BPatG München 4. Senat, Urteil vom 23.11.2022, AZ 4 Ni 4/22 (EP), ECLI:DE:BPatG:2022:231122U4Ni4.22EP.0
Tenor
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent EP 1 864 151
(DE 60 2006 048 865)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2022 durch die Vorsitzende Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dipl.-Ing. Matter, Dr. Meiser, Dipl.-Phys. Univ. Dr. Haupt und Dipl.-Ing. Tischler
für Recht erkannt:
I. | Das europäische Patent 1 864 151 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche die folgende Fassung erhalten: |
II. | Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. |
III. | Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen. |
IV. | Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. |
Tatbestand
1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 864 151, das auf die internationale Anmeldung PCT/US2006/010588 (offengelegt als WO 2006/102508 A1) zurückgeht, am 22. März 2006 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der US-Patentanmeldungen 664444 P vom 22. März 2005 und 244529 vom 5. Oktober 2005 angemeldet und dessen Erteilung am 27. April 2016 veröffentlicht worden ist. Im Patentregister des Deutschen Patent- und Markenamts wird das Streitpatent mit der Bezeichnung „Verfahren und Teilnehmerstation zum Ableiten der Ausgangsposition einer Teilnehmerstation als Unterstützung nicht unterstützter GPS-Standortbestimmung in einem drahtlosen Kommunikationssystem“ unter dem Aktenzeichen DE 60 2006 048 865 geführt.
2
Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung 33 Ansprüche mit dem Verfahrensanspruch 1 sowie den auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 21 sowie dem nebengeordneten Vorrichtungsanspruch 22 nebst den auf diesen rückbezogenen Ansprüchen 23 bis 33.
3
Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang – und im Weiteren die mit dem Hilfsantrag 1 verteidigte, geänderte Fassung – an und macht die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit dem Hilfsantrag 1.
4
Der
erteilte Vorrichtungsanspruch 22 lautet in der Verfahrenssprache Englisch und in deutscher Übersetzung, jeweils mit hinzugefügter Merkmalsgliederung, wie folgt (englische Fassung nach Streitpatentschrift; deutsche Fassung ebenfalls nach Streitpatentschrift, wobei Korrekturen offensichtlicher Unrichtigkeiten mittels Durch- und Unterstreichung gekennzeichnet sind):
5
22 | Eine Teilnehmerstation zur Verwendung in einem Drahtloskommunikationssystem, wobei die Teilnehmerstation Folgendes aufweist: |
6
A subscriber station for use in a wireless communication system, the subscriber station comprising:
7
22.1 | Mittel zum Empfangen einer Overhead-Nachricht von dem Drahtloskommunikationssystem; und |
8
means for receiving an overhead message from the wireless communication system; and
9
22.2 | Mittel zum Ableiten der Ausgangsposition der Teilnehmerstation von einem Parameter in der Overhead-Nachricht, |
10
means for deriving the seed position of the subscriber station from a parameter in the overhead message,
11
dadurch gekennzeichnet, dass
diedas Mittel zum Ableiten Folgendes
aufweisenaufweist:
12
characterized in that said means for deriving comprises:
13
22.2.1 | Mittel zum Ableiten einer ersten Positionsschätzung der Teilnehmerstation von dem Parameter; |
14
means for deriving a first position estimate of the subscriber station from the parameter;
15
22.2.2 | Mittel zum Versuchen, eine zweite Positionsschätzung der Teilnehmerstation abzuleiten; |
16
means for attempting to derive a second position estimate of the subscriber station;
17
22.2.3 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation auf die erste Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung nicht verfügbar ist; |
18
means for setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate is unavailable;
19
22.2.4 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation auf die erste Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung eine höhere Positionsunsicherheit hat als die erste Positionsschätzung; und |
20
means for setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate has a higher position uncertainty than the first position estimate; and
21
22.2.5 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation auf die zweite Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung eine niedrigere Positionsunsicherheit hat als die erste Positionsschätzung. |
22
means for setting the seed position of the subscriber station to the second position estimate if the second position estimate has a lower position uncertainty than the first position estimate.
23
Wegen des Wortlauts der Ansprüche 1 bis 21 und 23 bis 33 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
24
Nach dem von der Beklagten in der Verfahrenssprache Englisch eingereichten Hilfsantrag 1 vom 1. Juli 2022 sind die Ansprüche 3, 9 bis 14 und 23 bis 33 gestrichen und die Nummerierungen und Rückbezüge in den jeweils nachfolgenden Ansprüchen entsprechend angepasst. Der nebengeordnete
Vorrichtungsanspruch 15 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem erteilten Vorrichtungsanspruch 22 durch folgende (durch Durch- und Unterstreichungen gekennzeichneten) Änderungen in dem Merkmal 22.2
25
22.2 | means for deriving the seed position of the subscriber station from a parameter in the overhead message, |
26
characterized in thatwherein said means for deriving
the seed position comprises:
27
sowie dadurch, dass nach dem Merkmal 22.2.5 die folgenden Merkmale hinzugefügt sind:
28
22.2.6 | characterized in that deriving the seed position further comprises |
29
22.2.6.1 | means for mapping the parameter to a position using a data structure, stored in the memory of the subscriber station, associating possible values of the parameter with corresponding positions; and |
30
22.2.6.2 | means for setting the seed position to the mapped position provided another estimate of the position of the subscriber station having lower position uncertainty is unavailable; |
31
22.3 | means for deriving a fix of the position of the subscriber station from one or more satellite transmissions originating from a GPS-type position determination system, including searching for one or more of such transmissions responsive to the seed position; |
32
22.4 | characterized in that the subscriber station further comprises |
33
22.4.1 | means for determining whether an update condition is present responsive to the GPS-type position fix of the subscriber station’s position, wherein |
34
22.4.1.1 | the data structure also associates possible values of the one or more parameters with corresponding position uncertainty values, and the mapping maps the one or more parameter values from the one or more overhead messages to a corresponding position uncertainty value, |
35
22.4.1.1.1 | wherein the position uncertainty values are coverage values indicating an area of coverage, and |
36
22.4.1.2 | an update condition is determined to be present if the fix of the subscriber station’s position is outside the area of coverage indicated by the mapped coverage value, and |
37
22.4.2 | means for updating the data structure if an update condition is present. |
38
Der Verfahrensanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist entsprechend geändert mit einer zusätzlichen Ergänzung („A method of deriving a seed position of a subscriber station in a wireless communication system
and updating a data structure, comprising (…)”). Ein Unterschied zum Vorrichtungsanspruch 15 nach Hilfsantrag 1 besteht darin, dass im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht angegeben ist, wo die Datenstruktur gespeichert ist.
39
Wegen des Wortlauts der Ansprüche 1 bis 14 nach Hilfsantrag 1 wird auf den Schriftsatz vom 1. Juli 2022 verwiesen.
40
Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung sei unzulässig erweitert. Denn sowohl die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 12 bis 18 als auch die auf eine Teilnehmerstation gerichteten Ansprüche 22 bis 33 gingen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus.
41
Zur fehlenden Patentfähigkeit stützt die Klägerin ihr Vorbringen gegen sämtliche im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren befindlichen Fassungen des Streitpatents insbesondere auf folgende Dokumente:
42
K5/Riley | WO 2005/010549 A2 |
43
K6/Murayama | JP 2001-133535 A |
44
K6a | Übersetzung der K6 ins Deutsche |
45
K7/Tsujimoto | JP 2004-37392 A |
46
K7a | Übersetzung der K7 ins Deutsche |
47
K8/Sheynblat | WO 2004/036240 A2 |
48
K9/Koorapaty | US 2002/0102992 A1 |
49
K10/Soliman | SOLIMAN, S. S.; WHEATLEY, Ch. E.: Geolocation technologies and applications for third generation wireless. In: Wireless Communications and Mobile Computing 2002; Band 2; Copyright 2002, John Wiley & Sons, Ltd., Seiten 229-251 |
50
K11/Alanen | EP 1 237 009 A2 |
51
K12/Riley II | US 2003/0125046 A1 |
52
K13/Camp | US 6,075,987 A |
53
K14/Syrjarinne | US 2004/0104841 A1 |
54
K17/Moeglein | US 2005/0020309 A1 |
55
K18/van Diggelen | US 2004/0203915 A1 |
56
Sie meint, der Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 22 in der erteilten Fassung sei nicht neu gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber den Druckschriften K5/Riley, K6/Murayama, K7/Tsujimoto, K8/Sheynblat, K9/Koorapaty und K11/Alanen. Jedenfalls beruhe er nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da er durch den Stand der Technik, insbesondere durch die Druckschrift K8/Sheynblat, nahegelegt sei. Aus den gleichen Gründen sei auch der erteilte Verfahrensanspruch 1 nicht patentfähig.
57
Den Hilfsantrag 1 hält die Klägerin bereits für unzulässig. Das Ableiten einer Ausgangsposition mit einer Auswahl zwischen zwei Positionsschätzungen anhand deren Positionsunsicherheiten in Kombination mit einem Update der Datenstruktur sei der ursprünglichen Offenbarung nicht zu entnehmen. Der Hilfsantrag 1 kombiniere mithin in unzulässiger Weise zwei Aspekte, die in den Ursprungsunterlagen allenfalls separat offenbart seien.
58
Darüber hinaus beruhe der Gegenstand des Streitpatents in der nach Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Denn er sei sowohl durch die Druckschrift K5/Riley in Kombination mit einer der Druckschriften K14/Syrjarinne, K17/Moeglein und K18/van Diggelen als auch ausgehend von der K14/Syrjarinne in Zusammenschau mit einer der Druckschriften K5/Riley oder K18/van Diggelen bzw. mit der K11/Alanen jeweils nahegelegt. Nach Absatz [0013] der Druckschrift K14/Syrjarinne sei die K11/Alanen sogar ausdrücklich durch Verweisung einbezogen.
59
Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 14. März 2022 sowie einen weiteren rechtlichen Hinweis vom 21. November 2022 erteilt
60
Die Klägerin beantragt,
61
das europäische Patent 1 864 151 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
62
Die Beklagte beantragt,
63
die Klage abzuweisen,
64
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 1. Juli 2022, erhält.
65
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und meint, dass der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung nicht unzulässig erweitert und auch patentfähig, mithin rechtsbeständig sei. Hierzu führt die Beklagte im Einzelnen aus.
66
Jedenfalls sei das Streitpatent in der Fassung nach dem zulässigen Hilfsantrag 1 patentfähig. Da sein Gegenstand ursprungsoffenbart sei und beschränkend wirke, sei der Hilfsantrag zulässig. Keine der im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren eingeführten Entgegenhaltungen offenbare sämtliche Merkmale oder lege den Gegenstand des Streitpatents in dieser Fassung nahe.
67
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
68
Die Nichtigkeitsklage, mit der die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht werden (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a), c), Art. 54, Art 56 EPÜ), ist zulässig.
69
Sie ist insoweit begründet, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es über die von der Beklagten beschränkt verteidigte Fassung nach Hilfsantrag 1 hinausgeht. Der Gegenstand des Streitpatents erweist sich nämlich in der erteilten Fassung als nicht patentfähig.
70
Dagegen ist der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach dem zulässigen Hilfsantrag 1 patentfähig, insbesondere ist er neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Klage ist daher insoweit unbegründet.
I.
71
1. | Das Streitpatent geht von einer sogenannten „nicht-unterstützten“ GPS-Positionsbestimmung aus. Dabei bestimmen Teilnehmerstationen eines drahtlosen Kommunikationssystems ihren jeweiligen Standort aus GPS-Satellitensignalen ohne Hilfe anderer Netzwerkentitäten, z. B. ohne dedizierte Server. |
72
Aufgrund der den Teilnehmerstationen unbekannten Sendeparameter (Timing, Position, Frequenz) der GPS-Satelliten ergäben sich sehr lange und energieaufwändige Suchen nach den Satellitensignalen. Da einer Teilnehmerstation nach dem Einschalten weder bekannt sei, welche der 32 GPS-Satelliten empfangbar seien, noch, welche Phase eines zyklisch verschobenen PN-Goldcodes die jeweiligen Satelliten verwendeten, würden erhebliche Ressourcen für die Suche nicht-sichtbarer Satelliten und die Suche über den gesamten Bereich möglicher PN-Codes verschwendet. Die durch die unbekannte Relativbewegung zwischen Teilnehmerstation und GPS-Satelliten verursachte unbekannte Doppler-Verschiebung der Sendefrequenzen wie auch die nach dem Einschalten der Teilnehmerstation unbekannte Verstimmung zwischen der Lokaloszillatorfrequenz der Teilnehmerstation und der GPS-Trägerfrequenz führten zu einem vergrößerten Frequenzsuchbereich (Streitpatentschrift, Abs. 0002 bis 0008)
73
Selbst wenn das drahtlose Kommunikationssystem oder das GPS-Positionsbestimmungssystem Informationen zum Timing, den Positionen der GPS-Satelliten oder Synchronisationsinformationen zur Verfügung stelle, könne die Teilnehmerstation immer noch nicht bestimmen, welche der GPS-Satelliten sicht- und damit empfangbar seien. Der Verarbeitungsaufwand in der Teilnehmerstation zur Positionsbestimmung bleibe hoch (Abs. 0009).
74
Aus der Druckschrift EP 1 237 009 A2 (K11/Alanen) sei es bekannt, in einem drahtlosen Kommunikationssystem Positionsdaten der dienenden Basisstation an die Teilnehmerstation zu übertragen und diese Position als Ausgangsposition für eine nachfolgende, GPS-basierte und damit genauere Positionsbestimmung zu verwenden (Abs. 0010).
75
Das Streitpatent offenbare ein Verfahren zur Ableitung einer „Ausgangsposition“ (
seed position) einer Teilnehmerstation, die für die Unterstützung eines nicht-unterstützten GPS-Typ-Positionsempfängers verwendet werden könne. Die Teilnehmerstation empfange eine Overhead-Nachricht von einem drahtlosen Kommunikationssystem und leite seine Ausgangsposition von Werten eines in der Overhead-Nachricht enthaltenen Parameters ab. Beispielsweise bilde die Teilnehmerstation einen Identifizierer des dienenden drahtlosen Kommunikationssystems unter Verwendung einer Datenstruktur in eine Ausgangsposition ab. Dies führe zu einer größeren Effizienz bzw. Leistungsfähigkeit, da die Teilnehmerstation die so ermittelte Ausgangsposition nutzen könne, um die sichtbaren Satelliten zu identifizieren oder die durch die Ausbreitungsverzögerung verursachte Code-Phasenverschiebung oder die durch die Relativbewegung zu einem Satelliten verursachte Doppler-Verschiebung zu schätzen (Abs. 0012 bis 0014).
76
Zudem werde ein Verfahren zur Aktualisierung einer (bzw. der vorgenannten) Datenstruktur zur Verfügung gestellt, das in Einklang mit einer „selbst-lernenden“ Arbeitsweise neue Einträge hinzufüge oder bestehende aktualisiere. Würde z. B. nach einer GPS-Positionsbestimmung festgestellt, dass die zugrundeliegende Ausgangsposition ungenau ist, würde die Datenstruktur aktualisiert, um die Ungenauigkeit zu korrigieren (Abs. 0015).
77
2. | Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Ingenieur mit einem universitären Abschluss (Diplom oder Master) der Fachrichtung Elektro- oder Nachrichtentechnik an, der über eine mehrjährige Berufserfahrung sowie einschlägige Kenntnisse auf dem Gebiet der Konzeption von Mobilfunk- und Positionsbestimmungssystemen verfügt. Bei diesem Fachmann sind Kenntnisse der vor dem Prioritätszeitpunkt geltenden einschlägigen Normen, Standards und Konzeptstudien sowie der dafür zur Anwendung kommenden Gerätschaften als bekannt vorauszusetzen. |
78
3. | Der Gegenstand des Streitpatents bedarf der Erläuterung. |
79
a) | In drahtlosen Kommunikationssystemen werden Nachrichten mit Nutz- und Steuerdaten zwischen Basis- und Teilnehmerstationen übertragen (Merkmal 22). Nachrichten mit Steuerdaten reduzieren die für Nutzdaten verfügbare Kapazität und stellen insofern „Overhead-Nachrichten“ dar (Abs. 0024). Eine Teilnehmerstation weist Sende- und Empfangsmittel auf, wobei letztere auch Overhead-Nachrichten von dem drahtlosen Kommunikationssystem empfangen können (Merkmal 22.1). |
80
b) | Eine Overhead-Nachricht umfasst regelmäßig mindestens einen Parameter (Abs. 0025), aus dem bzw. aus dessen Wert das in Merkmal 22.2 genannte Mittel die Ausgangsposition ( seed position) der Teilnehmerstation ableiten kann. |
81
Somit enthält der Parameter eine Information, aus der die Teilnehmerstation ihre eigene Position mehr oder weniger genau ableiten bzw. schätzen kann. In der Streitpatenschrift sind zahlreiche Ausgestaltungen des Parameters angegeben, u. a. die Standortkoordinaten der Basisstation, die mit der Teilnehmerstation kommuniziert (Fig. 3A:
BASE_LAT, BASE_LONG; Fig. 7A:
Latitude, Longitude; Fig. 23A:
BASE_LAT, BASE_LON; Fig. 28:
BSLat, BSLon; Ansprüche 2, 3) oder die Identität des drahtlosen Kommunikationssystems bzw. der dienenden Basisstation (Fig. 3A:
SID (
System Identifier)
, NID (
Network Identifier)
, BASE_ID; Fig. 4A:
MCC (
Mobile Country Code); Fig. 11:
LAC (Location Area Code); Fig. 14:
Cell identity; Fig. 23A:
Country Code, Sector ID). Im letztgenannten Fall kann in einem Speicher der Teilnehmerstation eine Datenstruktur in Form einer Nachschlagetabelle (
lookup table) eine Zuordnung der Parameterwerte zu geographischen Positionen enthalten (Fig. 10A:
SIDi;POSi: i = 1 … N).
82
c) | Das in Merkmal 22.2 genannte Ableiten der Ausgangsposition der Teilnehmerstation wird in den Merkmalen 22.2.1 bis 22.2.5 näher ausgestaltet. Die Teilnehmerstation leitet eine erste Positionsschätzung von dem Parameter der Overhead-Nachricht ab (22.2.1) und versucht zudem, eine zweite Positionsschätzung abzuleiten (22.2.2). Gelingt dies nicht, wird die Ausgangsposition der Teilnehmerstation (selbstverständlich) auf die erste Positionsschätzung gesetzt (22.2.3). |
83
Ist dagegen die zweite Positionsschätzung verfügbar, wird auf der Grundlage einer jeweiligen Positionsunsicherheit der Positionsschätzungen entschieden, auf welche der beiden Schätzungen die Ausgangsposition eingestellt wird. Die Positionsunsicherheit ist jeweils ein Maß für die Größe des geografischen Bereichs, in dem sich die Teilnehmerstation befinden kann. Selbstverständlich wird die genauere der beiden Positionsschätzungen verwendet (22.2.4, 22.2.5).
84
Die so eingestellte Ausgangsposition dient als Startwert für eine sich anschließende, noch genauere Positionsbestimmung der Teilnehmerstation, insbesondere mittels eines integrierten GPS-Empfängers (Abs. 0012, 0014, 0019, 0029, 0034, 0047, 0107). Die Mittel zu dieser nachgelagerten Positionsbestimmung (
GPS-type position fix) sind erst in den abhängigen Ansprüchen 24, 27 und 31 genannt und können daher beim Anspruch 22 nicht mitgelesen werden.
85
d) | Als Beispiele für die zweite Positionsschätzung nennt die Streitpatentschrift eine ältere GPS-basierte Positionsbestimmung (Ansprüche 4, 5: previous position fix; Abs. 0036, 0064, 0065, 0112 – 0114, 0134, 0135; Fig. 26, 27: Latest GPS Fix) oder einen voreingestellten Schätzwert des Standorts der Teilnehmerstation ( default estimate), z. B. eine auf der Nationalität oder Registrierung des Teilnehmers beruhende Schätzung des Staates, in dem sich der Teilnehmer mit der Teilnehmerstation aufhält (Ansprüche 6, 7: default estimate of the position; Abs. 0036, 0064, 0065). Jedenfalls bei dieser Ausgestaltung könnte nicht nur die erste, sondern auch die zweite Positionsschätzung aus einem Parameter einer Overhead-Nachricht abgeleitet werden. |
86
Nach dem in den Absätzen 0133 bis 0149 beschriebenen Ausführungsbeispiel wird versucht, nicht nur zwei, sondern fünf Positionsschätzungen abzuleiten (vgl. auch Abs. 0049:
selecting amongst multiple possible estimates of the subsriber station’s position), wobei zumindest drei davon auf einem Parameter einer Overhead-Nachricht basieren (Abs. 0136, 0138, 0142). Insofern kann auch gemäß diesem Ausführungsbeispiel die zweite Positionsschätzung nach Merkmal 22.2.2 aus einem Parameter einer Overhead-Nachricht abgeleitet werden.
87
e) | Auch große Positionsunsicherheiten, etwa ein Kreis mit 400 km Radius (Abs. 0063, 0086, 0122) oder ein Kontinent, reduzieren die Anzahl der für eine Teilnehmerstation sicht- und damit potentiell empfangbaren GPS-Satelliten deutlich und beschleunigen die nachfolgende GPS-basierte Positionsbestimmung. Danach muss die Ausgangsposition der Teilnehmerstation zumindest so genau bzw. die entsprechende Positionsunsicherheit so gering sein, dass sich irgendwelche positiven Effekte für die nachfolgende GPS-gestützte Positionsermittlung ergeben (Abs. 0002). |
88
Die Streitpatentschrift nennt als Beispiele für die Positionsunsicherheit der ersten Positionsschätzung eine maximale Antennenreichweite (MAR =
maximum antenna range) der dienenden Basisstation oder eines ihrer Sektoren (Abs. 0041), den Radius eines Kreises, der die Fläche eines Landes oder eines bestimmten Gebietes anzeigt (Abs. 0049, 0063, 0143), oder die Fläche eines drahtlosen Systems, Netzwerks oder einer Einheit (Abs. 0069).
89
Die Positionsunsicherheit beider Positionsschätzungen kann von dem Alter der jeweiligen Schätzung abhängig sein (Abs. 0065, 0066, 0134, 0136 bis 0138, 0143, 0146; Fig. 33, 34, 36A, 36B).
90
f) | Die Figuren 2A und 2B spiegeln den Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 bzw. des Vorrichtungsanspruchs 22 erteilter Fassung wieder: |
91
Die Figuren 28 und 30 zeigen Datenstrukturen in der Teilnehmerstation für die Zuordnung eines empfangenen Parameters (
SIDlatest (Fig. 28) liegt innerhalb des Bereichs
SIDstart bis
SIDend eines Landes (Fig. 30)) zu einer ersten Positionsschätzung (
latitude, longitude) und der zugehörigen Positionsunsicherheit (ergibt sich aus dem Radius des Landes
radius (Fig. 30), dem Zeitpunkt des letzten Parameterempfangs (
gpsWeek, gpsMs) und einer vermuteten Maximalgeschwindigkeit der Teilnehmerstation (Abs. 0142, 0143)):
92
Die Figur 27 zeigt eine Datenstruktur für eine zweite Positionsschätzung (
Lat_gps, Lon_gps) und die zugehörige Positionsunsicherheit (ergibt sich aus der Genauigkeit
Position_Unc_gps der GPS-Messung, dem Zeitpunkt der letzten GPS-Messung (
gpsWeek_gps, gpsMs_gps) und einer vermuteten Maximalgeschwindigkeit der Teilnehmerstation (Abs. 0134)):
II.
93
Hinsichtlich der erteilten Fassung des Streitpatents liegt zwar nicht der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung vor, aber der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit.
94
1. | Der Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Fassung geht nicht über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ). |
95
Nach der Rechtsprechung des BGH gelten für die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patentanspruchs über die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinausgeht, die Grundsätze der Neuheitsprüfung. Danach kommt es darauf an, ob der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16. Dezember 2018 – X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25 – Olanzapin; BGH, GRUR 2022, 1055, Rn. 65-66 – Kinderrückhaltesystem).
96
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ergibt sich eine unzulässige Erweiterung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die erteilten Ansprüche 22 bis 33 auf eine Teilnehmerstation gerichtet sind.
97
Die Klägerin meint, die Ursprungsoffenbarung sei explizit auf Verfahren und Systeme beschränkt, wobei letztere darauf gerichtet seien, dass in einem Speicher eine Datenstruktur vorhanden sei, die zum Abbilden des Parameters auf eine Position genutzt werden könne. Zudem beziehe sich die ursprüngliche Offenbarung auch auf Systeme, die nicht ausschließlich in einer Teilnehmerstation ausgebildet seien.
98
Diese Argumentation greift nicht durch. Der Fachmann entnimmt der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig, dass es um eine Teilnehmerstation mit integriertem GPS-Empfänger geht, die zur Ermittlung der Ausgangsposition für den GPS-Empfänger zwei (oder mehr) verschiedene Positionsschätzungen miteinander vergleicht und die genauere der beiden als Ausgangsposition auswählt. Die in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen im Detail beschriebene Teilnehmerstation verfügt dafür auch über die erforderlichen Mittel, nämlich Hardware wie Prozessor, Speicher,
Position Engine,
Searching Engine, etc. (K3, Fig. 18A – 18D, 24, 25, 26; Ansprüche 12, 19, 22, 27, 28, 29, 32; Abs. 0071, 0083 bis 0085, 0099, 0101, 0104, 0112, 0144, 0151, 0154, 0164) und die entsprechende Software (K3, Abs. 0131, Fig. 32A, 33, 34, 35, 36A, 36B).
99
2. | Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 22 erweist sich jedoch als nicht neu gegenüber der aus der Druckschrift K5/RILEY bekannten Vorrichtung (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 54 EPÜ). |
100
Gemäß RILEY war es bekannt, dass eine Teilnehmerstation eines drahtlosen Kommunikationsnetzwerks ihre Position netzwerkbasiert und/oder nicht-netzwerkbasiert, insbesondere satellitengestützt, bestimmt (Abs. 1016, 1021). Da die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Positionsbestimmungsverfahren u. a. vom Standort der Teilnehmerstation abhängt, sieht RILEY eine Möglichkeit zur Auswahl des jeweils besten Verfahrens vor (Abs. 1006).
101
Aufbauend auf einer groben (
pre-fix) wird eine genaue Positionsschätzung (
final-fix) durchgeführt, wobei in beiden Stufen jeweils zwischen zwei unterschiedlichen Verfahren – in Abhängigkeit der jeweiligen Positionsunsicherheit – ausgewählt wird:
102
In dem ersten Verfahren (404) der ersten Stufe wird eine netzwerkbasierte Positionsschätzung in der Teilnehmerstation durchgeführt, die auf der Identität der dienenden Basisstation basieren kann (Abs. 1037, 1047, 1058; Ansprüche 1, 2, 28, 30, 77). In dem zweiten Verfahren (406) der ersten Stufe wird eine Positionsschätzung durchgeführt, die auf der zuletzt per GPS bestimmten Position basieren kann (Abs. 1037, 1047; Ansprüche 8 bis 10). Das Kriterium für die Auswahl zwischen dem ersten (404) und dem zweiten (406) Verfahren zur Ableitung der Ausgangsposition (408) ist die jeweilige Positionsunsicherheit (Absätze 1038, 1057, Ansprüche 1, 17, 18, 29, 32). Die in der ersten Stufe ausgewählte Positionsschätzung wird als Ausgangsposition für die zweite Stufe (412 bis 420) verwendet (Absätze 1038, 1039):
103
Danach zeigt RILEY, ausgedrückt in den Worten des Anspruchs 22 des Streitpatents in der erteilten Fassung,
104
22 | Eine Teilnehmerstation ( remote unit 104) zur Verwendung in einem Drahtloskommunikationssystem ( wireless communication system 101), wobei die Teilnehmerstation (104) Folgendes aufweist: |
105
22.1 | Mittel zum Empfangen ( receiver 222) einer Overhead-Nachricht ( signals 132) von dem Drahtloskommunikationssystem (101); und |
106
(Bei den im Absatz 1024 genannten Drahtloskommunikationssystemen liest der Fachmann mit, dass die Downlink-Signale (132) neben Nutzdaten auch Steuerdaten in „Overhead“-Nachrichten beinhalten; diese „Overhead“-Nachrichten enthalten regelmäßig Informationen über die Identität der jeweiligen Basisstation (Abs. 1034:
serving cell sector; Abs. 1037:
identification of base stations, or cells; Abs. 1040:
additional identification of base stations; Abs. 1046:
base station identifcation; Anspruch 30:
cell sector data))
107
22.2 | Mittel ( position engine) zum Ableiten der Ausgangsposition ( pre-fix position solution) der Teilnehmerstation (104) von einem Parameter (Abs. 1037: identification of base stations, or cells) in der Overhead-Nachricht (132), |
108
(Abs. 1030:
the position engine may be in the MS; Abs. 1036:
“pre-fix” position determination is generated by a position engine which … can be provided by operating software in the MS 104; Abs. 1037:
the initial coarse pre-fix position may be determined based on identification of base station, or cells, with which the MS is communicating)
109
wobei das Mittel zum Ableiten Folgendes aufweist:
110
22.2.1 | Mittel (Teil der position engine) zum Ableiten einer ersten Positionsschätzung ( initial coarse pre-fix position; first position solution) der Teilnehmerstation (104) von dem Parameter; |
111
(Abs. 1037:
the initial coarse pre-fix position may be determined based on identification of base stations, or cells, with which the MS is communicating; Anspruch 30:
mixed cell sector position data)
112
22.2.2 | Mittel (Teil der position engine) zum Versuchen, eine zweite Positionsschätzung ( estimated pre-fix position solution; second position solution) der Teilnehmerstation (104) abzuleiten; |
113
(Abs. 1037:
estimated pre-fix position determination may be based on satellite signals, such as GPS; Abs. 1047:
the initial MS 104 position can be taken to be the previous position of the MS 104)
114
22.2.3 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition ( pre-fix position solution) der Teilnehmerstation (104) auf die erste Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung nicht verfügbar ist; |
115
(der Fachmann liest mit, dass bei Nicht-Verfügbarkeit der zweiten Positionsschätzung die Ausgangsposition selbstverständlich auf die erste Positionsschätzung eingestellt wird; denn jedenfalls ist in diesem Fall die erste Positionsschätzung besser für eine nachfolgende GPS-Positionsbestimmung geeignet, als eine beliebige oder gar keine Ausgangsposition zu verwenden)
116
22.2.4 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation (104) auf die erste Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung eine höhere Positionsunsicherheit hat als die erste Positionsschätzung; und |
117
22.2.5 | Mittel zum Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation (104) auf die zweite Positionsschätzung, wenn die zweite Positionsschätzung eine niedrigere Positionsunsicherheit hat als die erste Positionsschätzung. |
118
(Anspruch 17:
selecting between the first position solution and the second position solution includescomparing respective figures of meritfor the two position solutions; Anspruch 18:
comparing includesevaluating the relative horizontal estimate of position error; Anspruch 29:
determining a pre-fix position solution of the remote unit for each of at least two types of position measurement solutions; selecting a desired one of the pre-fix position solutions based onfigures of merit of the respective position solutions; Abs. 1038:
The selection between the initial coarse and estimated pre-fix position solutions can be based on relative figures of merit as to the accuracy of the pre-fix position solutions. For example, the selection can be based on a horizontal estimated position error (HEPE))
119
Danach ist der Gegenstand des Anspruchs 22 in der erteilten Fassung des Streitpatents vollständig aus K5/RILEY bekannt.
120
3. | Gleiches gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung, denn dessen Verfahrensmerkmale stimmen inhaltlich mit den Vorrichtungsmerkmalen des Gegenstands des Anspruchs 22 überein. |
121
4. | Darüber hinaus sind die jeweiligen Gegenstände der Ansprüche 1 und 22 in der erteilten Fassung – wie im qualifizierten Hinweis vom 14. März 2022 und in dem weiteren Hinweis vom 21. November 2022 dargelegt – auch aus jeder der Druckschriften K6/MURAYAMA, K7/TSUJIMOTO und K18/VAN DIGGELEN bekannt. |
III.
122
Die Fassung des Streitpatents nach Hilfsantrag 1 vom 1. Juli 2022 verteidigt die Beklagte erfolgreich. Der Hilfsantrag 1 ist zulässig, da der Gegenstand des Streitpatents in dieser Fassung nicht unzulässig erweitert ist und die geänderte Fassung beschränkend wirkt. Der Gegenstand des Streitpatents in dieser verteidigten Fassung erweist sich als rechtsbeständig, weil er patentfähig ist, insbesondere neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
123
1. | Hilfsantrag 1 ergänzt in dem Anspruch 15, der dem Anspruch 22 der erteilten Fassung entspricht, Merkmale aus den erteilten Ansprüchen 23, 24, 26 bis 28 sowie aus der Beschreibung der Streitpatentschrift (Abs. 0069, 0070, 0124). |
124
2. | Den Anspruch 15 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 versteht der Fachmann wie folgt. |
125
a) | Nach den Merkmalen 22.2 und 22.2.1 umfasst das Ableiten der Ausgangsposition der Teilnehmerstation von einem Parameter in der Overhead-Nachricht das Ableiten einer ersten Positionsschätzung. Nach den Merkmalen 22.2.6 und 22.2.6.1 umfasst es zudem das Abbilden des Parameters auf eine Position unter Verwendung einer Datenstruktur, die im Speicher der Teilnehmerstation gespeichert ist. Die Datenstruktur ordnet möglichen Parameterwerten korrespondierende Positionen zu. Nach den insofern nicht einschränkenden Ausführungsbeispielen ist die Datenstruktur fachüblich als „Nachschlagetabelle“ ( lookup table) ausgestaltet (Streitpatentschrift, Abs. 0013, 0042, 0045 – 0091, 0094 – 0103, 0106, 0128; Fig. 10A/B/C, 19, 21, 22A/B/C), die während des Betriebs der Teilnehmerstation in deren RAM abgelegt ist und jedenfalls beim Abschalten der Teilnehmerstation in einem nicht-flüchtigen Speicher der Teilnehmerstation gespeichert wird, damit die Einträge beim nächsten Einschalten wieder zur Verfügung stehen (Abs. 0108, 0114, 0118, 0127). |
126
b) | Nach dem Merkmal 22.4.1.1 umfasst die Datenstruktur nicht nur eine Abbildung des Parameters auf eine Position, sondern auch auf einen Positionsunsicherheitswert. Die Figur 10C der Streitpatentschrift zeigt beispielhaft eine Datenstruktur, die einzelnen SID-Parametern ( SIDi; i = 1 … N) bzw. Bereichen von SID-Parametern ( SID Rangei) eine Position ( POSi) und einen Positionsunsicherheitswert ( UNCi) zuweist: |
127
c) | Gemäß Merkmal 22.4.1.1.1 sind die Positionsunsicherheitswerte Abdeckungswerte ( coverage values), die ein Abdeckungsgebiet ( area of coverange) kennzeichnen. Wenn beispielsweise ein SID-Wert oder ein SID-Bereich einen bestimmten Staat kennzeichnen, dann kann der Positionsunsicherheitswert der Radius eines Kreises sein, dessen Mittelpunkt auf dem geographischen Mittelpunkt des Staates liegt und dessen Radius so groß ist, dass der gesamte Staat abgedeckt ist (Abs. 0049, 0086, Fig. 20): |
128
d) | Das Merkmal 22.2.6.2 geht inhaltlich im Wesentlichen nicht über die Merkmale 22.2.1 bis 22.2.5 hinaus. Es bestätigt, dass die Ausgangsposition der Teilnehmerstation auf die erste Positionsschätzung eingestellt wird, wenn eine andere, genauere Positionsschätzung nicht verfügbar ist. Der Fachmann versteht unter der anderen Positionsschätzung insbesondere die zweite Positionsschätzung nach Merkmal 22.2.2. |
129
e) | Nach Merkmal 22.3 umfasst die Teilnehmerstation Mittel, um eine genaue Position der Teilnehmerstation aus Satellitenübertragungen eines GPS-Typ-Positionsbestimmungssystems abzuleiten. Die Ableitung umfasst die Suche nach einer oder mehrerer solcher Übertragungen basierend auf der zuvor bestimmten Ausgangsposition. Dem Fachmann ist bekannt, dass ein GPS-Empfänger aus seiner Ausgangsposition und der aktuellen Zeit bestimmen kann, welche GPS-Satelliten und damit welche Satellitensignale empfangen und ausgewertet werden können (Abs. 0009): |
130
f) | Die Merkmalsgruppe 22.4 betrifft das Vorgehen der Teilnehmerstation nach Bestimmung der genauen Position mittels GPS ( GPS-type position fix). Wenn diese gemäß Merkmal 22.4.1.2 außerhalb des Abdeckungsgebiets nach Merkmal 22.4.1.1.1 liegt, ist eine Aktualisierungsbedingung gemäß Merkmal 22.4.1 erfüllt und ein entsprechendes Mittel der Teilnehmerstation führt eine Aktualisierung der in der Teilnehmerstation gespeicherten Datenstruktur gemäß Merkmal 22.4.2 durch: |
131
Nach den insofern nicht einschränkenden Angaben in der Streitpatentschrift (Abs. 0071 – 0073) gibt es mehrere Aktualisierungsvarianten, u. a. eine Vergrößerung des Positionsunsicherheitswertes oder ein Ersetzen der Position und des Positionsunsicherheitswertes durch neue Werte (Fig. 17).
132
3. | Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach Hilfsantrag 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus. |
133
a) | Die Merkmale des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 gehen wie folgt auf die Anmeldeunterlagen zurück (Zitate aus der Offenlegungsschrift K3 = WO 2006/102508 A1; Unterstreichungen durch den Senat hinzugefügt): |
134
22 | A subscriber station for use in a wireless communication system, the subscriber station comprising: |
135
(Anspruch 27:
a subscriber station … in a wireless communication system, comprising … a memory … at least one processor; Anspruch 32:
the at least one processor comprises a position engine for deriving a seed position of the subscriber station and a searching engine for fixing a position of the subscriber station responsive to the seed position; Fig. 25, 26)
136
22.1 | means for receiving an overhead message from the wireless communication system; and |
137
(Absatz 0071:
the method is performed within the subscriber station […] and comprises […] receiving an overhead message from a wireless communication system; Anspruch 1:
receiving an overhead message from the wireless communication system; der Fachmann liest mit, dass die Teilnehmerstation fachüblich einen Empfangsteil aufweist, der auch Overhead-Nachrichten empfängt)
138
22.2 | means for deriving the seed position of the subscriber station from a parameter in the overhead message, |
139
(Anspruch 1:
deriving the seed position of the subscriber station from a parameter in the overhead message; Anspruch 32:
the at least one processor comprises a position engine for deriving a seed position of the subscriber station)
140
characterized in that said means for deriving comprises:
141
22.2.1 | means for deriving a first position estimate of the subscriber station from the parameter; |
142
22.2.2 | means for attempting to derive a second position estimate of the subscriber station; |
143
22.2.3 | means for setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate is unavailable; |
144
22.2.4 | means for setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate has a higher position uncertainty than the first position estimate; and |
145
22.2.5 | means for setting the seed position of the subscriber station to the second position estimate if the second position estimate has a lower position uncertainty than the first position estimate. |
146
(Anspruch 2:
deriving a first position estimate of the subscriber station rom the parameter; attempting to derive a second position estimate of the subscriber station; setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate is unavailable; setting the seed position of the subscriber station to the first position estimate if the second position estimate has a higher position uncertainty then the first position estimate; and setting the seed position of the subscriber station to the second position estimate if the second position estimate has a lower position uncertainty than the first position estimate; Fig. 2B, 25, 26; Anspruch 29; Absatz 0170:
A high level algorithm for determining the seed position of the subscriber station … evaluating all the possible sources of the seed position, and selecting the source that has the lowest position uncertainty. The algorithm proceeds in five stages, determining a possible seed position and corresponding position uncertainty at each stage, and populating two vectors, SeedPosition(i), 1 ≤ i ≤ 5, and SeedUncertainty(i)‚ 1 ≤ i ≤ 5, at each stage.)
147
22.2.6 | characterized in that deriving the seed position further comprises |
148
22.2.6.1 | means for mapping the parameter to a position using a data structure, stored in the memory of the subscriber station, associating possible values of the parameter with corresponding positions; and |
149
(Anspruch 27:
subscriber station… comprising:a memory storing a data structure associating possible parameter values obtainable by the subscriber station from at least one overhead messages communicated by the wireless communications system, with corresponding positions; and at least oneprocessorconfigured to (1) obtain parameter values from the at least one overhead message; (2) access the data structureto map the parameter values to a corresponding position; and (3)derive a seed position of the subscriber station responsive to the access.)
150
22.2.6.2 | means for setting the seed position to the mapped position provided another estimate of the position of the subscriber station having lower position uncertainty is unavailable; |
151
(Anspruch 29:
processor is configuredto set the seed positionof the subscriber stationto a corresponding position mapped using the data structure,provided another estimate of the position of the subscriber station having lower position uncertainty is unavailable.)
152
22.3 | means for deriving a fix of the position of the subscriber station from one or more satellite transmissions originating from a GPS-type position determination system, including searching for one or more of such transmissions responsive to the seed position; |
153
(Anspruch 28:
processoris configured to: (1)search for satellite transmissions from a GPS-type position determination system responsive to the seed position; and (2)derive a fix of the position of the subscriber station from such transmissions.; Anspruch 12:
deriving a fix of the position of the subscriber station from one or more satellite transmissions originating from a GPS-type position determination system, including searching for one or more of such transmissions responsive to the seed position😉
154
22.4 | characterized in that the subscriber station further comprises |
155
22.4.1 | means for determining whether an update condition is present responsive to the GPS-type position fix of the subscriber station’s position, wherein |
156
(Anspruch 12:
In a subscriber station …determining whether an update condition is present responsive to the fix of the subscriber station’s position; Figure 26:
Position Engine PE 2612, SID Self Learning Database 2606; Absatz 0158:
selected fields of that entry may beupdated… through the pseudo-code of Figure 32A)
157
22.4.1.1 | the data structure also associates possible values of the one or more parameters with corresponding position uncertainty values, and the mapping maps the one or more parameter values from the one or more overhead messages to a corresponding position uncertainty value, |
158
(Anspruch 30:
the one or more data structures comprise a lookup table having a plurality of entries associating possible values of the one or more parameters with corresponding positions; Anspruch 31:
wherein the plurality of entries of the lookup tableassociate the possible values of the parameter values with corresponding position uncertainties)
159
22.4.1.1.1 | wherein the position uncertainty values are coverage values indicating an area of coverage, and |
160
(Anspruch 14:
wherein theposition uncertainty values are coverage values indicating an area of coverage; Abs. 0106:
the data structure map the values of the parameter to corresponding positions and position uncertainty values, where theposition uncertainty values are coverage values indicating an area of coverage; Abs. 0107:
the data structure may comprise a lookup table having a plurality of entriesassociating possible values of the parameter with corresponding positions and coverage values)
161
22.4.1.2 | an update condition is determined to be present if the fix of the subscriber station’s position is outside the area of coverage indicated by the mapped coverage value, and |
162
(Anspruch 14
:an update condition is determined to be present if the fix of the subscriber station’s position is outside the area of coverage indicated by the mapped coverage value.; Abs. 0107:
An update condition is determined to be present if the fix1702of the subscriber station’s position, as determined by a GPS-type position determination system using the centroid position 1706 as the seed position of the subscriber station,is outside the coverage area1708)
163
22.4.2 | means for updating the data structure if an update condition is present. |
164
(Anspruch 12:
In asubscriber station[…]updating the one or more data structures if an update condition is present.; Abs. 0108:
upon or after determining that an update condition is present, themapped coverage radiusas stored in the lookup tableis simply extendedso that the coverage area defined by the radius encompasses the fix of the subscriber station’s position; Abs. 0112:
theupdatedcopy 1814 is stored in the non-volatile memory 1806; Abs. 0151:
These values are allupdated(in RAM) (1) when the subscriber station is powered up, or (2) when a GPS fix is available,either by the PE or some other processor within the subscriber station. When the subscriber station is powered down, the contents of this data structure are written into non-volatile memory.; Abs. 0154:
these updates may be performed by the PE or some other processor within the subscriber station; Abs. 0164:
The updating and populating of entries in the SID Self Learning Database 2606 occur in RAM and areperformed by the PE or some other processorwhen a GPS fix is obtained)
165
b) | Die Auffassung der Klägerin, dass das Ableiten einer Ausgangsposition anhand von Positionsunsicherheiten zweier Positionsschätzungen in Kombination mit einem Update der Datenstruktur der ursprünglichen Offenbarung nicht zu entnehmen sei, greift nicht durch. |
166
Die Klägerin meint, der Hilfsantrag 1 kombiniere in unzulässiger Weise zwei Aspekte, die in den Ursprungsunterlagen allenfalls separat offenbart seien. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 11 auf den ersten (Ableiten einer Ausgangsposition) und die davon unabhängigen Ansprüche 12 ff. auf den zweiten Aspekt (Update der Datenstruktur) bezogen gewesen seien. Auch in der ursprünglichen Beschreibung seien beide als separate Aspekte dargestellt (Abs. 0009 – 0011:
a method of deriving a seed position; Abs. 0012:
A method is also provided for updating a data structure). Auch die Figurenbeschreibung trenne die beiden Aspekte; so werde das Update der Datenstruktur erst mit der Figur 16 eingeführt. Insbesondere sei den Absätzen 0104 bis 0107 nicht zu entnehmen, dass das dort beschriebene Update auch für eine gemäß erteiltem Anspruch 1 abgeleitete Ausgangsposition verwendet werden könne. Absatz 0012 lasse sich entnehmen, dass es für das Update der Datenstruktur entscheidend darauf ankomme, dass der für das Update verwendete „Fix“ auf einem Eintrag der Datenstruktur basiere. Es sei jedoch nicht vorgesehen, dass für das Update ein Fix verwendet werde, der auf einer anderen, gegebenenfalls nicht auf der Datenstruktur basierenden Schätzung beruhe. Dieser, nach Auffassung der Klägerin technisch sinnvolle Zusammenhang aus Einträgen der Datenstruktur und deren Korrektur sei im Hilfsantrag 1 jedoch gerade nicht mehr vorgesehen. Vielmehr sehe der Hilfsantrag 1 explizit vor, dass die Ausgangsposition entweder als erste Positionsschätzung aus dem Parameter abgeleitet werde oder eine zweite Positionsschätzung als Ausgangsposition verwendet werde. Auch die neu in Hilfsantrag 1 aufgenommen Merkmale scheinen vorzusehen, dass wahlweise die erste oder die zweite Positionsschätzung verwendet werde, je nachdem welche genauer sei.
167
Die Argumentation der Klägerin greift nicht durch. Der Fachmann hat den Anmeldeunterlagen entnommen, dass es um die Bestimmung einer möglichst genauen Ausgangsposition einer Teilnehmerstation geht, damit dessen GPS-Empfänger auf Basis dieser Ausgangsposition möglichst schnell die genaue Position (
GPS-type fix, vgl. Abs. 0058, 0105) ermitteln kann. Für die Bestimmung der Ausgangsposition stehen mindestens zwei Positionsschätzungen zur Verfügung: Aus einem Parameter einer Overhead-Nachricht des mobilen Kommunikationssystems, etwa einer Kennung des Mobilfunknetzwerks bzw. der dienenden Basisstation oder aus einer älteren, GPS-basierten Position oder einer Default-Position. In einer Vielzahl von Ausführungsbeispielen für die erste Positionsschätzung wertet die Teilnehmerstation den empfangenen Parameter mittels einer internen Datenbank aus, d. h. sie ermittelt, welche Position und welche Positionsunsicherheit zu dem empfangenen Parameter in der Datenbank hinterlegt sind (Abs. 0079ff).
168
Dem Fachmann ist bewusst, dass die Leistungsfähigkeit eines solchen Verfahrens zum Ableiten der Ausgangsposition von der Vollständigkeit und Aktualität der Datenbank abhängt. Diesbezüglich ist ihm bekannt, dass sich in Mobilfunknetzwerken regelmäßig Änderungen ergeben. So werden beispielsweise neue Basisstationen installiert oder bestehende in ihrer Sendeleistung und/oder in ihre Sektorisierung geändert. Damit muss die in den Teilnehmerstationen gespeicherte Datenbank mit der Zuordnung der Netzwerk-Parameter zu Positionen und Positionsunsicherheiten geändert werden (Abs. 0136:
Over time, the entries may also change. … entry 2208 could be an entry newly added … carrier ceases unauthorized use of SIDr and/or this SID value is taken off the list; vgl. auch K12/RILEYII, Abs. 0010, 0011
).
169
Konsequenterweise widmet die ursprüngliche Anmeldung (und das erteilte Patent) diesem Aspekt der Aktualisierung der Datenbank breiten Raum – eben, weil die Aktualisierung für das erfolgreiche Ableiten der Ausgangsposition aus der ersten, datenbankgestützten Schätzung, oder der zweiten Positionsschätzung essentiell ist. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Klägerin erkennt der Fachmann zweifelsfrei das synergistische Zusammenwirken der beiden Aspekte.
170
Neben den Absätzen 0012, 0103 bis 0106, 0130 und 0141 bis 0145 zeigt insbesondere das in den Absätzen 0149 bis 0186 beschriebene und in den Figuren 26 bis 36B dargestellte Ausführungsbeispiel die Kombination aus den Aspekten
171
· | Einstellen der Ausgangsposition der Teilnehmerstation auf die genauere von zwei (oder mehr) Positionsschätzungen und |
172
· | Aktualisieren einer für die erste Positionsschätzung erforderlichen Datenstruktur in der Teilnehmerstation, die Parameterwerten Positionen und Positionsungenauigkeiten zuweist, wenn die per GPS bestimmte Position der Teilnehmerstation außerhalb eines entsprechenden Abdeckungsgebiets liegt. |
173
Danach hat der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht nur als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnommen, sondern ihn sogar als einen zentralen Aspekt der ursprünglichen Anmeldung verstanden, da – wie dargelegt – nur so eine dauerhaft zuverlässige Bestimmung der Ausgangsposition und damit eine stets zügige, GPS-basierte Positionsermittlung gewährleistet ist.
174
c) | Entsprechendes gilt für den Verfahrensanspruch 1 nach Hilfsantrag 1, der dem Vorrichtungsanspruch 15 inhaltlich im Wesentlichen entspricht. |
175
d) | Die Ansprüche 2 bis 14 nach Hilfsantrag 1 gehen in zulässiger Weise auf die ursprünglichen Ansprüche 3, 5 bis 9, sowie 15 bis 21 zurück. |
176
4. | Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 nach Hilfsantrag 1 schränken den Schutzbereich des erteilten Patents durch die Spezifizierung der in den Merkmalen 22.2 bzw. 22.2.1 genannten Mittel zur Ableitung der Ausgangsposition bzw. der ersten Positionsschätzung durch die in den Merkmalsgruppen 22.2.6 und 22.4 genannte Datenstruktur und deren Aktualisierung in zulässiger Weise ein. |
177
5. | Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach Hilfsantrag 1 erweist sich als neu (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 54 EPÜ). |
178
a) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist neu gegenüber K5/RILEY. |
179
Die Merkmale 22 bis 22.2.5 sind – wie zum erteilten Anspruch 22 dargelegt – aus RILEY bekannt. Hinsichtlich der zusätzlichen Merkmalsgruppen 22.2.6 und 22.4 des Gegenstands des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 liest der Fachmann bei RILEY noch mit, dass die Auswertung der Parameter
serving cell information;
serving cell sector;
identification of base stations, or cells;
base station identification;
known geographic coverage areas of network elements in communication with the MS und
mixed cell sector position data (Abs. 1031, 1034, 1037, 1046, 1047, 1058) voraussetzt, dass in der Teilnehmerstation eine Datenstruktur gespeichert ist, die den Parameterwerten (z. B. Identifikation der Basisstation) eine Position und eine Positionsunsicherheit zuordnet, wie von den Merkmalen 22.2.6, 22.2.6.1, 22.4.1.1 und 22.4.1.1.1 verlangt.
180
Ebenso liest der Fachmann in RILEY das Einstellen der Ausgangsposition auf die so ermittelte Position, wenn eine andere Positionsschätzung mit niedrigerer Positionsunsicherheit nicht verfügbar ist, mit (Merkmal 22.2.6.2, vgl. Ansprüche 29, 32). Das sich anschließende Ableiten einer exakten Position der Teilnehmerstation durch ein GPS-Positionsbestimmungssystem auf Basis der Ausgangsposition ist aus RILEY bekannt (Merkmal 22.3, Fig. 4: 408, 412, 418; Fig. 5: 504, 508, 524, 526, 506; Abs. 1031, 1035, 1039 – 1041).
181
Jedoch kann der Fachmann RILEY nichts zu einer Aktualisierung einer in der Teilnehmerstation gespeicherten Datenstruktur gemäß den Merkmalen 22.4.1, 22.4.1.2 und 22.4.2 entnehmen.
182
b) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K6/MURAYAMA. |
183
MURAYAMA möchte vermeiden, dass der Benutzer einer tragbaren Teilnehmerstation eines drahtlosen Kommunikationsnetzwerks Positionsdaten – für eine anschließende Ortsbestimmung per GPS – in die Teilnehmerstation eingeben muss, wenn sich die Teilnehmerstation seit ihrer letzten Positionsbestimmung eine größere Strecke bewegt hat (Abs. 0001 – 0007). Zur Lösung dieses Problems wird in Abhängigkeit von der Zeit, die seit der letzten GPS-Positionsbestimmung vergangen ist, als Ausgangsposition für die neue GPS-Positionsermittlung entweder die letzte per GPS bestimmte Position, der Standort der nächstgelegenen Basisstation oder gar keine Position gewählt. Die Teilnehmerstation konvertiert die empfangene Basisstations-Kennung mittels einer in ihr gespeicherten Datenbank in Positionsdaten (Fig. 1 – 6; Abs. 0010, 0011, 0014, 0015, 0017, 0019, 0020, 0022 bis 0030).
184
Soweit (Merkmale 22 bis 22.2.5, 22.2.6, 22.2.6.1, 22.2.6.2, 22.3) stimmt der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 mit der aus MURAYAMA bekannten Vorrichtung überein. MURAYAMA zeigt jedoch weder das Abspeichern von als Abdeckungsgebieten ausgestalteten Positionsunsicherheitswerten nach den Merkmalen 22.4.1.1 und 22.4.1.1.1 noch die Merkmale 22.4.1, 22.4.1.2 und 22.4.2, die sich mit der Aktualisierung der Datenstruktur beschäftigen.
185
c) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K7/TSUJIMOTO. |
186
TSUJIMOTO verwendet als Ausgangsposition einer Teilnehmerstation für eine nachfolgende, GPS-basierte Positionsbestimmung – ähnlich wie MURAYAMA – entweder einen über das drahtlose Kommunikationsnetz ermittelten Basisstationsstandort oder die letzte per GPS bestimmte Position (Fig. 3; Abs. 0035). Das Auswahlkriterium ist die Genauigkeit der jeweiligen Positionsschätzung (Ansprüche 1, 2, 4; Abs. 0007 bis 0012, 0031, 0033; Fig. 2). Die Genauigkeit der letzten GPS-Positionsbestimmung wird aus deren Alter und der maximalen Bewegungsgeschwindigkeit des Nutzers, die Genauigkeit des Basisstationsstandorts als Zellengröße geschätzt (Abs. 0031, 0035). Die Position und die Zellengröße der Basisstationen können von einem entsprechenden Server abgerufen werden (Abs. 0035; Fig. 3). Wenn die letzte GPS-basierte Positionsschätzung nicht verfügbar ist, wird die basisstationsbasierte Positionsschätzung als Ausgangsposition verwendet (Fig. 2: Abfrage S2 mit JA beantwortet führt zu S3).
187
Danach zeigt TSUJIMOTO zwar eine Teilnehmerstation mit den Merkmalen 22 bis 22.2.5 und 22.3 (Abs. 0032, 0033, 0035; Fig. 2, 3, Ansprüche 1, 2, 4), jedoch offenbart TSUJIMOTO keine in der Teilnehmerstation abgespeicherte Datenstruktur und beschäftigt sich demgemäß auch nicht mit der Aktualisierung einer solchen. Die Merkmalsgruppen 22.2.6 und 22.4 sind somit aus TSUJIMOTO nicht bekannt.
188
d) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist zudem neu gegenüber K8/SHEYNBLAT. |
189
SHEYNBLAT geht von Teilnehmerstationen eines drahtlosen Kommunikationssystems aus, die ihren Standort mittels satellitenbasierter und/oder terrestrischer Sender bestimmen können (Abs. 1022 – 1026). Jedes Positionsbestimmungssystem schätze die Position mit einem gewissen Grad an Genauigkeit, der u. a. von den Umgebungsbedingungen abhänge (Abs. 1026, Tab. 1). Im Stand der Technik werde das in der konkreten Situation jeweils genaueste Verfahren eingesetzt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen, insbesondere die Durchführbarkeit aller erforderlichen Messungen, erfüllt wären (Abs. 1029).
190
SHEYNBLAT möchte die Genauigkeit der Positionsbestimmung erhöhen, indem, basierend auf einer anfänglichen groben Positionsschätzung (
fall-back or safety-net solution such as cell-ID), ein oder mehrere weitere Verfahren genutzt werden, auch wenn für diese jeweils nicht alle erforderlichen Messungen verfügbar sind (Abs. 1030, 1031, 1050). Durch die Nutzung auch der unvollständigen Messungen erzielt SHEYNBLAT eine Verbesserung der anfänglichen Positionsschätzung (Abs. 1032, 1036, 1074). Für die anfängliche grobe Positionsschätzung könne die genaueste verfügbare Schätzung verwendet werden (Abs. 1030, 1032, 1034). In der Teilnehmerstation könnten Positionsinformationen von Basisstationen gespeichert sein (Abs. 1086).
191
Es kann dahinstehen, ob der Fachmann der Druckschrift SHEYNBLAT unmittelbar und eindeutig die Merkmale 22.2.2 bis 22.2.5, 22.2.6, 22.2.6.1, 22.2.6.2 und 22.3 entnehmen kann. Denn jedenfalls sind die Merkmale der Merkmalsgruppe 22.4, die sich mit der Aktualisierung der in der Teilnehmerstation gespeicherten Datenstruktur befassen, aus SHEYNBLAT nicht bekannt.
192
e) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K9/KOORAPATY. |
193
KOORAPATY möchte eine genauere Ausgangsposition einer Teilnehmerstation eines drahtlosen Kommunikationsnetzwerks für eine nachfolgende GPS-basierte Positionsbestimmung zur Verfügung stellen (Abs. 0007, 0008, 0011). Nach einem Ausführungsbeispiel (Abs. 0017, 0021 – 0026; Ansprüche 20 bis 24) empfängt die Teilnehmerstation im Bereitschaftsmodus Signale der aktuellen und der benachbarten Zellen. Die Teilnehmerstation ermittelt zu bestimmten Zeiten (Abs. 0008) mit Hilfe ihres integrierten GPS-Empfängers ihre jeweilige genaue Position (Abs. 0022) und misst zudem, mittels ihres Mobilfunk-Empfängers, die Empfangssignalstärken und die Signallaufzeiten auf den Kontrollkanälen. Diese Daten werden in der Teilnehmerstation abgespeichert (Abs. 0022). Zu einem späteren Zeitpunkt kann die Teilnehmerstation für Anwendungen, die keine GPS-Genauigkeit benötigen, ihren Standort auch ohne GPS-Empfänger relativ genau bestimmen, indem sie unter Berücksichtigung der dann gemessenen Empfangssignalstärken auf den genannten Kontrollkanälen den Referenzstandort aus der Datenbank ausliest (Abs. 0025; Anspruch 20). Bei mehreren ausgelesenen Referenzstandorten können diese entweder gemittelt (Anspruch 21) oder einer von ihnen ausgewählt werden (Anspruch 22). Bei der letztgenannten Variante liest der Fachmann mit, dass derjenige Referenzstandort ausgewählt wird, der hinsichtlich der gespeicherten Empfangssignalstärken und Signallaufzeiten die größte Übereinstimmung mit den aktuell gemessenen Werten aufweist. Der so ermittelte genauere Referenzstandort kann als Ausgangsposition für eine nachgelagerte Standortbestimmung mittels GPS-Empfänger genutzt werden (Anspruch 24).
194
Es kann dahinstehen, ob der Fachmann KOORAPATY die Merkmale 22.2.3 bis 22.2.5, 22.2.6, 22.2.6.1 und 22.2.6.2 unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (Fig. 1; Abs. 0008, 0014, 0017, 0020; Ansprüche 20, 22, 24). Jedenfalls offenbart KOORAPATY nicht die Merkmale der Merkmalsgruppe 22.4.
195
f) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K11/ALANEN. |
196
ALANEN schlägt vor, dass eine Teilnehmerstation eines Drahtloskommunikationsnetzwerks den Standort der mit der Teilnehmerstation kommunizierenden Basisstation als Startwert für eine nachfolgende GPS-Positionsbestimmung verwendet, um diese zu beschleunigen. Der Standort kann in einer Datenbank des Netzwerks gespeichert sein (Abs. 0022; Fig. 1, 3). Nach einem Ausführungsbeispiel übermittelt die Basisstation ihre Identität an die Teilnehmerstation, die prüft, ob sie korrespondierende Positionsdaten gespeichert hat. Falls nicht, sendet die Basisstation ihr diese zu, unter Rückgriff auf die im Netzwerk gespeicherte Datenbank (Abs. 0030, 0031). Bei einem bewegungsbedingten Wechsel der Basisstation wird die Ausgangsposition für eine nachfolgende GPS-Positionsbestimmung angepasst. Dafür kann entweder der Standort der aktuellen Basisstation (Abs. 0032) oder beispielsweise der geometrische Mittelpunkt zwischen der vorherigen und der aktuellen Basisstation verwendet werden (Abs. 0033). In einem Mobilfunksystem wie CDMA, in welchem eine Teilnehmerstation gleichzeitig mit mehreren, z. B. drei Basisstationen kommuniziert, kann die Bewegungsrichtung der Teilnehmerstation geschätzt und darauf basierend der Versuch unternommen werden, jene Basisstation auszuwählen, die der Bewegungsrichtung der Mobilstation am nächsten liegt. Beispielsweise bewegt sich die Mobilstation auf eine der drei Basisstationen zu (Abs. 0034).
197
Damit ist bereits fraglich, ob die Positionen der drei Basisstationen drei verschiedene Positionsschätzungen im Sinne der Merkmale 22.2.1 und 22.2.2 darstellen. Jedenfalls wird zu den verschiedenen Positionen nicht jeweils eine Positionsunsicherheit, etwa eine Zellgröße, in der Datenstruktur gespeichert, so dass auch kein Vergleich verschiedener Positionsschätzungen anhand der jeweiligen Positionsunsicherheiten durchgeführt wird. Somit sind jedenfalls die Merkmale 22.2.4, 22.2.5 und die Merkmale der Merkmalsgruppe 22.4 aus ALANEN nicht bekannt.
198
g) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K14/SYRJARINNE. |
199
SYRJARINNE lehrt Aufbau und Pflege einer Datenbank in einer Teilnehmerstation eines drahtlosen Kommunikationsnetzes (Merkmal 22) mit dem Ziel, einem integrierten GPS-Empfänger Assistenzdaten, u. a. die Ausgangsposition der Teilnehmerstation, zur Verfügung zu stellen, um die Empfindlichkeit des GPS-Empfängers zu verbessern und die Signalakquisition zu beschleunigen (Abs. 0020, 0021; Merkmal 22.3). Zum Aufbau der in einem Speicher der Teilnehmerstation abgespeicherten Datenbank wird in einem ersten Schritt die Position der Teilnehmerstation bestimmt, beispielsweise mittels ihres GPS-Empfängers oder mittels WLAN oder Bluetooth. In einem zweiten Schritt wird die Positionsinformation zusammen mit einer Identifikation der Mobilfunkzelle abgespeichert. Nachgelagert kann eine GPS-basierte Positionsbestimmung auf Basis der aus der Datenbank ausgelesenen Ausgangsposition durchgeführt werden (Abs. 0014, 0015, 0020, 0021, 0028, 0045; Merkmale 22.1, 22.2, 22.2.1, 22.2.3
teilweise, 22.2.6, 22.2.6.1, 22.2.6.2
teilweise, 22.3).
200
Wenn die Teilnehmerstation in einer Mobilfunkzelle ihre Position mehrfach ermittelt hat, kann die Positionsinformation so bestimmt werden, dass sie dem Zentrum der Mobilfunkzelle möglichst nahekommt (Abs. 0018, 0022; Figuren 2 bis 7). Neben den Positionsdaten der Basisstationen wird auch der jeweilige Zellradius geschätzt und abgespeichert, dessen Wert ein Maß für die Positionsunsicherheit einer Teilnehmerstation in dieser Zelle darstellt und zugleich ein Abdeckungswert ist, der ein Abdeckungsgebiet (Kreis mit dem Zellradius) anzeigt (Abs. 0023; Merkmale 22.4.1.1, 22.4.1.1.1).
201
SYRJARINNE lehrt auch eine regelmäßige Verbesserung der erzeugten Datenbank hinsichtlich Positionen und Zellradien, beispielsweise dann, wenn eine neu bestimmte Position der Teilnehmerstation außerhalb der zuvor bestimmten Fläche einer Mobilfunkzelle liegt (Abs. 0024, 0077 bis 0082, Fig. 8a, 8b), was als eine Aktualisierung angesehen werden kann (Merkmale 22.4, 22.4.1, 22.4.1.2, 22.4.2).
202
Nicht aus SYRJARINNE bekannt ist die in den Merkmalen 22.2.2, 22.2.3
rest, 22.2.4, 22.2.5 und 22.2.6.2
rest genannte zweite Positionsschätzung.
203
h) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ist auch neu gegenüber K18/VAN DIGGELEN. |
204
VAN DIGGELEN offenbart das Ableiten einer ersten Positionsschätzung einer Teilnehmerstation eines drahtlosen Kommunikationsnetzwerks aus einem Parameter einer Overhead-Nachricht, das Ableiten einer zweiten Positionsschätzung aus der letzten GPS-basierten Positionsbestimmung, das Einstellen einer Ausgangsposition auf die genauere der beiden Schätzungen und das anschließende Ableiten einer genauen Position der Teilnehmerstation mittels eines integrierten GPS-Empfängers.
205
Die Entscheidung über die Verwendung der ersten oder zweiten Positionsschätzung erfolgt in Abhängigkeit von der Zeit seit der letzten GPS-basierten Positionsschätzung.
206
Die Zuordnung der Zellenidentitäten zur geographischen Position kann von der Teilnehmerstation von einem Hilfsserver des Netzwerks bezogen und als Nachschlagetabelle in einem Positions-Cache der Teilnehmerstation gespeichert werden. Im Laufe des Betriebs der Teilnehmerstation wird die Nachschlagetabelle sukzessive befüllt. Alternativ dazu kann der Positions-Cache der Teilnehmerstation von vorneherein mit den Informationen eines Netzwerkbetreibers befüllt sein. Periodische Aktualisierungen können von dem Netzwerkbetreiber oder dem Hilfsserver beispielsweise über das Mobilfunknetz oder über einen neuen Speicherchip zur Verfügung gestellt werden (Fig. 1, 2, 4; Ansprüche 1, 11, 15 bis 18; Abs. 0019 – 0021, 0024, 0027, 0028; Merkmale 22 bis 22.2.5, 22.2.6, 22.2.6.1, 22.2.6.2, 22.3, 22.4.1
teilweise, 22.4.2).
207
Nicht aus VAN DIGGELEN bekannt sind die Abspeicherung von Positionsunsicherheiten gemäß den Merkmalen 22.4.1.1 und 22.4.1.1.1 sowie die Aktualisierung der Datenbank in Antwort auf eine GPS-basierte Positionsbestimmung der Teilnehmerstation gemäß dem Rest des Merkmals 22.4.1 und gemäß Merkmal 22.4.1.2.
208
i) | Auch die übrigen von der Klägerin genannten Druckschriften K10/SOLIMAN, K12/RILEYII, K13/CAMP und K17/MOEGLEIN offenbaren jeweils nicht alle Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1. |
209
j) | Die vorstehenden Ausführungen gelten in entsprechender Weise für den Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Dieser weicht nur hinsichtlich der Nicht-Nennung eines Speicherorts für die Datenstruktur vom Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ab, was für die Beurteilung der Neuheit nicht entscheidungserheblich ist. |
210
6. | Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach Hilfsantrag 1 erweist sich auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (Art. II § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a), Art. 56 EPÜ). |
211
a) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ergibt sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus der Kombination von K14/SYRJARINNE mit K11/ALANEN. |
212
Nach Ansicht der Klägerin werde die Druckschrift K11/ALANEN in Absatz 0013 der Druckschrift K14/SYRJARINNE genannt und durch Referenzieren in deren Lehre übernommen. Da ALANEN nach Auffassung der Klägerin eine Auswahl der genauesten von drei Positionsschätzungen offenbare (Abs. 0034), ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann jedenfalls in naheliegender Weise aus der der Kombination von SYRJARINNE und ALANEN.
213
Die Argumentation der Klägerin greift nicht durch. Gemäß SYRJARINNE (Abs. 0013) ist es aus ALANEN bekannt, in einer Teilnehmerstation eine Datenstruktur zu speichern, die jeweiligen GSM-Mobilfunkzellen-Identifikationen (CGI = Cell Global Identity) eine geographische Position zuordnet, die im weiteren Betrieb der Teilnehmerstation als Ausgangsposition verwendet werden kann, wenn sich die Teilnehmerstation in dem Abdeckungsgebiet einer zuvor abgespeicherten Zelle befindet. ALANEN spezifiziere jedoch nicht, wie die geographischen Informationen geschätzt werden könnten. Dementsprechend beschäftigt sich SYRJARINNE mit Erzeugung, Pflege und Verbesserung bzw. Aktualisierung der geographischen Informationen für die Zellen des Mobilfunknetzes.
214
Von dieser Lehre ausgehend ergeben sich die fehlenden Merkmale 22.2.3, 22.2.4, 22.2.5 und 22.2.6.2 für den Fachmann jedoch nicht in naheliegender Weise. Denn die durch SYRJARINNE bereits erreichte kontinuierliche Verbesserung der Genauigkeiten der Basisstationsstandorte und ihrer Zellradien liefert dem Fachmann keinen Anlass, weitere Positionsschätzungen auf Basis von Positionsunsicherheiten in Betracht zu ziehen. Dabei ist zu beachten, dass in einem Mobilfunknetz regelmäßig Basisstationen mit kleineren Zellradien hinzugefügt werden, um eine höhere Kapazität zu erreichen. Dies führt nach dem in SYRARINNE gelehrten Vorgehen zu einer immer genaueren Ausgangsposition für die Teilnehmerstationen. Insofern offenbart SYRJARINNE eine in sich geschlossene Lehre.
215
Die in Absatz 0034 von ALANEN beschriebene Auswahl der Ausgangsposition einer Mobilstation auf der Grundlage einer Schätzung der Bewegungsrichtung der mit drei CDMA-Basisstationen in Kontakt stehenden Mobilstation durch Auswahl derjenigen Basisstation, auf die sich die Mobilstation zubewegt, erfüllt nicht die Merkmale 22.2.4, 22.2.5, denn gemäß ALANEN wird nicht die Basisstation mit der geringsten Positionsunsicherheit, also mit dem geringsten Zellradius, ausgewählt, sondern diejenige, auf deren Standort sich die Teilnehmerstation, errechnet aus der zuvor ermittelten Bewegungsrichtung, zu bewegt, unabhängig von den jeweiligen Zellradien der drei Basisstationen. Daher werden gemäß ALANEN auch keine Positionsunsicherheiten in der Datenbank gespeichert, wie von den Merkmalen 22.4.1.1 und 22.4.1.1.1 gefordert.
216
b) | Da, wie dargelegt, der Fachmann ausgehend von K14/SYRJARINNE keinen Anlass hat, weitere Positionsschätzungen in Betracht zu ziehen, gelangt er auch nicht durch deren Kombination mit einer der Druckschriften K5/RILEY oder K18/VAN DIGGELEN, die jeweils zwei Positionsschätzungen gemäß den Merkmalen 22.2.4 und 22.2.5 zeigen, in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1. |
217
c) | Der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ergibt sich für den Fachmann ferner nicht in naheliegender Weise ausgehend von K5/RILEY unter Berücksichtigung von K14/SYRJARINNE oder einer anderen Druckschrift. Wie zur Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 dargelegt, sind die Merkmale 22.4.1, 22.4.1.2 und 22.4.2 aus K5/RILEY nicht bekannt. |
218
aa) Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich zwar für den Fachmann kein konkreter Anlass, die in RILEY vom Fachmann mitzulesende Datenbank, in der Mobilfunkzellen-Identifikationen mit zugehörigen Positionen und Positionsunsicherheiten abgespeichert seien, zu aktualisieren. Dem Fachmann sei jedoch bewusst, dass die in Absatz 1047 von RILEY erwähnten „bekannten geographischen Gebieten“ Schwankungen unterlägen und dass daher eine implizite Veranlassung bestehe, eine fortlaufende Aktualisierung der vom Fachmann mitzulesenden Datenbank vorzusehen, wie aus den Druckschriften K14, K12, K8, K9 und K17 bekannt sei.
219
Diese Argumentation der Klägerin greift nicht durch.
220
bb) Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 20 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH GRUR 2010, 407 Rn. 17 – einteilige Öse; BGH GRUR 2018, 716).
221
Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an der Erkennbarkeit des technischen Problems. So beschreibt RILEY hinsichtlich der ersten Positionsschätzung schwerpunktmäßig Verfahren, etwa TOA, TDOA, AOA und RTD, die jeweils auf der Auswertung physikalischer Eigenschaften von aktuellen Mobilfunksignalen beruhen (Abs. 1017 – 1019, 1026, 1030, 1031, 1034, 1037; Ansprüche 2 bis 7), wohingegen eine in der Teilnehmerstation gespeicherte Datenstruktur zur Abspeicherung von Mobilfunkzellen-Identifikationen mit zugehörigen Positionen und Positionsunsicherheiten vom Fachmann – wie zur erteilten Fassung des Streitpatents ausgeführt – nur mitgelesen wird (RILEY, Abs. 1047, Anspruch 30). Durch die bei RILEY im Vordergrund stehende Auswertung aktueller Mobilfunksignale ergibt sich für den Fachmann keine Veranlassung, eine – in RILEY ohnehin nicht explizit genannte – Datenbank zu aktualisieren, auch wenn ein solches Vorgehen aus K14 (Abs. 0076), K12 (Abs. 0033), K17 (Abs. 0127) oder K18 (Abs. 0021) bekannt ist. Damit ergeben sich die Merkmale 22.4.1, 22.4.1.2 und 22.4.2 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise ausgehend von K5/RILEY in Kombination mit einer der genannten Druckschriften.
222
cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass – wie die Klägerin argumentiert – die Notwendigkeit der fortlaufenden Aktualisierung von Datenbanken dem Fachmann als solche bekannt war.
223
Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt nämlich noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (BGH GRUR 2018, 716 Rn. 28 – Kinderbett; GRUR 2009, 743Rn. 37 – Airbag-Auslösesteuerung; BGH, Urteil vom 21. Juli 2022 , X ZR 82/20 – Leuchtiode, juris). Nach dem in der Rechtsprechung anerkannten, von der Klägerin in Bezug genommene Grundsatz, kann eine Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung, die als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, bereits dann bestehen, wenn es für die Anwendung dieser Lösung zwar kein konkretes Vorbild gibt, die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang sich aber als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 2014, 647 –; Farbversorgungssystem; BGH GRUR 2018, 716, Rn. 29 – Kinderbett; GRUR 2020, 1074, Rn. 49 – Signalübertragungssystem; GRUR 2021, 1277, Rn. 47 – Führungsschienenanordnung).
224
Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil der Fachmann bei RILEY, wie dargelegt, schon nicht das Problem einer zu aktualisierenden Datenbank erkennt. Insofern hat es für den Fachmann auch nicht nahegelegen, das allgemeine Fachwissen, hier die Aktualisierung einer Datenbank, bei der aus RILEY bekannten Teilnehmerstation anzuwenden.
225
d) | Auch ausgehend von K18/VAN DIGGELEN ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise. |
226
Denn die Kontrolle über die Vollständigkeit und Aktualisierung der in dem Positions-Cache der Teilnehmerstation abgespeicherten Datenbank liegt nach der Lehre von VAN DIGGELEN beim Netzwerkbetreiber bzw. beim Betreiber des Hilfsservers (Abs. 0021). Damit ist gewährleistet, dass die geographischen Positionen der Mobilfunkzellenmittelpunkte bzw. der Sendemasten der Zellen korrekt und aktuell sind. Der Fachmann hat daher keinen Anlass, eine davon unabhängige, teilnehmerstationsspezifische Aktualisierung der geographischen Positionen gemäß dem Merkmal 22.4.1 vorzusehen. Auch befasst sich VAN DIGGELEN hinsichtlich der Auswahl der beiden Positionsschätzungen nicht mit der Größe der Mobilfunkzellen, sondern entscheidet anhand der seit der letzten GPS-basierten Positionsbestimmung verstrichenen Zeit. Damit besteht für den Fachmann kein Anlass, die Lehre von VAN DIGGELEN in Richtung der Merkmale 22.4.1.1, 22.4.1.1.1 und 22.4.1.2 zu verändern – auch nicht unter Berücksichtigung der K14/SYRJARINNE, aus der die Berücksichtigung der Zellengröße bekannt ist.
227
e) | Auch mit anderen Kombinationen des verfahrensgegenständlichen Standes der Technik gelangt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 15 nach Hilfsantrag 1, was von der Klägerin auch nicht vorgetragen wurde. |
228
f) | Die vorstehenden Ausführungen gelten in entsprechender Weise für den Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Dieser weicht nur hinsichtlich der Nicht-Nennung eines Speicherorts für die Datenstruktur vom Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 15 nach Hilfsantrag 1 ab, was für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht entscheidungserheblich ist. |
229
g) Die abhängigen Ansprüche nach Hilfsantrag 1 werden von dem unabhängigen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 getragen.
IV.
230
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
231
Die ausgeurteilte Kostenquote entspricht dem Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Parteien. Da der wirtschaftliche Wert, der dem Streitpatent aufgrund des nach Hilfsantrag 1 als schutzfähig verbleibenden Patentgegenstands gegenüber der erteilten weiteren Fassung noch zukommt, um einen erheblichen Teil deutlich reduziert ist, nämlich beschränkt auf die Ausgestaltung der ersten Positionsschätzung gemäß den Merkmalen 22.2.6.1 und 22.4.1.1 sowie auf die Aktualisierung der Datenstruktur gemäß den Merkmalen 22.4.1, 22.4.1.1.1, 22.4.1.2 und 22.4.2, ist das Unterliegen der Beklagten mit 80 % und dementsprechend der Klägerin mit 20 % zu bewerten.
232
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.