BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 08.02.2023, AZ 29 W (pat) 30/22, ECLI:DE:BPatG:2023:080223B29Wpat30.22.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die international registrierte Marke IR 343 815
(
hier: Erklärung des Verfalls und Schutzentziehungsverfahren 0847/21 Lösch)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Februar 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Seyfarth und des Richters Posselt
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. März 2022 aufgehoben. Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke IR 343 815 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
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Die am 7. März 1968 unter der Nummer 343 815 international registrierte und auf der französischen Basisanmeldung vom 22. Januar 1968 beruhende Wortmarke
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AUTOMATOR
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ist in der Bundesrepublik Deutschland geschützt für Waren der
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Klasse 16: Caractères pour le marquage des métaux et porte-caractères.
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Am 27. Oktober 2021 hat die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) Antrag auf Erklärung des Verfalls und Schutzentziehung für die Bundesrepublik Deutschland gestellt (§§ 119, 124, 115 MarkenG a.F. i. V. m. § 49 Abs. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 C PVÜ, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 6 PMMA).
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Das DPMA informierte die Markeninhaberin mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 über den Eingang eines Antrags auf Schutzentziehung wegen Verfalls sowie darüber, dass sie gemäß §§ 119, 124, 96 MarkenG nur am Verfahren teilnehmen könne, wenn sie einen inländischen Patent- oder Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftrage.
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Mit Schreiben vom 8. Dezember 2021, eingegangen beim DPMA am 9. Dezember 2021, zeigte die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin an, dass sie die Markeninhaberin vertrete. In diesem Schreiben erklärte die Verfahrensbevollmächtigte weiter, dass sie namens und im Auftrag der Markeninhaberin „
dem Verfallsantrag fristgemäß innerhalb von zwei Monaten nach dessen Zustellung“ widerspreche.
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Die Markenabteilung übermittelte der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin ein weiteres Schreiben vom 13. Dezember 2021, das in seinem maßgeblichen Teil wie folgt lautet:
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„
die Inhaberin der oben genannten international registrierten Marke (IR-Marke) wird über den in der Anlage beigefügten Antrag auf
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Erklärung des Verfalls und Schutzentziehung
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i. V. m. Art. 6quinqiesB PVÜ, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 6 PMMA)
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gemäß § 53 Abs. 4 MarkenG, Art. 5 Abs. 6 PMMA unterrichtet und aufgefordert mitzuteilen, ob sie der beantragten Erklärung des Verfalls und Schutzentziehung widerspricht.
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Bitte beachten Sie, dass diese Frist eine gesetzliche Ausschlussfrist ist, die nicht verlängert werden kann.“
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Eine konkrete Frist wurde in dem vorgenannten Schreiben nicht gesetzt. Das Schreiben des DPMA wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin gegen Empfangsbekenntnis am 17. Dezember 2021 zugestellt.
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Mit Beschluss vom 11. März 2022 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den deutschen Schutzrechtsanteil an der international registrierten Marke Nr. 343 815 für verfallen erklärt und der Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland entzogen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der deutsche Schutzrechtsanteil der streitgegenständlichen IR-Marke sei ohne Sacherörterung für verfallen zu erklären und der Marke der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu entziehen, da die Markeninhaberin dem Schutzentziehungsantrag nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach dessen Zustellung widersprochen habe. In der am 9. Dezember 2021 beim DPMA eingegangenen Erklärung der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin liege kein wirksamer Widerspruch gegen den Schutzentziehungsantrag. Mit dem vorangegangenen Bescheid der Markenabteilung vom 28. Oktober 2021 sei die auswärtige Markeninhaberin lediglich aufgefordert worden, einen Inlandsvertreter zu bestellen, um überhaupt am Schutzentziehungsverfahren teilnehmen zu können. Schon aufgrund des Wortlauts des Bescheides vom 28. Oktober 2021, darüber hinaus aber auch aufgrund des Umstandes, dass ihm der Schutzentziehungsantrag nicht beigefügt war, könne darin noch keine Mitteilung i. S. v. § 53 Abs. 4 MarkenG gesehen werden. Eine solche sei vielmehr erst durch den weiteren Bescheid der Markenabteilung vom 13. Dezember 2021 erfolgt. Mit Zustellung dieses Bescheides habe die Zweimonatsfrist des § 53 Abs. 4 MarkenG zu laufen begonnen, innerhalb derer die Markeninhaberin dem Schutzentziehungsantrag hätte wirksam widersprechen können, was jedoch nicht erfolgt sei.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Unabhängig von der Frage, ob der Widerspruch vom 8. Dezember 2021 wirksam ist, sei der Beschluss der Markenabteilung vom 11. März 2022 schon deshalb aufzuheben, weil der Markeninhaberin bisher keine Frist nach § 53 Abs. 4 MarkenG gesetzt worden sei, sich innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung zu dem Antrag zu erklären. Sowohl in der amtlichen Mitteilung vom 28. Oktober 2021 als auch im DPMA-Schreiben vom 13. Dezember 2021 fehle diese Fristsetzung. Damit könne der Widerspruch noch jederzeit erklärt werden, sobald die Frist in Gang gesetzt werde. Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebe-gründung vom 18. August 2022 hilfsweise erneut dem Antrag auf Erklärung des Verfalls und Löschung des deutschen Teils der Marke IR 343 815 widersprochen.
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Die Beschwerdeführerin ist ferner der Auffassung, dass der mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 erklärte Widerspruch wirksam ist. Trotz des Wortlauts „innerhalb“ der Frist in § 53 Abs. 5 Satz 1 MarkenG könne ein Widerspruch bereits vor Fristbeginn wirksam eingelegt werden; diese Vorschrift sei so auszulegen, dass der Widerspruch bis zum Ablauf der Frist erfolgen müsse – so wie dies auch beim Widerspruch gegen eine Markeneintragung anerkannt sei. Sofern dem nicht gefolgt werden könne, sei davon auszugehen, dass die Frist von zwei Monaten vor dem 8. Dezember 2021 in Gang gesetzt worden sei – entweder durch Zustellung des DPMA-Schreibens vom 28. Oktober 2021 oder durch einen telefonischen Austausch der Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin mit einer Mitarbeiterin im DPMA im Zeitraum zwischen dem 17. November 2021 bis 7. Dezember 2021, in dem der Verfahrensbevollmächtigte fernmündlich sogar den konkreten Verfallsgrund erfahren habe, auf den sich der Verfallsantrag stützt. In beiden Fällen wäre der Widerspruch vom 8. Dezember 2021 innerhalb der Frist eingelegt. Dabei komme es nicht auf die Kenntnis des konkreten Verfallsgrundes an, da bereits die Information ausreiche, dass ein Antrag auf Erklärung des Verfalls gestellt worden sei. Auch eine Übermittlung des Antrags auf Erklärung des Verfalls sei nach § 53 Abs. 4 MarkenG nicht erforderlich.
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Schließlich sei der Beschluss der Markenabteilung 3.4 auch deshalb aufzuheben, weil ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs vorliege. Die Markenabteilung hätte den Widerspruch vom 8. Dezember 2021 nicht ignorieren dürfen, sondern sei gehalten gewesen, die Markeninhaberin darüber zu unterrichten, dass der Widerspruch aus ihrer Sicht als „zu früh“ und als nicht eingelegt angesehen werde.
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Schließlich entspreche es aufgrund der vorgenannten Erwägungen der Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,
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1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 11. März 2022 aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen;
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2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen;
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Die Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie führt aus, die Markenabteilung 3.4 habe zutreffend entschieden, weil der Widerspruch nicht fristgerecht eingegangen sei.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Januar 2023 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde erfolgreich und die angefochtene Entscheidung aufzuheben sein dürfte, ohne dass das Bundespatentgericht in der Sache selbst entscheiden wird.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die gem. § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 11. März 2022 ist daher gem. § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG aufzuheben. Ebenso ist auf Antrag der Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
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A. Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht zum Schutz von Marken nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen (PMMA) durch das Zweite Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) vom 10. August 2021 geändert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
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Die neuen Vorschriften zum Schutz von Marken nach dem PMMA in Teil 6 Abschnitt 1 (§§ 107 bis 118) MarkenG traten zum 1. Mai 2022 in Kraft (Art. 13 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. Art. 5 Nr. 10 des 2. PatMoG) und entsprechen inhaltlich den bis dahin maßgeblichen Vorschriften in Teil 6 Abschnitt 2 (§§ 119 bis 125) MarkenG. Gemäß dem bis zum 30. April 2022 geltenden § 124 MarkenG a. F. waren die Vorschriften über die Wirkung der nach dem Madrider Markenabkommen international registrierten Marken (§§ 112 bis 117 MarkenG a.F.) für international nach dem PMMA registrierte Marken entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der dort aufgeführten Vorschriften zum MMA die entsprechenden Vorschriften des PMMA traten. Die seit dem 1. Mai 2022 geltenden §§ 107 bis 118 MarkenG entsprechen inhaltlich den bisherigen §§ 112 bis 117 MarkenG, mit der Ausnahme, dass an die Stelle der Vorschriften zum MMA die Vorschriften des PMMA getreten sind. Zudem werden in den Neufassungen der §§ 115 und 116 MarkenG die Klage auf Erklärung des Verfalls und auf Erklärung der Nichtigkeit wegen des Bestehens älterer Rechte berücksichtigt (vgl. zum Vorstehenden die Begründung zu Artikel 5 Nr. 10 des Regierungsentwurfs zum 2. PatMoG, BT-Drucksache 19/25821, Seite 64). Die neuen Vorschriften zum Schutz von Marken nach dem PMMA (§§ 107 ff. MarkenG) sind seit ihrem Inkrafttreten am 1. Mai 2022 anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung existiert.
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B. Die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung nach §§ 107, 115 Abs. 1, 53 Abs. 4 und 5 Satz 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 C Abs. 1 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 und 6 PMMA haben nicht vorgelegen, da die Markeninhaberin dem Antrag auf Erklärung des Verfalls und Schutzentziehung wirksam widersprochen hat, so dass das Schutzentziehungsverfahren durchzuführen ist.
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1. Ein Widerspruch gemäß § 53 Abs. 5 MarkenG ist bereits ab dem Eingang des Verfallsantrags beim DPMA – hier dem 27. Oktober 2021 – und damit auch schon vor der Zustellung der Mitteilung nach § 53 Abs. 4 Halbsatz 1 MarkenG an die Markeninhaberin – hier am 17. Dezember 2021 – zulässig.
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a) § 53 Abs. 4 Halbsatz 2 MarkenG ordnet an, dass das DPMA den Markeninhaber auffordert, „sich
innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung“ zu dem Antrag auf Verfall und Schutzentziehung zu erklären. Widerspricht der Markeninhaber gem. § 53 Abs. 5 S. 1 MarkenG „nicht
innerhalb der in Absatz 4 genannten Frist“ wird der Verfall erklärt und die Eintragung gelöscht. Trotz des Wortes „innerhalb“ stellt die Bezugnahme auf die Zustellung in § 53 Abs. 4 Halbsatz 2 MarkenG nur einen Anknüpfungspunkt für die Festlegung und Berechnung des Fristablaufs dar, legt jedoch nicht den frühestmöglichen Zeitpunkt für die Einlegung eines wirksamen Widerspruchs fest.
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b) Widerspruch gegen eine beantragte Markenlöschung kann bereits ab dem Eingang eines entsprechenden Antrags beim DPMA eingelegt werden, weil der Inhaber einer Marke bereits ab dem Zeitpunkt des Eingangs eines Antrags auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit damit beschwert ist, dass seine Marke gemäß § 53 Abs. 5 Satz 1 MarkenG gelöscht wird, sofern er nicht widerspricht. Der Gegenstand des Widerspruchs ist mit dem Eingang des Verfalls- oder Nichtigkeitsantrags festgelegt. Aufgrund dieser konkreten Gefahr für den Bestand der angegriffenen Marke liegt bereits vor der Zustellung der Mitteilung und Fristsetzung nach § 53 Abs. 4 MarkenG ein hinreichend konkretes Rechtsschutzinteresse für die Einlegung des Rechtsbehelfs des Widerspruchs nach § 53 Abs. 5 MarkenG vor. Ein Widerspruch gegen eine beantragte Markenlöschung ist daher auch dann wirksam, wenn eine Markeninhaberin, an die eine Löschungsbenachrichtigung noch gar nicht abgesandt worden ist, von dem Antrag zufällig, etwa durch Einsicht in die Akten, Kenntnis erhält (vgl. in Bezug auf die Vorgängerbestimmung des § 11 Abs. 4 Satz 3 WZG: BPatGE 25, 236, 241; im Ergebnis ebenso: Bröcker in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 53 Rn. 25 a. E.; Kopacek in Kur/v. Bomhard/Albrecht, MarkenG UMV Kommentar, 3. Aufl., § 53 Rn. 68; BeckOK MarkenR/Kopacek/Schödel, 32. Edition Stand 1. Januar 2023, MarkenG § 53 Rn. 64). Entgegen der Auffassung der Markenabteilung ist daher auch nicht erforderlich, dass der Markeninhaberin ein Exemplar des Löschungsantrags übermittelt werden muss, bevor sie wirksam Widerspruch erheben kann.
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c) Dies folgt daraus, dass erlassene Entscheidungen auch schon vor ihrer Zustellung wirksam angefochten werden können (vgl. BAG NJW 2008, 1610; BGH NJW 1999, 3269; MDR 1964, 43; BVerwGE 25, 20; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 339 Rn. 2). Dies gilt sowohl für den vorliegenden Widerspruch gemäß § 53 Abs. 5 MarkenG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 11 Abs. 4 Satz 3 WZG: BPatGE 25, 236, 241) und den Widerspruch nach § 42 MarkenG (vgl. zur Vorgängerbestimmung zum Widerspruch gegen eine Markeneintragung in § 5 WZG: DPA Mitt. 1961, 109; Schlüter GRUR 1956, 160, 162/163; Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 42 Rn. 39; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 42 Rn. 54; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 42 Rn. 22; HK-MarkenR/Kramer/Reinisch, 4. Aufl., § 42 Rn. 62; BeckOK MarkenR/Draheim, a. a. O. § 42 Rn. 30), als auch für Rechtsmittel, wie z. B. die Beschwerde gemäß § 66 MarkenG (Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 66 Rn. 38; BeckOK MarkenR/Draheim a. a. O. § 66 Rn. 120) oder die Beschwerde nach § 73 PatG (BPatG, Beschluss vom 09.09.2010, 10 W (pat) 19/09; Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 91; Schulte/Püschel, PatG mit EPÜ, 11. Aufl., § 73 Rn. 64).
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d) Nur ein Widerspruch, der vorsorglich vor Eingang eines Verfalls- oder Nichtigkeitsantrags beim DPMA erhoben wird, ist – genauso wie eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmitteleinlegung vor dem Erlass einer Entscheidung – mangels konkreten Rechtsschutzinteresses unzulässig (vgl. Bröcker in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a. a. O., § 53 Rn. 25 a. E.).
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2. Darüber hinaus hat das DPMA die Markeninhaberin in der „Mitteilung nach § 53 Abs. 4 MarkenG“ vom 13. Dezember 2021 im amtlichen Verfallsverfahren nicht dazu aufgefordert, sich „innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Mitteilung“ zu dem Antrag auf Erklärung des Verfalls zu äußern. Zwar wird im letzten Satz des Schreibens vom 13. Dezember 2021 darum gebeten zu beachten, „dass diese Frist eine gesetzliche Ausschlussfrist ist, die nicht verlängert werden kann“. Eine Fristsetzung ist jedoch weder dem Schreiben des DPMA vom 28. Oktober 2021 noch der Mitteilung vom 13. Dezember 2021 zu entnehmen. Damit bleibt offen, worauf sich „diese Frist“ im letzten Satz des Schreibens der Markenabteilung vom 13. Dezember 2021 bezogen hat.
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C. Die angefochtene Entscheidung der Markenabteilung wird aufgehoben und das Verfahren gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG an das DPMA zurückverwiesen, weil das DPMA noch nicht in der Sache über den Antrag auf Erklärung des Verfalls entschieden hat. Bei der Ermessensentscheidung nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin ausdrücklich die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat, und eine sofortige Entscheidung einen Instanzverlust bedeuten würde (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 70 Rn. 11 f.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung und Zurückverweisung auch wegen einer Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG berechtigt wäre.
III.
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Mit Einlegung der rechtswirksamen Beschwerde ist die gezahlte Beschwerdegebühr verfallen, so dass eine Rückzahlung wegen fehlenden Rechtsgrunds ausscheidet (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 71 Rn. 48, 49). Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt mithin nur nach § 71 Abs. 3 MarkenG aus Billigkeitsgründen in Betracht; eine solche ist vorliegend angezeigt. Denn die fehlerhafte Sachbehandlung der Markenstelle lässt es unbillig erscheinen, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Neben der Nichtbe-rücksichtigung des wirksam eingelegten Widerspruchs der Markeninhaberin mit beim DPMA am 9. Dezember 2021 eingegangenem Schriftsatz liegt mit der unterbliebenen Fristsetzung nach § 53 Abs. 4 MarkenG ein weiterer Verfahrensfehler vor, den die Markeninhaberin nur durch die Beschwerde geltend machen konnte, da ihr vor dem Beschluss vom 11. März 2022 keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einlegung der Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.