckschrift D8 wird ein „randomized microlens array“ erst im Anspruch 4 als optisches Element beansprucht, nachdem vorher im Anspruch 3 allgemeiner eine Mikrolinsenanordnung genannt wird. Die Lehre der Druckschrift D8 besteht darin, dass Licht von Lichtquellen zunächst mittels eines Kollimators gebündelt wird und dieses Licht dann mittels eines Diffusors, der eine gewünschte Winkelabhängigkeit des Lichts und damit ein gewünschtes Beleuchtungsmuster erzeugt, umgelenkt wird. Dies erfolgt in Abhängigkeit von der Winkelverteilung des gebündelten Lichts (
vgl. Anspruch 1: „A lighting device comprising: at least one light source; at least one first optical element for partially collimating light from said light source to provide an angular distribution intensity narrower than said the light source; at least one second optical element for diffusing light from said first optical element in which said second optical element has an optical diffusion property providing an angularly dependent output light intensity over an area in accordance with the angular distribution intensity of the partially collimated light from said first optical element to provide a predetermined illumination pattern.”). Letzteres ist für den Fachmann selbstverständlich, denn er ist an dem Beleuchtungsmuster der gesamten Leuchte interessiert und nicht an den Lichtemissionsmustern der einzelnen Bestandteile. Für dieses Beleuchtungsmuster ist aber nicht nur der Diffusor (
18), sondern sind alle Bestandteile der Leuchte gemeinsam verantwortlich.
265
Auch die Beschreibung, die zwar bevorzugt auf „randomized microlens arrays“ verweist, gibt weitere Möglichkeiten für den Diffusor an, mit denen die Erfindung ausgeführt werden kann, so satiniertes Glas bzw. Milchglas, Mikrolinsenanordnungen, holographische Aufzeichnungen von Speckles und lichtbrechende Elemente (
vgl. S.14, 15 seitenübergreifender Abs.: „The optical design of the diffuser 18 will now be described. A surface structure that separates two media of distinct indices of refraction and incorporates randomized features generally operates as a diffuser element. Any diffuser structure that provides homogenization and distribution of light can be utilized with the present invention. Examples include diffusers surfaces such as those found in ground glass, microlens arrays, holographic recording of speckle, and diffractive elements. Even volume diffusers such as opal glass, for example, can be utilized in accordance with the present invention. Such diffusers, however, provide limited control of light and thus have narrow scope of applications. The preferred method for generating a diffuser is one that has an optical diffusion property providing an angular dependent output light intensity over an area such as described in earlier incorporated by reference U.S. Patent Nos. 6,859,326 and 7,033,736.”). Damit werden auch dort allgemein Mikrolinsen als Möglichkeit genannt.
266
Der Absatz in der Beschreibung gibt auch an, dass die Diffusoren zufällige Eigenschaften besitzen müssen. Diese sieht das Dokument offensichtlich bei Mikrolinsenanordnungen allgemein gegeben. Ein Grund hierfür wird nicht angegeben. Jedoch sind die Mikrolinsen, die anders als eine große Einzellinse nicht in ihrer relativen Position zur Lichtquelle in einer festen räumlichen Beziehung angeordnet sind, bezüglich dieser Position quasizufällig verteilt angeordnet, was auch eine (quasi-)zufällige Winkelverteilung des einfallenden Lichts auf die einzelnen Mikrolinsen zur Folge hat.
267
Druckschrift D22 offenbart gerade eine solche Mikrolinsenanordnung, deren Zielsetzung zudem gleich der in der Druckschrift D8 gelehrten ist, nämlich mittels des Diffusors unter der Beachtung der Winkelverteilung des einfallenden Lichts ein vorgegebenes Beleuchtungsmuster zu erzielen (
vgl. den bereits zitierten Abs. in Sp. 1, Z. 46 bis 54). Es liegt somit für den Fachmann nahe, auch eine Mikrolinsenanordnung, wie sie in Druckschrift D22 gelehrt wird, als Struktur für den Diffusor zu verwenden, auch wenn diese kein „randomized microlens array“ ist. Damit ergibt sich insgesamt der mit dem erteilten Anspruch 11 beanspruchte Gegenstand, der deshalb nicht patentfähig ist.
268
Die Beklagte gibt hierzu an, dass der Fachmann keinen Grund habe, das „randomized microlens array“ durch eine andere Mikrolinsenanordnung zu ersetzen. Einer solchen Anregung bedarf es allerdings auch nicht, denn auch Mikrolinsenanordnungen, wie sie in Druckschrift D22 offenbart sind, werden in Druckschrift D8 bereits als Möglichkeit der Ausführung der Lehre angegeben. Dies mag zwar nicht die bevorzugte oder nächstliegende Lösung sein, doch erfordert § 4 PatG für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht nur, dass es sich nicht um die sich aus dem Stand der Technik für den Fachmann ergebende nächstliegende Möglichkeit handelt, sondern dass es sich um keine Lösung handelt, die sich für den Fachmann in irgendeiner naheliegenden Weise aus dem Stand der Technik ergibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Februar 2016, X ZR 5/14 GRUR 2016, 1023 und juris – „Anrufroutingverfahren“).
269
Die Beklagte hat außerdem bemängelt, dass es mit einer in Druckschrift D22 gelehrten Mikrolinsenanordnung, bestehend aus identischen Facetten in einem regelmäßigen Raster, nicht möglich wäre, einen Diffusor herzustellen, der, wie in den Fig. 11 bis 13 der Druckschrift D8 gezeigt wird, eine Lichtemission eines Kollimators, der im zentralen Winkelbereich eine überhöhte Intensität aufweist, so auszugleichen, dass ein Plateau mit einer gleichbleibenden Intensität entsteht. Eine Zusammenschau der Druckschrift D8 mit der Druckschrift D22 würde somit zu einem Widerspruch führen. Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht.
270
Zum einen handelt es sich bei den Figuren 11 bis 13 nur um ein Ausführungsbeispiel der Druckschrift D8, bei dem das vorherbestimmte Beleuchtungsmuster (
vgl. Anspruch 1 der Druckschrift D8) das in Fig. 13 gezeigte ist. Es sind aber beliebig viele andere vorherbestimmte Beleuchtungsmuster denkbar, denn diese werden in keiner Weise für die in Druckschrift D8 offenbarte Lehre eingeschränkt. Auch nicht vom vorletzten Absatz auf Seite 2 der Beschreibung, wo zum einen ein im Wesentlichen gleichmäßiges Licht genannt wird, aber auch auf andere maßgeschneiderte Beleuchtungsmuster hingewiesen wird (
vgl. S. 2, vorletzter Abs.: „Accordingly, it is one feature of the present invention to provide lighting devices that utilize small, wide-angle light sources, such as an LEDs, in combination with a collimating and diffusing optics to provided substantially uniform light suitable for general light applications that can also be used to provided other tailored illumination patterns.“)
271
Zudem behauptet Druckschrift D22 im bereits zitierten Absatz Sp. 1, Z. 46 bis 54, dass die Summe der Emissionsmuster der Vielzahl von Mikrolinsen auf nahezu jegliches Beleuchtungsmuster zugeschnitten werden kann. Grund dafür sind die gelehrten zusätzlichen Mikrolinsen („secondary lenslets“), deren Zahl und Form variieren kann. Der von der Beklagten behauptete Widerspruch zwischen der Lehre der Druckschrift D8 und der Lehre der Druckschrift D22 existiert demnach nicht.
272
6. Auch die Gegenstände der aus dem erteilten Anspruch 11 hervorgehenden selbständigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 42 sind nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG), denn sie werden dem Fachmann durch die Zusammenschau der Druckschrift D8 mit der Druckschrift D22 nahegelegt (§ 4 PatG).
273
6.1. Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit wird nicht auf den genauen Wortlaut der aus dem selbständigen Anspruch 11 hervorgehenden ein Modulsystem für Leuchten betreffenden Anspruch aller Hilfsanträge einzeln eingegangen, sondern für die Hilfsanträge 1 bis 42 wird auf die diese Ansprüche bildenden Merkmale eingegangen. Diese Merkmale werden im Folgenden aufgelistet, wobei eine Nummerierung und ein Index angegeben werden. Der Index gibt an, in welchem Hilfsantrag das Merkmal erstmals auftritt. Fehlt er, so handelt es sich um ein Merkmal des erteilten Anspruchs 11 des Streitpatents. Dies erfolgt, um Änderungen in einem Merkmal deutlich zu machen und bedeutet immer, dass das Merkmal mit derselben Zahl aber den anderen Indizes oder ohne Index nicht vorhanden ist. Insgesamt gibt es folgende Merkmale für die mit den selbständigen Ansprüchen beanspruchten Modulsysteme für Leuchten:
274
11.1 Modulsystem für Leuchten (10) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen,
275
11.2 umfassend eine Platine (11), auf der eine oder mehrere LED’s (12a, 12b, 12c) angeordnet sind,
276
11.3 eine Sekundäroptik (14), die das von den LED’s emittierte Licht bündelt, und
277
11.4 eine erste Tertiäroptik (16) vorherbestimmter Bauform,
278
11.5 wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind,
279
11.5
H1 wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen,
plattenförmigausgebildeten, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukuren (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind,
280
11.5
H40 wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen, plattenförmig ausgebildeten, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukuren (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von
sphärisch gewölbten Oberflächen gebildet sind,
281
11.5
H42 wobei die erste Tertiäroptik von einem flächigen, plattenförmig ausgebildeten, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukuren (18) erster Art (Fig. 3) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von sphärisch gewölbten Oberflächen
mit einer Krümmung um einen ersten, großen Radius gebildet sind,
282
11.6 wobei die Tertiäroptik nach Art eines Leuchtenabschlussglases an der oder nahe der Lichtaustrittsöffnung der Leuchte angeordnet ist,
283
11.7 wobei eine zweite Tertiäroptik derselben Bauform vorgesehen ist,
284
11.7.1 wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist,
285
11.7.1
H41 wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist,
die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen gebildet sind,
286
11.7.1
H42 wobei die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art (Fig. 4) aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen
mit einer Krümmung um einen anderen, kleineren Radius gebildet sind,
287
11.8 wobei die erste Tertiäroptik durch die zweite Tertiäroptik austauschbar ist, und
288
11.9 wobei die Mikrostrukturen zweiter Art eine gegenüber den Mikrostrukturen erster Art geänderte Abstrahlcharakteristik der Leuchte ermöglichen.
289
11.10
H2 wobei die Leuchte ein Leuchtengehäuse umfasst, an dem die Platine und die Sekundäroptik befestigt sind, wobei eine Befestigung der Tertiäroptik an dem Leuchtengehäuse unabhängig von der Befestigung der Sekundäroptik an dem Leuchtengehäuse ist,
290
11.11
H3 wobei die Tertiäroptik mit Befestigungsmitteln am Leuchtengehäuse befestigbar ist,
291
11.11
H4 wobei die Tertiäroptik mit Befestigungsmitteln am Leuchtengehäuse
lösbar befestigbar ist,
292
11.12
H5 wobei die zweite Tertiäroptik mit den gleichen Befestigungsmitteln an dem Leuchtengehäuse der Leuchte befestigbar ist, wie die erste Tertiäroptik,
293
11.13
H6 wobei die Platine, die Sekundäroptik und die Tertiäroptik innerhalb des Leuchtengehäuses angeordnet sind,
294
11.14
H7 wobei die Tertiäroptik von der Sekundäroptik beabstandet angeordnet ist,
295
11.14
H8 wobei die Tertiäroptik von der Sekundäroptik beabstandet angeordnet ist, wobei der Abstand zwischen 1 mm und 100 mm beträgt
296
11.15
H9 wobei die Mikrostrukturen auf der Seite der Tertiäroptik angeordnet sind, die der Sekundäroptik zugewandt ist,
297
11.16
H10 wobei die Sekundäroptik von mehreren Linsenkörpern bereitgestellt ist, die gemeinsam von einer Tertiäroptik übergriffen sind,
298
11.16
H16 wobei die Sekundäroptik von einem oder mehreren Linsenkörpern gebildet ist,
299
11.17
H11 wobei die Sekundäroptik unmittelbar an der Platine festgelegt ist,
300
11.18
H12 wobei die Sekundäroptik von im Querschnitt becherartigen Elementen gebildet ist, die sich hinsichtlich ihres Querschnittes mit zunehmendem Abstand von den LEDs erweitern und unmittelbar auf die Platine gesetzt sind, um die dort vorhandenen LEDs zu übergreifen
301
11.19
H20 wobei die Sekundäroptik die Tertiäroptik mit im Wesentlichen parallelen Lichtstrahlen beaufschlagt,
302
Die Unterstreichungen wurden seitens des Senats eingefügt, um Änderungen in einem Merkmal hervorzuheben.
303
6.2. Auch hier kann wegen der fehlenden Patentfähigkeit die ursprüngliche Offenbarung fast aller Merkmale dahingestellt bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990, X ZR 29/89 GRUR 1991, 120, 121, II.1 – „Elastische Bandage“).
304
Die einzige Ausnahme ist das Merkmal 11.16
H10, dass die Sekundäroptik von mehreren Linsenkörpern bereitgestellt ist, die gemeinsam von einer Tertiäroptik übergriffen sind.
305
In den von der Beklagten angegebenen Abs. [0008], [0009], [0067] und [0068] der Offenlegungsschrift NK3 ist zwar ursprünglich offenbart, dass die Sekundäroptik aus mehreren Linsenkörpern besteht. Eine Stelle, an der davon die Rede ist, dass die Tertiäroptik die Sekundäroptiken „übergreift“, gibt es in den ursprünglichen Unterlagen dagegen nicht. Auch die Figuren zeigen kein „Übergreifen“. Es wird hingegen beschrieben, dass die Sekundäroptik die LEDs übergreift. Die Tertiäroptik befindet sich lediglich in Form einer transparenten Platte vor bzw. über den Linsenkörpern der Sekundäroptik. Die von der Patentinhaberin angegebenen Absätze der Offenlegungsschrift geben nur an, dass das Licht, das aus der Sekundäroptik austritt, einer Tertiäroptik zur Verfügung gestellt wird. Das Merkmal 11.16
H10 ist demnach ursprünglich nicht offenbart, was an dem von der Beklagten gewählten Wort „übergreifen“ liegt. Die ein Modulsystem für Leuchten beanspruchenden selbständigen Ansprüche der Hilfsanträge, die dieses Merkmal enthalten, sind demnach unzulässig. Dies betrifft die Ansprüche 6 der Hilfsanträge 10 und 11.
306
Trotzdem werden diese Hilfsanträge gegenüber dem Stand der Technik beurteilt, denn der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Ausdrucksweise „übergreifen“ wohl sachlich nicht richtig gewählt wurde, um das auszudrücken, was die Figuren zeigen, nämlich dass die Tertiäroptik die Sekundäroptik abdeckt (
siehe Fig. 1 der Streitpatentschrift). Mit dieser Auslegung werden das Merkmal 1.16
H10 und die es enthaltenden selbständigen Ansprüche gegenüber dem Stand der Technik beurteilt.
307
6.3. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich das Modulsystem für Leuchten gemäß dem erteilten Anspruch 11 für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D8 und D22. Aus diesen Druckschriften sind somit die Merkmale 11.1 bis 11.7, 11.7.1, 11.8 und 11.9 bekannt. Auch die übrigen Merkmale der selbständigen ein Modulsystem für Leuchten beanspruchenden Patentansprüche der
Hilfsanträge 1 bis 42 sind aus diesen Druckschriften bekannt, so dass auch die in den Hilfsanträgen 1 bis 42 mit diesem selbständigen Anspruch beanspruchten Modulsysteme mangels erfinderischer Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG) nicht patentfähig sind.
308
6.3.1. Da die Tertiäroptik (
18) in Druckschrift D8 von einem plattenförmigen Element gebildet ist, wie aus Fig. 1 deutlich ersichtlich ist, offenbart auch Druckschrift D8 das Merkmal
11.5H1 bereits und auch Druckschrift D22 offenbart ein transluzentes plattenförmiges Element (
siehe Fig. 7 und 8). Druckschrift D22 beschreibt zudem, dass die Oberflächen der Facetten sphärisch gewölbt sein können (
vgl. Sp. 3, Z. 25 bis 35: „Lens surface 115 has a plurality of primary lenslets 121 which are arranged into a symmetrical array of Y-direction columns extending from one edge 119 to the other edge 119 and X-direction rows extending from one edge 117 to the other edge 117. Primary lenslets 121 are formed in lens surface 115 at a first vertical dimension or elevation 123 in the substrate. They are shown in the drawing as being generally spherical or aspheric convex, or positive lenses. In cross-section, primary lenslets 121 curve in both the X-direction and Y-direction. The elevation and positions of the lenslets are calculated mathematically and graphically.“), so dass auch das Merkmal
11.5H40 als Ausführungsmöglichkeit offenbart ist.
309
Diese sphärische Ausführung weist, wie jede Kugeloberfläche einen bestimmten Krümmungsradius auf, der gemäß dem Merkmal
11.5H42 als erster Krümmungsradius bezeichnet werden kann. Das weitere Teilmerkmal, des Merkmals 11.5
H42, dass es sich dabei um einen bzw. den großen Radius handelt, ergibt nur mit dem Merkmal
11.7.1H42, dass die zweite Tertiäroptik von einem flächigen, transluzenten Element gebildet ist, welches lichtlenkende Mikrostrukturen zweiter Art aufweist, die von identisch ausgebildeten, entlang einem strukturierten Raster angeordneten Facetten gebildet sind, deren lichtlenkende Grenzflächen von gewölbten Oberflächen mit einer Krümmung um einen anderen, kleineren Radius gebildet sind, einen Sinn, denn erst im Vergleich ergeben die Begriffe „groß“ und „kleiner“ einen Sinn.
310
Für den Fachmann besteht eine naheliegende Möglichkeit der Ausbildung der beiden Tertiäroptiken gemäß der Lehre der Druckschrift D22 darin, beide Tertiäroptiken mit einer sphärisch gewölbten Oberfläche der Facetten auszubilden. Sollen die beiden Tertiäroptiken zu unterschiedlichen Abstrahlungscharakteristiken führen, wie dies Druckschrift D8 für die Tertiäroptiken lehrt, so müssen beide sphärischen Krümmungen im Allgemeinen einen unterschiedlichen Krümmungsradius aufweisen, so dass es eine Tertiäroptik mit einem großen Krümmungsradius der Oberfläche der Facetten und eine mit einem gegenüber dem großen Krümmungsradius kleineren Krümmungsradius der Oberfläche der Facetten gibt. Die mit dem größeren Krümmungsradius ist dann die erste Tertiäroptik des Modulsystems, die mit dem kleineren Krümmungsradius die zweite Tertiäroptik des Modulsystems. Damit ergeben sich die Merkmale 11.5
H42 und 11.7.1
H42 für den Fachmann in naheliegender Weise. Zudem ergibt sich auf Grund der für den Fachmann naheliegenden Ausführung der beiden Tertiäroptiken gemäß der Lehre der Druckschrift D22 auch das gegenüber Merkmal 11.7.1
H42 breitere Merkmal
11.7.1H41.
311
6.3.2. Druckschrift D8 offenbart auch ein Gehäuse (
12 in Fig. 1) der Leuchte. In ihm sind die Sekundäroptik (
32) und die Tertiäroptik (
18) unabhängig voneinander, beispielsweise in Schlitzen befestigt (
vgl. S. 6, letzter Abs.: „Referring to FIG. 1, one example of a lighting device 10 of the present invention is shown enclosed in a housing 12. The lighting device 10 has multiple wide angle light sources 14, such as LEDs, mounted on a circuit board 15 which are disposed to provide light to a two-dimensional array of parabolic shaped collimators 16 disposed along interior of the housing. The collimators 16 each partially collimates the light for each of their respective light sources 14, and provides such partially collimated light to a diffuser 18 spaced by a gap 19 from the array of collimators.” und S. 7, mittlerer Abs.: „The housing may have flanges 12a and 12b each providing a slot, or other mechanically mounting means, such as a clamp or snapping features, along which diffuser 18 slides into to capture the diffuser in housing 12. The array of collimators 16 are shown as a monolithic structure, such as of molded optical material, to provide a common flange 32 (see FIG. 6) captured under flanges 12a and 12b. Optionally each collimator 16 of the array may be separate from each other and aligned and mounted over their respective light source.”). Die Platine (
15) ist ersichtlich am Boden des Gehäuses (
12) befestigt. Damit ergibt sich ein Ausführungsbeispiel, bei der alle drei Bestandteile, Platine, Sekundäroptik und Tertiäroptik unabhängig voneinander im Gehäuse befestigt sind und somit das Merkmal
11.10H2. Auch Befestigungsmittel werden genannt, so eine Klammer. Die Tertiäroptik ist auch lösbar befestigt (
vgl. S. 7, mittlerer Abs.: „To provide different lighting devices 10 for different applications, the diffuser 18 may be interchangeable with one or more different diffusers via the slots defined by flanged 12a and 12b in housing 10, where different diffusers when located in the housing provide different area illumination patterns for the partially collimated light from the collimators 16.”). Dies bedeutet, dass mit dem beschriebenen Gehäuse das sich ergebende Modulsystem für Leuchten auch die Merkmale
11.11H3und 11.11H4 aufweist. Da es für den Fachmann zudem naheliegend ist, beide Tertiäroptiken des Modulsystems gemäß der Lehre der Druckschrift D22 und damit als gleichartige Diffusorplatten auszuführen, ist es somit naheliegend, dass die zweite Tertiäroptik gemäß dem Merkmal
11.12H5 mit den gleichen Befestigungsmitteln an der Leuchte befestigbar ist wie die erste Tertiäroptik.
312
Wie aus Fig. 1 der Druckschrift D8 ersichtlich ist, sind die Platine (
15), die Sekundäroptik (
16, 32) und die Tertiäroptik (
18) innerhalb des Leuchtengehäuses (
12) angeordnet, das mit der Oberfläche der Flansche (
12a. 12b) endet, so dass auch das Merkmal
11.13H6 bei der Leuchte aus Druckschrift D8 und damit bei dem sich bei der Zusammenschau mit der Druckschrift D22 ergebenden Modulsystem bereits gegeben ist.
313
6.3.3. Ein Abstand (
19) zwischen der Tertiäroptik (
18) und der Sekundäroptik (
16), wie er mit dem Merkmal
11.14H7 beansprucht wird, ist in Druckschrift D8 beschrieben (
vgl. S. 6, letzter Abs.: „The collimators 16 each partially collimates the light for each of their respective light sources 14, and provides such partially collimated light to a diffuser 18 spaced by a gap 19 from the array of collimators.“) und ist auch aus Fig. 1 ersichtlich. Eine Angabe, wie groß der Abstand ist, gibt es in Druckschrift D8 jedoch nicht. Druckschrift D8 macht lediglich Angaben zur Größe der Leuchte. Diese hat beispielsweise eine Gesamthöhe von 2 bis 45 mm mit einer Dicke des Diffusors, also der Tertiäroptik von 0,5 bis 3,0 mm (
vgl. S. 7, letzter Abs.: „The housing 12 may be mounted along surface 12c on a wall or ceiling providing a low profile device as the height of the collimators from board 15 may be, for example, between 1-40 mm, and the diffuser has a thickness, for example, of 0.5-3.0 mm, and the overall housing may be, for example, between 2-45 mm.“). Diese Angaben legen dem Fachmann ausgehend von Fig. 1 einen Abstand von einem oder wenigen Millimetern für eine Gebäudeleuchte nahe. Bei einem Abstand von weniger als 1 mm ist bei der Größe einer Gebäudeleuchte und der Dicke der Diffusorplatte (
18) mit der Möglichkeit des Diffusoraustausches im Modulsystem nur schwer zu gewährleisten, dass die Diffusorplatte (
18) die Kollimatoren (
16) im Gebrauch nicht berührt. Damit legt Druckschrift D8 auf Grund der Größenangaben dem Fachmann einen Abstand im mit Merkmal
11.14H8 angegebenen Bereich von 1 bis 100 mm und dort im unteren Bereich nahe.
314
increase to accommodate the increased diameter of the collimator 16.” und siehe Fig. 8).
315
6.3.7. Wie aus den Figuren ebenfalls ersichtlich ist, ist in Druckschrift D8 die Sekundäroptik (
16) von im Querschnitt becherartigen Elementen (
„parabolic surface 24“) gebildet, die sich auf Grund ihrer parabolischen Form hinsichtlich ihres Querschnittes mit zunehmendem Abstand von den LEDs (
14) erweitern. Wie bereits ausgeführt sind diese becherartigen Elemente mit ihrer Befestigungsfläche (
„mounting surface 34“, siehe Fig. 7) bei einer Ausführungsform unmittelbar auf die Platine (
15) gesetzt, um die dort vorhandenen LEDs (
14) zu übergreifen. Damit offenbart Druckschrift D8 auch das Merkmal
11.18H12.
316
6.3.8. Auch das Merkmal
11.19H20, dass die Sekundäroptik die Tertiäroptik mit im Wesentlichen parallelen Lichtstrahlen beaufschlagt, kann der Druckschrift D8 entnommen werden (
siehe die weiter vorne wiedergegebene Fig. 8, die den Idealfall zeigt). Das Merkmal
11.19H20 ist auf Grund des Ausdrucks „im Wesentlichen“ sehr breit zu verstehen, d.h. eine gewisse, unvermeidbare Abweichung von ausschließlich parallelen Lichtstrahlen, wie sie auch in Druckschrift D8 auftritt (
vgl. die Tabelle auf S. 11), ist mitumfasst. Druckschrift D8 beabsichtigt demnach, dem Idealfall von rein parallelen Lichtstrahlen im Rahmen des Möglichen nahe zu kommen.
317
6.3.9. Insgesamt ergibt sich aus der Zusammenschau der Druckschriften D8 und D22 für den Fachmann in naheliegender Weise ein Modulsystem für Leuchten, das alle in den ein solches betreffenden selbständigen Ansprüchen der Hilfsanträge 1 bis 42 enthaltenen Merkmale aufweist, so dass die Gegenstände dieser Ansprüche nicht patentfähig sind (§ 4 i.V.m. § 1 Abs. 1 PatG).
318
6.3.10. Da die Anspruchssätze der Hilfsanträge als geschlossene Antragssätze beansprucht werden, spielt es innerhalb eines Anspruchssatzes keine Rolle, ob ein mit den anderen, hier nicht abgehandelten Ansprüchen eines Anspruchssatzes beanspruchter Gegenstand patentfähig wäre, denn wird mit einem Anspruch des Anspruchssatzes ein nicht patentfähiger Gegenstand beansprucht, so kann das Patent nicht mit den anderen Ansprüchen dieses Anspruchssatzes aufrechterhalten werden.
319
Im Übrigen sieht der Senat in den Anspruchssätzen einen solchen patentfähigen Gegenstand auch nicht. Hierzu wird insbesondere auf Druckschrift D5 verwiesen, die in Fig.12 eine Tertiäroptik mit einer wabenartigen Anordnung asphärisch gewölbter Facetten offenbart, wie sie im erteilten Anspruch 1 beansprucht wird.
320
7. Als Ergebnis war somit der Klage stattzugeben und das deutsche Patent DE 10 2008 063 369 wegen fehlender Patentfähigkeit in vollem Umfang für nichtig zu erklären (§ 81 Abs. 1 PatG i.V.m. §§ 22 und 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG in Hinblick auf § 1 Abs. 1 PatG i.V.m. § 4 PatG).
III.
321
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
322
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.