BPatG München 25. Senat, Beschluss vom 10.05.2023, AZ 25 W (pat) 54/21, ECLI:DE:BPatG:2023:100523B25Wpat54.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2015 221 635
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10.
Mai 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des
Richters kraft Auftrags Staats, LL.M.Eur., und der Richterin Fehlhammer
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2021 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 30 2009 062 129 zurückgewiesen worden ist, als er sich gegen die Eintragung der Marke 30 2015 221 635 für folgende Waren richtet:
Klasse 30:
Pralinen, ausgenommen als Zutaten für Konditoreiwaren aus Schokolade; Pralinen aus Schokolade; Pralinen mit flüssiger Füllung; Schokoladen in Form von Pralinen; Schokoladenbonbons mit Pralinengeschmack; Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets.
2. Für die unter Ziffer 1. genannten Waren wird die Löschung der Eintragung der Marke 30 2015 221 635 angeordnet.
Gründe
I.
1
Das am 7. Oktober 2015 angemeldete Zeichen
2
Fritzkugel
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ist am 29. Januar 2016 unter der Nummer 30 2015221635 als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für Waren der Klassen 16, 30 und 33 eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 4. März 2016. Der dagegen am 31. Mai 2016 eingelegte Widerspruch der Beschwerdeführerin richtete sich u. a. gegen die Waren der Klassen 30 der Marke 30 2015 221 635, die derzeit wie folgt gefasst sind:
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Klasse 30:
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Pralinen, ausgenommen als Zutaten für Konditoreiwaren aus Schokolade; Pralinen aus Schokolade; Pralinen mit flüssiger Füllung; Schokoladen in Form von Pralinen; Schokoladenbonbons mit Pralinengeschmack; Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets.
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Der Widerspruch wird gestützt auf die Wort-/Bildmarke 30 2009 062 129
7
Sie wurde am 21. Oktober 2009 angemeldet und am 16. Dezember 2009 eingetragen. Sie genießt derzeit Schutz für die nachfolgenden Waren der Klasse 30:
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Klasse 30:
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Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, nämlich Frischebackwaren mit einer Haltbarkeit von maximal 1 Monat und Spezialbackwaren bei Nahrungsunverträglichkeiten, insbesondere eifreie, glutenfreie, kohlenhydratfreie, laktosefreie, tierfreie und weizenfreie Backwaren, mit einer Haltbarkeit von maximal 3 Monaten, sowie ausgenommen sonstige Dauerbackwaren und Cracker; Speisestärke, Mehl und Teigwaren; Stärke- und Getreideerzeugnisse für Nahrungszwecke; Zwieback, Lebkuchen; Pasteten, soweit in Klasse 30 enthalten; Sandwiches, Pfannkuchen, Waffeln, auch tiefgefroren; Speiseeis; Kaffee (einschließlich Ersatzmittel), Tee; Zucker; Honig, Melassesirup, natürliche Süßungsmittel; Hefe, Hefe-, Back-, Speiseeis- und Puddingpulver.
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Mit Schriftsatz vom 31. August 2017 hat der Inhaber der angegriffenen Marke im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, „soweit im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke ‚FRITZ‘ die seitens des Anmelders angemeldeten Waren und Dienstleistungen enthalten sind“.
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Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung mit Schriftsatz vom 28. März 2018 diverse Unterlagen eingereicht, u.a. eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers, Handelsregisterauszüge, Konvolute von Bestell-, Lieferscheinen und Rechnungen, Verpackungstüten, Etiketten, Banderolen sowie Werbematerial.
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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, hat mit Beschluss vom 15. Juni 2021 den
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Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Der Widerspruchsmarke sei durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen, weil weder ihr Wortbestandteil „Fritz“ als bekannter deutscher Vorname noch der ein stilisiertes Mühlrad oder eine Sonne darstellende Bildbestandteil einen beschreibenden Anklang zu Backwaren aufweise. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft, wie vom Inhaber der angegriffenen Marke vorgetragen, liege nicht vor. Eine solche könne durch benutzte Drittmarken herbeigeführt werden. Die Benutzung müsse jedoch liquide, also amtsbekannt oder unstreitig sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Im Register eingetragene Drittmarken könnten einen Originalitätsmangel allenfalls indizieren. Jedoch seien lediglich 29 Marken mit dem Bestandteil „Fritz“ in der Klasse 30 eingetragen, die aufgrund weiterer abweichender Wort- und/oder Bildbestandteile mit der Widerspruchsmarke nicht vergleichbar seien. Insofern könne daraus keine Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke abgeleitet werden.
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Angesichts der zulässigen Einrede der Nichtbenutzung des Inhabers der angegriffenen Marke seien auf Seiten der Widerspruchsmarke nur diejenigen Waren zugrunde zu legen, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden sei. Dies gelte für alle Waren der Klasse 30 mit Ausnahme von „Speiseeis“ und „Speiseeispulver“, für die keinerlei Umsatzzahlen genannt worden seien.
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Zwischen den Waren der Klasse 30 der jüngeren Marke „Pralinen, ausgenommen als Zutaten für Konditoreiwaren aus Schokolade; Pralinen aus Schokolade; Pralinen mit flüssiger Füllung; Schokoladen in Form von Pralinen; Schokoladenbonbons mit Pralinengeschmack“ und den Waren „Backwaren und Konditorwaren; Zwieback, Lebkuchen; Pfannkuchen, Waffeln“, für die die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt werde, bestehe angesichts ihres gemeinsamen Verwendungszwecks als „Nascherei“ enge Ähnlichkeit.
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Den bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und enger Warenähnlichkeit gebotenen Abstand hielten die Vergleichsmarken in jeder Hinsicht ein. In ihrer Gesamtheit unterschieden sie sich klar in sämtlichen Wahrnehmungsbereichen. Eine Verwechslungsgefahr käme nur dann in Betracht, wenn davon ausgegangen werde, dass der Bestandteil „Fritz“ in der angegriffenen Marke isoliert herausgegriffen würde. Dagegen spreche jedoch die gesamtbegriffliche Einheit des Ausdrucks „Fritzkugel“, die eine Verkürzung auf „Fritz“ – ungeachtet der Kennzeichnungsschwäche des auf die Form der Waren anspielenden Bestandteils „kugel“ – nicht erwarten lasse. Zudem führe die unmittelbare Zusammenschreibung der jüngeren Marke zu einer erheblichen Klammerwirkung, die einer zergliedernden Betrachtung entgegenstehe. Auch die Gefahr, dass die Vergleichsmarken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, bestehe nicht. Weder lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die angegriffene Marke als Teil einer Markenserie der Widersprechenden aufgefasst werde, noch dass die beiderseitigen Kennzeichnungen zwar verschiedenen Unternehmen zugeordnet würden, aber aufgrund besonderer Umstände auf Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art zwischen diesen Unternehmen geschlossen werde. Beiden Fallgruppen stehe die abweichende Zeichenbildung, insbesondere die Ausgestaltung der angegriffenen Marke als Einwortmarke, entgegen.
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Hiergegen richtet sich die Widersprechende mit ihrer am 27. Juli 2021 eingelegten Beschwerde, die sie mit Schriftsatz vom 25. März 2022 dahingehend beschränkt hat, dass sie die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses, soweit der Widerspruch zurückgewiesen wurde, als er sich gegen die Waren der Klasse 30 der jüngeren Marke richtet, und die Anordnung der Löschung ihrer Eintragung in diesem Umfang begehrt.
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Ihrer Ansicht nach habe die Markenstelle zwar die Ähnlichkeit zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Pralinen- und Schokoladenwaren sowie
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den Waren der Klasse 30, für die die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden sei, aufgrund des gemeinsamen Verwendungszwecks zutreffend als ohne weiteres gegeben beurteilt. Sie habe jedoch übersehen, dass eine hochgradige Ähnlichkeit auch zwischen den „Back- und Konditorwaren“ der Widersprechenden und den für die jüngere Marke eingetragenen Waren „Eis, Eiscreme, gefrorener Jogurt, Sorbets“ bestehe, weil diese Waren zum einen teilweise aus denselben Zutaten hergestellt würden und zum anderen in einem Austauschverhältnis dergestalt zueinander stünden, als sie jeweils als Zwischenmahlzeit oder Nachtisch gegessen würden. Damit sei im Ergebnis von Identität, jedenfalls aber von hochgradiger Ähnlichkeit zwischen sämtlichen beiderseitigen Waren der Klasse 30 auszugehen. Auch die Kennzeichnungskraft habe die Markenstelle zu Recht als durchschnittlich gewertet, wenngleich sie übersehen habe, dass „Fritz“ nicht nur ein Vor-, sondern auch ein bekannter Nachname sei. In Bezug auf die Markenähnlichkeit habe die Markenstelle allerdings die einschlägige Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht hinreichend berücksichtigt, die verlange, die einzelnen Zeichenbestandteile gemäß ihrer Kennzeichnungskraft zu gewichten. Danach sei davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke von ihrem Wortbestandteil „FRITZ“ geprägt werde. Dieser sei identisch in der angegriffenen Marke enthalten und mit der rein beschreibenden Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe „kugel“ kombiniert. Letztere werde gerade bei den vorliegend betroffenen Waren, wie Pralinen oder auch Speiseeis, von den beteiligten Verkehrskreisen als bloße Angabe der Warenform aufgefasst und verfüge damit über keine schutzbegründende Bedeutung. Vielmehr sei anzunehmen, dass die angegriffene Marke deshalb auf den Wortbestandteil „Fritz“ verkürzt und mit dem Vor- bzw. Nachnamen gleichgesetzt werde. Gegen eine solche Verkürzung spreche auch keine gesamtbegriffliche Einheit, da diese nicht erkennbar sei. Vielmehr sei der Verkehr an vergleichbare Bezeichnungen, wie Mozartkugel, Rembrandtkugel etc., gewöhnt, bei denen ausschließlich der erste Bestandteil namensmäßig wirke. Ungeachtet einer Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren Marke durch den Bestandteil „Fritz“ seien relevante klangliche, schriftbildliche und begriffliche Ähnlichkeiten festzustellen, wenn die Wörter
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„Fritzkugel“ und „Fritz“ verglichen würden. Insbesondere aufgrund der begrifflichen Ähnlichkeiten seien auch gedankliche Assoziationen bei den beteiligten Verkehrskreisen nicht auszuschließen.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß:
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1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Juni 2021 wird aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 30 2009 062 129 zurückgewiesen worden ist, als er sich gegen die Eintragung der Marke 30 2015 221 635 für die Waren
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„Klasse 30
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Pralinen, ausgenommen als Zutaten für Konditoreiwaren aus Schokolade; Pralinen aus Schokolade; Pralinen mit flüssiger Füllung; Schokoladen in Form von Pralinen; Schokoladenbonbons mit Pralinengeschmack; Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets“
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richtet.
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2. Für die unter Ziffer 1. genannten Waren wird die Löschung der Eintragung der Marke 30 2015 221 635 angeordnet.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle hat er insbesondere geltend gemacht, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen zahlreicher Drittmarken im Lebensmittebereich geschwächt sei und sich die Vergleichsmarken durch das zusätzliche grafische Element der älteren und den Bestandteil „kugel“ der jüngeren Marke hinreichend unterschieden. Zu den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen hat er ausgeführt, dass
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sich daraus die Benutzung der älteren Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form sowie für nur einige wenige Produkte ergebe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 7. Dezember 2022 nebst der ihm beigefügten Rechercheergebnisse und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg.
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1. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die hierfür maßgeblichen Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung zum 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die angegriffene Marke am 7. Oktober 2015 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 sowie dem 14. Januar 2019 angemeldet wurde, sind gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG auf den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch § 42 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 jeweils geltenden Fassung (MarkenG a. F.) anzuwenden. Aufgrund des Umstands, dass der Widerspruch am 31. Mai 2016 und folglich vor dem 14. Januar 2019 erhoben wurde, sind zudem § 42 Abs. 3 und Abs. 4 MarkenG gemäß § 158 Abs. 4 MarkenG nicht und §§ 26 sowie 43 Abs. 1 MarkenG a. F. gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG einschlägig.
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2.Gegen die Zurückweisung des nach § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 MarkenG a. F. in zulässiger Weise erhobenen Widerspruchs hat die Widersprechende zunächst
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vollumfänglich Beschwerde eingelegt, diese jedoch nachträglich mit Schriftsatz vom 25. März 2022 rechtswirksam beschränkt auf die Aufhebung der Entscheidung, soweit der Widerspruch zurückgewiesen worden ist, als er sich gegen die Eintragung der jüngeren Marke für die Waren der Klasse 30 richtet. In diesem Umfang ist die Beschwerde auch begründet, weil insoweit zwischen den Kollisionsmarken Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
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a) Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2019, 173 – Combit/Commit). Von maßgeblicher Bedeutung sind insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 43 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich sein, wie u. a. etwa die Art der Waren oder der Dienstleistungen, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit sowie das anzunehmende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
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Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr gegeben.
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b) Im Rahmen des Warenvergleichs sind auf Seiten der Widerspruchsmarke alle für sie eingetragenen Waren der Klasse 30 mit Ausnahme von „Speiseeis“ zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG a. F.).
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor der Markenstelle mit Schriftsatz vom 31. August 2017 rechtswirksam die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, allerdings ausdrücklich nur, „soweit im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke ‚FRITZ‘ die seitens des Anmelders angemeldeten Waren und Dienstleistungen enthalten sind“. Damit bezieht sich die Einrede ausschließlich auf die in beiden Verzeichnissen identisch enthaltenen Waren. Warenidentität besteht jedoch nur hinsichtlich der Waren „Speiseeis“ auf Seiten der Widerspruchsmarke und „Eiscreme“ auf Seiten der angegriffenen Marke, so dass es der Widersprechenden oblag, die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. für Speiseeis glaubhaft zu machen. Die von ihr im Amtsverfahren eingereichten Benutzungsunterlagen enthalten hierzu jedoch, worauf bereits die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat, keinerlei Angaben. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Glaubhaftmachungsunterlagen nachgereicht worden. Insofern kann „Speiseeis“ der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.
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Weitere Waren, die mit denjenigen der angegriffenen Marke identisch sind, sind für die Widerspruchsmarke nicht eingetragen. Insbesondere besteht keine Identität zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Pralinen und Schokoladenbonbons sowie den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren „Brot, feine Backwaren und Konditorwaren“. Zwar umfassen Konditorwaren Pralinen und Schokoladenbonbons, allerdings sind Erstgenannte im Verzeichnis der Widerspruchsmarke durch den mit „nämlich“ eingeleiteten Nachsatz eingeschränkt auf
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„Frischebackwaren mit einer Haltbarkeit von maximal 1 Monat und Spezialbackwaren bei Nahrungsunverträglichkeiten, insbesondere eifreie, glutenfreie, kohlenhydratfreie, laktosefreie, tierfreie und weizenfreie Backwaren, mit einer Haltbarkeit von maximal 3 Monaten, sowie ausgenommen sonstige Dauerbackwaren und Cracker“.
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Angesichts dieser Konkretisierung auf sehr spezielle Backwaren besteht keine Identität mehr zu Pralinen und Schokoladenbonbons, die nicht den Backwaren zuzurechnen sind. Darunter werden Lebensmittel verstanden, die erst nach dem Backvorgang in einem Ofen für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Dies ist jedoch bei Pralinen und Schokoladenbonbons nicht der Fall, selbst wenn sie vereinzelt gebackene Bestandteile, wie Oblaten oder Waffeln enthalten. Mithin sind „Brot, feine Backwaren und Konditorwaren“. nicht von der Nichtbenutzungseinrede umfasst.
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Dies gilt auch für die weiteren von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren
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„Mehle und Getreidepräparate; Speisestärke, Mehl und Teigwaren; Stärke- und Getreideerzeugnisse für Nahrungszwecke; Zwieback, Lebkuchen; Pasteten, soweit in Klasse 30 enthalten; Sandwiches, Pfannkuchen, Waffeln, auch tiefgefroren; Kaffee (einschließlich Ersatzmittel), Tee; Zucker; Honig, Melassesirup, natürliche Süßungsmittel; Hefe, Hefe-, Back-, Speiseeis- und Puddingpulver“,
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für die eine Glaubhaftmachung der Benutzung mangels Bestreitens ebenfalls nicht erforderlich war. Vielmehr ist insoweit von der Registerlage auszugehen.
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c) Für die Widerspruchsmarke eingetragene, nicht von der Nichtbenutzungseinrede umfasste Waren der Klasse 30 und die Waren der Klasse 30 der angegriffenen Marke stehen in einem Ähnlichkeitsverhältnis.
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(1) Waren- und/oder Dienstleistungsähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren, wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rn. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rn. 16 – ZOOM). Von einer absoluten Waren- und/oder Dienstleistungsunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren und/oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2014, 488 Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rn. 17 – ZOOM).
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(2) Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen
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„Pralinen, ausgenommen als Zutaten für Konditoreiwaren aus Schokolade; Pralinen aus Schokolade; Pralinen mit flüssiger Füllung; Schokoladen in Form von Pralinen; Schokoladenbonbons mit Pralinengeschmack“
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der angegriffenen Marke und den Waren
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„Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, nämlich Frischebackwaren mit einer Haltbarkeit von maximal 1 Monat und Spezialbackwaren bei Nahrungsunverträglichkeiten, insbesondere eifreie, glutenfreie, kohlenhydratfreie, laktosefreie, tierfreie und weizenfreie Backwaren, mit einer Haltbarkeit von maximal 3 Monaten, sowie ausgenommen sonstige Dauerbackwaren und Cracker; Zwieback; Lebkuchen; Pfannkuchen, Waffeln, auch tiefgefroren“
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der Widerspruchsmarke zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit. Die beiderseitigen Produkte stimmen hinsichtlich Art und Verwendungszweck (süße Lebensmittel), Zubereitungsstufe (verzehrfertig) und verarbeiteten Rohstoffen sowie sonstigen Zutaten (Zucker, Schokolade, Butter etc.) überein (vgl. u. a. BPatG 25 W (pat) 511/11, 25 W (pat) 532/11, 25 W (pat) 35/12, 28 W (pat) 9/04, 32 W (pat) 131/05 und 27 W (pat) 303/03). Dementsprechend werden sie auch häufig von denselben Unternehmen (Konditoreien, Back- und Süßwarenindustrie) unter derselben Marke angeboten. Beispielsweise vertreibt das Unternehmen Mondelez in Deutschland unter der Marke „Milka“ sowohl Schokolade als auch Kleingebäck, wie Küchlein, Kekse und Pralinen. Gleiches gilt für die Firma Dallmayr, die unter ihrem Namen Pralinen und Gebäck verkauft (vgl. Übersichten unter „www.milka.de“ und „www.dallmayr-versand.de“ als Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. Dezember 2022).
51
(3) Auch die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren
52
„Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets“
53
und die Waren
54
„Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, nämlich Frischebackwaren mit einer Haltbarkeit von maximal 1 Monat und Spezialbackwaren bei Nahrungsunverträglichkeiten, insbesondere eifreie, glutenfreie, kohlenhydratfreie, laktosefreie, tierfreie und weizenfreie Backwaren, mit einer Haltbarkeit von maximal 3 Monaten, sowie ausgenommen sonstige Dauerbackwaren und Cracker; Zwieback; Lebkuchen; Pfannkuchen, Waffeln, auch tiefgefroren“
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der älteren Marke stehen gemäß ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BPatG 32 W (pat) 301/02, 32 W (pat) 82/03 und 25 W (pat) 156/03) in einem mittelgradigen Ähnlichkeitsverhältnis. Es handelt sich jeweils um Süßspeisen, die von denselben Herstellern stammen können. Insbesondere Cafés oder Bäckereien bieten häufig zusätzlich zu ihrem Backwarensortiment auch hausgemachtes Eis an, was aus den exemplarisch als Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. Dezember 2022 übersandten Auszügen von Homepages derartiger Betriebe ersichtlich ist:
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– „HÖCHSTE QUALITÄT … KONDITOREI … Milcheis“ (vgl. „https://www.konditorei-widmann.de/konditorei/“)
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oder
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– „Hausgemachtes Eis von Rischart! In unserer Backstube in der Nähe des Gärtnerplatzes zaubern unsere Confiseurs aus besten Zutaten das feine Rischart Eis“ (vgl. Anzeige „Sommer, Sonne, Eis: Entdecken Sie unsere hausgemachten Eisspezialitäten“ vom 19. Juni 2019).
59
Zudem sind
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„Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets“
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auf Seiten der angegriffenen Marke mindestens durchschnittlich ähnlich zu
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„Speiseeispulver“
63
auf Seiten der Widerspruchsmarke. Zwar handelt es sich bei diesem um ein Vorprodukt, das gegenüber dem Endprodukt einer anderen Fertigungsstufe angehört. Allerdings weisen „Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets“ und „Speiseeispulver“ hinsichtlich ihrer Zusammensetzung sowie ihrer Herstellungs- und Vertriebswege erhebliche Überschneidungen auf, zumal gerade Hersteller von industriellen Speiseeisprodukten regelmäßig auch Vorprodukte für die Zubereitung im privaten Haushalt anbieten (vgl. BPatG 25 W (pat) 511/11 – Choco Lofties/CHOCO-SOFTIES).
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d) Wie bereits die Markenstelle geht auch der Senat von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.
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(1)Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rn. 31 – BORCO/HABM; BGH GRUR 2017, 75 Rn. 19 – Wunderbaum II). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (vgl. BGH WRP 2015, 1358 Rn. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rn. 30 f. – pjur/pure).
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(2) Letzteres lässt sich in Bezug die Widerspruchsmarke nicht feststellen. Eigennamen, einschließlich Vornamen, sind grundsätzlich originäre Kennzeichnungsmittel (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 151 ff.). „Fritz“ ist jedenfalls heutzutage weder als Vor- noch als Nachname ein „verbrauchter“ Allerweltsname. So findet sich „Fritz“ als männlicher Vorname erst an 58. und als Nachname an 141. Stelle in den mit Senatshinweis vom 7. Dezember 2022 als Anlage 3 übersandten Übersichten zu Namenshäufigkeiten (vgl. „https://de.wiktionary.org/wiki/Verzeichnis:Deutsch/Namen/die_häufigsten_Nachnamen_Deutschlands“ und „https://de.wiktionary.org/wiki/Verzeichnis:Deutsch/Namen/die_häufigsten_männlichen_Vornamen_Deutschlands“).
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(3) Die Kennzeichnungskraft ist auch nicht wegen ähnlicher Drittmarken geschwächt. Von den vom Inhaber der angegriffenen Marke im Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 genannten Verwendungsbeispielen betrifft nur eines den vorliegend einschlägigen Konditorei- bzw. Backwarenbereich. Alle anderen beziehen sich auf Kennzeichnungen für alkoholische Getränke, die nicht verfahrensgegenständlich sind. Aber auch die vorgetragene Verwendung des deutlich abgewandelten Begriffs „Fritzenklasse“ als Bezeichnung eines Brötchens einer Berliner Bäckerei vermag für sich noch keine Gewöhnung des Verkehrs an Kennzeichnungen mit dem Bestandteil „Fritz“ zu belegen, zumal es hierfür einer beträchtlichen Anzahl ähnlicher Drittmarken bedürfte (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 184).
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Der Hinweis auf die im Register eingetragenen Marken mit dem Bestandteil „Fritz“, deren Benutzung im Verkehr weder gerichtsbekannt noch unstreitig ist und die deshalb allenfalls einen Originalitätsmangel indizieren können, rechtfertigt ebenso wenig die Annahme eines verminderten Schutzumfangs, weil – wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat – die in den vorgelegten Registerauszügen genannten Marken teilweise nicht mehr geschützt sind, teilweise andere Warenbereiche betreffen (Klasse 33) und zum Großteil Kombinationsmarken sind, die sich ungeachtet des Bestandteils „Fritz“ deutlich von der Widerspruchsmarke unterscheiden.
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e) Aufgrund der mittelgradigen Warenähnlichkeit sowie der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind zwar keine allzu strengen Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Aus Sicht des Senats wird die angegriffene Marke jedoch selbst diesen geringeren Anforderungen nicht gerecht. Die sich gegenüberstehenden Marken sind sich zu ähnlich, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können.
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(1) Die Ähnlichkeit von Kollisionszeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil sie auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Markenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise, die eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfassen und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achten (so z. B. BGH GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m. w. N.).
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(2) In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die beiden Zeichen zwar durch den Wortbestandteil „kugel“ der angegriffenen Marke sowie den ein Mühlrad mit eckiger Umrandung wiedergebenden Bildbestandteil der Widerspruchsmarke.
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(3) Allerdings schließt der Grundsatz, dass die sich gegenüberstehenden Zeichen zunächst in ihrer Gesamtheit zu vergleichen sind, nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rn. 32 – Metrobus; GRUR 2012, 64 Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2019, 1058 Rn. 34 – KNEIPP). Prägenden Charakter hat ein Zeichenbestandteil, wenn die weiteren Bestandteile des mehrgliedrigen Zeichens in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen. Bei der Beurteilung der klanglichen Zeichenähnlichkeit ist dabei vom Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr bei der Begegnung mit Wort-/Bildmarken in aller Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung beimisst.
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Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass beide Marken in rechtserheblichem Umfang vornehmlich mit dem Bestandteil „Fritz“ benannt werden. Dies liegt bei der Widerspruchsmarke nahe, nachdem Bildbestandteile in aller Regel nicht wörtlich wiedergeben werden und damit keinen Anteil am Klangcharakter einer Marke haben. Auch bei der angegriffenen Marke kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise ausschließlich an der einzig kennzeichnungskräftigen Komponente „Fritz“ orientieren werden. Zwar dürfen beschreibende Bestandteile nicht von vornherein und generell bei der Beurteilung der Ähnlichkeit unberücksichtigt bleiben (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 49 – Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 69 f. – INJEKT/INJEX; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 218, 359, 392 m. w. N.). Allerdings schließt dies nicht aus, dass ein klar warenbeschreibendes Element auch einer zusammengeschriebenen Wortkombination als eigenständig und nicht als Komponente einer Kennzeichnung verstanden wird (vgl. BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu; GRUR 2020, 1202 – YOOFOOD/YO). Vorliegend weist die angegriffene Marke mit dem Bestandteil „kugel“ ein solch klar warenbeschreibendes Element auf, da es ohne weiteres erkennbar die Form der so bezeichneten Waren der Klasse 30 angibt. Sowohl Pralinen und Schokoladenwaren als auch Speiseeis werden häufig in Kugelform angeboten und auch entsprechend benannt, wie eine entsprechende Senatsrecherche ergeben hat (vgl. Belege als Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. Dezember 2022):
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– „Köstliche Pralinenkugeln … Geschenkdose alkoholfreie Pralinenkugeln“ (vgl. „https://sawade.berlin/weihnachten/pralinenkugeln/“),
75
– „Heilemann Eierlikör Praliné-Kugel“ (vgl. „https://www.viba-shop.de/weihnachten/praline-Kugeln/462/heilemann-eierlikoer-praline-kugel-15-g“),
76
– „Rausch PRALINENKUGEL-MIX“ (vgl. „https:/www.born-store.de/suesses/pralinenkugel-mix-8“),
77
– „MINI MELTS EISKÜGELCHEN“ (vgl. „https://www.minimelts.at“),
78
– „Eis – Bäckerei Schachner … Eiskugel“ (vgl. „https://baeckereischachner.de/cafe-und-eis/eis/“)
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und
80
– „Eis Kugeln im Becher“ (vgl. „https//la-gelateria-brühl.de/produkt//eis-kugeln-im-becher-2/“).
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Der daran gewöhnte Verkehr wird folglich regelmäßig allein den Bestandteil „Fritz“ als das kennzeichnende Element der angegriffenen Marke auffassen und die Komponente „kugel“ als bloßen Sachhinweis vernachlässigen, zumal beide Bestandteile entgegen der Auffassung der Markenstelle gerade nicht gesamtbegrifflich miteinander verbunden sind (ebenso BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 27 – YOOFOOD/YO zur Prägung des Gesamteindrucks eines Einwortzeichens, das keinen Gesamtbegriff mit erkennbarem (neuen) Bedeutungsgehalt bildet). Denn es bleibt völlig offen, was mit „Fritzkugel“ gemeint sein könnte. Anders als bei Begriffen, wie etwa Vanillekugel, Schokokugel oder – eine bekannte Rezeptur anzeigende – Mozartkugel, bei denen der erste Bestandteil den Geschmack des kugelförmigen Lebensmittels benennt und deren Aufspaltung deshalb sinnentstellend und nicht zu erwarten ist, vermittelt das Element „Fritz“ der angegriffenen Marke keinen entsprechend klar warenbeschreibenden Aussagegehalt. Aus Sicht des Senats liegt gerade in Verbindung mit den angegriffenen Waren vielmehr ein kennzeichnendes Verständnis dieses Bestandteils im Sinne von „Pralinen-, Schokoladen- oder Eiskugeln aus dem Hause/der Marke Fritz“ nahe. Hierfür spricht, dass vergleichbar gebildete Bezeichnungen, die aus einem Herstellernamen und der die Warenform benennenden Angabe „Kugel“ zusammengesetzt sind, im einschlägigen Warenbereich bereits vielfach verwendet werden. So werden beispielsweise die nachfolgenden Produkte angeboten (vgl. Belege als Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. Dezember 2022):
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– „LINDOR Kugel Beutel Milch“ (vgl. „https://www.lindt.de/lindor-kugel-beutel-milch-1000g“),
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– „Lindor Kugel Cocos“ (vgl. „https//naschkatzenparadies.de/products/lindt-lindor-kugel-cocos-12-5g-c6cccb-2354b4“)
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und
85
– „Original Halloren Kugeln“ (vgl. „https://www.halloren.de/produkte-shop/original-halloren-kugeln/“).
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In den allgemeinen Sprachgebrauch sind beispielsweise folgende vergleichbare Wortkombinationen eingegangen (vgl. Belege als Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. Dezember 2022):
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– „Rocher Kugeln“ (vgl. „Angebot DeuKaufCanarias ‚Ferrero – Grand Rocher mit 2 Rocher Kugeln 125g‘“)
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und
89
– „Raffaellokugeln“ (vgl. Blog „Selbst gemachte Raffaellokugeln – Sweets & Lifestyle“ unter „https//www.sweetsandlifestyle.com/raffaellokugeln-kokoskugeln/“).
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Hierbei kommt es mangels klanglicher Auswirkungen für die Interpretation im Sinne einer kugelförmigen Süßware einer bestimmten Marke nicht darauf an, ob die Verbindung einen Bindestrich, zwei getrennte Wörter oder keinen Leerraum aufweist. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme begründet, dass der Verkehr auch die Bezeichnung „Fritzkugel“ als Zusammensetzung aus Marke sowie Hinweis auf die Warenform auffasst und sich für die betriebliche Zuordnung maßgeblich an dem Element „Fritz“ orientiert, zumal der Erfahrungssatz gilt, dass dem Wortanfang grundsätzlich ein größeres Gewicht zukommt als nachfolgenden Wortbestandteilen, weil der Verkehr dem Beginn eines Wortzeichens im
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Allgemeinen größere Aufmerksamkeit schenkt (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 30 – YOOFOOD/YOO; GRUR 2015, 1004 – IPS/ISP m. w. N.).
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f) Stehen sich in klanglicher Hinsicht mithin „Fritz“ und „FRITZ“ gegenüber, kann selbst im Zusammenhang mit durchschnittlich ähnlichen Waren, die als Produkte des alltäglichen Gebrauchs mit keiner besonders ausgeprägten Aufmerksamkeit erworben werden, von keinem verwechslungsfreien Nebeneinander mehr ausgegangen werden.
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Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher Erfolg und führt zur Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke im beschwerdegegenständlichen Umfang.
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3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).