BPatG München 4. Senat, Urteil vom 08.03.2023, AZ 4 Ni 22/21 (EP), ECLI:DE:BPatG:2023:080323U4Ni22.21EP.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das europäische Patent 2 820 721
(DE 50 2013 009 946)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter Voit, den Richter Dipl.-Ing. Müller, die Richterin Werner M.A. und die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt sowie Dipl.-Ing. Tischler
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 820 721 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
1. Vorrichtung zum Verschließen eines ein erstes Gehäuseteil (1) und ein zweites Gehäuseteil (1) aufweisendes aufweisendes Gehäuse eines Steckverbinders, mit
einem Verriegelungselement (3), welches einen länglich ausgebildeten Griff (4) und zwei Befestigungsabschnitte (5), welche jeweils mit dem Griff (4) verbunden sind, aufweist, wobei
die Befestigungsabschnitte (5) jeweils ein erstes Stegelement (6) und ein zweites Stegelement (7) aufweisen, welche V-förmig zueinander angeordnet sind und welche jeweils einen freien Endabschnitt (8, 9) zum Befestigen an an dem ersten Gehäuseteil (1) und an dem zweiten Gehäuseteil (2) ausgebildeten Lagerzapfen (10, 11) aufweisen,
wobei zwischen dem ersten Stegelement (6) und dem zweiten Stegelement (7) mindestens ein drittes Stegelement (14) derart angeordnet ist, dass die Befestigungsabschnitte (5) jeweils eine Durchgangsöffnung (19) aufweisen, welche durch das erste Stegelement (6), das zweite Stegelement (7) und das dritte Stegelement (14) begrenzt ist,
wobei das erste Stegelement (6), das zweite Stegelement (7) und das dritte Stegelement (14) einstückig miteinander ausgebildet sind und dass das dritte Stegelement (14) eine bogenförmige Krümmung aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dasswobeidas dritte Stegelement (14) mit dem freien Endabschnitt (8) des ersten Stegelementes (6) und mit dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes (7) verbunden ist, und wobei sich das dritte Stegelement (14) unterbrechungsfrei zwischen dem freien Endabschnitt (8) des ersten Stegelementes (6) und dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes (7) erstreckt.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das dritte Stegelement (14) einen ersten Endabschnitt (15) und einen zweiten Endabschnitt (16) aufweist, wobei das dritte Stegelement (14) mit seinem ersten Endabschnitt (15) mit dem ersten Stegelement (6) und mit seinem zweiten Endabschnitt (16) mit dem zweiten Stegelement (7) verbunden ist, wobei der erste Endabschnitt (15) und der zweite Endabschnitt (16) eine geringere Querschnittsfläche aufweisen als ein Bereich (17) des dritten Stegelementes (14), welcher zwischen dem ersten Endabschnitt (15) und dem zweiten Endabschnitt (16) ausgebildet ist.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das dritte Stegelement (14) eine oder mehrere Einschlitzungen aufweist.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Verriegelungselement (3) aus einem kohlefaserverstärkten oder einem glasfaserverstärkten Kunststoff ausgebildet ist.
5. Steckverbinder, umfassend ein ein erstes Gehäuseteil (1) und ein zweites Gehäuseteil (2) aufweisendes Gehäuse und eine Vorrichtung zum Verschließen des Gehäuses nach einem der Ansprüche 1 bis 4.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen 90 % und die Beklagte 10 %.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 2 820 721 (Streitpatent), das – unter Inanspruchnahme der Priorität der DE 10 2012 101 614 vom 28. Februar 2012 – am 1. Februar 2013 angemeldet worden ist. Die Erteilung des europäischen Patents ist am 18. April 2018 veröffentlicht worden. Das in deutscher Sprache gefasste Streitpatent ist in Kraft.
2
Das Deutsche Patent- und Markenamt führt das Streitpatent unter dem Aktenzeichen 50 2013 009 946.6. Es trägt die Bezeichnung
3
„Vorrichtung zum Verschließen eines Gehäuses eines Steckverbinders“
4
und umfasst in der erteilten Fassung fünf Patentansprüche, die die Klägerinnen mit ihrer Nichtigkeitsklage vom 14. Dezember 2020 in vollem Umfang angreift.
5
Der die Vorrichtung betreffende Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:
6
1. Vorrichtung zum Verschließen eines ein erstes Gehäuseteil (1) und ein zweites Gehäuseteil (1) aufweisendes Gehäuse eines Steckverbinders, mit einem Verriegelungselement (3), welches einen länglich ausgebildeten Griff (4) und zwei Befestigungsabschnitte (5), welche jeweils mit dem Griff (4) verbunden sind, aufweist, wobei
7
die Befestigungsabschnitte (5) jeweils ein erstes Stegelement (6) und ein zweites Stegelement (7) aufweisen, welche V-förmig zueinander angeordnet sind und welche jeweils einen freien Endabschnitt (8, 9) zum Befestigen an an dem ersten Gehäuseteil (1) und an dem zweiten Gehäuseteil (2) ausgebildeten Lagerzapfen (10, 11) aufweisen,
8
wobei zwischen dem ersten Stegelement (6) und dem zweiten Stegelement (7) mindestens ein drittes Stegelement (14) derart angeordnet ist, dass die Befestigungsabschnitte (5) jeweils eine Durchgangs-öffnung (19) aufweisen, welche durch das erste Ste-gelement (6), das zweite Stegelement (7) und das dritte Stegelement (14) begrenzt ist,
9
wobei das erste Stegelement (6), das zweite Steg-element (7) und das dritte Stegelement (14) einstückig miteinander ausgebildet sind und dass das dritte Stegelement (14) eine bogenförmige Krümmung aufweist,
10
dadurch gekennzeichnet, dass das dritte Stegelement (14) mit dem freien Endabschnitt (8) des ersten Stegelementes (6) und mit dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes (7) verbunden ist.
11
Die Patentansprüche 2 bis 5 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen, wobei Patentanspruch 5 nebengeordnet ist; wegen ihres Wortlauts wird auf die Akte verwiesen.
12
Die Klägerinnen sind der Ansicht, der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 sei wegen des Nichtigkeitsgrunds der mangelnden Patentfähigkeit für nichtig zu erklären. Der Gegenstand nach Anspruch 1 sei gegenüber dem Stand der Technik bereits nicht neu. Darüber hinaus seien auch die Gegenstände der angegriffenen abhängig formulierten Patentansprüche neuheitsschädlich vorweggenommen oder beruhten zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
13
Dabei stützen die Klägerinnen ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:
14
- NK6
- HARTING: lndustrie-Steckverbinder Han®, Titelseite, Seiten 31·08 bis 31·10, Liste der Tochtergesellschaften,
Druckvermerk MO/08.05.09/9.5 98 41 002 0101 - NK7A
- Knoblauch, Günter u. a.: Steckverbinder II, 3., erweiterte Auflage 2006, expert verlag, Renningen, Titelseite mit drei Folgeseiten
(ohne Seitenzahlen), sowie Seiten 154 bis 193 - NK7B
- H…: Technische Zeichnung Han 3A-eg-QB-Pg13,5, 28.03.11
- NK8
- DE 10 2004 011 509 A1
- NK9
- EP 1 691 454 B1
- NK10
- EP 2 234 219 B1
- NK11
- DE 100 06 433 A1
- NK12
- EP 2 110 894 A2
- NK14
- DE 200 05 860 U1
15
Im Prüfungsverfahren zur Prioritätsanmeldung hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes u. a. die Druckschrift
16
- D1
- DE 10 2008 059 583 A1
17
entgegengehalten.
18
Die Klägerinnen beantragen,
19
das europäische Patent 2 820 721 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
20
Die Beklagte beantragt,
21
die Klage abzuweisen,
22
hilfsweise, die Klage abzuweisen,
23
soweit sie sich auch gegen eine der Fassungen des Streitpatents nach den Hilfsanträgen 1 bis 15, überreicht mit Schriftsatz vom 15. März 2022, richtet,
24
weiter hilfsweise, die Klage abzuweisen,
25
soweit sie sich auch gegen die Fassung des Streitpatents nach dem Hilfsantrag, überreicht mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021, richtet,
26
wobei die Anträge in der genannten Reihenfolge geprüft werden sollen und alle Anträge als geschlossene Anspruchsätze gestellt sind.
27
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerinnen entgegen und ist der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Gegenstand des Streitpatents sei wenigstens in einer der verteidigten Fassungen nach den eingereichten Hilfsanträgen schutzfähig.
28
Wegen des Wortlauts von Hilfsantrag 1 wird auf den Urteilstenor Bezug genommen. Wegen des Wortlauts der Ansprüche nach den weiteren Hilfsanträgen wird auf die Akte verwiesen.
29
Die Klägerinnen treten auch den Hilfsanträgen entgegen und sehen auch die Gegenstände nach Patentanspruch 1 in der Fassung der jeweiligen Hilfsanträge als nicht neu an. Der Gegenstand des Hilfsantrags 1 sei bereits unzulässig, da er den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen und zudem unklar sei. Im Übrigen sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auch mit dem ergänzenden Merkmal nicht neu und nicht erfinderisch.
30
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis vom 10. Januar 2022 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme gesetzt.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2023 sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
32
Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg, und zwar hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents. Denn insoweit ist jedenfalls der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ gegeben.
33
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 erweist sich das Streitpatent hingegen als schutzfähig, so dass die Klage, soweit sie sich auch gegen diese Fassung richtet, abzuweisen ist. Auf die Frage, ob das Streitpatent auch in der Fassung nach den weiteren Hilfsanträgen Bestand hätte, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
34
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
35
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Verschließen eines zweiteiligen Gehäuses eines Steckverbinders sowie einen Steckverbinder mit einer solchen Vorrichtung (Absatz 0001).
36
Hintergrund des Streitpatents sind sogenannte Steckverbinder insbesondere für den industriellen Bereich, die daher auch als Industriesteckverbinder bezeichnet werden. Da derartige Industriesteckverbinder häufig unter härtesten Bedingungen eingesetzt werden, müssen die Steckverbinder hohen Dichtigkeitsanforderungen genügen, wozu die beiden Gehäuseteile auch bei starken Vibrationen und hoher mechanischer Belastung sicher miteinander verriegelt sein müssen. Hierzu ist mindestens ein (häufig zwei) Verriegelungsbügel vorgesehen, der an einem der beiden Gehäuseteile schwenkbar gelagert ist und in der verriegelten Position zwei an dem anderen Gehäuseteil angeordnete Verriegelungsvorsprünge bzw. Verriegelungszapfen übergreift, wodurch die beiden Gehäuseteile zusammengehalten werden.
37
Dem Fachmann sind dabei zwei grundsätzliche Ausführungsformen von Verriegelungsbügeln bekannt (vgl. NK7a, Seite 163, letzter Absatz bis Seite 164, erster Absatz): Zum einen ist dies der ungefederte Verriegelungsbügel, bei dem der notwendige Federweg beim Ver- und Entriegeln durch die Elastizität einer Dichtung zwischen den beiden Steckverbinderteilen erreicht wird. Zum anderen gibt es den gefederten Verriegelungsbügel. Hierbei wird der größte Teil des benötigten Federweges durch eine im Verriegelungsbügel integrierte Feder aufgebracht. Auf diese Weise werden die Betätigungskräfte gleichmäßiger verteilt und weniger Stoßbelastung auf die Dichtung ausgeübt.
38
Der technische Hintergrund ist in der Beschreibung nicht genannt, allerdings indirekt durch die Bezugnahme auf die Druckschrift EP 2 110 894 A2 (Absatz 0002) einbezogen. Die Patentansprüche sind ausschließlich auf eine Vorrichtung zum Verschließen eines Gehäuses eines Steckverbinders sowie auf einen Steckverbinder gerichtet.
39
Laut Streitpatent ist aus dem Stand der Technik (DE 39 37 022 C1) weiter eine Vorrichtung bekannt, bei welcher die Befestigungsabschnitte eines in Form eines Bügels ausgebildeten Verriegelungselementes vollflächig ausgebildet sind und jeweils an einem Lagerzapfen des ersten Gehäuseteiles und an einem Lagerzapfen des zweiten Gehäuseteiles angeordnet werden können, um das erste Gehäuseteil mit dem zweiten Gehäuseteil möglichst sicher verschließen zu können. Nachteilig bei einer derartigen Ausbildung der Befestigungsabschnitte eines Verriegelungselementes ist laut Streitpatent, dass die Befestigungsabschnitte aufgrund ihrer vollflächigen Ausbildung sehr steif sind und dadurch die, insbesondere beim Schließen und Öffnen der Verriegelung der beiden Gehäuseteile, auftretenden Spannungen im Bereich der Befestigung der Befestigungsabschnitte an den Lagerzapfen besonders groß sind und dadurch in diesem Bereich besonders hohe Belastungen auftreten, welche schnell zu einer Materialermüdung führen können, bei welcher im schlimmsten Fall ein Teil des Befestigungsabschnittes abbrechen kann und dadurch das Verriegelungselement nicht mehr funktionstüchtig ist (Absatz 0003).
40
Das Streitpatent nennt deshalb als Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung zum Verschließen eines Gehäuses und einen Steckverbinder zur Verfügung zu stellen, welche sich durch eine höhere Stabilität und eine längere Einsatzfähigkeit auszeichnen (Absatz 0004).
41
Gelöst werde diese Aufgabe mit einer Vorrichtung zum Verschließen eines Gehäuses eines Steckverbinders gemäß Patentanspruch 1 sowie mit einem Steckverbinder gemäß Patentanspruch 5.
42
2. Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Feinwerk- oder Fertigungstechnik, der über mehrjährige Erfahrungen in der Entwicklung von elektrischen Steckverbindern verfügt und die dafür einschlägigen Normen kennt.
43
3. Patentanspruch 1 lautet in einer gegliederten Form:
44
Vorrichtung zum Verschließen eines ein erstes Gehäuseteil (1) und ein zweites Gehäuseteil (1 [sic!]) aufweisendes Gehäuse eines Steckerverbinders, mit
45
1. einem Verriegelungselement (3), welches
46
1.1. einen länglich ausgebildeten Griff (4) und
47
1.2. zwei Befestigungsabschnitte (5), welche
48
1.2.1 jeweils mit dem Griff (4) verbunden sind, aufweist, wobei
49
2. die Befestigungsabschnitte (5) jeweils ein erstes Stegelement (6) und ein zweites Stegelement (7) aufweisen, welche
50
2.1. V-förmig zueinander angeordnet sind und
51
2.2. welche jeweils einen freien Endabschnitt (8, 9) zum Befestigen an an dem ersten Gehäuseteil (1) und an dem zweiten Gehäuseteil (2) ausgebildeten Lagerzapfen (10, 11) aufweisen, wobei
52
3. zwischen dem ersten Stegelement (6) und dem zweiten Stegelement (7) mindestens ein drittes Stegelement (14) derart angeordnet ist, dass
53
3.1. die Befestigungsabschnitte (5) jeweils eine Durchgangsöffnung (19) aufweisen, welche
54
3.2. durch das erste Stegelement (6), das zweite Stegelement (7) und das dritte Stegelement (14) begrenzt ist, wobei
55
4. das erste Stegelement (6), das zweite Stegelement (7) und das dritte Stegelement (14) einstückig miteinander ausgebildet sind und dass
56
5. das dritte Stegelement (14) eine bogenförmige Krümmung aufweist,
57
dadurch gekennzeichnet, dass
58
6. das dritte Stegelement (14) mit dem freien Endabschnitt (8) des ersten Stegelementes (6) und mit dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes (7) verbunden ist.
59
4. Der Fachmann versteht die Lehre des Streitpatents und die Merkmale des Anspruchs 1 wie folgt:
60
4.1 Die Erfindung ist zwar als Vorrichtung zum Verschließen eines […] Gehäuses eines Steckerverbinders bezeichnet. Da das Gehäuse aus zwei Gehäuseteilen besteht erkennt der Fachmann jedoch, dass damit zwei Steckverbinder gemeint sind, beispielsweise ein Stecker (= erstes Gehäuseteil) und eine Buchse (= zweites Gehäuseteil), die zu einer Steckverbindung zusammengefügt und in der gesteckten Position miteinander verriegelt werden (Absatz 0003).
61
4.2 Die Merkmale 1 bis 6 des Patentanspruchs 1 sind ausschließlich auf das Verriegelungselement gerichtet. Lediglich in Merkmal 2.2 sind Lagerzapfen genannt, die an den beiden Gehäuseteilen ausgebildet sind. Die Lagerzapfen müssen nach dem Verständnis des Fachmannes selbstverständlich so dimensioniert sein, dass die freien Endabschnitte des Verriegelungselements bestimmungsgemäß mit diesen zum Verschließen (Verriegeln) der beiden Gehäuseteile zusammenwirken können.
62
4.3 Gemäß Merkmal 2.2 sollen das erste und das zweite Stegelemente jeweils einen freien Endabschnitt 8, 9 aufweisen. Das mag für das Verriegelungselement 3 vor dessen Montage an einem der beiden Gehäuseteile 1, 2 gelten. Im montierten Zustand des Verriegelungselements 3 ist der Endabschnitt 9 des zweiten Stegelements 7 jedoch nach der Montage am zweiten Gehäuseteil 2 nach fachmännischem Verständnis nicht frei, sondern auf dem Lagerzapfen 11 festgelegt.
63
4.4 In Merkmal 2.1 ist angegeben, die beiden Stegelemente sollen V-förmig zueinander angeordnet sein. Wie groß der Öffnungswinkel sein soll und wie groß der Krümmungsradius, d. h. wie „spitz“ das V an seiner Wurzel sein soll, bleibt jedoch offen. Hinsichtlich der beiden Schenkel ist daher der Angabe V-förmig lediglich die Bedeutung zuzubilligen, dass diese nicht über ihre gesamte Erstreckung zueinander parallel angeordnet sein dürfen.
64
4.5 Laut Merkmal 3 soll zwischen dem ersten Stegelement und dem zweiten Stegelement mindestens ein drittes Stegelement angeordnet sein. Diese Formulierung schließt zwei zueinander alternativen Ausführungsformen ein:
65
1. Es können ein oder mehrere gleichartige dritte Stegelemente vorhanden sein, die jeweils zwischen dem ersten und dem zweiten Stegelement angeordnet sind.
66
2. Zwischen dem ersten und dem zweiten Stegelement ist ein drittes Stegelement angeordnet ist, das aus mehreren Teilen besteht.
67
Auch die Merkmale 3.2, 5 und 6 lassen sowohl das Verständnis zu, dass jedes dritte Stegelement eine bogenförmige Krümmung aufweist und mit den beiden freien Endabschnitten verbunden ist, als auch das Verständnis, dass ein mehrteiliges drittes Stegelement insgesamt die in den Merkmalen 3.2, 5 und 6 genannten Eigenschaften aufweist.
68
4.6 In Merkmal 3.1 sind Durchgangsöffnungen genannt, die gemäß Merkmal 3.2 jeweils von den drei Stegelementen begrenzt sind. Über die Größe und die Kontur der Durchgangsöffnungen besagt dies jedoch nichts.
69
Lediglich der Beschreibung und der Zeichnung ist zu entnehmen, dass „die Durchgangsöffnung 19 im Wesentlichen dreieckförmig ausgebildet ist“ (Spalte 6, Zeilen 34-35) und „möglichst groß ausgebildet“ (Spalte 6, Zeilen 41-42) sein soll.
70
4.7 Die Bezeichnung „Stegelement“ in den Merkmalen 2 sowie 3 dient nach Verständnis des Fachmanns dazu, die Einzelheiten des Verriegelungselements zu bezeichnen, ohne dass in den Merkmalen 2 und 3 selbst beschränkend eine bestimmte Funktion angegeben wäre.
71
Die zeichnerische Darstellung lässt jedoch erkennen, dass die Breite der Stege im Verhältnis zu ihrer Längserstreckung relativ gering ist. In der Beschreibung ist als vorteilhafte Wirkung genannt, dass sich „die Stegelemente in Abhängigkeit der auf den jeweiligen Befestigungsabschnitt wirkenden Belastung frei verformen“ können (Spalte 3, Zeilen 10-12) und durch „die Krümmung … das dritte Stegelement 14 ähnlich wie eine Tellerfeder“ wirkt (Spalte 6, Zeilen 39-40).
72
Die Angabe in Merkmal 5, wonach das dritte Stegelement eine bogenförmige Krümmung aufweist, versteht der Fachmann aufgrund der Bezeichnungen „Krümmung“ sowie „bogenförmig“ dahingehend, dass das (mindestens eine) dritte Stegelement insgesamt als Bogen geformt ist und nicht etwa nur eine einzelne äußere Konturlinie und/oder nur ein einzelner (beliebig kurzer) Abschnitt des dritten Stegelements. Zudem soll durch die bogenförmige Krümmung laut Spalte 3, Zeilen 17-25 eine einstellbare federnde Wirkung erzielt werden. Daher handelt es sich bei der bogenförmigen Krümmung nicht lediglich um ein Gestaltungselement, sondern um eine technisch begründete Maßnahme.
73
4.8 Das Merkmal 6 besagt über die Merkmale 3 und 4 hinaus, dass das (mindestens eine) dritte Stegelement mit den jeweiligen freien Endabschnitten der beiden Stegelemente verbunden ist. Dem misst der Fachmann in Zusammenschau mit dem Merkmal 2.2 die Bedeutung zu, dass das (mindestens eine) dritte Stegelement funktionell mit den freien Endabschnitten zusammenwirkt, die ihrerseits zum Befestigen an den Lagerzapfen dienen, die an den beiden Gehäuseteilen ausgebildet sind.
74
4.9 Die Angabe im ergänzten Merkmal nach Hilfsantrag 1 (Merkmal 7.
Hi1), wonach sich das (mindestens eine) dritte Stegelement unterbrechungsfrei zwischen dem freien Endabschnitt des ersten Stegelementes und dem freien Endabschnitt des zweiten Stegelementes erstreckt, versteht der Fachmann dahingehend, dass es durch das, bzw. jedes dritte Stegelement eine durchgehende stoffliche Verbindung zwischen den beiden anderen Stegelementen gibt.
75
II. Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)
76
Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg, und zwar hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents. Denn insoweit ist jedenfalls der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 54, 56 EPÜ gegeben.
77
Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist jedenfalls nicht erfinderisch gegenüber der Druckschrift
NK8 (DE 10 2004 011 509 A1) in Verbindung mit dem Fachwissen des Fachmanns.
78
1. Aus der Druckschrift NK8 ist, in Worten des Patentanspruchs 1 ausgedrückt, Folgendes bekannt: Eine
79
Vorrichtung zum Verschließen eines ein erstes Gehäuseteil (Gehäuseoberoberteil 2) und ein zweites Gehäuseteil (Gehäuseunterteil 1) aufweisendes Gehäuse eines Steckerverbinders, mit
80
1. einem Verriegelungselement (Verriegelungseinheiten 4), welches
81
1.1. einen länglich ausgebildeten Griff (Handhabe 6, Griffstück 10) und
82
1.2. zwei Befestigungsabschnitte (Verriegelungsklammer 5), welche
83
1.2.1 jeweils mit dem Griff 6 verbunden sind, aufweist, wobei
84
Wiedergabe der Figur 5a aus der Widerspruchsbegründung, Seite 15, betreffend NK8
85
2. die Befestigungsabschnitte 5 jeweils ein erstes Stegelement (Schenkel 12) und ein zweites Stegelement (Schenkel 11) aufweisen, welche
86
2.1.
V-förmigU-förmig zueinander angeordnet sind und
87
2.2. jeweils einen freien Endabschnitt zum Befestigen an dem ersten Gehäuseteil 2 und an dem zweiten Gehäuseteil 1 ausgebildeten Lagerzapfen (Rastzapfen 15, Gelenkzapfen 13) aufweisen (Absätze 0037, 0038), wobei
88
3. zwischen dem ersten Stegelement 12 und dem zweiten Stegelement 11 mindestens ein drittes Stegelement (Stege 16, 17) derart angeordnet ist, dass
89
3.1. die Befestigungsabschnitte 5 jeweils eine Durchgangsöffnung (vgl. insbesondere Figuren 5a, 5b) aufweisen, welche
90
3.2. durch das erste Stegelement 12, das zweite Stegelement 11 und das dritte Stegelement 16, 17 begrenzt ist, wobei
91
4. das erste Stegelement 12, das zweite Stegelement 11 und das dritte Stegelement 16, 17 einstückig miteinander ausgebildet sind (z. B. Figur 5a i. V. m. Absätzen 0035 bis 0039) und dass
92
5. das dritte Stegelement 16, 17 eine bogenförmige Krümmung aufweist (z. B. Figur 5a),
93
wobei
94
6. das dritte Stegelement 16, 17 mit dem freien Endabschnitt des ersten Stegelementes 12 und mit dem freien Endabschnitt des zweiten Stegelementes 11 verbunden ist (Absatz 0039).
95
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 von der aus der Druckschrift NK8 bekannten Verriegelungsvorrichtung allenfalls durch das Merkmal 2.1, wonach das erste und das zweite Stegelement zueinander V-förmig angeordnet sind, während die beiden Stegelemente 11 und 12 der aus der Druckschrift NK8 bekannten Verriegelungsvorrichtung eher U-förmig ineinander übergehen. In der Druckschrift NK8 selbst sind die Befestigungsabschnitte 5 als „Omegafedern“ bezeichnet (vgl. Absatz 0036).
96
Zur Überzeugung des Senats ist es funktionell nicht von Bedeutung, ob die beiden Schenkel wie in der Zeichnung dargestellt in einem spitzen Winkel zueinanderstehen oder gerundet stetig ineinander übergehen.
97
Vielmehr handelt es sich bei der konkreten geometrischen Form der Zuordnung der beiden Stegelemente zueinander um eine Maßnahme, die keine besondere technische Wirkung hat, sofern damit die allgemeine federnde Wirkung gewährleistet ist (vgl. obigen Punkt 4.7 zur Auslegung), und die somit ins Belieben des Fachmanns gestellt ist. Damit einhergehend beruht die V-förmige Anordnung des ersten und des zweiten Stegelementes gemäß dem Merkmal 2.1 gegenüber der in der Druckschrift NK8 gezeigten U-förmigen Anordnung der beiden Stegelemente, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
98
Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 5, der ebenfalls ein Gehäuse mit einem ersten Gehäuseteil (1) und einem zweiten Gehäuseteil (2) und eine Vorrichtung zum Verschließen des Gehäuses nach einem der Ansprüche 1 bis 4 aufweist, ist demnach aus den zum Patentanspruch 1 dargelegten Gründen ebenfalls nicht patentfähig.
99
III. Zur Fassung nach Hilfsantrag 1
100
In der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 erweist sich das Streitpatent hingegen als schutzfähig, so dass die Klage, soweit sie sich auch gegen diese Fassung richtet, abzuweisen ist. Auf die Frage, ob das Streitpatent auch in der Fassung nach den weiteren Hilfsanträgen Bestand hätte, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
101
1. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass am Ende das Merkmal 7.
Hi1 angefügt ist:
102
und wobei sich das dritte Stegelement (14) unterbrechungsfrei zwischen dem freien Endabschnitt (8) des ersten Stegelementes (6) und dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes (7) erstreckt.
103
2. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen geht das Merkmal 7.
Hi1 nicht in unzulässiger Weise über die ursprünglich eingereichten Unterlagen oder den Schutzbereich des erteilten Patents hinaus und lässt auch hinreichend erkennen, was unter Schutz gestellt werden soll.
104
Wie bereits erläutert, versteht der Fachmann das Merkmal 7.
Hi1 dahingehend, dass es durch das, bzw. jedes dritte Stegelement eine durchgehende stoffliche Verbindung zwischen den beiden anderen Stegelementen gibt.
105
Diesem Verständnis steht auch der Patentanspruch 3 nicht entgegen, wonach das dritte Stegelement eine oder mehrere Einschlitzungen aufweist. Vielmehr können sich diese Schlitze in der im Merkmal 7.
Hi1 genannten Richtung zwischen den beiden freien Endabschnitten erstrecken, ohne die beanspruchte stoffliche Verbindung zu unterbrechen.
106
Die von den Klägerinnen aus dem Kontext gelöste Betrachtung des Begriffes „unterbrechungsfrei“ wird dagegen dem Sinngehalt des Merkmals 7.
Hi1 nicht gerecht, da in diesem nicht beansprucht ist, dass das dritte Stegelement keinerlei Unterbrechungen aufweisen darf, vielmehr ist lediglich die Unterbrechungsfreiheit in der Erstreckungsrichtung zwischen den beiden freien Endabschnitten beansprucht, welche eine Teilung des dritten Stegelements in Erstreckungsrichtung in zwei (oder mehrere) nicht stofflich verbundene Teile ausschließt.
107
Der Begriff „unterbrechungsfrei“ ist zwar nicht wörtlich in der Offenlegungsschrift WO 2013/127487 A1 [NK1b] offenbart, implizit liest der Fachmann dies jedoch bei der Beschreibung der Wirkung des dritten Stegelementes „ähnlich wie eine Tellerfeder“ (Seite 10, Zeilen 28 bis 29) mit, da eine Tellerfeder zwar meist aus einer Mehrzahl einzelner Blattfedern besteht, die sich jedoch jeweils unterbrechungsfrei zwischen zwei Auflagestellen erstrecken.
108
Zudem lassen die Angaben auf Seite 6 der Druckschrift NK1b wonach „die Endabschnitte des dritten Stegelementes eine um im Wesentlichen 20 % reduzierte Querschnittsfläche zu der Querschnittsfläche mittig
entlang des dritten Stegelementes zwischen den beiden Endabschnitten aufweisen“ (Zeilen 20-24), sowie „Die Einschlitzungen … erstrecken sich vorzugsweise
über die Länge des dritten Stegelementes“ (Zeilen 28-31), nur das Verständnis zu, dass das dritte Stegelement eine ununterbrochene stoffliche Verbindung zwischen seinen beiden Endabschnitten hat.
109
Auch die zeichnerische Darstellung des dritten Stegelementes stützt dessen sich aus der Beschreibung ergebende Eigenschaft als sich unterbrechungsfrei zwischen den beiden freien Endabschnitten der beiden anderen Stegelemente erstreckend.
110
Soweit die Klägerinnen argumentieren, die Unterbrechungsfreiheit des dritten Stegelementes sei in den ursprünglichen Unterlagen sowie der Patentschrift allenfalls untrennbar mit der Dreiecksform der Durchgangsöffnung 19 offenbart, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung.
111
Es trifft zwar zu, dass die Durchgangsöffnung in der ursprünglichen Beschreibung als „im Wesentlichen dreieckförmig ausgebildet“ beschrieben (Seite 10, Zeilen 23-24) und zeichnerisch entsprechend dargestellt ist. Ein unauflösbarer kausaler Zusammenhang zwischen der Unterbrechungsfreiheit des dritten Stegelements und der Kontur der Durchgangsöffnung ist aber an keiner Stelle genannt und wird vom Fachmann im Übrigen auch nicht mitgelesen.
112
3. Das Streitpatent in der Fassung nach Hilfsantrag 1 erweist sich auch als patentfähig.
113
3.1 Wie aus den Ausführungen zur erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 ersichtlich ist, ist bei der aus der Druckschrift NK8 bekannten Vorrichtung das dritte Stegelement 16, 17 nicht unterbrechungsfrei im Sinne des Merkmals 7.
Hi1 ausgestaltet, sondern durch einen Aufnahmeschlitz 18 unterbrochen.
114
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber dem Inhalt der Druckschrift NK8 neu.
115
Außerdem gibt die Druckschrift NK8 keinen Anlass, die beiden Stegelemente 16, 17 zu einem stofflich durchgehenden Stegelement zu verbinden, da der Aufnahmeschlitz 18 für die Erfindung, die durch die Druckschrift NK8 unter Schutz gestellt werden soll, unabdingbar ist. In den Aufnahmeschlitz 18 greift nämlich ein Spreizelement 20 ein, das mit einer Handhabe 6 als Teil des Griffs 6, 10 derart in Wirkverbindung steht, dass die beiden Stegelemente 11 und 12 jeweils aufgespreizt werden und damit die freien Enden der ersten Stegelemente 12 ohne wesentliche Kraftausübung über die an dem ersten Gehäuseteil 2 angebrachten Lagerzapfen 15 gleiten können.
116
Auch wenn der Mechanismus der Vorrichtung gemäß Druckschrift NK8 ersichtlich aufwändig ist, gibt sie dem Fachmann keinen Anlass sich von der dortigen Lehre abzuwenden und die dortigen erfindungswesentlichen Einzelheiten, den Aufnahmeschlitz 18 sowie das Spreizelement 20 zu verwerfen, zumal nur mithilfe dieser Ausgestaltungen die in der Druckschrift NK8 genannte Aufgabe, eine einfachere Handhabung beim Verbinden und Trennen der Gehäuseteile zu schaffen (Absatz 0007), gelöst werden soll.
117
3.2 Auch durch die weiteren von den Klägerinnen entgegengehaltenen Druckschriften ist die Vorrichtung mit den im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 genannten Merkmalen nicht vorweggenommen:
118
3.2.1 So ist die Zuordnung der im Streitpatent genannten Merkmale zu dem aus dem Produktkatalog NK6 bekannten Verriegelungsbügel, der auch in der Figur 1 der Druckschrift DE 200 05 860 U1 [NK14] dargestellt ist, nur in Kenntnis des Streitpatents möglich.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
119
Wiedergabe aus der Klageschrift, Seite 9, betreffend NK6
120
Dabei ist nämlich bereits fraglich, ob der Fachmann die beiden von den Klägerinnen als zweites bzw. drittes Stegelement bezeichneten Einzelheiten nicht vielmehr als ein einziges Stegelement mit einer Einschlitzung wahrnimmt.
121
Weiter ist der zeichnerischen Darstellung keineswegs unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die von den Klägerinnen als drittes Stegelement bezeichnete Einzelheit im Sinne des Merkmals 6 mit dem freien Endabschnitt der von den Klägerinnen als erstes Stegelement bezeichneten Einzelheit verbunden ist. Jedenfalls ist keine funktionale Verbindung erkennbar.
122
Schließlich ist die farbliche Verlängerung des sogenannten zweiten Stegelementes bis zum zweifellos vorhandenen Griff ersichtlich durch das Bemühen motiviert, eine dem Streitpatent gemäße V-förmige Anordnung (Merkmal 2.1) des sogenannten ersten mit dem sogenannten zweiten Stegelement nachzugestalten. Der Fachmann würde die dargestellte Anordnung der Stegelemente eher als T-förmig beschreiben, vor allem wenn er sich die dazu spiegelbildliche Variante auf der anderen Seite des Griffes vor Augen führt, die in der Zeichnung durch das Gehäuse verdeckt ist.
123
Selbst wenn der Fachmann in der unkolorierten Figur drei Stegelemente wahrnehmen sollte, wäre der Zeichnung nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Durchgangsöffnung durch alle drei Stegelemente begrenzt ist, wie in Merkmal 3.2 beansprucht. Vielmehr lässt sich der zeichnerischen Darstellung gleichermaßen entnehmen, dass die Durchgangsöffnung durch das zweite sowie das dritte Stegelement begrenzt ist, da das zweite Stegelement die Durchgangsöffnung an ihrem oberen Ende gleichermaßen umgreifen dürfte, wie an deren unterem Ende.
124
Somit sind aus der Druckschrift NK6 zumindest die Merkmale 2.1, 3.2 sowie 6 nicht zweifelsfrei bekannt.
125
3.2.2 Aus der Druckschrift EP 2 110 894 A2 [NK12] ist zwar eine gattungsgemäße Vorrichtung bekannt, die zweifellos drei Stegelemente aufweist. Allerdings ist der dem dritten Stegelement entsprechende Verbindungsabschnitt 31 in der Druckschrift NK12 selbst weder als bogenförmig gekrümmt beschrieben noch derart dargestellt.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
126
Wiedergabe aus der Klageschrift, Seite 21, betreffend NK12
127
Somit ist aus der Druckschrift NK12 zumindest das Merkmal 5 nicht bekannt.
128
Außerdem geht daraus nicht zweifelsfrei hervor, dass der Verbindungsabschnitt 31 im Sinne des Merkmals 6 mit seinem unteren Ende mit dem freien Ende des zweiten Stegelementes 14 verbunden ist, da der Verbindungsabschnitt 31 und das zweite Stegelement 14 zwar am selben Lagerzapfen 5 befestigt sind, sich aber dennoch aufgrund eines Langloches 30 im Verbindungsabschnitt 31 gegeneinander bewegen können (Spalte 10, Zeilen 3-9).
129
Zudem liegen gemäß Druckschrift NK12 das erste und zweite Stegelement 16, 14 einerseits und der Verbindungsabschnitt 31 andererseits nicht in der selben Ebene, sondern sind durch Kunststoffteile 18 voneinander beabstandet (vgl. Figuren 4 und 5 i. V. m. Absätzen 0027-0028). Eine durch drei Stegelemente begrenzte Durchgangsöffnung gibt (Merkmal 3.2) kann der Senat darin nicht erkennen.
130
3.2.3 Die Druckschriften EP 2 234 219 B1 [NK10] sowie DE 100 06 433 A1 [NK11] kommen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht näher als der Inhalt der Druckschriften NK6, NK14 oder NK12; die Klägerinnen haben dies auch weder behauptet noch dargelegt.
131
Auch der Senat sieht in keiner dieser Druckschriften eine Vorrichtung mit einer Kombination einer V-förmige Anordnung zweier Stegelemente (Merkmal 2.1), eines bogenförmig gekrümmten dritten Stegelementes (Merkmal 5) sowie einer aus drei Stegelementen begrenzten Durchgangsöffnung (Merkmal 3.2).
132
3.3 Auch der Inhalt der Druckschrift DE 10 2008 059 583 A1 [D1] die von der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes der Prioritätsanmeldung als neuheitsschädlich entgegengehalten worden ist, geht hinsichtlich des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht über Folgendes hinaus:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
133
Figur 2 der Druckschrift D1 mit Kolorierung und Kommentierung durch den Senat
134
Vorrichtung zum Verschließen eines ein erstes Gehäuseteil 14 und ein zweites Gehäuseteil 12 aufweisendes Gehäuse 10 eines Steckerverbinders, mit
135
1. einem Verriegelungselement 16, welches
136
1.1. einen länglich ausgebildeten Griff („Längsbügel“ 52) und
137
1.2. zwei Befestigungsabschnitte (Figur 2 i. V. m. Absatz 0034: Schenkel des U-förmigen Längsbügels 26), welche
138
1.2.1 jeweils mit dem Griff 52 verbunden sind, aufweist, wobei
139
2. die Befestigungsabschnitte 26 jeweils ein erstes Stegelement (siehe die oben wiedergegebene kolorierte und kommentierte Figur 2 der Druckschrift D1) und ein zweites Stegelement (Figur 2) aufweisen, welche
140
2.1. V-förmig zueinander angeordnet sind (Figur 2) und
141
2.2. jeweils einen freien Endabschnitt (Rastvorsprung 34a, Lagerbuchse 28) zum Befestigen an dem ersten Gehäuseteil 14 und an dem zweiten Gehäuseteil 12 ausgebildeten Lagerzapfen 18 aufweisen, wobei
142
Ausschnitt aus Figur 2
der Druckschrift D1
mit Kolorierung
durch den Senat
143
3. zwischen dem ersten Stegelement und dem zweiten Stegelement mindestens ein drittes Stegelement (Figur 2) derart angeordnet ist, dass
144
3.1. die Befestigungsabschnitte (Schenkel des Befestigungsbügels 26) jeweils eine Durchgangsöffnung (Figur 2) aufweisen, welche
145
3.2. durch das erste Stegelement, das zweite Stegelement und das dritte Stegelement begrenzt ist, wobei
146
4. das erste Stegelement, das zweite Stegelement und das dritte Stegelement einstückig miteinander ausgebildet sind (Dies entnimmt der Fachmann der zeichnerischen Darstellung) und
147
wobei
148
6. das dritte Stegelement mit dem freien Endabschnitt 34a des ersten Stegelementes und mit dem freien Endabschnitt 28 des
149
zweiten Stegelementes verbunden ist (Figur 2),
150
7.
Hi1 und wobei sich das dritte Stegelement unterbrechungsfrei zwischen dem freien Endabschnitt 34a des ersten Stegelementes und dem freien Endabschnitt 28 des zweiten Stegelementes erstreckt.
151
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von der aus der Druckschrift D1 bekannten Vorrichtung durch die bogenförmige Krümmung des dritten Stegelements (Merkmal 5) und gilt daher gegenüber dieser als neu.
152
3.4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich auch nicht in naheliegender Weise aufgrund einer Zusammenschau der Druckschrift NK8 mit den Druckschriften D1 oder NK12.
153
Nach Erkenntnis des Senats hatte der Fachmann bereits keinerlei Veranlassung in Kenntnis der in der Druckschrift NK8 gezeigten, mit geringem Kraftaufwand zu schließende sowie zu öffnende Verriegelungsvorrichtung nach einer alternativen Lösung Ausschau zu halten.
154
Selbst unter der zweifellos berechtigten Annahme, dass dem Fachmann Verriegelungsbügel geläufig sind, wie er in der Druckschrift D1 gezeigt ist, sowie von den Klägerinnen in vielen Varianten nachgewiesen worden sind, gab es für den Fachmann keinen Anlass zu einer Umkonstruktion der in der Druckschrift NK8 offenbarten Verriegelungsvorrichtung.
155
Vielmehr hätte die naheliegende Lösung bei einer bereits auf Spekulation beruhenden Suche nach einer kostengünstigeren Alternative darin bestanden, eine der bereits vorhandenen Vorrichtungen vollständig zu übernehmen.
156
Auch ausgehend von der Druckschrift D1 oder der Druckschrift NK12 gelangt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zur Erfindung:
157
Der Druckschrift D1 ist bereits nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die für die dauerhafte Verriegelung erforderliche Federkraft von der Dichtung 30 (vgl. Absatz 0026: „elastomeren Werkstoff“) oder von der Verriegelungsvorrichtung aufgebracht werden soll. Sofern der Längsbügel 26 als abschnittsweise flexibel oder federnd verformbar beschrieben ist (Absätze 0022 sowie 0038), dient dies jedenfalls der Montage des Längsbügels an dem zweiten Gehäuseteil 12 und nicht der Verriegelung mit dem anderen, ersten Gehäuseteil 14.
158
Weiter lassen die Umkantungen im Bereich der Rastvorsprünge 34a sowie der jeweilige Kragen an den Durchgangsöffnungen in den Längsbügeln 26 eher darauf schließen, dass eine Elastizität in Schwenkrichtung der Vorrichtung, wie sie gemäß Druckschrift NK8 vorgesehen ist, gerade vermieden werden soll.
159
Somit handelt es sich um zwei gegenläufige Konzepte, die der Fachmann nicht miteinander kombiniert ohne erfinderisch tätig zu werden.
160
Gemäß Druckschrift NK12 sollen zwar die Verriegelungsschenkel 11, 12, die dem ersten und dem zweiten Stegelement entsprechen, derart flexibel ausgestaltet sein, dass sie sich geringfügig aufweiten können (Spalte 8, Zeilen 8-11). Anders als der Fachmann der Streitpatentschrift entnimmt, soll jedoch der Verbindungsabschnitt 31, der dem dritten Stegelement entspricht, nicht federnd, sondern ausdrücklich starr ausgebildet sein, um ein Aufweiten des Bügelelements zu verhindern (Spalte 10, Zeilen 5-9).
161
Dies beachtend wird der Fachmann davon weggeführt, den Verbindungsabschnitt 31 dem Vorbild der Druckschrift NK8 folgend, bogenförmig gekrümmt auszuführen.
162
Somit gilt der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 1 gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Stand der Technik als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
163
B.
Nebenentscheidungen
164
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO.
165
Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand in der beschränkt verteidigten Fassung nach Hilfsantrag 1 gegenüber demjenigen der erteilten Fassung nur unwesentlich eingeschränkt ist. Das Streitpatent erfährt in der Fassung nach Hilfsantrag 1 durch die Beschränkung mit Aufnahme des Merkmals 7.
Hi1 in Patentanspruch 1, das nun zur Annahme der patentgemäßen Lehre nach dem Streitpatent erfüllt sein muss, nur eine geringfügige Einschränkung. Denn die Ausgestaltung, nach der sich das dritte Stegelement 14 unterbrechungsfrei zwischen dem freien Endabschnitt 8 des ersten Stegelementes 6 und dem freien Endabschnitt (9) des zweiten Stegelementes 7 erstreckt, ist an sich gebräuchlich, wie durch die überwiegende Zahl der verfahrensgegenständlichen Druckschriften belegt ist.
166
Da somit der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 gegenüber der erteilten Fassung durch eine beim größten Teil der aus dem Stand der Technik ohnehin gegebene Ausgestaltung beschränkt ist, hat die vorgenommene Einschränkung ersichtlich nur einen geringen Umfang.
167
Diese Einschränkung macht nach der Schätzung des Senats daher ein Zehntel der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des von den Klägerinnen angegriffenen Streitpatents aus.
168
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.