Urteil des BPatG München 2. Senat vom 03.08.2023, AZ 2 Ni 14/21

BPatG München 2. Senat, Urteil vom 03.08.2023, AZ 2 Ni 14/21, ECLI:DE:BPatG:2023:030823U2Ni14.21.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das deutsche Patent DE 10 2008 014 166

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Hartlieb sowie der Richter Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch, Dr. Himmelmann und Dr.-Ing. Kapels

für Recht erkannt:

I. Das deutsche Patent DE 10 2008 014 166 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:

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II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2008 014 166 (Streitpatent), das am 14. März 2008 angemeldet worden ist und das die Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur“ trägt.

2

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur (Streitpatent, Abs. [0001]).

3

Das in vollem Umfang angegriffene Streitpatent umfasst 14 Ansprüche, den unabhängigen Verfahrensanspruch 1 und die auf einen der vorhergehenden Ansprüche rückbezogenen abhängigen Patentansprüche 2 bis 14.

4

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet gemäß DE 10 2008 014 166 B3 (Streitpatentschrift):

5

1. Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur, bei dem ein die Siliziumoberfläche aufweisender Silizium-Wafer in eine Ätzlösung getaucht wird,
dadurch gekennzeichnet, dass die Siliziumoberfläche vor dem Inkontaktbringen mit der Ätzlösung mit Ozon behandelt wird.

6

Die Klägerin stützt ihre Klage auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit mit Blick auf fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit sowie der unzureichenden Offenbarung der beanspruchten Erfindung. Nach ihrer Auffassung sind auch die Gegenstände der Hilfsanträge nicht patentfähig.

7

Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin die folgenden Dokumente genannt:

8

  • D1
  • DE 10 2008 014 166 B3 (Streitpatentschrift);
  • D2
  • JP 3208384 B2, veröffentlicht am 10. September 2001;
  • D2′
  • englische Übersetzung der JP 3208384 B2;
  • D3
  • T. Warabisako et al: „Optimization of thermal processing and device design for high-efficiency c-Si solar cells“, Solar Energy Materials and Solar Cells 48 (1997), 137-143;
  • D4
  • JP S63129633 A, veröffentlicht am 2. Juni 1988;
  • D4′
  • englische Übersetzung der JP S63129633 A;
  • D5
  • JP H03136329 A, veröffentlicht am 11. Juni 1991;
  • D5′
  • englische Übersetzung der JP H03136329 A;
  • D6
  • EP 1 132 951 A1, veröffentlicht am 3. Oktober 2000;
  • D7
  • US 6,503,333 B2, veröffentlicht am 7. Januar 2003;
  • D8
  • Tsutomu Osaka et al.: „Contamination Removal by Single-Wafer Spin Cleaning with Repetitive Use of Ozonized Water and dilute HF“, Proceed. of the 5th Internat. Symp. on Cleaning Technology in Semiconductor Device Manufacturing, Proceed. Vol. 97-35 (1998), p. 256-263;
  • D9
  • EP 0 944 114 B1, veröffentlicht am 22. September 1999;
  • D10
  • Ch. Gottschalk: „Ozonated water – Where the green choice is better“, CLEANROOMS, January 2005;
  • D11
  • „Handbook of Photovoltaic Science and Engineering“, edited by A. Luque and S. Hegedus, John Wiley & Sons Ltd., 2003;
  • D12
  • US 2008/0048279 A1, veröffentlicht am 28. Februar 2008;
  • D13
  • Google Patents, JP 2005-011886 A, englische Übersetzung.

9

Die Klägerin stellt den Antrag,

10

das deutsche Patent DE 10 2008 014 166 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

11

Die Beklagte stellt den Antrag,

12

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Fassung gemäß Hauptantrag vom 21.10.2021 richtet,

13

hilfsweise

14

das deutsche Patent DE 10 2008 014 166

15

unter Klageabweisung im Übrigen dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass es die Fassung eines der folgenden Hilfsanträge mit der Bezeichnung

16

– Hauptantrag a, Hauptantrag b, Hauptantrag c jeweils vom 30.06.2023,

17

– Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 2 jeweils vom 21.10.2021,

18

– Hilfsantrag 2a, Hilfsantrag 2b, Hilfsantrag 2c jeweils vom 30.06.2023,

19

– Hilfsantrag 3 vom 21.10.2021 sowie

20

– Hilfsantrag 4 und Hilfsantrag 5 jeweils vom 12. Dezember 2022

21

– in dieser Reihenfolge – erhält.

22

Die Beklagte erklärt in der mündlichen Verhandlung am 3. August 2023, dass sie die Patentansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen als jeweils geschlossene Anspruchssätze ansieht, die jeweils insgesamt beansprucht werden.

23

Die Beklagte, die das Streitpatent in beschränktem Umfang gemäß Hauptantrag und hilfsweise beschränkt mit elf Hilfsanträgen verteidigt, tritt der Argumentation der Klägerin in allen wesentlichen Punkten entgegen. Sie vertritt die Auffassung, dass die von der Klägerin vorgebrachten Druckschriften die im Streitpatent offenbarte Erfindung weder neuheitsschädlich vorwegnähmen noch sie nahelegten. Das Streitpatent sei jedenfalls in der Fassung eines der Hilfsanträge patentfähig.

24

Mit vom Senat eingefügter Gliederung lautet Patentanspruch 1 des
Hauptantrags vom 21. Oktober 2021:

25

1.1 Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur,

26

1.2 bei dem ein die Siliziumoberfläche aufweisender Silizium-Wafer in eine Ätzlösung getaucht wird und

27

1.3 die Siliziumoberfläche vor dem Inkontaktbringen mit der Ätzlösung mit Ozon behandelt wird,

28

dadurch gekennzeichnet, dass

29

2.1 die Siliziumoberfläche in der Gasphase mit Ozon behandelt wird.

30

Patentanspruch 1 nach
Hauptantrag a vom 30. Juni 2023 umfasst die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag vom 21. Oktober 2021 und enthält vor dem Merkmal 2.1 einen Gedankenstrich ( – ), am Ende des Merkmals 2.1 ein Semikolon sowie das folgende angefügte Zusatzmerkmal 2.2.a:

31

2.2.a – der Silizium-Wafer zur Behandlung mit Ozon in deionisiertes Wasser getaucht wird, dem Ozon in einer Konzentration vom mehr als 1 ppm zugesetzt ist.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

33

Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit (§ 22 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und der unzureichenden Offenbarung (§ 22 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) geltend gemacht werden, ist zulässig und in der Sache auch teilweise begründet.

34

Ohne Sachprüfung ist das Streitpatent insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten in zulässiger Weise nur noch beschränkt verteidigte Fassung gemäß Hauptantrag hinausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006, X ZR 236/01 – Carvedilol II, GRUR 2007, 404 und juris, Rn. 15;
Schulte/Voit, Patentgesetz mit EPÜ, 11. Aufl. 2022, § 81 Rn. 129 m. w. N.).

35

Die Klage ist insoweit begründet, als das Streitpatent in der mit Hauptantrag vom 21. Oktober 2021 verteidigen Fassung nicht rechtsbeständig ist. Denn insoweit liegt der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit vor (§ 22 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

36

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Im Umfang des Hauptantrags a vom 30. Juni 2023 erweist sich das Streitpatent als rechtsbeständig. Daher ist die Klage insoweit abzuweisen.

I.

37

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur, bei dem ein die Siliziumoberfläche aufweisender Silizium-Wafer in eine Ätzlösung getaucht wird (
vgl. Abs. [0001] der Patentschrift (D1)).

38

Zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur bei Solarzellen ist aus dem Stand der Technik bekannt, dass ein in einer Ätzlösung enthaltener Isopropanolanteil größer als ein Ethylenglykolanteil ist. Damit soll eine vorgegebene Pyramidengrößenverteilung innerhalb einer gewissen Streuung einstellbar sein. In der Praxis hat es sich allerdings gezeigt, dass bei Verwendung ein und derselben Ätzlösung je nach Qualität der zu bearbeitenden Siliziumoberfläche sich unterschiedliche Pyramidengrößenverteilungen ergeben. Zur Herstellung einer einheitlichen Pyramidengrößenverteilung ist es notwendig, die Rezeptur der Ätzlösung an die Qualität der jeweils zu bearbeitenden Siliziumoberfläche anzupassen. Neben einer Änderung der Rezeptur müssen u. U. auch die Ätzdauer und die Temperatur variiert werden. Die Einstellung geeigneter Parameter zur Herstellung einer gewünschten Pyramidengrößenverteilung ist mitunter langwierig und aufwendig. Ein weiterer Nachteil herkömmlicher Verfahren zur Herstellung einer pyramidalen Textur auf einer Siliziumoberfläche besteht darin, dass an der Siliziumoberfläche anhaftende Verunreinigungen unerwünschte Texturänderungen verursachen. Derartige Texturänderungen führen zu einer visuell unregelmäßig erscheinenden Siliziumoberfläche. Eine solche Siliziumoberfläche wird als mangelhaft angesehen. Um den vorgenannten Nachteilen entgegenzuwirken, ist es nach dem Stand der Technik auch bekannt, dem zur Herstellung der pyramidalen Textur erforderlichen Schritt der Behandlung mit einer alkalischen Ätzlösung einen weiteren Ätzschritt vorzuschalten. Dabei wird der gesägte Silizium-Wafer zunächst mit einer hochkonzentrierten alkalischen Lösung geätzt. Ein solcher vorgeschalteter weiterer Ätzschritt erfordert einen zusätzlichen Aufwand. Abgesehen davon können damit Unterschiede in der Qualität der gesägten Silizium-Wafer nicht immer vollständig kompensiert werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den weiteren Ätzschritt unter Verwendung oxidierender Säuren durchzuführen. Auch ein solcher weiterer Ätzschritt verursacht zusätzlichen Aufwand. Abgesehen davon können auch damit unterschiedliche Qualitäten der gesägten Silizium-Wafer nicht ausreichend kompensiert werden. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass in diesem Fall hochkonzentrierte oxidierende Säuren verwendet werden müssen, deren Handhabung gefährlich ist (
vgl. D1, Abs. [0002] bis [0007]).

39

2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die
Aufgabe zugrunde, die Nachteile nach dem Stand der Technik zu beseitigen und insbesondere ein Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur anzugeben, welches möglichst einfach und kostengünstig durchführbar ist. Damit sollen unabhängig von der Qualität der Silizium-Wafer ohne eine Änderung der Zusammensetzung und/oder Konzentration der Ätzlösung Siliziumoberflächen mit einer vorgegebenen pyramidalen Textur hergestellt werden können (
vgl. D1, Abs. [0008]).

40

3. Gelöst wird diese Aufgabe durch das Verfahren des Anspruchs 1 nach
Hauptantrag, mit dem das Streitpatent beschränkt verteidigt wird.

41

3.1 Der hier zuständige
Fachmann ist als ein Diplom-Chemiker mit Hochschulabschluss zu definieren, der über eine mehrjährige Erfahrung in der Bearbeitung von Silizium-Wafern verfügt.

42

3.2 Die Anspruchsmerkmale bedürfen der
Auslegung.

43

Beansprucht wird mit Anspruch 1 des Hauptantrags ein Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur, bei dem ein eine Siliziumoberfläche aufweisender Silizium-Wafer in eine Ätzlösung getaucht wird (
Merkmale 1.1 und 1.2). Bei der Angabe „zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur“ im Merkmal 1.1 handelt es sich um eine Zweckangabe.

44

Die Klägerin argumentiert, dass die Zweckangabe den Anspruch nicht beschränke, da Zweckangaben keine eigentlichen Merkmale eines Verfahrens seien. Zudem könne jede beliebige Ätzlösung als Ätzlösung im Sinne des Merkmals 1.2 aufgefasst werden.

45

Diese Argumentation konnte nicht überzeugen. Zwar beschränken Zweck- und Funktionsangaben in einem Sachanspruch dessen Gegenstand regelmäßig nicht auf den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion. Nach der Rechtsprechung des BGH sind solche Angaben gleichwohl nicht bedeutungslos. Sie definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand vielmehr regelmäßig dahin, neben der Erfüllung der weiteren räumlich-körperlichen Merkmale auch so ausgebildet zu sein, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendet werden oder die angegebene Funktion erfüllen kann, mithin objektiv geeignet ist, den angegebenen Zweck oder die angegebene Funktion zu erfüllen (
vgl. BGH, GRUR 2022, 546 Rn. 44 – CQI-Bericht; BGH GRUR 2018, 1128 Rn. 12 – Gurtstraffer). Fordert der Patentanspruch die Eignung der geschützten Vorrichtung, einen bestimmten Vorgang ausführen zu können, und benennt er ein Mittel, über das diese Eignung erreicht werden soll, ist der Patentanspruch im Zweifel dahin auszulegen, dass das Mittel dazu vorgesehen ist und dementsprechend geeignet sein muss, an dem Vorgang, wenn er ausgeführt wird, in erheblicher Weise mitzuwirken (
vgl. BGH, GRUR 2020, 159 Rn. 18 – Lenkergetriebe). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für gegebenenfalls in Verfahrensansprüchen enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben (
vgl. GRUR 2010, 1081 Rn. 11 – Bildunterstützung bei Katheternavigation).

46

Für das Streitpatent ergibt sich aus der im Merkmal 1.1 vorgesehenen Zweckbestimmung, dass das Verfahren die im Anspruch 1 angeführten und möglicherweise weitere Schritte aufweist, die derart ausgeführt werden, dass im Ergebnis eine Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur entsteht. Dies bedeutet auch, dass nicht jede beliebige Ätzlösung verwendet werden kann und nicht jede beliebige Ozonbehandlung durchgeführt werden kann, da diese nicht notwendigerweise zu einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Struktur führen. Umfasst sind nur solche Verfahren, bei denen die Schritte so ausgeführt werden, dass zumindest eine Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur entstehen kann.

47

Beispielsweise wird ein Silizium-Wafer zur Herstellung der Pyramiden in eine alkalische Ätzlösung, mit KOH oder NaOH, der ein oder mehrere Alkohole, vorzugsweise Isopropanol, zugesetzt sind, bei einer Temperatur von 70°C bis 90°C für 5 bis 20 Minuten getaucht (
vgl. D1, Abs. [0018]).

48

Gemäß den
Merkmalen 1.3 und 2.1 wird die Siliziumoberfläche vor dem Inkontaktbringen mit der Ätzlösung in der Gasphase mit Ozon behandelt. Dazu ist es beispielsweise möglich, die zu behandelnde Siliziumoberfläche mit Ozon und Wasserdampf zu beaufschlagen oder mit Ozon-haltigem Wasserdampf anzublasen. Die Gasphase kann zweckmäßigerweise eine Luftfeuchtigkeit von 60 bis 95%, vorzugsweise 75 bis 85%, aufweisen. Vorteilhaft ist eine Behandlung bei einer Temperatur im Bereich von 15°C bis 60°C für eine Zeitdauer von 15 Sekunden bis 60 Minuten (
vgl. D1, Abs. [0012], [0014], [0017]).

49

3.3 Das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht patentfähig, da es sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem vorgelegten Stand der Technik ergibt (
§ 22 PatG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG). Es kann deshalb zunächst dahingestellt bleiben, ob der mit Anspruch 1 beanspruchte Gegenstand ursprünglich offenbart ist.

50

Die Druckschrift JP 3208384 B2 (
vorgelegt als D2 zusammen mit einer Übersetzung ins Englische als D2‘) betrifft eine Technik zum Bilden einer Texturstruktur mit guter Gleichmäßigkeit auf einer Oberfläche eines Substrats (
vgl. D2‘, Abs. [0001]).

51

Im Allgemeinen wird ein waferähnliches Substrat als Substrat eines Halbleiterelements verwendet, das aus einem Ingot ausgeschnitten wird. Bei dem Schneiden des Wafers aus dem Ingot wird jedoch ein instabiler Abschnitt des Bindungszustands mit Bearbeitungsspannungen oder Kristalldefekten erzeugt. Ein Teil dieses instabilen Abschnitts kann durch ein primäres Ätzen entfernt werden, bei dem Material bis in eine Tiefe von etwa 20 µm von der Oberfläche entfernt wird. Wird anschließend ein Texturierungsprozess durchgeführt, neigt der instabile Abschnitt des Bindungszustands dazu, leichter geätzt zu werden als die anderen, stabilen Abschnitte, so dass das Ätzen ungleichmäßig durchgeführt wird. Dabei werden Unebenheiten in der Größe der unebenen (texturierten) Struktur erzeugt. Wenn jedoch die texturierte Struktur, die auf der Seite der lichtempfangenden Oberfläche des Substrats ausgebildet ist, ungleichmäßig ist, ist es schwierig, Licht effektiv einzuschließen, so dass sich die fotoelektrischen Umwandlungseigenschaften verschlechtern. Um die Gleichmäßigkeit einer auf einer Oberfläche eines Substrats ausgebildeten texturierten Struktur zu verbessern, schlägt die Druckschrift D2 vor, zunächst eine Sperrschicht auf einer Oberfläche des Substrats auszubilden und anschließend eine Ätzbehandlung des Substrats inklusive Sperrschicht durchzuführen, wodurch die Sperrschicht geätzt und eine texturierte Struktur auf der Oberfläche des Substrats gebildet wird (
vgl. D2‘, Abs. [0007] bis [0011]). Die Sperrschicht aus Oxid kann beispielsweise durch eine Oxidationsbehandlung in Ozonwasser (
vgl. D2‘, Abs. [0013]) oder durch eine Wärmebehandlung in einer oxidierenden Gasatmosphäre gebildet werden (
vgl. D2‘, Abs. [0017], [0018]). Dabei bildet sich in den Abschnitten, in denen der Kristallzustand instabil ist, eine dickere Sperrschicht als auf den Abschnitten mit stabilem Kristallzustand aus. Bei der anschließenden Ätzbehandlung bzw. Texturierungsbehandlung unter Verwendung einer alkalischen Lösung wird zunächst die Sperrschicht und anschließend das Substrat geätzt. Aufgrund der dickeren Sperrschicht beginnt das Ätzen des Substrats in den Abschnitten, in denen der kristalline Zustand instabil ist, mit einer Verzögerung gegenüber den Abschnitten mit stabilem kristallinem Zustand. Da die Substrat-Ätzzeit in den leicht zu ätzenden Abschnitten mit instabilem Kristallzustand kürzer ist als an anderen Abschnitten, wird die zu ätzende Tiefe auf der gesamten Oberfläche im wesentlichen vergleichmäßigt, und so die Homogenität der texturierten Struktur verbessert (
vgl. D2‘, Abs. [0019], [0020]).

52

Die Druckschrift JP 3208384 B2 (
D2) bzw. deren Übersetzung ins Englische (
D2‘) offenbart somit ein

53

1.1 Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur (
vgl. Anspruch 1: „A method of manufacturing a semiconductor device“, „forming an uneven structure on the surface of the substrate“; Abs. [0001]: „a substrate made of a crystalline material such as monocrystalline silicon“; Abs. [0023]: „By the process, a pyramid-shaped uneven structure is formed on the surface of the substrate“),

54

1.2 bei dem ein die Siliziumoberfläche aufweisender Silizium-Wafer in eine Ätzlösung getaucht wird (
vgl. Abs. [0023]: „the substrate is immersed in a mixed solution of NaOH“) und

55

1.3
teils die Siliziumoberfläche vor dem Inkontaktbringen mit der Ätzlösung
mit Ozon behandelt wird (
vgl. Abs. [0016]: „a blocking layer 2 is formed on the entire surface of a substrate 1 made of a crystalline semiconductor“, Abs. [0018]: „As the blocking layer 2, an oxide film … is formed …. An oxide film formed by heat treatment in an oxidizing gas atmosphere …“; Abs. [0019]: „Next, the substrate 1 on which the blocking layer 2 has been formed as described above is subjected to a texturing treatment using an alkaline solution”),

56

dadurch gekennzeichnet, dass

57

2.1
teils die Siliziumoberfläche in der Gasphase
mit Ozon behandelt wird (
vgl. Abs. [0018]: „An oxide film formed by heat treatment in an oxidizing gas atmosphere …“).

58

Damit unterscheidet sich das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag von dem in Druckschrift D2 dadurch, dass zwar die Siliziumoberfläche in der D2 mit einem oxidierenden Gas behandelt wird, jedoch eine Behandlung in der Gasphase mit Ozon nicht explizit genannt wird (
Merkmale 1.3rest, 2.1rest).

59

Dieser Unterschied beruht aber auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. So offenbart die Druckschrift D2 dem Fachmann zum einen als Beispiel für ein oxidierendes Gas POCl
3 (
vgl. D2‘, Abs. [0026]) und zum anderen als Beispiel für eine wässrige Oxidationsbehandlung die Verwendung einer wässrigen Ozonlösung (
vgl. Abs. [0013]: „oxidation treatment in ozone water“, Abs. [0022]: „aqueous ozone solution“). Dabei ist dem Fachmann jedoch aus seinem Fachwissen bekannt, dass Ozon (
O3) selbst gasförmig ist, so dass die Druckschrift D2 den Fachmann auch dazu anregt, Gas mit O
3 als oxidierendes Gas zu verwenden.

60

Die Beklagte argumentiert, dass die Druckschrift D2 ausschließlich eine Gasbehandlung mit POCl
3 offenbare, die eine gleichzeitige Dotierung ermögliche und die Getterwirkung verbessere (
vgl. D2‘, Abs. [0027]) und somit eine Gasbehandlung mit Ozon weder offenbare, noch nahelege.

61

Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen, da die Druckschrift D2 den Fachmann explizit darauf hinweist, dass der Oxidfilm (
vgl. Abs. [0013]: „blocking layer is made of an oxide“) nicht nur in einer oxidierenden Ozon-Lösung (
vgl. Abs. [0013]: „oxidation treatment in ozone water“ und Abs. [0017], [0018]: „oxidizing solution“), sondern auch durch eine Wärmebehandlung in einer oxidierenden Atmosphäre erzeugt werden kann (
vgl. Abs. [0017]: „oxidizing atmosphere“; Abs. [0018]: „oxidizing gas atmosphere“), wodurch der Fachmann veranlasst ist, die Siliziumoberfläche in der Gasphase mit Ozon zu behandeln. Darüber hinaus wird der Fachmann auch kein dotierendes Gas wie POCl
3 einsetzen, wenn keine gleichzeitige Dotierung gewünscht ist.

62

Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß
Hauptantrag ist somit ausgehend von Druckschrift D2 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig (
§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).

63

4. Die Ansprüche des
Hauptantrags a sind zulässig (
§ 22 PatG i.V.m. § 21 (1) Nr. 4 PatG; § 22 (1) 2. Alternative PatG), ihre Lehre ist für den Fachmann auch ausführbar (
§ 22 i.V.m. § 21 (1) Nr. 2 PatG). Die mit ihnen beanspruchten gewerblich anwendbaren (
§ 5 PatG) Verfahren gelten gegenüber dem Stand der Technik als neu (
§ 3 PatG) und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (
§ 4 PatG), so dass sie patentfähig sind (
§ 22 i.V.m. § 21 (1) Nr. 1 PatG). Das Patent ist deshalb im Umfang der Ansprüche des Hauptantrags a beschränkt aufrechtzuerhalten.

64

4.1 Der Fachmann versteht das zusätzliche
Merkmal 2.2.a derart, dass
zusätzlich zur Behandlung der Siliziumoberfläche in der Gasphase mit Ozon der Silizium-Wafer auch noch zur Behandlung mit Ozon in deionisiertes Wasser getaucht wird, dem Ozon in einer Konzentration von mehr als 1 ppm zugesetzt ist.

65

Die Klägerin argumentiert, dass die beiden Merkmale 2.1 und 2.2.a durch ein Semikolon verbunden seien, so dass nicht klar sei, ob die Merkmale alternativ (oder-Verbindung) oder additiv (und-Verbindung) in einem Verfahren des Hilfsantrags „Hauptantrag a“ vorliegen sollen. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen, da der Fachmann bei einem Verfahrensanspruch durch Semikolon getrennte Merkmale in sprachüblicher Weise so versteht, dass alle Merkmale zu erfüllen sind, jedoch deren Reihenfolge nicht festgelegt ist.

66

4.2 Die Klägerin führt aus, dass das Verfahren des Anspruchs 1 nach Hauptantrag a über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (
§ 21 (1) Nr. 4 PatG). So gehe aus den Ausführungsbeispielen gemäß den Absätzen [0012] bis [0014] und [0017] der Patentschrift hervor, dass beide Ozonbehandlungen Alternativen zueinander darstellen würden und eine Kombination für den Fachmann nicht entnehmbar sei. Dabei sei der Begriff „Alternative“ laut Duden als „freie, aber unabdingbare Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten; das Entweder-oder“ oder „zweite, andere Möglichkeit; Möglichkeit des Wählens zwischen zwei oder mehreren Dingen“ definiert. Mithin handele es sich bei Alternativen um zwei sich ausschließende Varianten. Durch Rückbeziehungen in Ansprüchen denkgesetzlich entstehende Merkmalskombinationen seien nur dann ausreichend deutlich offenbart, wenn sie in der Beschreibung eine ausreichende Stütze fänden. Daher könne aus einer bloßen Rückbeziehung nicht nachträglich eine Kombination entnommen werden, die in der Beschreibung nicht offenbart sei. Der Absatz [0009] der Patentschrift offenbare die zweckmäßige Kombination der Unteransprüche. Der Zweck der Ozonbehandlung sei vorliegend die Reinigung der Siliziumwafer. Dieser Zweck werde jedoch bereits mit einer der beiden alternativen Behandlungsmöglichkeiten erzielt, sodass der Fachmann, ausgehend von der Offenbarung und der Darstellung, dass es sich bei beiden Behandlungsmöglichkeiten um Alternativen handle, gar keine Veranlassung habe, eine zweckmäßige Kombination der beiden Behandlungsmethoden in Erwägung zu ziehen. Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genieße, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiere und damit auch begrenze (
BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 – X ZR 16/09, BGHZ 189, 330, Rn. 23 – Okklusionsvorrichtung), schließe nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergebe, das von demjenigen abweiche, was der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittle. Funktion der Beschreibung sei es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel sei daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, dass beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringe, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen verstehe. Nur wenn und soweit dies nicht möglich sei, sei der Schluss gerechtfertigt, dass Teile der Beschreibung zur Auslegung nicht herangezogen werden dürften. Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würde, komme deshalb nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten, die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele führten, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass tatsächlich etwas beansprucht werde, das so weitgehend von der Beschreibung abweiche (
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11, GRUR 2015, 159, Rn. 26 – Zugriffsrechte). Vorliegend sei durch die Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 5 ein Aliud entstanden, das durch die Beschreibung nicht offenbart sei und dessen Kombination der einzelnen Merkmale durch den Fachmann der Beschreibung auch nicht zu entnehmen sei. Mithin trete ein deutlicher Unterscheid zwischen der Beschreibung und der nun verfolgten Anspruchsfassung hervor. Der bloße Rückbezug in der erteilten Fassung rechtfertige vor dem Hintergrund der abweichenden Beschreibung jedoch keine Kombination nicht ursprünglich offenbarter Merkmale und führe mithin zu einer unzulässigen Erweiterung.

67

Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Zur angemeldeten Erfindung gehört alles, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig als zur angemeldeten Erfindung gehörend oder als mögliche Ausführungsform dieser Erfindung entnehmen kann (
vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 mwN – Polymerschaum). Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen der Anmeldeunterlagen sind dabei grundsätzlich gleichwertige Offenbarungsmittel (
BGH, Urteile vom 30. Januar 2007 – X ZR 156/02, GRUR 2007, 578, 580 – rückspülbare Filterkerze; vom 18. Februar 2010 – Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22 – Formteil). Entsprechend diesen Grundsätzen entnimmt der Fachmann unmittelbar und eindeutig alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag a dem ursprünglichen Patentanspruch 5 (
Merkmal 2.2.a) unter dessen Rückbezug auf den ursprünglichen Patentanspruch 2 (
Merkmal 2.1) und dessen Rückbezug auf den ursprünglichen Anspruch 1 (
Merkmale 1.1 bis 1.3). Dabei ergibt sich für den Fachmann auch kein Widerspruch zwischen Beschreibung und Patentanspruch, da im ersten Absatz der Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung explizit darauf hingewiesen wird, dass sich aus den Merkmalen der Ansprüche 2 bis 14 zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung ergeben und somit die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 5 ein zweckmäßiges Ausführungsbeispiel ergibt. Dabei versteht der Fachmann den Zweck einer Ozonbehandlung in der Erzeugung eines Oxidfilms auf der Siliziumoberfläche, der gemäß der Anmeldung in mehreren Schritten bzw. unterschiedlichen Oxidationsverfahren erzeugt werden kann.

68

Damit ist ein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags a ursprünglich offenbart.

69

Die Unteransprüche 2 bis 13 des Anspruchssatzes nach Hauptantrag a gehen aus den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 14 hervor. Auch die mit ihnen beanspruchten Verfahren sind demnach ursprünglich offenbart.

70

Das Merkmal 2.2.a
beschränkt den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 auf Verfahren, bei denen zusätzlich eine Ozon-Behandlung in deionisiertem Wasser vorgenommen wird. Damit sind die Ansprüche des Hauptantrags a zulässig.

71

In entsprechender Weise ergeben sich auch die Ansprüche des Hauptantrags aus den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen, weshalb die lediglich beschränkte Verteidigung des Streitpatents zulässig ist.

72

4.3 Hauptantrag a offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

73

Die Klägerin argumentiert, dass das Verfahren zur Herstellung einer Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur dienen solle, jedoch keinen expliziten Schritt zur Erzeugung der pyramidalen Textur enthalte. Das Merkmal 1.2 sage lediglich aus, dass ein Siliziumwafer in eine nicht näher spezifizierte Ätzlösung getaucht werde, wobei die Ätzlösung auch nicht durch ihre Funktion oder ein erreichtes Ergebnis gekennzeichnet sei. Selbst dem Absatz [0018] der Beschreibung, der als einziger einen Hinweis auf eine Ätzlösung zur Erzeugung von Pyramiden auf der Siliziumoberfläche enthalte, könne der Fachmann keine konkrete Zusammensetzung der Ätzlösung entnehmen, insbesondere nicht, welche Bestandteile in welchen Gewichts- oder Volumenverhältnissen in der Ätzlösung enthalten seien. Somit sei das Verfahren des Anspruchs 1 nicht so deutlich und vollständig im Streitpatent offenbart, dass ein Fachmann es ausführen könne. Infolgedessen würde sich für den Fachmann ein unzumutbarer Aufwand ergeben, durch Versuche eine geeignete Ätzlösung auf Basis des Streitpatents aufzufinden.

74

Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Eine für die Ausführbarkeit ausreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der mit den Merkmalen des Patentanspruchs umschriebene technische Erfolg vom Fachmann erreicht werden kann. Dies setzt nicht voraus, dass mindestens eine mögliche Ausführung der Erfindung im Einzelnen so offenbart ist, wie dies für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme oder die Übereinstimmung mit der Ursprungsoffenbarung erforderlich wäre. Dagegen stellt sich bei der Prüfung der Ausführbarkeit die Frage, ob die in der Anmeldung oder dem Patent enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Ebenso wenig wie eine im Verletzungsprozess angegriffene Ausführungsform im Patent offenbart sein muss, um unter seinen Gegenstand oder in seinen Schutzbereich zu fallen, erfordert eine ausführbare Offenbarung notwendig die (vollständige) Offenbarung einer Ausführungsform. Vielmehr reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann (
vgl. BGH, GRUR 2010, 916, Rn. 17 – Klammernahtgerät).

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Zwar ist dem Absatz [0018] des Streitpatents keine konkrete Zusammensetzung der Ätzlösung zu entnehmen, jedoch weist der Absatz [0002] des Streitpatents den Fachmann zur Frage der Ätzlösung explizit auf die Druckschrift EP 0 944 114 B1 (
D9) hin, die in den Absätzen [0019] bis [0027] mehrere Ausführungsbeispiele einer Ätzlösung zum pyramidalen Strukturieren einer Siliziumoberfläche offenbart. Somit vermittelt das Streitpatent mit dem Hinweis auf die Druckschrift D9 dem Fachmann so viel an technischer Information, dass er mit seinem Fachwissen in der Lage ist, eine Siliziumoberfläche mit pyramidaler Textur herzustellen.

76

Der Fachmann ist darüber hinaus mit seinem Fachkönnen auch in der Lage, gemäß den Merkmalen 2.1 und 2.2.a des Hauptantrags a zunächst eine Ozonbehandlung der Siliziumoberfläche in der Gasphase und anschließend eine weitere Ozonbehandlung in deionisiertem Wasser oder in umgekehrter Reihenfolge durchzuführen.

77

Unter einem Hauptbestandteil einer Ätzlösung versteht der Fachmann den für die Ätzwirkung wichtigsten Bestandteil, auf den die Ätzwirkung vor allem zurückzuführen ist. Da die Druckschrift D9 dem Fachmann beispielsweise im Absatz [0020] eine Ätzlösung, die aus 15 Liter Wasser, 600 ml 50%-iger Natriumhydroxidlösung, 300 ml Isopropanol und 30 ml wässrig-alkalischer Ethylenglykollösung besteht, mithin eine Ätzlösung, bei dem die Ätzwirkung vor allem auf die 600 ml 50%-iger Natriumhydroxidlösung (
NaOH) zurückzuführen ist, offenbart, ist der Fachmann mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen auch in der Lage, die Lehre des Anspruchs 12 des Hauptantrags a erfolgreich auszuführen. Ferner entnimmt der Fachmann dem Anspruch 4 der Druckschrift D9, dass das basische Reagenz auch Kaliumhydroxid (
KOH) sein kann.

78

4.4 Das Verfahren des Anspruchs 1 des Hauptantrags a ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht ihm gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

79

Da die D2 sowohl die Möglichkeit der Behandlung in der Gasphase, als auch das Eintauchen in eine oxidierende wässrige Lösung, d.h. ein mit Ozon versetztes deionisiertes Wasser, beschreibe, sei einem Fachmann gemäß der Argumentation der Klägerin durchaus auch nahegelegt, beide Möglichkeiten miteinander zu kombinieren. Insbesondere wenn er besonders zahlreiche oder hartnäckige Verunreinigungen mit größter Sicherheit entfernen möchte, würde er eine solche „Doppel“-Behandlung in Betracht ziehen. Insofern sei auch eine Kombination der beiden Behandlungsmöglichkeiten für den Fachmann nahegelegt. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Zum einen betrifft die Druckschrift D2 keine Entfernung von Verunreinigungen, sondern die Erzeugung eines Oxidfilms auf einem Wafer (
vgl. Abs. [0011]: „A blocking layer is formed on a surface of a substrate made of a crystalline semiconductor“). Zum anderen weist die Druckschrift D2 den Fachmann zwar darauf hin, dass der Oxidfilm (
„blocking layer made of an oxide film“) nicht nur in einer oxidierenden Ozon-Lösung (
vgl. Abs. [0013]: „oxidation treatment in ozone water“ und Abs. [0017], [0018]: „oxidizing solution“), sondern stattdessen auch durch eine Wärmebehandlung in einer oxidierenden Atmosphäre erzeugt werden kann (
vgl. Abs. [0017]: „oxidizing atmosphere“; Abs. [0018]: „oxidizing gas atmosphere“), jedoch ist der Druckschrift D2 kein Hinweis zu entnehmen, den Oxidfilm durch eine Kombination aus einer Ozon-Behandlung in der Gasphase und einer Ozon-Behandlung in deionisiertem Wasser zu erzeugen. Darüber hinaus ist der zuständige Fachmann aufgrund seines Fachwissens stets bestrebt, jeden zusätzlichen Herstellungsaufwand zu vermeiden.

80

Die Druckschrift D4/D4‘ lehrt den Fachmann lediglich, Ozon-Gas auf einen erhitzten Si-Halbleiterwafer zu leiten und den gebildeten SiO
2-Film mit den einverleibten Kontaminationen mittels einer Ätzlösung zu entfernen (
vgl. D4‘, S. 2, Z. 41-44: „Therefore, in the semiconductor surface treatment method according to the present invention, a step of spraying 03 on a heated Si semiconductor wafer (for example, Si semiconductor wafer 8) to form a 5i02 film, and then an etching solution (for example, fluoric acid (5)). [%]) A step of immersing in a) -based etching solution) to remove the Sio2 film is included.“, S. 2, Z. 57-58: “A mixed gas of 02 + 03 is blown into the reaction chamber 1 to form a Si O2 film on the Si semiconductor wafer 8.”, S. 1, Z. 33-35: “the surface of the semiconductor wafer is oxidized to incorporate contamination and defects into the oxide film, and the oxide film is removed to eliminate the contamination and defects.”). Ein Hinweis, eine zusätzliche Ozon-Behandlung in deionisiertem Wasser durchzuführen, ist der D4 nicht zu entnehmen.

81

Der Druckschrift D5/D5‘ ist zunächst zwar zu entnehmen, dass gemäß Stand der Technik eine Siliziumoberfläche in der Gasphase mit Ozon behandelt wird (
vgl. D5‘, S. 2, Z. 57-61: „Therefore, the contaminants contained in the vicinity of the silicon surface can be removed. In this method, oxygen gas or ozone gas containing no impurities or fine particles can be obtained easily and inexpensively as compared with the case of a cleaning liquid, so that the problem that impurities and fine particles remain on the silicon surface can be avoided.“). Dabei weist die Druckschrift D5/D5’ den Fachmann jedoch darauf hin, dass die aus dem Stand der Technik bekannten Oxidations- und Ätzschritte im Gas wiederholt werden, um in einem relativ tiefen Bereich der Siliziumoberfläche verbleibende Verunreinigungen zu entfernen. Da es notwendig ist, einen Trocknungsvorgang zu wiederholen, besteht jedoch zum einen das Problem, dass der gesamte Vorgang lange dauert, und zum anderen, wenn diese Trocknungsbehandlung nicht ausreicht, entsteht in dem teilweise verbliebenen Wassertröpfchenbereich ein sogenannter Wasserfleck, der den Herstellungsprozess des Halbleiterbauelements, beispielsweise die Gate-Oxidation, behindert (
vgl. D5‘, S. 2, Z. 64-70: „However, when the above-mentioned oxidation in gas and etching steps in gas are repeated in order to remove contaminants remaining in a relatively deep region from the silicon surface, when the silicon substrate is moved from the liquid to the gas. Since it is necessary to repeat the drying process, there is a problem that the whole process takes a long time. Further, when this drying treatment is insufficient, a stain called a watermark is generated in the partially remaining water droplet portion, which hinders the semiconductor device manufacturing process such as gate oxidation.“). Um diese Probleme zu lösen, schlägt die D5/D5’ daher vor, statt der Ozon-Gasphasenbehandlung den Silizium-Wafer zur Behandlung mit Ozon in deionisiertes Wasser zu tauchen (
vgl. D5‘, S. 3, Z. 83-84:the silicon substrate 1 is immersed in pure water 9 containing ozone in the container 2 (FIG. 1A)“), dem Ozon in einer Konzentration von mehr als 1 ppm zugesetzt ist (
vgl. D5‘, S. 3, Z. 88-89: “The concentration of ozone dissolved in pure water is on the order of several ppm”). Somit lehrt die Druckschrift D5/D5‘ den Fachmann explizit, statt einer Ozon-Gasphasenbehandlung eine Ozon-Wasserbehandlung durchzuführen und gibt aufgrund der angeführten Nachteile der Ozon-Gasphasenbehandlung dem Fachmann auch keinen Hinweis, eine Kombination der beiden Behandlungen in Erwägung zu ziehen.

82

Die Druckschriften D3, D6, D7, D8 und D10 offenbaren zwar jeweils eine Behandlung in Ozon-Wasser (
vgl. D3, S. 140, Kap. 3.3.1: “use ozonized-water cleaning”; D6, Sp. 2, Z. 3: “rinsing a silicon wafer with ozonated water”; D7, Abstract: “the wafer is rinsed in a second solution that includes DI water and ozone”; D8, Abstract: “cleaning at room temperature while alternating the addition of ozonized water”; D10, Titel: “Ozonated water”), jedoch ergibt sich für den Fachmann auch aus diesen Druckschriften kein Anlass, zusätzlich zur Behandlung in Ozon-Wasser eine Behandlung mit Ozon in der Gasphase vorzusehen.

83

Die Druckschriften D9, D11 und D12 offenbaren keine Ozonbehandlung.

II.

85

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.